Der Klabauter liess einige hundert Meter vor der nächsten der Inseln den Anker werfen und zog die Karte hervor, die der Alte ihm gegeben hatte. Er studierte sie einige Minuten lang, blickte immer wieder stirnrunzelnd auf die Inselgruppe und klappte sie blitzschnell zusammen, als Reina in seine Nähe kam. Erst als sie wieder einige Meter entfernt stand, faltete er die Karte erneut auf, stellte fest, dass er sie auf dem Kopf gehalten hatte, und drehte sie um.
Nach einer weiteren Weile faltete er die Karte wieder zusammen und rief Ismir und Reina zu sich. "Wir sind hier ziemlich am südlichen Ende des Archipels. Die Insel, zu der wir müssen, liegt einige Studen nördlich von hier."
Er liess den Anker wieder lichten und blickte währenddessen zum Land. Das Blätterdach des Dschungels war undurchdringlich und wirkte ruhig, die Insel unbewohnt, aber er wusste, dass dem nicht so war.

"Ein Sprichwort sagt, bei den schönsten Frauen schläft man nur mit einem Messer in Griffweite", antwortete er. "Das gilt nicht nur für Frauen."
Zwei Stunden später hatten sie die Insel erreicht. Es war nicht die grösste des Archipels, aber hatte doch einige Kilometer im Durchmesser, und zwei hohe, schwarze Berggipfel ragten in ihrem Inneren auf. Die Küsten waren schroffe, merkwürdig geometrisch wirkende Klippen aus schwarzem Stein, und das Meer davor durchsetzt von vorgelagerten Pfeilern, scharfkantig genug, um einen Schiffsrumpf der Länge nach aufzuschlitzen.
Das Eiland schien unanlaufbar, aber der Klabauter wusste, dass es einen Weg geben musste. Er liess die Insel in Richtung Westen umsegeln und befahl dabei, die Augen in Richtung Land offen zu halten. Tatsächlich hätten sie den Durchgang fast verpasst, und waren schon daran vorbei, bis Marres rief: es war ein schmaler Durchgang zwischen zwei Felswänden, die sich oben fast berührten, der in eine Art Lagune oder Bucht führte, von der jedoch nichts zu sehen war. Das Wasser davor schien frei von Hindernissen, trotzdem liess der Captain zuerst das Beiboot mit zwei Männern zu Wasser, um die Zufahrt zu überprüfen.
Das Böötchen tanzte auf den hohen Wellen des Ozeans davon, und auf die Kluft zu, wo es hinter den Felsen verschwand. Nach einer Weile, in der alle gespannt warteten, tauchte es wieder auf und kam zu Schiff zurück. "Hier draussen ist das Wasser frei", berichtete Tarret. "Aber hinter dem, was man hier sieht, geht es durch eine Schlucht, und da ist es zu seicht. Aber jetzt ist Ebbe. Wenn die Flut hoch genug ist, sollte es reichen."

Der Captain zog erneut seine Karte hervor, studierte sie eingehend und steckte sie dann weg. Er wies die Männer, die mit ihm an Land gekommen waren, an, dicht beisammen zu bleiben, und befahl Marres voran zu gehen und mit seinem Säbel den Weg durch das Dickicht frei zu schlagen. Nur Ismir ruderte mit dem Beiboot zurück zum Schiff.

Meleth war unter jenen, die an Bord gebliebe waren, um auf das Schiff aufzupassen. Der Klabauter und die anderen waren noch nicht lange gegangen, als sie glaubte zwischen den Bäumen hinter dem Strand eine Bewegung zu sehen, aber als sie genauer hinsah, war da nichts. Vermutlich hatte sie sich getäuscht. Oder sonst gab es auf der Insel sicher irgendwelche Tiere. Klar, zumindest Vögel hatte sie ja schon gesehen.

Er nickte nur. Sie stiegen einen steilen Abhang hinauf und überquerten einen Kamm, ohne dabei jedoch weit zu sehen, denn das Gebüsch nahm ihnen in jede Richtung die Sicht. Während sie dahinter wieder abwärts gingen, wurde das Plätschern von Wasser hörbar und wenig später erreichten sie einen Bach. Der Klabauter nickte langsam. Hier waren sie richtig. Und wenn er sich recht erinnerte...
Er steuerte zielstrebig auf einige Bäume zu und fand den Pfad zwischen ihnen, halb überwuchert, aber noch knapp sichtbar.

Meleth setzte sich gerade gähnend auf das Deck, als ein Warnruf sie aufschrecken liess.
"Ich glaube das ist nicht gut...", sagte Simarian der neben ihr an der Reling stand.
Meleth sprang sofort auf und blickte hinüber zum Ufer. Auf dem Strand standen plötzlich eine ganze Menge Menschen - oder so etwas ähnliches, Meleth war sich nicht ganz sicher, sie trugen recht wenig Kleider und waren ziemlich klein - und noch mehr liefen aus dem Gebüsch. Sie trugen Speere und Bögen bei sich und noch bevor jemand auf dem Piratenschiff reagierte, hatten sie etwa ein Dutzend lange, schmale Boote zu Wasser gelassen und kamen auf sie zu.

Der Captain kramte nach Worten. "Ilai... Alapula", sagte er und hoffte, dass er nicht einen völligen Mist zusammenredete. "Agenuo lidania. Idula enanaja."
Er wusste nicht einmal, was es genau hiess.
Aber zumindest griff sie niemand an. Sie senkten sogar die Bögen etwas.
"Igala Imanja!", sagte einer der Speerträger und bedeutete ihnen zu folgen.

"Scheisse, scheisse, scheisse!", rief Deniak, als die Boote immer näher kamen, und er rannte, um eine Hakenstange zu holen.
"Zieht die Waffen!", befahl Ismir.
Selbst Meleth war einigermassen klar, dass diese Leute oder was sie waren da nicht in sehr friedlicher Absicht auf sie zukamen, gemessen an den Waffen, die sie in der Hand hielten und dem Gebrüll, dass sie ausstiessen. Als der erste Pfeil flog, hatte sich die Frage ohnehin erübrigt.