#1

RE: Nordwestliches Hügelland

in Dreitan - das Spiel 29.12.2011 01:33
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Als Nordwestliches Hügelland wird gemeinhin das Gebiet westlich vom Kleinen Meer und der Stadt Nurmen bezeichnet. Es ist eine recht wilde Gegend, die immer wieder von Schluchten, Hügeln oder schroffen Bergzacken durchbrochen wird. Zwischen den Waldflächen erstrecken sich immer wieder steinige Ebenen, auf denen kaum Erde liegt, sodass trotz genügend Regen nur Flechten, Gras und einige verkümmerte Büsche wachsen. Wo das Hügelland im Osten zu den Drei Fingern und dem Nordfjord abfällt leben Menschen, die sich grösstenteils zum "Bund der Klippenstädte" zusammengeschlossen haben. Im Osten hingegen laufen die Hügel langsam in einem dichten Wald aus, der das ganze Westufer des Kleinen Meers bedeckt, auch dieser Teil ist besiedelt. Doch im Zentrum des Hügellandes traf man sehr lange nur auf einige verrückte Einsiedler. Seit Nurmen dem Klippenbund den Krieg erklärte, hat sich das etwas geändert.

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Jahr 295, Winter

Das Heerlager war tief in den Hügeln verborgen, die zusammen mit dem Wald einen natürlichen Schutz gegen Angriffe bildeten. Der Krieg dauerte nun schon drei Jahre und war eine festgefahrene Sache, daher hatte sich die Mühe gelohnt, das Lager richtig zu befestigen, mit einem Wall, einer Palisade aus Stämmen und einem Graben. Einige Hölzerne Wachtürme ragten darüber auf. Die Wachen frohren dort jetzt wohl erbärmlich, denn in dieser Höhe pfiff der kalte Wind ungebremmst und trieb ihnen den Schneestaub von den umliegenden Hügelkämmen ins Gesicht.
Die Wachen waren jedoch nicht die einzigen, die frohren. Ein kleines Mädchen, das sich auf dem vor einigen Tagen von den Soldaten getretenen und schon wieder mit einer dünnen Schicht Neuschnee bedeckten Pfad vorwärts kämpfte, hatte mindestens ebenso kalt. Sie war zwar weniger dem Wind ausgesetzt, dafür war ihre Kleidung so erbärmlich, dass sie fast ebenso gut nichts hätte tragen können. Hemd und Hose waren völlig zerschlissen und der Umhang hatte so viel Löcher, als man versucht, damit ein Feuer zu löschen. Das einzige, was noch halbwegs warm gab, waren die dünnen Schuhe, die sie mit Stroh ausgestopft hatte und die Wolldecke, die sie um sich geschlungen hielt.
Und trotzdem hätte sie gelacht vor Freude, als sie endlich die Palisaden vor sich sah, hätten nicht ihre Zähne zu sehr geklappert. Fast ein halbes Jahr hatte sie gebraucht. Ein halbes Jahr, in dem sie nicht nur einmal mehr tot als lebendig gewesen war, vor Hunger, vor Kälte oder vor Angst. Doch nun war sie endlich hier. Und sie wusste, ihr Vater war auch hier. Erst einmal im Kriegsgebiet war sein Name wie ein Zauberwort gewesen. Jeder hatte ihr sagen können, wohin sie gehen musste. Ihr Vater musste wirklich ein grosser Krieger sein, dass er so bekannt war.
Zitternd stand sie nun vor dem Tor, das eben geöffnet wurde, um einen Trupp zum Wasser holen loszuschicken. Sie versuchte, an ihnen vorbei nach drinnen zu gelangen, doch eine der Torwachen packte sie kurzerhand an den Haaren und hielt sie fest. "He, Balg, was hast du da draussen gemacht? Moment. Du gehörst gar nicht zu den Gören hier im Lager. Was willst du hier."
"Ich muss zu Darez Raven", sagte sie kaum hörbar.
Der Mann sah sie befremdet an. "Und wozu?"
"Ich habe eine Botschaft für ihn." Eine Botschaft öffnete einem die meisten Türen, das hatte sie gelernt im letzten halben Jahr.
"Worauf wartest du dann noch?", rief der Soldat, liess sie los und gab ihr einen Stoss, der sie ins Lager stolpern liess.


If you're going through hell, keep going.
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#2

RE: Nordwestliches Hügelland

in Dreitan - das Spiel 16.04.2012 23:44
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Das Heerlager war ein ziemliches Chaos. Viele Soldaten hatten ihre ursprünglichen einfachen Zelte zum Schutz gegen die Kälte in Baracken aus Holz umgewandelt, bei denen die Zeltplane nur noch das Dach bildete, sodass jedes anders Aussah. Ihr Vater nicht. Sein Zelt war noch immer nur Zelt, fleckig, vergilbt und an den Säumen voller Matsch. Allerdings hatte jemand einen kleinen Graben darum gegraben und mit Holz verstärkt, damit das Wasser nicht hinein floss. Sie stieg darüber hinweg und versuchte an die Zeltplane zu klopfen, doch das gab natürlich kein Geräusch. Also sagte sie so laut und deutlich sie es noch vermochte: "Darez Raven?"
Eine Weile herrschte Stille, dann antwortete eine Stimme: "Ja?"
Ihr Herz klopfte schnell. Sie schlug die Überlappende Plane beiseite und betrat das Zelt. Drinnen war es erstaunlich warm, denn ein Kohlebecken stand in der Mitte.
"Was ist?", erklang die Stimme abermals. Sie kam aus dem hinteren Bereich des Zeltes. Dort stand eine Pritsche und darauf lag der Sprecher, doch in dem schwachen Schein der Glut konnte sie nur seine Stiefel erkennen, der Rest verschwand in der Dunkelheit.
"Ihr seid Darez Raven?", fragte sie zittrig.
"Ja, so nennt man mich", kam die Antwort, "Was ist los? Wer bist du?"
Sie holte tief Luft, atmete langsam aus und sagte: "Ich bin deine Tochter."
Eine Weile herrschte Stille. Dann kam eine Frage: "Wie kommst du auf die Idee?"
"Ich weiss es. Du warst vor sieben Jahren in einem Dorf namens Derni..."
"Ich war vor sieben Jahren an vielen Orten", unterbrach er, doch sie liess sich davon nicht beirren. "Du hast euch dort mit einer Frau eingelassen, einer Bauertochter, mit braunem Haar und Sommersprossen und dem Namen Edra. Du hast ihr den Kopf verdreht und warst mehrere Tage bei ihr. Das Resultat dieser Tage bin ich."
Sie hörte, wie er sich auf dem Bett aufsetzte. "Tatsächlich, an diese Frau erinnere ich mich. Steh mal ein bisschen ins Licht, Mädchen."
Sie gehorchte und trat an die Feuerschale heran. Sie spürte, wie die unsichtbaren Augen sie musterten, dann ertönte wieder die Stimme. "Sieht aus, als wärst du wirklich meine Tochter. Aber warum kommst du zu mir?"
"Meine Mutter ist gestorben."
"Na und? Wie kommst du auf die Idee, dass ich dich aufnehme?"
"Du bist mein Vater!", sagte sie empört.
"Und jetzt? Was kümmert mich das?"
Sie spürte, wie sie wütend wurde. Richtig wütend. "Was dich das kümmert? Du hast mich verdammt nochmal in diese Welt gesetzt, also musst du verdammt nochmal auch für mich Sorgen, bis ich alt genug bin. Du musst die Verantwortung für deine Taten überrnehmen, auch wenn du einen absoluten Scheiss gemacht hast, oder du bist nicht besser als der erbärmlichste Hund in der Gosse Nurmens!"
Er lachte rauh. "Das klingt tatsächlich nach meiner Tochter. Erst sieben und flucht schon wie eine Hexe. Gut, von mir aus kannst du bleiben. Aber das Leben im Heerlager ist kein Spass, es ist anstrengend und ungemütlich, die meiste Zeit ist es entweder kalt oder nass oder sonstwas hässliches. Ausserdem sind die Leute unflätig und saufen und prügeln die ganze Zeit. Bist du sicher, dass du nicht doch lieber in dein Dorf zurückgehst?"
Sie reckte den Kopf. "Natürlich. Ich habe sieben Jahre in dem Kaff verbracht, wenn ich da wieder hinmuss sterb ich vor Langeweile."
Er lachte wieder, dann wurde ernst. "Wenn du dir so sicher bist. Aber etwas gibt es, das musst du noch wissen. Die anderen da draussen wissen es alle nicht, aber ich will fair zu dir sein, deshalb sage ich es dir. Ich bin kein Mensch wie deine Mutter."
"Natürlich", antwortete sie. "Du bist ein Krieger."
"Das meine ich nicht. Ich bin gar kein Mensch. Ich bin ein Dämon."
Mit diesen Worten schwang er die Beine von der Pritsche und beugte sich vor, sodass sein Gesicht ins Licht trat. Sie konnte ihn nur mit offenem Mund anstarren. Ein Dämon. Sie betrachtete sein schwarzes, langes Haar, seine blasse Haut, die dunklen Augenbrauen. Er sah genau so aus wie sie, nur seine Augen waren dunkler. Immer noch brachte sie kein Wort heraus.
"Nun, willst du immer noch hierbleiben, nun, da du es weisst?", fragte er sie.
Sie brauchte einen Moment, um ihre Fassung wieder zu gewinnen, dann antwortete sie: "Ja. Denn wenn du ein Dämon bist, dann bin ich auch einer."


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#3

RE: Nordwestliches Hügelland

in Dreitan - das Spiel 17.04.2012 13:53
von Úrakantôr | 2.898 Beiträge

(Ich kommentiere diesen Beitrag einfach mal, wenn das okay ist...manchmal denk ich echt ich sollte einen extra Kommentier-Thread öffnen^^
-zuerst einmal zwei sprachliche sachen du hast euch ... eingelassen (wieso nicht du dich)
und steh mal ein bisschen ins licht (nicht geh?)
-Dann würde es mich interessieren, wo Ro mit sieben Jahren solch einen Wortschatz herhat Wird in Nurmen genrell viel so gesprochen oder hat sie sich gern abends in Tavernen rumgetrieben?
- Vielleicht ist Darez ja mein Onkel oder Onkel 2. Grades oder sowas
Edit: Geht ja gar nicht, wenn dann Halbonkel )


And he wondered...how can I protect something so perfect without evil?

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#4

RE: Nordwestliches Hügelland

in Dreitan - das Spiel 18.04.2012 20:50
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

(Das euch war, weil ich mir zuerst nicht einig war, ob sie ihn mit du oder Ihr anspricht.
Gelegentlich vor Tavernen zu sitzen und denen zuzuhören, die rauskommen genügt auch.)

Am nächsten Morgen erwachte Ro von einem lauten Klirren. Sie schoss von dem behelfsmässigen Bett auf, das ihr Vater noch am Abend organisiert hatte, zusammen mit einem Bündel schwarzer, robuster Kleider, die ihr nicht allzu viel zu gross waren. Sie sah sich verwirrt um und sah ihren Vater mit dem Säbel in der Hand neben dem Kohlenbecken stehen. "Wach?", fragte er und ein angedeutetes Grinsen lag auf seinem Gesicht. Sie nickte und stand auf.
Gemeinsam gingen sie zum Essenszelt. Während sie für den Morgenbrei anstanden, sah Ro die Soldaten an. Die meisten trugen geflickte Hosen, Stiefel und gepolsterte Jacken gegen die Kälte. Ihr Vater war der einzige, der eine Rüstung und Waffen trug, ein Harnisch aus dunkelbraunen Lederplatten und ein langer Säbel, der ihm von der Hüfte hing. Sie bemerkte bald, dass die anderen Soldaten ihn zum Teil recht merkwürdig ansahen. Zum Teil bewundernd, aber vorallem mit dem Blick, den Ro selber kannte, mit dem die anderen Kinder in Derni sie immer angesehen hatte. Sie wussten nicht, dass Darez Raven ein Dämon war, aber sie wussten, dass er irgendwie anders war.
Ro wurde schnell klar, dass sie ihrem Vater wirklich sehr ähnlich sah. Wenn die Soldaten sie bemerkten, runzelten sie zuerst die Stirn, dann sahen sie von ihr zu Darez und zurück und machten grosse Augen. Auch der Mann, der den Brei ausschöpfte sah sie zuerst mit zusammengezogenen Augenbrauen an, weil sie als Kind nichts beim Essenfassen der Soldaten zu suchen hatte, dann sah er Darez' Hand auf ihrer Schulter, blickte auf und der Mund blieb ihm offen stehen. Er war so perplex, dass der Brei von seinem Schöpflöffel neben die Schale tropfte. Darez hob eine Augenbraue und der Mann füllte schnell Ro's Schale.
Sie traten aus dem Essenszelt und setzten sich auf einen Zaun, der einige Ziegen einhagte, um zu Essen. "Da können sie starren", sagte Darez. "Warum?", fragte Ro. Darez grinste. "Weil sie damit zuletzt gerechnet hätten. Dass ausgerechnet der Rabe eine Tochter hat."


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#5

RE: Nordwestliches Hügelland

in Dreitan - das Spiel 18.04.2012 21:29
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Nach dem Essen kehrten sie zurück zum Zelt. Darez begann in einer Kiste herumzuwühlen. Schliesslich zerrte er etwas hervor und hielt es triumphierend hoch. Erst als er es Ro entgegenhielt, erkannte sie, was es war. Ein Säbel wie sein eigener, nur etwas kürzer, mit einer ledernen, metallbeschlagenen Scheide an einem Gürtel. "Umschnallen", sagte er. Sie gehorchte. Der Gürtel reichte fast zweimal um sie herum und die Spitze des Säbels schleifte am Boden nach. Er musterte sie. "Gut", sagte er. "Komm mit."
Sie gingen durch das Lager zu einem freien Platz zwischen den Zelten. Auf der einen Platzhälfte schossen einige Bogenschützen auf Zielscheiben, die andere Hälfte war leer. "Der Trainingsplatz", sagte Darez. Er sah Ro blitzend an. "Wenn du dich die Tochter von Darez Raven nennen willst, dann musst du kämpfen können wie Darez Raven."
Sie traten in die Mitte der freien Fläche. Darez zog seinen Säbel. Die Wintersonne glitzerte auf den Symbolen, die darauf eingeprägt waren. "Los", sagte er und nickte zu Ro's Säbel. Sie zog ihn vorsichtig mit der rechten Hand. Die Klinge sah sehr scharf aus. Sie probierte es mit dem Finger aus und schnitt sich prompt. Alarmiert sah sie zu Darez auf. "Mit scharfen Waffen? Ist das nicht viel zu gefährlich?"
"Nein, ist es nicht", antwortete Darez mit einem schiefen Lächeln. "Ich bin gut genug, um die Klinge zu stoppen, bevor ich dich verletze. Und du bist nicht gut genug, um mich überhaupt zu treffen."
Er trat einen Schritt von ihr weg. "Sieh zu", sagte er. Er hielt den Säbel locker in der rechten Hand, die Knie leicht gebeugt. Er fixierte einen Punkt in der Luft, dann schnellte er los. Er schlug, schnitt und stach, wie im Kampf gegen eine Horde Feinde. Er duckte sich, sprang, parierte, kickte. Ro stand mit offenem Mund da. Darez tanzte. Jede seiner Bewegungen war präzis und schnell und ging natlos in die nächste über. Schliesslich stoppte er und drehte sich zu ihr um. Er grinste.
"Das will ich auch können", sagte Ro ehrfürchtig. Darez trat auf sie zu und hob ihre Säbelspitze, die sie hatte zu Boden sinken lassen, mit seiner eigenen an bis sie auf Augenhöhe war. "Das wirst du können", sagte er.


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#6

RE: Nordwestliches Hügelland

in Dreitan - das Spiel 09.06.2012 23:01
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Sie trainierten Wochenlang, jeden Tag, bei jedem Wetter. Darez brachte Ro Angriffe bei, Abwehren, Kontertechniken, Finten, fiese Tricks. Er liess sie gegen ihn kämpfen. Natürlich hatte sie dabei keine Chance. Bald begriff sie, dass das nicht nur daran lag, das sie viel kleiner und schwächer war. Sie war einfach zu langsam. Selbst wenn er ihr sagte, wie er gleich angreifen würde, selbst wenn sie wusste, mit was für einer Technik sie darauf antworten musste, sie schaffte es niemals rechtzeitig. Bis sie registrierte, dass er zum Schlag ansetzte, und den Befehl an ihre eigene Hand gab, den Säbel zu heben, hatte sie bereits seine Klinge am Hals.
Bald schon schien es sich im Lager herumgesprochen zu haben, dass der Rabe, der Spinner, der immer mit seinem Säbel herumlief, und der ohne Helm in die Schlacht zog, seiner Tochter das kämpfen beibrachte, und so standen oft einige Soldaten am Zaun, der den Kampfplatz umgab und sahen ihnen zu. Sie waren neugierig. Zum einen auf das Mädchen, das so plötzlich im Lager aufgetaucht war, das dem Hauptmann so ähnlich sah und von dem niemand wusste, woher es kam. Das merkwürdigste jedoch war, das der Rabe sie bei sich aufgenommen hatte. Natürlich, sie musste seine Tochter sein, aber er war ein abweisender Eigenbrötler, den nur der Kampf zu interessieren schien und der mit niemandem etwas zu tun haben wollte. Nur selten gesellte er sich zu seinen Männern, und wenn er einiges getrunken hatte, erzählte er manchmal komische Dinge, von seinen Reisen auf der Suche nach dem nächsten Krieg. Hinzu kam, dass niemand wirklich etwas über ihn wusste, nur eine Menge Legenden die Runde machten. Zum anderen wollten sie den Kampfstil des Hauptmannes sehen, von dem die wenigsten je mehr gesehen hatte als die Leichen, die er hinterliess und die Breschen, die er in die feindlichen Reihen schlug. Ro war nicht gerade erfreut über die Zuschauer. Es machte ihre offensichtliche Unterlegenheit noch nerviger.
Eines Tages, es war mittlerweile Frühling geworden, kämpften sie wieder, Darez griff sie an und Ro hielt mit eingezogenem Kopf den Säbel vor sich, und hielt ihn anbwechselnd nach links und rechts, um die Schläge abzuwehren, dabei wich sie immer weiter zurück. Plötzlich schlug er die Klinge mit einem starken Schlag zur Seite, machte einen Schritt auf sie zu und vollführte einen Schlenker mit dem Säbel. Ein brennender Schmerz schoss ihr den Arm hinauf.Der Ärmel ihres Hemdes war aufgeschlitzt und darunter prangte ein blutiger Schnitt auf ihrer blassen Haut. Einen Moment lang traten ihr Tränen in die Augen, aber dann wurden sie hinweggespült von etwas ganz anderem: Zorn. Sie wusste dass er es absichtlich getan hatte. Das Blut rauschte in ihren Ohren, als würde es kochen. Sie hörte sich selbst brüllen, dann sprang sie auf ihn zu. Der Säbel in ihrer Hand schnellte wie von selbst nach seiner Kehle. Er fing die Klinge kaum zwei Handbreit bevor sie traf ab, seine Schneide glitt an ihrer entlang auf sie zu, doch sie duckte sich, riss den Säbel zurück und stach mit der Spitze nach seiner Brust. Er schlug den Angriff zur Seite und zog die Klinge hoch zu ihrem Hals. Sie erstarrte, als sie die Kälte des Metalls spürte.
Langsam liess er den Säbel sinken.
"Das war gut", sagte er, und sah ihr dabei in die Augen. Es war das erste wirkliche Lob, das er ihr gab. Sie hob den Säbel an, um eine weitere Runde zu kämpfen, aber er schob seinen in die Scheide und sagte: "Genug für heute." Aus irgendeinem Grund ärgerte sie das. Sie wollte weiterkämpfen. Sie musste sich richtig anstrengen, den Säbel wegzustecken und ihm zur Pferdetränke hinüber zu folgen. Er trank einige Schlucke, von der Leitung, aus der das Wasser in das längliche Becken hinunterplätscherte. Dann fragte er: "Was hast du diesmal anders gemacht als sonst?"
Sie antwortete nicht. Sie sah ihn nur an. Ihre Finger zuckten im Verlangen, nach dem Säbel zu greifen. Das Blut in ihren Ohren rauschte noch immer und die Sicht auf ihren Gegner war ungewöhnlich scharf, während alles ringsumher verschwamm, unwichtig wurde. Sämtliche Muskeln in ihrem Körper waren bereit zu springen, anzugreifen. Doch bevor sie etwas tun konnte, hatte er ihren Kopf an den Haaren gepackt und unter Wasser gedrückt. Es war eiskalt. Sie zappelte, um sich zu befreien, aber sie kam nicht gegen ihn an. Dann liess er sie los. Sie stiess sich nach Luft ringend vom Brunnen weg und fiel hin. Das kalte Wasser lief ihr in den Kragen und den Rücken hinunter. "Was soll das?", fragte sie empört.
"Dich abkühlen", sagte Darez ungerührt. "Also, was hast du heute anders gemacht."
Sie dachte widerwillig nach. "Ich weiss nicht."
"Genau", sagte Darez. "Weil du nicht nachgedacht hast."
"Tut mir leid, ich...", begann sie, aber er unterbrach sie. "Das war genau richtig."
"Was?", sie sah ihn gross an.
Er reichte ihr die Hand und zog sie auf die Füsse. Dann erkllärte er mit gedämpfter Stimme, sodass ihn weder die Bogenschützen auf der anderen Platzseite noch die Zuschauer, die sich allmählich zerstreuten, hören konnten: "Du sollst nicht denken beim Kämpfen. Du trägst Dämonenblut in dir, und nicht allzu wenig, wenn man dich ansieht. Dein Körper weiss längst, wie man kämpft. Überlass ihm, deinem Instinkt, deinen Gefühlen die Kontrolle, und du wirst besser sein, als was die meisten Menschen jemals mit erlernter Technik zustande bringen können."
Sie nickte und er liess sie los. Verwundert bemerkte sie, dass der Drang, ihn anzugreifen, verschwunden war. Denn er war Feuer gewesen. Und Feuer wird mit Wasser gelöscht.


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#7

RE: Nordwestliches Hügelland

in Dreitan - das Spiel 16.08.2012 18:46
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Herbst des Jahres 278

Ro sass im Zelt und kratzte mit einem Stück Holz das Blut von ihrer Rüstung. Darez sass neben ihr und tat das selbe, wie nach jeder Schlacht. Es war nicht ihre erste Schlacht gewesen, auch nicht ihre zweite oder dritte, aber die wievielte konnte sie nicht mit Bestimmtheit sagen. Seit dem letzten Winter kämpfte sie mit. Darez hatte nur wenige Worte gebraucht, um den Kommandanten dazu zu überzeugen, sie in die Söldnerliste aufzunehmen. Das lag zu einem Teil daran, dass der Kommandant sie kämpfen gesehen hatte, zu einem anderen, dass Darez ihr Vater war, und es somit in seiner Verantwortung lag, ob er seine Tochter aufs Schlachtfeld laufen lassen wollte, aber vermutlich ausschlaggebend gewesen war die Tatsache, dass Darez Raven Darez Raven war.
Ro hatte bald begriffen, dass Darez eine Art Sonderstellung einnahm. Er war Hauptmann, aber das war es nicht, was ihn von den anderen abhob. Er war eine lebende Legende. Den Raben, nannten sie ihn, und manchmal auch den Tod. Sie bewunderten ihn und fürchteten ihn gleichermassen, und hatten auch guten Grund zu beidem. Er war ein Krieger wie kein zweiter, wo er kämpfte hinterliess er eine Schneise des Todes. Und er war aufbrausend und ungeduldig, ein Mann, der den Kampf geradezu suchte, nein, verlangte. Ein Mann, dem man sich besser nicht in den Weg stellte.
Seither kämpfte sie in Haupmann Raven's Sturmtruppe. Darüber hatte es nie auch nur den Hauch einer Frage gegeben. Hauptmann Raven's Sturmtruppe, unter den anderen Soldaten fast so legendär wie ihr Anführer. Sie waren nicht die besten Krieger, nicht die erfahrensten oder bestausgerüsteten. Sie waren die wildesten. Ein dreckiger, fluchender, undisziplinierter Haufen, der sich nichts und niemandem gegenüber verplichtet sah, ausser einem: ihrem Hauptmann. Es waren die Soldaten, die in den anderen Regimentern durch Ungehorsam und Respektlosigkeit gegenüber den Vorgesetzten aufgefallen waren. Darez Raven gehorchten sie und Respekt forderte er keinen. Darez hatte diese Männer im Griff und führte sie in die Schlacht wie eine einzige, brüllende Waffe, die kein anderes Ziel kannte als töten. Und sie war ein Teil von ihnen. Der jüngste Söldner, der jemals in der Armee Nurmens gekämpft hatte.


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#8

RE: Nordwestliches Hügelland

in Dreitan - das Spiel 17.08.2012 15:33
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Schritte kamen auf das Zelt zu. Irgendetwas an den Schritten liess sie aufhorchen. Es waren nicht die schweren Tritte eines Soldaten mit beschlagenen Stiefeln, und auch nicht die fast rennenden eines Botenjungen. Sie blickte auf. Auch Darez hob den Kopf. Die Schritte blieben vor der Zeltplane stehen. "Darez?", fragte eine kalte Stimme.
Darez erstarrte augenblicklich. Er stand auf, streifte sich die Rüstung über und befesstigte mit einer Hand in weniger als zwei Atemzügen die Riemen, während er ihr mit der anderen bedeutete, sich in den hinteren Teil des Zeltes zurückzuziehen, wo das Licht vom Eingang her nicht hinreichen würde. Sie gehorchte ohne nachzufragen und kauerte sich im Schatten einer Truhe zusammen.
"Darez?", rief die Stimme abermals. Er richtete sich ganz auf. "Wer da?"
Die Stimme schnaubte. Dann sagte der Mann scharf: "Du weisst wer. Lass mich rein."
"Dann komm doch einfach rein", entgegnete Darez.
Die Zeltplane schlug auseinander und ein hochgewachsener Mann trat ein. Seine langen, zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen Haare waren rabenschwarz, seine Augen dunkel und seine Haut so blass wie die von Darez. Als sich die Plane hinter ihm schloss und er stattdessen in den Schein der Laterne trat, erkannte Ro, dass er Darez auch sonst glich. Dieselben schwarzen, dichten Augenbrauen, derselbe Knick in der Nase. Und er war genauso gross wie Darez. Er trug schwarze, feine Kleidung und hohe Stiefel.
"Vakra", sagte Darez sehr kühl.
"Darez", antwortete Vakra im selben Tonfall.
"Was machst du hier?", fragte Darez, und diesmal klang es fast feindselig.
"Dich zur Vernunft bringen", sagte Vakra, während er den Blick abfällig über die Gegenstände im Zelt schweifen liess.
Darez Stimme wurde zwei Töne tiefer und gefährlich ruhig. "Ich brauche deine Vernunft nicht."
Ein süffisantes Lächeln spielte um den Mundwinkel des anderen Dämonen - denn dass es ein Dämon war, war Ro klar - und seine Nasenflügel blähten sich etwas. "Offensichtlich doch", sagte er. "Du sollst nach Hause kommen."
"Nach Hause?!", rief Darez und seine Stimme überschlug sich beinahe, als könne sie sich nicht entscheiden zwischen Zorn und Spott. "Welches Zuhause? Wo jeder sich irgendwo in einem Loch verkriecht und alle nur krampfhaft versuchen, sich nicht gegenseitig umzubringen? Nein. Ich werde niemals zurückkommen. Ich weiss, warum ich gegangen bin."
Vakra kniff die Lippen zusammen. Wieder blähten sich seine Nasenflügel. "Du kannst nicht unter diesen Ratten hier leben."
"Oh doch", knurrte Darez. "Lieber eine Ratte als einer wie du!" Ro spürte, dass er kurz davor war, auf Vakra loszugehen.
Auch Vakra schien sehr zornig zu sein. Er drehte sich um, starrte wütend ins dunkel des Zeltes - und sah Ro.
"Wer ist das?", zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. "Hältst du dir jetzt schon eine kleine Sklavin?"
"Bin ich du?", fragte Darez schnaubend. "Ich halte keine Sklaven." Ein fast böses Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Wenn du wissen willst, wer sie ist, dann sieh sie an. Komm ins Licht, Ro."
Ro gehorchte, stand auf und trat vor.
Vakra keuchte auf, seine Augen weiteten sich. "Du...du..."
"Ja", sagte Darez und grinste triumphierend. "Ich habe eine Tochter."
Vakra blickte von ihm zu Ro und zurück. "Wie... von wem?"
Darez zuckte mit den Schultern. "Irgendeine Frau in einem kleinen Dorf am Malven."
Vakras Mund klappte auf. "Nein!"
"Doch." Darez' Grinsen wurde breiter.
Vakra schien zu explodieren. "Du hast es mit einer Menschenfrau getrieben?! Kanst du eigentlich noch was anderes, als unserer Familie Schande zu machen?! Hattest du nicht schon genug angerichtet, ohne diesen dreckigen Bastard zu zeugen?!"
"Raus", sagte Darez tödlich ruhig und deutete mit dem ausgestreckten Arm auf die Zeltklappe. "Sofort. Und lass dich nie wieder hier blicken, sonst bringe ich dich um, auch wenn du mein Bruder bist."
Vakra zischte, aber er ging.
Darez liess sich auf die Bettkante fallen. Schliesslich hob er den Kopf und sah Ro an. "Meine Familie", sagte er mit einem schwachen Lächeln. "Schlimmer als ein Nest voller Schlangen."


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#9

RE: Nordwestliches Hügelland

in Dreitan - das Spiel 25.12.2012 23:04
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Jahr 300

Es dauerte fast vier Jahre, bis Varka es wagte wieder aufzutauchen. Diesmal schien er noch viel wütender zu sein. Und diesmal war er nicht allein. Eine Frau kam mit ihm. Sie hatte dieselbe bleiche Haut, dieselben dunklen Augen wie die anderen Dämonen, doch ihr kohlenschwarzes Haar war kurz und sie sah aus, als wäre sie jünger als Darez und Vakra. Als sie das Zelt betraten, folgte sie Vakra wie ein Schatten und stellte sich halb hinter ihn, die Hand auf den Knauf des Säbels gestützt, der an ihrer Hüfte hing. Ro stand auf und stellte sich auf die gleiche Weise hinter Darez. Sie reichte ihm mittlerweile bis ans Kinn und war fast so gross wie die Fremde.
"Warum seid ihr hier?", fragte Darez.
"Um dich endlich nach Hause zu holen", antwortete Vakra.
Darez schüttelte nur den Kopf. "Vergiss es, Vakra. Ich hab geschworen, dass ich niemals zurückkomme."
Vakra schien einen Augenblick mit sich selbst zu ringen, dann explodierte er förmlich. "Verflucht sollst du sein! Denkst du eigentlich irgendwann einmal auch nur einen Hauch an die Familie?! Du hättest niemals geboren werden sollen!"
Darez blieb ruhig, entgegen allem, was Ro erwartet hätte. Gelassen fragte er: "Bist du nur gekommen, um mich zu beleidigen?"
Bevor Vakra dazu kam, etwas zu sagen, trat die Frau vor. Im Licht der Laterne erkannte Ro, dass auch sie irgendwie verwandt sein musste. "Nein", antwortete sie. "Vater schickt uns."
"Der Alte lebt immer noch?", fragte Darez und aus seiner Stimme klang Überraschung genau so wie alter Schmerz.
"Darum geht es", antwortete die Dämonin. "Er will dich für das Rachary."
Für einige Augenblicke senkte sich Totenstille über das Zelt. Vakra schien vor Zorn Funken zu sprühen. Die Frau musterte Darez. Er schwieg. Schliesslich senkte er den Kopf. "Ich verstehe." Und dann sagte er leise: "Sagt ihm, ich werde nicht kommen."
Zum zweiten Mal ging Vakra in die Luft. "Was glaubst du, wer du bist?! Du kannst nicht..."
"Halt dein Maul!", brüllte Darez zurück. "Oder ich bringe dich zum schweigen!"
Seine Hand zuckte in Richtung des Säbels und Vakra wich automatisch einen Schritt zurück. Darez bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick, liess den Säbelknauf los und wandte sich an die Frau. "Sag Vater, er braucht nicht nach dem Sohn zu schicken, der ihn verraten hat." Ein schmerzlicher Ausdruck huschte über sein Gesicht. "Sag ihm, er hat eine Tochter, die es mehr als wert ist, ihn zu besiegen. Ich übertrage den Ruf auf dich, Driss."
Driss schien einmal leer zu schlucken. Dann sagte sie. "Ich nehme ihn an."
Vakra verlor zum dritten Mal die Beherrschung. "Verräter!", brüllte er Darez an und ballte die Fäuste, als wollte er ihm eine reinhauen. "Du bist ein verdammter Feigling, nicht mehr als das! Oder was erhoffst du dir von deinem Trotz? Dass du hier in diesem Drecksloch vor dich hinsiechst, bis dich der Tod holt? Was soll aus dem Säbel werden, wenn du hier verreckst?!"
Darez' Hand legte sich auf den Säbelknauf, als wolle er ihn gegen Vakra abschirmen. "Er wird vererbt", sagte er gefährlich ruhig.
Vakra lachte freudlos. "Ahja? An wen denn? Etwa an den Rattenbastard?"
Darez bewegte sich so schnell, dass selbst Ro mühe hatte, seinen Bewegungen zu folgen, obwohl sie mittlerweile fast genauso gut kämpfte wie er, ihn oft sogar besiegte in ihren Zweikämpfen. Bevor irgendjemand irgendwie reagieren konnte, lag die Klinge seines Säbels an Vakras Hals. "An wen auch immer", zischte er, sprühend vor Hass. "Aber du, du wirst ihn niemals bekommen. Und wenn du noch einmal meine Tochter beleidigst, noch ein einziges Mal, dann bring ich dich mit diesem Säbel um, das schwöre ich!"
Vakra wagte nicht etwas zu sagen. Auf zehenspitzen stand er da und schielte nach unten im Versuch, die Waffe zu sehen, die an seinem Hals lag.
Darez liess die Klinge eine Handbreit sinken. "Und jetzt verschwindet. Alle beide."


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#10

RE: Nordwestliches Hügelland

in Dreitan - das Spiel 31.01.2017 09:58
von Armelion | 4.811 Beiträge

Mitte Mai: Tief unter dem nordwestlichen Hügelland

Die Echse fauchte übel gelaunt. Die vier kurzen Beine sahen eigentlich nicht so aus, als ob sie den massigen Körper nach vorne tragen könnten, doch das Tier kletterte überraschend behände die Klippen hoch. Die dunkelhaarige Reiterin klammerte sich mit den Beinen um den Hinterkörper der Echse. Als sich die Echse nach links drehte und zu einem Sprung ansetzte, klemmte eine Schuppe ein Stück Haut ein, was der Reiterin einen derben Fluch entlockte. Sie schlug ihm mit der Faust auf den Kopf und die Echse kletterte wieder langsamer. Die Klauen des Achgaer gruben sich in die kleinsten Spalten. Den Rest des Körpers hielt die Echse fest an den Fels gepresst. Seine Reiterin wusste zwar nicht wie, doch so konnte die Echse selbst ohne seine Krallen an glatten Felsoberflächen haften. Mit flinken Fingern überprüfte sie den Sitz der Schnallen ihres Sattels, bevor die Echse, sie mit ein paar Sätzen zu einen grossen Felsvorsprung trug. Dort legte sich der Achgaer mit einem Grunzen hin und gähnte. Seine Reiterin schnallte sich vom Sattel los und ging um die Echse herum. Mit einer Hand fuhr sie über die Seite der Echse und ertastete dessen Magen. Immer noch dick und vollgefressen. Kein Wunder, dass er keine Lust hatte sich zu bewegen.
"Na mein Guter." murmelte sie leise und fuhr mit der Hand weiter seinem Körper entlang. Vorsichtig überprüfte sie seine Füsse. Am frühen Tag waren sie an einem Obsidianfeld vorbeigekommen. Ihre Finger ertasteten einen kleinen Stein, welcher sich zwischen zwei seiner Zehenschuppen eingeklemmt hatte. Sie zückte ihren Dolch. Mit der Klinge schob sie die zwei Schuppen auseinander, bevor sie den Steinsplitter entfernte. Der Achgaer stiess ein seufzendes Grollen aus. Ein klares Zeichen, dass er zufrieden war. "Wusst ich doch, dass dich was quält.", murmelte die Reiterin und boxte ihm gegen den massigen Hals. Die Reiterin selbst sah aus wie eine junge Frau. Ihr schwarzes Haar hing ihr in einem Rossschwanz bis zu den Schulterblättern runter. Sie lehnte sich gegen die Echse und genoss dessen Körperwärme. Ihre Füsse wurden von zwei hohen Stiefeln umschlossen, die aus der zähen Haut eines Zwergdrehhorns hergestellt worden waren. Die Schuppen waren äusserst resistent gegenüber jedweden Bedingungen. Das einzige Problem war die Jagd auf diese Tiere. Sie waren verdammt zäh und ihre Hörner hinterliessen Wunden, die unmöglich waren zu nähen. Einer ihres Messer bestand aus einem solcher Hörner. Die Klinge war dreischneidig und gedreht. Eine Waffe, welche nur zum Kampf eingesetzt werden konnte. Die junge Frau griff nach dem Beutel an ihrer Seite und schnürte ihn auf. Grausteine, wie sie die kleinen grauen Kugeln nannte, waren sehr wertvoll für die Menschen. Sie liessen sich leicht gegen alles mögliche eintauschen. Alle waren noch drin. Der Knoten hatte sich während ihrer Reise nicht gelöst. Die junge Frau gähnte sodass ihre Ohren knackten und lehnte sich zurück. Ihr Achgaer war bereits eingeschlafen und sie folgte ihm bald nach.
Ein paar Stunden später machten sie sich bereits wieder auf den Weg. Der Achgaer kletterte mühelos die Steinwände hinauf, zwängte sich durch schmale Spalten. Die junge Reiterin hob den Kopf und schnupperte. Die Luft hatte sich verändert, doch es war nichts gefährliches. Sie erkannte keine Gase. Beruhigt liess sie dem Achgaer freie Hand und die Riesenechse erklomm die nächsten Klippen. Bald wäre sie oben. Eine gewisse Anspannung machte sich in ihr breit. Es wäre das erste Mal, dass sie sich in die Oberwelt wagte. Es hiess, dass dort oben Krieg herrschte. Aus diesem Grund waren Reisen an die Oberfläche verboten worden. Mehrere Händler waren verschwunden. Sie würde aber nicht so leicht verschwinden. Ihr Name war Dolien und sie hatte den siebten Stein erreicht. Sie war die jüngste seit 800 Jahren, die dies geschafft hatte. Plötzlich sah Licht. Es war grell und stach in ihren Augen. Ihre Pupillen verengten sich zu Schlitzen und sie bleckte die Zähne. Jetzt wusste sie was mit den Gefahren der Sonne gemeint war. Sie nahm den Lederstreifen und band ihn sich um die Augen. In den Streifen selbst waren zwei kleine Löcher gebohrt worden, die gerade genügend Licht hindurch liessen, sodass ihre Augen nicht geschädigt wurden. Über die Zeit hinweg würde sie die Löcher grösser machen können und am Schluss könnte sie den Lederstreifen ganz weglassen. Ihr Achgaer wurde schneller. Er roch die Pflanzen, die oben waren. Dolien liess ihm freie Hand und hob die Arme triumphierend in die Luft. Endlich hatte sie es geschafft. Drei Tage des Kletterns lagen hinter ihr. Die Echse quetschte sich durch einen weiteren Spalt, bevor er endlich in eine Höhle kam. Das Licht, dass durch den Ausgang fiel, war so gleissend, dass Dolien für den ersten Moment geblendet war. Sie wandte den Kopf ab, doch der Achgaer trug sie hinaus. Sofort stürzte er sich auf einen Busch und riss einen riesigen Bissen von den Ästen ab. Dolien schnallte sich los und schaute sich um. Die Erinnerungen des Traumwanderers schossen ihr durch den Kopf. Büsche, Bäume, Vögel, Tiere. Sie blickte in den Himmel. Die grossen, weissen Flocken mussten Wolken sein. Sie schnupperte erneut. Die Luft war komisch. Anders als sie es sich gewohnt war. Nicht zäh oder mit Spuren von den giftigen Gasen, die manchmal aus der Erde quollen. Es knackte hinter ihr und sie drehte sich zum Achgaer um, welcher den Busch entwurzelt hatte und ihn mit einigen wenigen Bissen verschlang. Seine Schuppen schimmerten gräulich im Licht der Sonne. Die Menschen nannten Echsen wie ihn Eisenfresser. Den Grund dafür kannte sie nicht. Der Achgaer schnupperte den Boden ab, bevor er ein paar rötliche Gesteinsbrocken verschlang und zufrieden grunzte. Dolien lachte leise und legte den Kopf in den Nacken. Diese Reise würde sicherlich interessant werden. Sie bleckte die Zähne und pfiff ihren Achgaer herbei. Noch ein paar Kilometer musste er sie tragen, dann würde sie zu Fuss weitergehen.

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