#11

RE: Nurmen (Handelsstadt im Norden)

in Dreitan - das Spiel 19.04.2015 22:36
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Zwei Tage später schritt Muirgheal eine Gasse entlang, an der sich ein prächtiges Herrenhaus an den anderen reihte. Sie trug einen dunkelblauen Mantel und hatte die Kapuze gegen den leichten Niselregen über den Kopf gezogen, so dass lediglich einige rote Strähnen darunter hervorlugten, darunter ein etwas helleres Kleid mit weitem Ausschnitt und engem Mieder, das beste, das sie im Moment besass. Iri hatte sie bei der Tochter des Wirtes gelassen. Sie bezahlte dem Mädchen ein bisschen Geld, damit sie während der Nächte, in denen sie arbeiten, in ihrem Zimmer schlief und auf ihre Tochter achtgab und ihr Vater hatte sofort eingewilligt, es könne nie schaden, wenn eine junge Frau lerne mit Kindern umzugehen, bevor sie heirate. Ausserdem schien Iri sie zu mögen.
Sie zählte die Häuser, bis sie schliesslich vor dem stand, das er ihr genannt hatte. Es war das prächtigste in der ganzen Strasse und nahm so viel Platz ein wie drei Häuser auf der gegenüberliegenden Seite zusammen, mit einem protzigen Steinfundament und einer geschwungenen Treppe, die zwischen Zierbäumchen und Kletterpflanzen zu einer grossen, zweiflügligen Eingangstüre hinaufführten, flankiert von schlanken, blumengemusterten Säulen, die einen Balkon im ersten Stock trugen. Mit feinen Figuren verzierte Steinträger umrandeten die verglasten Fenster darüber, gemalte Wappen und Pflanzenmuster in blauer Farbe verzierten die Fassade und das Dach war gekrönt von zwei Türmchen mit Kupferdach. Rinnsale von Wasser plätscherten aus Wasserspeiern in der Form von Drachenköpfen. Muirgheal stieg die Treppe hinauf zur Tür und schob sich die Kapuze vom Kopf, als sie unter das Vordach trat. Bewundernd strich sie über die feinen, bronzenen Einlagemuster im dunklen Holz, bevor sie schliesslich nach dem mächtigen Ring griff, der aus einem Löwenmaul hing und zweimal anklopfte.
Nach wenigen Sekunden wurde die Türe geöffnet. Ein junges Dienstmädchen in Rock und Bluse musterte schnell ihre Erscheinung und fragte dann leicht atemlos: "Lady Salome?"
Sie nickte und versuchte sich die Überraschung über das "Lady" nicht anmerken zu lassen.
"Bitte tretet ein", meinte das Mädchen und hielt ihr die Türe auf. "Hier lang."
Sie wurde einen kurzen, hohen Korridor entlanggeführt, an dessen Ende eine ausladende Treppe in die oberen Geschosse führte. Wertvolle Teppiche bedeckten den Boden, an den Wänden hing eine Ahnengalerie, die manchem geviranischen Adelshaus gut Konkurrenz machte. Das Mädchen brachte sie zu einem Raum mit einem Bett und einem grossen Spiegel. "Der Herr möchte ausrichten, dass er es begrüssen würde, wenn Ihr die Garderobe trügt, die er für Euch ausgesucht hat", meinte das Mädchen höflich und deutete auf das Bett, auf dem ein langes Kleid lag. "Ihr sollt Euch soviel Zeit lassen, wie Ihr möchtet. Anschliessend werde ich Euch zu ihm bringen. Wenn Ihr möchtet, kann ich Euch beim einkleiden helfen."
Salome nickte etwas überrumpelt und trat ans Bett. Das Kleid, das dort lag, hatte fast dieselbe Farbe wie ihr eigenes, aber es war viel edler. Schwerer, dunkelblauer Samt, dazwischen fliessende Seide, Bordüren gewebt aus echten Kupfer- und Silberfäden, bestickt, aber nicht überbordend, der Schnitt schlicht und elegant, mit kurzen Ärmeln und einem eng geschnürten Mieder. Sie nahm das Angebot des Dienstmädchens an, obwohl das Kleid einfach selbst anzuziehen war - vermutlich sollte es in erster Linie auch schnell auszuziehen sein und liess sie anschliessend auch über ihre Haare, bevor sie den silbernen Gürtel anlegte und die ellbogenlangen Handschuhe, die zum Kleid gehörten. Lediglich anstatt des Schmuckes liess sie das Medaillon an, das sie sich in Immen gekauft hatte. Als sie sich im Spiegel betrachtete, war sie selbst erstaunt. Dank ihres hellen Teints und ihren klaren Gesichtszügen war es ihr schon immer leicht gefallen, sich bei Bedarf für Adel auszugeben, aber so wie sie nun aussah, in diesem Kleid und mit den Perlen in der kunstvoll halb hochgesteckt, halb lockeren Frisur, wäre niemand mehr auf die Idee gekommen, sie für etwas anderes zu halten.
Schliesslich nickte sie dem Dienstmädchen zu und wurde erneut in den Hauptkorridor geführt, und dann in den ersten Stock. An einer grossen Doppeltüre hiess man sie warten, um sie anzukündigen. Unauffällig liess sie ihren Blick erneut über die Teppiche und die Jagdbilder an den Wänden gleiten. Sie hatte gewusst, dass dieser Kunde viel reicher war als alle anderen, aber so viel hatte sie nicht erwartet. Sie fragte sich, wer dieser Mann war. Alles, was sie von ihm wusste, war dass sein Vorname Parr lautete, und selbst das wusste sie nicht mit Sicherheit. Aber musste einer sehr bedeutenden Familie entstammen, denn an ein solches Herrenhaus kam man nicht nur mit Geld. Ob besagte Familie wohl nichts dagegen hatte, wenn er sich mit irgendwelchen beliebigen Huren vergnügte? Oder war deshalb die Maskerade?
Bevor sie den Gedanken weiter spinnen konnte, wurde die Türe wieder geöffnet und ein Page blickte hinaus. "Der Herr erwartet Euch, Mylady."
Sie trat ein und der Page verkündete laut: "Herr Parres Stivaljak, Lady Salome!"
Sie musste sich zusammenreissen, damit ihr nicht der Mund aufklappte. Parres Stivaljak. Der Oberste Patrizier. Ihr verwegener, blonder Parr war der Herrscher von Nurmen. Sie riss sich zusammen und lächelte, während sie auf ihn zuging.

Mitte-Ende Dezember

Iri stiess das Holzbecherchen um und es rollte davon. Verzweifelt streckte sie sich danach und begann verärgert herumzustrampeln und auf den Teppich zu schlagen, als sie es nicht erreichte. Muirgheal hob es auf und stellte es ihr nahe genug, dass sie mit den Händen danach patschen konnte, und diesmal erwischte sie es mit mehr Erfolg, zog es zu sich her und fing sofort an, auf dem Rand herumzubeissen. Muirgheal kitzelte sie an der Seite, worauf das Mädchen quiekte und sich zappelnd auf den Rücken wand.
Sie waren in dem Raum, in dem man sie sich hatte umziehen lassen, als sie zum ersten Mal ins Haus des Patriziers gekommen war. Mittlerweile wohnte sie hier. Parres hatte ihr das Angebot gemacht, nach dem dritten Mal, das sie ihn besucht hatte, und es war kein Angebot, das sie ausgeschlagen hätte, bei dem Geld, das er dafür bot. Ausserdem war es hier wesentlich bequemer und besser geheizt als in der Absteige, in der sie zuvor gewohnt hatte und sie musste sich weder um das Essen noch um ihre Wäsche kümmern. Genau genommen hatte sie abgesehen davon, dass sie Parres zur Verfügung stehen musste, wann immer ihm danach war - was auch nicht die unangenehmste Aufgabe war - so wenig zu tun, dass ihr schon fast langweilig wurde. Allerdings hatte sie dafür eine Menge Zeit für Iri. Das Mädchen war eine Menge gewachsen in den letzten Wochen und schien überhaupt nicht mehr still halten zu wollen. Eine feine Schicht roter Haare bedeckte jetzt ihren zuvor kahlen Kopf, so rot wie Muirgheals eigene, nur etwas heller. Ihren Augen hingegen sah man bereits deutlich an, dass sie nicht blau bleiben würden und ihre Haut war noch ein gutes Stück heller als die ihrer Mutter. Manchmal ertappte sich Muirgheal dabei, wie sie sich fragte, was Maenavry dazu sagen würde, wenn er seine Tochter sähe, aber sie verdrängte den Gedanken schnell wieder.
Nach einer Weile begann Iri zu quengeln und Muirgheal nahm sie auf und schnürte ihr Mieder auf, um ihr die Brust zu geben. Das Mädchen schloss die Augen und saugte kräftig, als es an die Tür klopfte. "Ja?", fragte Muirgheal.
Cerry, das Dienstmädchen, trat ein. "Der Herr wüscht Euch beim Abendessen zu sehen, Lady Salome."
Sie nickte, stillte Iri fertig und half ihr dann beim Einschlafen, bevor sie sich mit Cerry's Hilfe zurechtmachte.


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#12

RE: Nurmen (Handelsstadt im Norden)

in Dreitan - das Spiel 22.05.2015 20:24
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Sie sass schräg neben ihm beim Abendessen. Das Esszimmer war gross, mit einer goldverzierten Stuckdecke und einem Kronleuchter über dem Banketttisch, grossen Landschaftsgemälden an den Wänden und erlesenem Mobiliar, der Tisch reich gedeckt, nicht übertrieben, aber doch üppig. Salome zerteilte ein Stück noch beinahe blutiges Flesich mit Messer und Gabel und schob sich den Bissen in den Mund, wobei sie Parr einen Blick zuwarf und seinen Ausführungen über den Seehandel lauschte. Einige adlige Bekannte sassen mit ihnen am Tisch, von seiner Frau war hingegen nichts zu sehen.
Sie war Parres Ehefrau begegnet, am zweiten Tag, nachdem sie eingezogen war und erst mal relativ Perplex gewesen und hatte sich bereits auf einen Kleinkrieg vorbereitet, aber Lady Stivaljak hatte die Kompetenzen schnell offen gelegt. "Ich bin nicht unglücklich darüber, dass er endlich eine Mätresse hat", meinte sie mit einem süffisanten Lächeln. "Dann kommt er wenigstens nicht mehr zu mir mit seinen komischen Ideen. Und ich bin es satt, andauernd Dienstmädchen entlassen zu müssen, weil sie mit einem Bastard schwanger sind."
Muirgheal hatte nicht viel darauf erwiedert und fragte sich, womit Lady Stivaljak sich in ihrer Freizeit so beschäftigte. Sie war nämlich keineswegs eine hässliche Frau, auch wenn sie in weniger aufwändiger Garderobe vermutlich nicht gross aufgefallen wäre. Bestimmt gab es eine Menge Männer, die ihren hellen, blonden Locken, den blauen Augen und feinen, kühlen Gesichtszügen hinterher liefen, auch wenn ihr eigener Ehemann nicht unbedingt dazu gehörte - ein Desinteresse, das definitiv auf Gegenseitigkeit beruhte, wenn auch nicht ausnahmslos, wie die beiden kleinen Jungen bezeugten, die Lord Stivaljak genug glichen, um von ihm zu sein.
Ein anderer der Adligen steuerte etwas zur Diskussion bei. Salome folgte dem Gespräch aufmerksam, ohne etwas dazu beizusteuern - es war ein Thema, das sie ohnehin nicht gross interessierte, auch wenn sie höchst interessiert wirkte. Ihr entgingen die Blicke nicht, mit denen die Männer sie bedachten, einige abschätzig, aber die meisten mit unverholenem Wohlgefallen. Bei solchen Empfängen war eine Mätresse wie ein kostbares Stück Mobiliar, auf das man seine Kollegen und Rivalen einen Blick werfen liess, vielleicht auch etwas mehr als nur einen, aber mit der klaren Aussage: das gehört mir, und du wirst es dir nie leisten können. Die Rolle war zwar zugegeben etwas simpel, aber sie kostete sie voll aus, machte den Männern schöne Augen und zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, ohne jemals auch nur ernsthaftes Interesse an jemandem ausser Parres zu signalisieren. Sie liebte es, wenn sie wie auf Kohlen sassen.
Nach dem Essen zogen sich die Herren in den Salon zurück zum Pfeife rauchen und Portwein trinken, und Parres lud Salome ein, sie zu begleiten, was sie bereitwillig tat. Sie mochte Portwein und ihr waren Parres Blicke und die Art, wie er die Hand auf ihrer Hüfte ruhen liess, als er sie einen Moment lang berührte, nicht entgangen. Es wurde gefachsimpelt über Marktwachstum und strategische Verknappung und Salome nippte an ihrem Port. Schliesslich verabschiedeten sich die Herren einer nach dem anderen und Parres brachte sie zur Tür, bedeutete ihr aber, sitzen zu bleiben. Sie tat es und lehnte sich im Sessel zurück, den letzten Schluck Port auf den Lippen, bis er zurückkehrte. Er trat hinter ihren Sessel und griff ihn mit beiden Händen an der Lehne. "Morgen ist das Julbankett", sagte er. "Ich möchte, dass du mich begleitest."
"Worum handelt es sich dabei genau?", fragte sie, ohne aufzublicken.
"Ein Festessen mit anschliessendem Ball im Ratshaus", antwortete er. "Die gesamte politische Elite Nurmens und einiger anderer Städte wird da sein."
Sie blickte auf und lächelte amüsiert. "Sollte Euch dann nicht Eure Frau begleiten?"
"Oh, sie wird da sein", meinte er, beugte sich hinab und küsste sie hungrig.
Sie erwiederte den Kuss, er zog sie hoch und drückte sie gegen die Lehne des Sessels, wobei er sich auf die Armlehne kniete. Mit einer Hand hielt er sie fest, während er mit der anderen mit geübten Griffen ihr Kleid öffnete, bis ihre Brüste freilagen. Sie lachte leise. "Habt Ihr vor, das am Bankett auch zu tun?"
Er gab keine Antwort, sondern liess die Lippen über ihren Hals wandern. "Trägst du Unterwäsche?", fragte er leise.
"Nein", erwiderte sie grinsend.
Sein Atem war heiss und schnell. "Umdrehen", befahl er.


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#13

RE: Nurmen (Handelsstadt im Norden)

in Dreitan - das Spiel 17.06.2015 23:25
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Salome liess sich durch die Menge treiben. Parr hatte nicht untertrieben, es wimmelte hier nur so von geschniegelter Herrschaft mit hoch gereckten Näschen und parfümierten Orden am Revers. Sie hatte die Bekanntschaft mehrerer bedeutender Patrizier gemacht und ihre Abneigung gegen die Mätresse ihres Widersachers Stivaljak mit Freuden in Verlangen nach ihren wiegenden Hüften ertränkt, um sie dann stehen zu lassen. Ihr war bewusst, dass sie mittlerweile mehr getrunken hatte, als gut für sie war, trotzdem liess sie von einem auf den Händen eines Dieners an ihr vorbeischwenden Tablett ein Glas Wein an ihre Lippen wandern. Daran nippend hielt sie nach Parres Ausschau, entdeckte aber nur seine Frau, die sich von einem jungen Mann, den Salome als ihren Bruder kennen gelernt hatte, ausführen liess und eben mit einem älteren Ratsherren und dessen angetrauter unterhielt. Letztere wirkte nicht allzu angetan, denn ersterer wirkte ziemlich interessiert an Lady Stivaljak's Decolleté.
Salome liess sich weiter tragen vom Fluss der Leute und fand sich unvermittelt einem der Spiegel gegenüber, die die Wände des städtischen Ballsaales zwischen Halbsäulen aus goldverziertem Stuck und Kerzenhaltern in der Form geflügelter Greife verkleideten. Mit einem wohlgefälligen Lächeln stellte sie fest, dass sie sich ausserordentlich gut gefiel. Sie trug ein helles, cremefarbenes Kleid, mit seidengewobenen Bordüren in der Farbe ihrer Augen und weitem, gut präsentierten Ausschnitt. Stil der Patrizier, aber ein bisschen freizügiger und figurbetonter als es sich offiziell schickte, allerdings nicht so viel, dass es wirklich unanständig gewesen war. Parr hatte einen guten Geschmack. Sie verkniff sich ein Kichern. Natürlich hat er. Schliesslich hat er dich ausgesucht.
Ihre Haare waren nur locker zusammen gebunden, lockige rote Strähnen fielen offen auf ihre Schultern und kitzelten an ihrem Wangen. Sie nippte am Glas und der Wein hinterliess eine blutrote Spur auf ihren Lippen. Dann sah sie Parres im Spiegel auf sich zukommen. Sie wandte sich zu ihm um. Er lächelte. "Amüsiert Ihr Euch, Lady Salome?"
"Prächtig", antwortete sie. "Ihr?"
Er nickte ein wenig abwesend und liess einen Finger über ihren Arm wandern, wobei er so stand, dass niemand es sehen konnte, ausser er beobachtete sie im Spiegel, und das von sehr nahe. Salome hingegen sah es und sie wusste sein Verhalten mittlerweile gut genug zu interpretieren um zu wissen, was es bedeutete. Nun, wenn sie ehrlich war... tat der Wein seine Wirkung bei ihr. Sie lächelte und sah ihn vielleicht einen Tick zu lasziv von unten her an. Er fasste ihre Hand und küsste ihre Finger. "Ich möchte Euch jemanden vorstellen."
Etwas überrumpelt folgte sie ihm, als er ihr voran durch die Menge schritt zu einer Türe und sie ihr aufhielt. Er trat hinter ihr in den Korridor, schloss sie wieder und sperrte die Musik und die Stimmen des Balles aus, wodurch es plötzlich still wurde, dann ging er ihr voran. Sie hatte den Verdacht, dass das mit dem Vorstellen nur ein interessanter Vorwand gewesen war und leise streckte sie die Hand auf und liess sie seine Wirbelsäule hinauf wandern. Sie spürte wie seine Ausstrahlung sich veränderte, als er auf die Berührung reagierte und grinste leicht, aber als ihre Finger sich wieder auf dem Weg nach unten machten, drückte er ihre Hand ruhig aber bestimmt weg, dann öffnete er eine weitere Türe.
Ein erlesen eingerichtetes, kleines Ratszimmer lag dahinter, mit einem Tisch, an dem vier Herren auf sie warteten. "Mylords", begrüsste Parres sie und die Männer erhoben sich und nickten ihm und Salome zu.
"Lady Salome, gestatten, Lord Nivval, Lord Balucin, Lord Carasin und Lord Stock", stellte Parres vor und die Herren ergriffen nacheinander Salomes Hand und küssten ihre Finger. "Mylords, meine reizende Begleitung. Aber setzen wir uns doch."


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#14

RE: Nurmen (Handelsstadt im Norden)

in Dreitan - das Spiel 22.06.2015 02:42
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Sie sass auf dem Sofa und lauschte mit halbem Ohr den Gesprächen am Tisch. Etwas zu viel Wein vernebelte ihr die Sinne und sie langweilte sich. Was tat sie überhaupt hier in diesem Raum? Konnten die Herren sich denn nicht unterhalten, ohne dass sie daneben sass? Nach einer Weile begann sie sich einen Spass daraus zu machen, die Männer zu beobachten und in Gedanken zu zerpflücken. Ihr kam der Gedanke, dass es ganz lustig wäre, zu sehen, was passierte, falls sie sie alle gleichzeitig so weit brachte, sich nach ihr zu verzehren. Ob irgendeiner von diesen geschniegelten Lackaffen sich in Parres Anwesenheit trauen würde, ihr eindeutig näher zu kommen. Oder ob sie sich nur verziehen würden und irgendeine Hure suchen. Sie tauschte einige Blicke aus und spielte ein bisschen mit ihnen, trieb es aber nicht zu weit.
"Salome?"
Sie blickte auf und sah Parres an. "Mylord?"
"Könntet Ihr uns vielleicht noch etwas Wein bringen?"
"Selbstverständlich", erwiderte sie überrascht, stand auf und machte sich auf den Weg.
Sie schlenderte den Korridor entlang zurück zum Bankett und sprach dort einen der Diener an. Der nickte eilfertig und brachte ihr eine Karaffe Wein, die sie entgegen nahm. Erst als sie zurück im Korridor war, bemerkte sie, dass sich das Porzellan unter ihrer einen Hand irgendwie merkwürdig anfühlte. Sie nahm die Hand weg und darunter kam ein Stück Papier zum Vorschein. Einige fein geschriebene Zeilen standen darauf. Such dir einen der Herren aus. Verführ ihn unauffällig. Lass die anderen nichts merken. PS
Noch während sie hinsah, verblasste die Tinte und zurück blieb nichts als ein Jahrgangsetikett. Ihre Augenbrauen wanderten nach oben. Das nahm eine unerwartete Wendung. Wer zum Teufel hatte diese Nachricht geschrieben? Suggeriert wurde auf jeden Fall Parres Stivaljak. Nun, ob er es war, liess sich einfach feststellen.
Sie betrat den Raum mit dem Wein in der Hand und reichte ihn Parres. Ihre Blicke begegneten sich für einen Augenblick und sie liess ihn über ihre Aura spüren, dass sie sich etwas fragte. Ein schmales Grinsen kräuselte sich um seinen Mundwinkel, das leicht zu verwechseln gewesen wäre, mit einem anzüglichen, aber sie wusste genau, dass es keines war. Dann wandte er sich zu den anderen um und schenkte ihnen und sich von dem Wein ein.


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#15

RE: Nurmen (Handelsstadt im Norden)

in Dreitan - das Spiel 12.07.2015 23:02
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Sie setzte sich wieder auf das Sofa und musterte die Männer nun eingehender. Sie fragte sich, wie weit das mit dem Verführen gedacht war, und warum Parres das Gefühl hatte, dass sie dazu irgendwelche Lust hatte. Nun... falls es darauf hinauslaufen sollte, dass sie mit einem der Typen im Bett landete, würde er sie vermutlich dafür bezahlen, und vermutlich nicht zu knapp. Hm, welchen nahm man denn da am besten?
Nivval war ein älterer Herr, über vierzig bestimmt, gegen die fünfzig vermutlich, mit weissgrauem, kurzem Haar und einer eher fülligen, wenn auch nicht fetten Gestalt und leichtem Doppelkinn, nicht sonderlich gross, ruhig, mit einer freundlichen Stimme, die über beissenden Spott so gut hinwegtäuschen konnte, dass man einige Augenblicke verwirrt war. Er war ein hohes Tier in der Flotte Nurmens, früher selbst zur See gefahren, ehemaliger Piratenjäger, nun mehr Schreibtischtäter, aber mit einigen hübschen Orden an der Brust.
Balucin war gross, mit halblangen, dunklen Haaren und einem beeindruckenden, schwarzen Schnurrbart, der ihm zu beiden Seiten des Mundes hinunter hing, geringfügig jünger als Nivval, hageres Gesicht mit tiefliegenden Augen. Er trug hohe Stiefel und einen breiten Ledergurt mit einem brutal aussehenden Schwert und wo Nivval gemütlich, fast schon väterlich, wirkte, war Balucin abschreckend. Ein Mann, dem man von der blossen Erscheinung her zutraute, dass er jemanden zum Frühstück folterte. Unangenehm, auch wenn es sie ein bisschen reizte, den grosskotzigen Macho um ihre Gnade winseln zu lassen.
Carasin war jünger, nicht älter als Stivaljak, allerdings um einiges beleibter, mit vollen Lippen, die darauf schliessen lassen, dass er Genuss zu schätzen wusste. Er trank eine Menge Wein, schien ihn aber gut zu vertragen, also tat er es wohl öfter.
Stock schliesslich wirkte ein wenig wie ein Buchhalter, wenn auch wie einer, der sich für mehr interessierte als nur Zahlen. Er hatte einen scharfen Blick und feine Hände und eine Art zu lächeln, als würde er sich über alles und jeden ständig amüsieren.
Sie fragte sich, welchen von ihnen sie wählen sollte? Wer wahr wohl am einfachsten und ungefährlichsten? Sie kam zum Schluss, dass sie dazu nicht genug wusste. Aus dem Stehgreif hätte sie Balucin sofort ausgeschlossen, aber hinter der netten Fassade der anderen konnten sich mitunter viel schlimmere Scheusale verbergen. Nun, wenn sie nicht logisch wählen konnte, dann würde sie schlicht denjenigen nehmen, der ihr am meisten zusagte. Stock war geheimnisvoll, das zog sie an. Nivval war grundsätzlich mehr ihr Typ. Aber so angetrunken, wie sie gerade war...
Sie entschied sich für Carasin.

einige Stunden später

Sie hing mit halb geschlossenen Augen im Sessel, als Parres den Salon betrat. Er hob nur fragend eine Augenbraue. Sie grinste, griff in ihren Ausschnitt und zog ein kleines Couvert hervor. Er zog es ihr aus der Hand, fischte den Brief hervor und las ihn mit fliegenden Augen durch. Es war eine Einladung von Lord Carasin, Salome möge ihn doch bei Gelegenheit auf ein Gläschen oder zwei seines besten Weines besuchen, sehr diskret zugesteckt von einem seiner Diener, als sie in die Kutsche gestiegen war. Bei den Blicken, mit denen er sie am Ende verzehrt hatte, hätte sie ihm durchaus zugetraut, dass er versuchen würde, sie auf dem Heimweg abzufangen, aber die werten Ratsherren schienen sich bemerkenswert gut im Griff zu haben.
"Und?", fragte sie.
"Du wirst hingehen", meinte Parres und reichte ihr das Briefchen zurück.
Sie hob eine Augenbraue. "Und?"
"Du wirst dich mit ihm unterhalten, über dies und jenes." Er sah sie an, und gerade als sie zum dritten "Und?" ansetzen wollte, fügte er hinzu. "Und du wirst mit ihm ins Bett gehen."
Sie hob die zweite Augebraue. "Wer sagt, dass ich das will."
"Er wird dich dafür bezahlen", antwortete Parres und drehte sich zu einem der Schränkchen um, um eine Karaffe Wein daraus hervor zu holen. "Und ich auch."
Sie verzog das Gesicht zu seinem Rücken. Das war mal eine unfreundliche Erinnerung daran gewesen, dass sie eine Hure war. Sie hatte grösste Lust, ihm irgendetwas an den Kopf zu werfen, aber gerade nichts ausser dem Couvert in Reichweite, und das hätte nicht wehgetan. "Wozu?", fragte sie.
Er drehte sich um, mit der Karaffe und zwei Gläsern in der Hand. "Was, wozu?"
Sie machte die Augen schmal und bedachte ihn mit einem Blick, der wesentlich schärfer und kühler war als alles, was sie ihm normalerweise zeigte. Wenn er die Maskerade, das zwischen ihnen sei mehr als ein Anstellungsverhältnis, niederriss, brauchte sie sie auch nicht aufrecht zu erhalten. "Was bringt es dir, wenn ich es mit ihm treibe?"
Er lächelte und sie hätte ihm das Lächeln am liebsten aus dem Gesicht geschlagen. Na bitte, sagte es. Ich wusste doch, wir verstehen uns. "Du sollst dir ein paar Dinge von ihm erzählen lassen. Indem du ein paar kleine "Geheimnisse" von mir preisgibst, die ich dir angeblich so ganz unter vier Augen zugeflüstert hab."
Er schenkte ein und reichte ihr ein Glas.
Sie nahm es entgegen. "Was für Dinge?"
Er setzte sich ihr gegenüber, stiess mit ihr an und trank einen Schluck, dann lächelte er schmal. "Ich schlage vor, wir trinken zuerst diesen vorzüglichen Wein, dann begleitest du mich an einen passenderen Ort und ich sage es dir. Wort für Wort."
Seine Stimme war beinahe zu einem Flüstern geworden.
Sie sah ihn an und stellte das Glas beiseite, bevor sie aufstand. Er wirkte fast ein bisschen überrascht. Sie schmunzelte. "Einverstanden. Bis auf das mit dem Wein."
Ohne zu zögern beugte sie sich hinunter und küsste ihn hungrig. Er musste nicht glauben, er konnte sie den ganzen Abend irgendjemanden locken lassen und ihr dann nichts geben.


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#16

RE: Nurmen (Handelsstadt im Norden)

in Dreitan - das Spiel 16.07.2015 18:17
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Ende Januar 308

Sie hatte von Carasin's Verurteilung nur durch Zufall erfahren, aber beschlossen, zu seiner Hinrichtung zu gehen. Als sie ihn auf das Podest zerrten, stand sie in den hinteren Reihen auf dem Platz, ein Gesicht in der Menge, die roten Haare von einer Kapuze verdeckt, die den kalten Nieselregen abhielt. Das Urteil lautete Verrat und sie hörte den genauen Punkten nur mit halbem Ohr zu. Sie kannte sie bereits, schliesslich war sie es gewesen, die sie Stivaljak zugesteckt hatte. Stattdessen musterte sie das Gesicht des Mannes. Er war bleich und zitterte. Die Menge, und davor vermutlich die Folterknechte, hatten ihm übel zugesetzt. Sein Gesicht war gezeichnet von Platzwunden und Blutergüssen, seine Lippen aufgeplatzt, und er schien geradezu schwach und abgemagert im Vergleich dazu, wie er noch vor wenigen Wochen ausgesehen hatte, bevor sie ihn verhaftet hatten. Sie blickte in seine Augen, aber nichts mehr war übrig von dem Mann, der versucht hatte, sie bei einigen Gläsern Wein zu verführen und so entzückt darüber gewesen war, dass es ihm gelungen war, dass er den Mund zu weit geöffnet hatte. Er war kein schlechter Liebhaber gewesen, aber langweilig. Und jetzt wirkte er nur noch wie ein Tier, das nach einem Fluchtweg ausschau hielt, obwohl es wusste, dass es keinen mehr gab.
Sie legten ihm die Schlinge um den Hals und die Henkersknechte fingen an, ihn hochzuziehen, bis er den Boden unter den Füssen verlor. Das Volk schrie und johlte, während Carasin würgend und röchelnd in die Luft trat und erst rot und schliesslich bläulich anlief und seine Augen hervortraten. Bevor er das Bewusstsein verloren hätte, liessen sie ihn fallen und da er sich mit den hinter dem Rücken zusammengebundenen Händen nicht abfangen konnte, fiel er ungebremmst aufs Gesicht, wo er nach Luft japste und sich wand. Sie liessen ihm ein, zwei Minuten, dann zogen sie ihn erneut hinauf.
Beim dritten Mal verliess sie den Platz. Hinter sich hörte sie die Menge applaudieren und pfeifen über das Spektakel, das sich ihnen bot, während sie durch fast leere Gassen hinunter zum Hafen lief. Irgendwie widerstrebte ihr, was sie getan hatte. Andererseits war das Gefühl, einen Mann so im Griff zu haben, dass sie ihn in den Tod laufen lassen konnte, eines von berauschender Macht. Und was war er am Ende gewesen? Nur eines von vielen Schweinen, die nur mit ihrem Schwanz dachten anstatt mir Kopf und Herz. Im Grunde hatte es jeder von ihnen verdient, genauso jämmerlich zu verrecken.
Am Kai blieb sie stehen und blickte hinaus auf das aufgewühlte Wasser. Sie wusste, dass Stivaljak vorhatte, sie auf weitere seiner politischen Gegner anzusetzen. Es gefiel ihr nicht, ihm dermassen in die Hände zu spielen, andererseits hätte sie von der effektiven Beschäftigung her ohnehin nicht viel anderes getan, als sie jetzt tat, und wenn sie selbst keine Ambitionen auf dem Parkett der Politik hatte, warum nicht die jemandes anderen befriedigen? Und für die Kleine war es auf jeden Fall besser, in einem warmen Herrenhaus zu leben, als jeden Abend in irgendeiner anderen zugigen Hütte am Rand einer Strasse.
Ihr Blick glitt vorbei an den Schiffen und den beiden Leuchttürmen, hinaus aufs offene Meer. Es zog sie. Es zog sie fort. Sie war nicht geschaffen, um zu bleiben. Ein paar Monate noch, sagte sie sich. Im Sommer, wenn das Reisen leichter ist.
Sie wandte sich ab und machte sich auf den Weg zurück zu ihrer Tochter.


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