#771

RE: Irian Shada und die Grüne See

in Dreitan - das Spiel 29.06.2016 11:19
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Der Klabauter zog den Saebel, wandte sich zur Tuer und oeffnete sie einen Spalt breit, um hinauszuspaehen. "Der kleine runde Raum unter dem Thronsaal."
"Aber da kommen wir nie hin", maulte Ezeni leise. "Da warten doch alle Wachen."
"Dann warten wir bis sie das nicht mehr tun."
"Und was tun wir so lange?"
Der Klabauter grinste. "Maximale Verwirrung stiften." Er stiess die Tuere auf und einem Soldaten, der eben vorueber gelaufen war von hinten den Saebel in die Nieren.

"Was meinst du damit, du weisst nicht, ob er hier ist?"
Meleth linste um die naechste Ecke. Der Palast gleichte einem aufgescheuchten Bienenstock. "Ich geh davon aus, weil es Plan war, aber keine Ahnung, ob er sich an seine Plaene haelt."
Reina schnaubte, aber bevor sie dazu kam etwas zu sagen, liess ein lauter Knall das Fundament des Palastes erzittern.
"Was war das?"
"Keine Ahnung, aber es klingt positiv", meinte Meleth. "Hier lang."
Sie stolperten in eine Dienerunterkunft, Meleth riss eine Matratze hoch und holte ein Buendel Kleider und einen Saebel darunter hervor. Letzteren drueckte sie Reina in die Hand. "Der Captain hat gesagt, ich soll ihn dir geben, weil du effizienter bist damit, aber falls du ihn verlierst, wird er dich persoenlich haeuten."
"Wie liebenswuerdig", kommentierte Reina. Sie blickte an sich herunter, kam zum Schluss, dass ihre Keidung denkbar unpraktisch war zum kaempfen und saebelte das Kleid kurzerhand mit der Klinge auf Kniehoehe ab.
Meleth hatte sich unterdessen umgezogen und steckte zwei Messer in ihr Bauchtuch, waehrend sie wieder zur Tuere trat. "Hier lang. Das Schiff sollte im Innenhafen liegen. Wir sollen dahin."
"Damit sich der Drecksack die ganze Beute alleine schnappen kann?", fragte Reina spoettisch. "Sicher nicht."
Sprachs und marschierte in die andere Richtung los.


If you're going through hell, keep going.
nach oben springen

#772

RE: Irian Shada und die Grüne See

in Dreitan - das Spiel 23.07.2016 21:36
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

"Whoa!"
Alek starrte mit einer Mischung aus Faszination und Schock auf die Überreste des Fallgatters. Was immer Neljo da dagegen geworfen hatte, war explodiert, aber es hatte nicht ausgesehen wie die Explosion eines brennenden Rum-Fasses oder wie irgendeine, die er in seinem Leben gesehen hatte. Da war Licht gewesen, aber kaum eine Druckwelle. Die metallenen Streben waren auseinander gerissen worden, ohne davonzufliegen, zerlegt in einem Wirbel, der sie eine Drehung nach aussen zog und und dann in die Wassertiefe riss. Selbst der Knall war irgendwie falsch gewesen.
Ein Sirren ertönte und Marres riss ihn in die Deckung der Reling, als erneut eine Salve Pfeile auf das Dach regnete. "Wir werden hier draufgehen!", zischte er, und Alek hatte nicht wirklich etwas dagegen zu setzen. Sie hatten das Tor geöffnet, aber konnten weder die Leinen los machen noch Ruder holen, solange sie von Bogenschützen eingekreist waren. Es waren nicht viele, aber gut positioniert auf den Balkonen und Dächern, die den Innenhafen umgaben, und sie schossen auf jeden Fingerbreit, der aus der Deckung ragte. Sie sassen in der Falle, und vom Captain fehlte jede Spur.
Dann ertönten plötzlich Rufe. Bewegung kam in die Bogenschützen und als Alek hervorlugte, sah er einen Teil der Fusssoldaten, die vor einem dem Gebäude warteten, abziehen. Überhaupt, wieso hatten sie das Schiff nicht längst gestürmt? Weitere Rufe, aufgeregter plötzlich. Und dann, aus dem Nichts, erhob sich Kriegsgeheul, das alles andere als nach Palastwachen klang.

Meleth stolperte Reina hinterher, eine Treppe hinauf und einen Korridor entlang. "Das ist keine gute Idee. Wir können hier nicht einfach zu zweit..."
"Dann geh doch", meinte Reina ungerührt, während sie um eine Ecke blickte. Die Wachen, die vorher überall im Gebäude herumgeschwärmt waren, schienen plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Sie schlich weiter voran und eine weitere Wendeltreppe hoch. Meleth folge ihr widerwillig. "Weisst du überhaupt, wo du langläufst?"
"Nein", gab Reina freimütig zu.
"Dann lass wenigstens mich den Weg..."
Am anderen Ende des Korridors tauchte eine Truppe von Wachen auf und Reina machte rechtsumkehrt, wobei sie beinahe mit Meleth zusammenstiess, aber man hatte sie bereits entdeckt, die Soldaten riefen nach ihnen und nahmen die Verfolgung auf. Reina rannte den Gang entlang wieder zurück und bog scharf in irgendeinen Seitenflur ab, der auf eine weitere Wendeltreppe nach oben führte. Meleth blieb ihr auf den Fersen, aber die Wachen nicht weit dahinter ebenfalls, und die Treppe schien kein Ende zu nehmen. Als sie endlich aus einem weiteren Ausgang nach draussen stolperten, standen sie im Freien, in einer Galerie auf der Mauerkrone des Palastes, die zu beiden Seiten hin offen war. Der Anblick verschlug ihr beinahe die Sprache.
Die Dunkelheit jenseits der Palastmauern war erfüllt von Nebel, der das ganze Meer zu verschlungen haben schien. Masten ragten daraus auf wie düstere Gerippe, durch spinnfädenartige Seile mit der Mauer verbrunden, das rot flackernde Licht von Fackeln und Feuer durchdrang das Grau und von überall klang das Klirren von Waffen und Schreien von Leuten. Reina erkannte an einem der Masten die roten Segel der Anne, und nur wenige Augenblicke später stand Walgard selbst vor ihr, sein Entermesser in der Hand. "Reina!", rief er verblüfft aus, dann blickte er an ihr vorbei und brüllte: "Hier rüber!"
Die Wachen, die ihnen gefolgt waren, hielten dem Anstrum von Walgards Männern nicht lange stand und was von ihnen übrig blieb, zog sich hastig in den Treppenschacht zurück.

Die Pfeilsalven hatten aufgehört. Etwas unsicher stand die Mannschaft auf dem Deck der Sturmsänger und fragte sich, ob sie nun angreifen sollten oder hier warten, bis der Captain wieder auftauchte, denn er hatte ihnen keine Befehle erteilt. Die Wachen vor dem Eingang zum Hauptteil des Palastes hielten immer noch ihre Stellung. Alek sah Marres an. Der zuckte mit den Schultern. Alek brüllte zum Angriff und sie überrannten die Soldaten.

Ezeni und der Klabauter hatten die Raum beinahe erreicht. Blut tropfte von ihren Waffen, als sie hinter dem Geländer einer Galerie kauerten und durch die Gucklöcher im Steinwerk in die Halle hinunter blickten, an deren Ende die Türe war, durch die sie erst vor wenigen Minuten hatten den Sultan gehen sehen. Nun waren die Flügel geschlossen und ein Dutzend Wachen stand davor. Ezeni verlagerte sein Gewicht und runzelte die Stirn. "Ich hätte erwartet, der Sultan hat eine sicherere Geheimkammer, in der er sich verstecken kann."
"Vielleicht ein Double", antwortete der Klabauter schulterzuckend. "So oder so: hätte nicht sein müssen. Wir müssen durch den Raum da."
Ezeni nickte knapp. "Warten wir auf die anderen in dem Fall?"
Der Klabauter schüttelte den Kopf. "Wir suchen uns einen anderen Eingang."


If you're going through hell, keep going.
nach oben springen

#773

RE: Irian Shada und die Grüne See

in Dreitan - das Spiel 13.09.2016 15:05
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Wenig später kauerten sie vor einer Türe und der Klabauter liess den Krabbler von seinem Ärmel zu Boden springen. Das magische Wesen quetschte sich gegen die untere Kante der Türe aber er passte nicht hindurch. Mit einem leisen Fluch zog der Klabauter seinen Dolch und versuchte das Holz abzutragen, um den Spalt zu verbreitern. Seiner Vorstellung vom Palast nach, musste hinter dieser Türe eine Treppe liegen, die sie zu einem anderen Eingang der runden Kammer führen würde, aber er wollte sie nicht einfach einreissen, solange er nicht zumindest ungefähr wusste, wie es dahinter wirklich aussah.
Ezeni stand neben ihm, mit dem Rücken zur Tür, den Säbel in der Hand und den Blick auf den Korridor hinter ihnen gerichtet, aber schliesslich hockte er sich neben den Klabauter hin, um zu sehen, was er tat. "Kann ich was helfen?"
"Halt Wache."
"Warum knacken wir die Tür nicht einfach?"
Der Klabauter erwiderte nur mit einem Fluch als seine Klinge beinahe im Spalt stecken blieb.
"Wieso warten wir nicht auf die anderen?"
Er zog das Messer zurück und erneut versuchte der Krabbler hindurchzugelangen und nach einigem quetschen gelang es ihm tatsächlich. Der Klabauter steckte den Dolch weg.
Dann ertönte hinter ihnen eine schneidende Stimme auf Salaïwar. "Hände weg von den Waffen, ihr seid umstellt!"
Der Klabauter fuhr herum und blickte in eine Reihe Speerspitzen.

"Wo ist der Captain?"
Walgard antwortete mit einem Schulterzucken auf Reina's Frage. "Er kam vor uns her, wollte sich als Tarnung mit dem Sultan treffen. Sein Schiff ist im Innenhafen."
"Und wo ist die Schatzkammer?"
Walgard wirkte ratlos. "Keine Ahnung. Ich hätte damit gerechnet, das weisst du."
Die Piraten hatten die Mauerkrone mittlerweile eingenommen und von weiter vorne bewegte sich eine bekannte dunkle Gestalt mit Dreispitz und Zöpfchen auf sie zu. Meleth beugte sich über einen der getöteten Soldaten Salaïwars, um ihm sein Silber und den kurzen Krummsäbel abzunehmen. Als sie sich wieder aufrichtete, war Wezkon heran und begrüsste Reina, aber Meleths Blick blieb an etwas jenseits der Mauerkrone hängen. Zwischen den Masten der Roten Anne und eines von Moners Schiffen, war für einen Moment lang der Nebel aufgerissen und sie hatte das Gefühl etwas dort gesehen zu haben, das nicht wie Wasseroberfläche wirkte. Allerdings - das Licht war schlecht. Vielleicht nur ein Nebelschwaden. Oder ein Stück Treibgut. Oder eine Halluzination. Gebannt starrte sie hinunter, aber wo sie überhaupt etwas anderen erkennen konnte als Grau, lag nur schwarzes, gegen die Mauern schwappendes Wasser.
Ihr wurde klar, dass die anderen sich in Bewegung gesetzt hatten und sie lief ihnen hinterher.

Die Speere drückten in seinen Rücken, als sie vor den Soldaten herstolperten, eine Treppe hinauf und den Korridor zurück, den sie gekommen waren, geradewegs auf die Doppeltüre zu. Sie hatten ihnen die Hände auf dem Rücken zusammengebunden und auch wenn der Klabauter gegen aussen ruhig blieb, fluchte er innerlich und warf Ezeni einen tödlichen Blick zu.
Nach einem Wortwechsel mit drinnen traten die Wachen beiseite und die Türen öffnete sich, weit genug, um sie und ihre Eskorte hineinzulassen. Der Raum dahinter war beinahe quadratisch und lediglich mit zwei Wandteppichen geschmückt. Ein knappes Dutzend Wachen erwarteten sie, zwei an der Türe, der Rest um den Sultan geschart, der auf einem kleinen Podium vor einer Türe auf der anderen Seite sass. Jemand trat dem Klabauter in den Rücken, er strauchelte und fiel auf die Knie. Ezeni zeigte mehr Widerstand, aber auch er wurde niedergerungen und ihnen blieb beiden nichts übrig, als vom Boden her zum Sultan aufzublicken, der sich gelassen über den Bart strich. "Du bist ein Narr, Klabauter", sagte er.
Der Klabauter erwiderte nichts darauf, sondern versuchte möglichst unbewusst einen Ausweg aus der Situation zu finden. Wenn er nahe genug an eine Wand kam... vielleicht reichte es auch, wenn er sich einfach mit vollem Gewicht zu Boden schmiss... dann musste er nur noch die Fesseln...
"Tötet sie!"
Bevor der Klabauter reagieren konnte, war ein Soldat vorgetreten und hatte ihn an den Haaren gepackt. Der Klabauter spannte sich an, bereit, loszuschnellen, und ihm die Schulter gegens Kinn zu rammen, aber der Mann verpasste ihm einen Tritt in die Seite und stiess seinen Kopf nach vorne. "Halt still, dreckiger Piratenbastard!"
Und der Klabauter hielt still. Ein Grinsen spielte plötzlich um seine Lippen. Der Soldat hob sein Krummschwert. Der Klabauter holte Luft. Die Klinge schnellte nieder.
Mit einer fliessenden Bewegung sprang der Klabauter auf die Füsse, riss seine befreiten Hände hinter dem Rücken hervor und mit der Linken eine Ampulle aus der Brusttasche seiner Jacke, während er mit der rechten nach dem Säbel griff. Glas splitterte und Nebel erfüllte den Raum, beissend und brennend. Die Soldaten krümmten sich hustend. Blut spritzte auf den Boden. Er bewegte sich durch den Rauch wie ein Geist. Stiess unter einen Helm. Schlitzte eine Kehle auf. Riss den Sultan von seinem Podium und zerfetzte seinen Hals.
Als der Nebel sich lichtete, waren sie alle tot. Er zog sich den Kragen seines Hemdes vor das Gesicht und rang nach Atem. Ismir war intelligent genug gewesen, sich irgendeinen Stofffetzen vor das Gesicht zu halten, Ezeni lag noch immer am Boden und hustete, aber allmählich verflüchtigte sich der Dunst und das Brennen in Rachen und Augen liess nach. Ismir spuckte aus, zog sich den Helm der Wachenuniform vom Kopf und liess ihn zu Boden fallen, dann trat er auf den Klabauter zu und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige.
Der Schlag reichte aus, um ihn für einen Moment lang taumeln zu lassen und er hielt sich die Nase, aus der ein dünnes Rinnsaal von Blut lief. Mit einer Stimme, von der nicht zu sagen war, ob er zornig war oder amüsiert, meinte er: "Das hätte ich von Reina erwartet, nicht von dir."
"Im Gegensatz zu mir wurde Reina nicht an die Haie verfüttert", brüllte Ismir ihn an.
"Ich hab dir doch ein Rettungskommando geschickt."
"Zwei Schiffsjungen", spie Ismir. "Was dachtest du dir..."
Hinter ihnen klapperte etwas und der Klabauter fuhr herum, um zu sehen, wie Ezeni den Sultan mit der Stiefelspitze anstiess. "Ziemlich tot."
"Ein Double", antwortete der Klabauter. "Aber das spielt keine Rolle. Wir sind, wo wir hinwollten."
Er trat auf die Türe zu, vor der der Sultan gesessen hatte und schob den Riegel zurück. Sie liess sich widerstandslos öffnen und gab den Blick auf einen kreisrunden Raum frei. Er war fensterlos und eine Galerie führte dem Rand entlang zu zwei weiteren Türen, während in der Mitte eine Treppe abstieg zu einer Art rundem Tor. Noch bevor der Klabauter ihn dazu auffordern konnte, stürmte Ezeni voran, und als klar war, dass er keine Fallen auslösten, folgten ihm die anderen beiden. Zwei Lampen brannten neben dem Tor, ihr Licht spiegelte sich auf den metallenen Intarsion des Tores, die es unempfindlich gegen Magie und Hitze machen sollten. Der Klabauter inspitzierte sie, aber natürlich gab es kein einfach zu knackendes Schloss. Er befahl den anderen, zum Eingang zurückzukehren, dann zog er etwas aus seiner Tasche und klebte es an die Türe, bevor er herumschnellte und ihnen hinterherrannte.
Es gab keinen wirklichen Knall, nur eine Erschütterung. Licht flackerte auf und wurde zurückgerissen, während die Intarsien immer heller aufglühten und schliesslich in einem Schwall von der Türe schossen und sich in einer Blase sammelten. Im nächsten Moment zersplitterte das Tor in seine Einzelteile und für einen Augenblick schien alles in einem pulsierenden, glühenden Ball gefangen, bevor dieser implodierte und Sand und Metall auf die Treppe spieh.
Die Lampen waren ausgegangen und einen Moment lang herrschte Stille. "Was zur Hölle war das?", fragte Ezeni dann.
"Wilde Magie", erwiderte der Klabauter gelassen.
"Wilde... aber du wusstest, was es tun würde?"
"Nicht wirklich."
"Das ist verrückt!"
"Ich bin weiter gekommen, als jeder vor mir, weil ich alles tue, was andere nicht wagen", erwiderte der Klabauter, während er die Treppe hinunterschritt auf den nun offenen Durchgang der Schatzkammer zu. "Bring Fackeln runter!"


If you're going through hell, keep going.
nach oben springen

#774

RE: Irian Shada und die Grüne See

in Dreitan - das Spiel 24.09.2016 03:57
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Die Piraten durchkreuzten in Gruppen den Palast. Waffengeklirr ertönte, wo sie auf einen versprengten Trupp Wachen stiessen oder einige Diener, die sich zur Wehr setzten, Schreie und Grölen, von irgendwo her zog Rauch durch die Korridore. Meleth hatte Reina aus den Augen verloren und sich Walgard angeschlossen, der mit einem Teil seiner Mannschaft den nordöstlichen Flügel durchkämmte und auseinander nahm. Sie steckten ein, was sie finden konnten, Schmuck, Zierrat, goldene Schalen, silberne Lampen, sie brachen die Edelsteine aus den Wänden und Statuen aus den Nischen, plünderten Zimmer, Schränke und Leichen.
Als sie eben eine Vase in der Hand hielt und sich fragte, ob das Ding irgendetwas und vor allem den Aufwand, es ganz zu halten, wert war, hörte Meleth hinter der nächsten Biegung des Korridors vertraute Stimmen grölen und ohne lange nachzudenken liess sie die Vase fallen und bog um die Ecke, wo sie Mirko und drei weiteren Piraten des Klabauters in die Arme lief. Mirko war ziemlich blutbesudelt und es schien nicht alles nur fremdes zu sein, aber er hielt sich gut auf den Beinen und um seinen Hals hing ein halbes Dutzend Ketten, während Tarret und Serug hinter ihm einen Beutel schwenkten.
"Ho!", rief Meleth und Mirko drehte sich als erster zu ihr um, begann zu grinsen und stutzte dann. "Was zur Hölle? Wie kommst du hierher?"
Meleth grinste breit. "Dachtest, der Captain setzt uns da nur ab, um uns rauszuhaben? Blödsinn."
Mirko verpasste ihr eine Kopfnuss und verwuschelte dann ihr Haar, wobei sie lachend versuchte ihn zu boxen. "Wie siehts aus? Suchen wir die Schatzkammer?"
"Voll dabei", meinte Serug und hob den Sack.


If you're going through hell, keep going.
nach oben springen

#775

RE: Irian Shada und die Grüne See

in Dreitan - das Spiel 01.10.2016 03:39
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Der Klabauter durchschritt den Saal und liess seinen Blick über die Wände gleiten, die im Licht von Ezenis und Ismirs Fackeln schimmerte. Er war sich nicht sicher, was er von der Schatzkammer des Sultans von Salaïwar erwartet hatte. Eine Höhle mit Dünen von Münzen, aus denen Kelche und Szepter, Ketten und Kronen ragten, halb versunken in vergessenem Reichtum, oder eine Schlangengrube, an deren Grund Edelsteine lagen, irgendetwas, aber bestimmt nicht die Ordnung, die hier herrschte. Der grösste Teil von Gold und Silber lag in Form von Barren aufgestapelt entlang der hinteren Wand, in einer Weise, die den Klabauter unwillkürlich an Feuerholz erinnerte, was ihn auflachen liess. Lediglich einige grössere Kisten mit geprägten Münzen verschiedener Legierung reihten sich daneben. Auf der rechten Seite führte ein offener Durchgang in die Prägewerkstatt des Sultans mit dem Schmelzofen und den Münzstempeln, auf der anderen öffnete sich ein ähnlicher Bogen in einen Raum, der mit Vitrinen und Kästen ausgestattet schien.
Er wartete, bis Ismir und Ezeni aufgeholt hatten. Ezeni stand der Mund offen und er starrte das Goldlager an. Offenbar hatte die pure Menge ihren Effekt auf ihn nicht verfehlt, auch wenn es nicht der spektakuläre Schmuck- und Artefaktekram war, mit dem er gerechnet hatte. "Ausräumen?", hauchte er nur.
Ein Grinsen spielte um die Lippen des Klabauters und er nahm Ismir die Fackel ab. "Natürlich. Aber beeilt euch, im Morgengrauen müssen wir fort sein!"
Ohne weiter auf sie zu achten, trat er auf die Galerie auf der linken Seite zu. Sie war tatsächlich voller Podien und Kästchen in den Regalen, zwischen einigen Reihen aufwendigst verzierter oder auch völlig schlichter Bücher. An reinem Materialwert war der Raum nicht spektakulär, auch wenn der eine oder andere Edelstein verführerisch blitzte, aber vermutlich konnten zumindest ein oder zwei der Regalwände das Gold draussen beinahe aufwiegen, denn man musste kein Experte sein, um zu sehen, dass ein guter Anteil der Schmuckstücke aus aller Welt magische Artefakte waren. Der Klabauter liess den Krabbler, den er im runden Raum überraschend wiedergefunden hatte, voranlaufen, um mögliche Fallen auszulösen, und machte sich an die Durchsuchung der Kästen.

Sie suchten sich weiter ihren Weg durch den Palast und stiessen schliesslich auf eine Tür, die schwer bewacht genug aussah, um zur Schatzkammer zu gehören. Sich hinter eine Balustrade duckend warteten sie auf Verstärkung, die sich schliesslich in Form von Saki und einem von Moners Captains zusammen mit einem Teil seiner Mannschaft zeigte. Sie bezwangen die Soldaten und rannten die Türe ein, nur um dahinter auf Ranista zu stossen, der mit einem halben Dutzend seiner Männer in einem Raum mit einer ganzen Menge weiterer toter Palastwachen stand. Seine Goldzähne blitzten, als er meinte: "Ich dachte, ich bin so nett und wart auf euch, wenn ihr schon unbedingt die Vordertüre nehmen müsst."
Saki schnaubte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, als er dabei generös auf die hintere Türe deutete, und marschierte kurzerhand an ihm vorbei. Eine Treppe führte dahinter tiefer hinunter zu einer Art rundem Tor, das irgendwie gesprengt wirkte. Erst als sie halb hinunter war, sah Meleth in der Dunkelheit daneben den Klabauter lehnen, den Dreispitz ins Gesicht gezogen und ein Grinsen auf den Lippen.
Saki hob beide Augenbrauen. "Und? Hat sichs gelohnt?"
"Sehts euch an", meinte der Klabauter und nickte auf die Türe.


If you're going through hell, keep going.
nach oben springen

#776

RE: Irian Shada und die Grüne See

in Dreitan - das Spiel 15.11.2016 23:35
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Reina wurmte es, dass sie nicht zu den ersten gehört hatte, die die Schatzkammer gefunden hatten, aber es war noch genug übrig, um sie darüber hinwegzuströsten. Sie inspizierte die Artefakte, während der Rest Gold hinaustrug, und staubte ab, was ihr wertvoll erschien, möglichst, ohne dass es jemand mitbekam. Sonst würde man am Ende noch von ihr Verlangen, dass sie es teilte.
"Ich wäre vorsichtiger an deiner Stelle", ertönte plötzlich die Stimme des Klabauters hinter ihr. "Du könntest Fallen auslösen und deine flinken Fingerchen verlieren."
Sie wandte sich um und lächelte ihn süss an. "Ich bin sicher, du hast das bereits für mich erledigt", meinte sie, während sie langsam auf ihn zutrat, bis sie direkt vor ihm stand und ihm den Dreispitz ins Gesicht zog, bevor sie sich vorbeugte, als wollte sie ihn küssen. "Gefällt dir das kleine Spiel, das du hier eingefädelt hast? Wie viel davon war berechnet, und wie viel pures Glück?"
Er gab keine Antwort, sondern grinste nur.
"Ich hasse dich, Klabauter", zischte sie.
"Ich weiss", antwortete er gelassen.
Sie drückte die Spitze ihres Dolches gegen seine Seite. "Sag mir einen Grund dafür, dich nicht abzustechen, dafür, dass du mich dem Sultan als Geschenk präsentiert hast, ohne mich vorher auf seine kleinen, unbedeutenden Eigenheiten hinzuweisen."
"Du willst hier wieder raus und du kennst den Plan dazu nicht."
"Oh, ich bin sicher, Saki würde mich nicht hier versauern lassen", wisperte sie an seinem Ohr. "Bei dir bin ich mir nicht so sicher."
"Dummerweise hat Saki genauso wenig eine Ahnung."
"Und warum sollte ich dir glauben, dass es überhaupt einen Plan gibt?"
"Weil ich hier bin", antwortete er lächelnd.
Sie zog die Klinge weg und lehnte sich wieder zurück. "Und hast du wenigstens gefunden, was du gesucht hast, oder werden wir von einer wütenden Meereshexe in Stücke gerissen?"
Anstatt einer Antwort zog er ein Medallion aus seiner Manteltasche und liess es aufklappen. Eine blau schimmernde Perle lag darin, von der ein sanftes, leicht waberndes Leuchten ausging.
Sie hob eine Augenbraue. "Das ist alles? Hab ich mir irgendwie bedeutender vorgestellt. Wofür will die Hexe es überhaupt?"
Sie streckte die Hand danach aus, aber er liess das Amulett vor ihren Fingern wieder zuschnappen und hängte es sich um den Hals. "Das gedenke ich herauszufinden."
"Du bist verrückt", meinte sie lächelnd und trat erneut einen Schritt zu ihm. Ihre Lippen näherten sich seinen.
Sie wurden unterbrochen durch einen Piraten aus Walgards Mannschaft, der in die Schatzkammer stürmte, und brüllte: "Alarm! Salaïwar schlägt Alarm!"


If you're going through hell, keep going.
nach oben springen

#777

RE: Irian Shada und die Grüne See

in Dreitan - das Spiel 28.11.2016 17:59
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

In der Morgendämmerung dröhnten die Alarmglocken von Salaïwar durch die Gassen der Stadt. Die Flotte bemannte die Schiffe, Befehle wurden gebrüllt, Soldaten ausgerüstet, Harpunen bemannt. Ein Angriff auf den Wasserpalast, hiess es, Piraten. Die Schnellschiffe waren die ersten, die bereit waren und aus dem Kriegshafen ausliefen, angetrieben von Dutzenden von Ruderern. Der Kapitän des vordersten richtete seinen Blick grimmig auf die Bucht. Irgendjemand musste diesen Bastarden gesteckt haben, dass der grösste Teil der Flotte im Moment im Süden war. Aber wenn sie glaubten, das würde reichen, um Salaïwar zu demütigen, hatten sie sich getäuscht.
Er brüllte den Befehl, den Rudertakt zu erhöhen und das Schiff nahm Fahrt auf. Morgennebel hing über der Bucht der Sterne, aussergewöhnlich dicht für die Jahreszeit, und hielt den Palast verborgen, aber wenn jemand die Gewässer hier kannte, dann die Marine Salaïwars. Sie steuerten auf den Nebel zu und formierten sich, den Wasserpalast zu umkreisen, um ihn zu verteidigen oder allfällige, bereits eingedrungene Schiffe einzukesseln, bis die Galleonen aufgeholt hatten, als mehrere Leute gleichzeitig losriefen. Der Kaptitän wandte sich um und sah, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte: im Licht der ersten Sonnenscheibe, die sich über den Horizont erhob, tauchten Schiffe hinter der Landzunge des Lots auf und hielten direkt auf sie zu.
Es waren vier Schiffe von einem Typ, der nicht vom Kontinent Irian stammte, und ihre Beflaggung liess keinen Zweifel zu, dass es sich dabei um Piraten handelte. Vermutlich schlechter ausgerüstet als die Schnellschiffe der Flotte, aber ein gutes Stück grösser. Der Kapitän unterdrückte einen Fluch und signalisierte den auf der nördlichen Seite des Wasserpalastes verbliebenen Flottenschiffen, sich zu formieren, um sich ihnen entgegen zu stellen.


If you're going through hell, keep going.
nach oben springen

#778

RE: Irian Shada und die Grüne See

in Dreitan - das Spiel 10.02.2017 17:53
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Die Sturmsänger glitt fast lautlos zwischen den Überresten des Fallgatters hindurch hinaus in die Freiheit. An ihrem Steuer stand der schwarze Klabauter, den Dreispitz ins Gesicht gezogen und eine Pfeife zwischen den Zähnen. Neben ihm Reina, sein erster Maat. Sie hatte sich umgezogen, trug nun wieder Stiefel und Hemd und ihre Finger spielten mit dem Gold in ihren Taschen. Allmählich begann der drehende Wind den Nebel zu zerreissen und die aufsteigende Sonne tat ihr übriges. Die Bäuche von Schiffen schälten sich daraus hervor und schlossen zur Sturmsänger auf, erst zwei, dann drei und schliesslich mehr als ein halbes Dutzend, die den rauchenden Wasserpalast hinter sich liessen.
Schlachtenlärm schallte über das Wasser, vom Kampf, der im Norden der Bucht entbrannte zwischen den Schnellschiffen und den vier Piratenseglern, die der Klabauter in die Falle hatte laufen lassen. Er hatte ihnen von Anfang an nicht über den Weg getraut, sie waren weder so loyal wie Moners Flotte noch intelligent genug, um ihr Glück auf die richtigen Karten zu setzen, wie Ranista. Er hätte sie so oder so irgendwann in den Hammer laufen lassen, um sie loszuwerden. Und während sie sich gegen die Schnellschiffe und die bereits auslaufenden Galleonen aufrieben, entkam seine Flotte in südöstlicher Richtung. Nur ein einzelnes Schnellschiff stellte sich ihnen in den Weg, und hatte kaum Gelegenheit, Alarm zu schlagen, bevor seine Seite von der Bugverstärkung der Nachtbringer zerfetzt wurde.
Natürlich begriff Salaïwar trotzdem irgendwann, was gespielt wurde, und die Schnellschiffe, die vom Kampf übrig geblieben waren und eine Galleone machten sich an die Verfolgung. Der Klabauter beobachtete sie mit seinem Fernrohr. Alleine wäre es ihm ein leichtes gewesen, ihnen davonzusegeln, selbst mit dem Gold, das sie an Bord hatten, aber nicht alle Schiffe aus Moners Flotte waren so schnell und so blieben die Segler Salaïwars über Stunden hinweg am Horizont hinter ihnen. Gegen Mittag setzte der Klabauter sein Fernglas ab und schielte auf den Kompass, als Reina ihm auf die Schulter tippte und nach Backbord nickte. Er blickte auf und sah, dass der Schwan zu ihnen aufgeholt hatte und nun wenige Meter neben ihnen das Wasser durchschnitt. Ranista stand am Bug und seine Goldzähne blitzten im Sonnenlicht. "Wir werden immer Feinde bleiben, Klabauter! Aber soviel muss ich dir zugestehen: das hier, das wird in die Legenden eingehen!"
Damit gab er den Befehl zu wenden und mit einem Ruck brach der Schwan aus der Formation aus und segelte nach Norden, ins offene Meer hinaus. Einige von Moners Captains wollten sich an die Verfolgung machen, aber der Klabauter winkte ab. Ein Grinsen zog sich um seine Lippen. "Dieses Mal lass ich dich ziehen, Ranista", murmelte er. "Das nächste Mal verfütter ich dich den Fischen."


If you're going through hell, keep going.
nach oben springen

#779

RE: Irian Shada und die Grüne See

in Dreitan - das Spiel 13.02.2017 23:01
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

acht Tage später, Chlidok, Handelsposten am nördlichsten Ende von Ruachat

Der Klabauter schlenderte dem Pier entlang und blickte auf die flache See hinaus. Sie waren eine Woche lang nach Süden gesegelt, weit ausserhalb der Inseln, um der entgegenkommenden Flotte Salaïwars auszuweichen. Er zählte darauf, dass sie denken würden, er wäre nach Vanalur zurückgekehrt, wie Ranista es vermutlich getan hatte. Wenn nicht - nun, dann würden sie ihn zwangsläufig hier in Chlidok suchen, denn es war der einzige grössere Handelsposten in der Gegend. Das Festland hier bestand aus sumpfigen Mangroven und Ruachat war so weit im windumtosten Norden nur von wenigen Stämmen besiedelt, die prächtigen Städte der Sandläufer befanden sich viel weiter im Süden.
Er machte sich keine grossen Sorgen deswegen. Was ihn viel mehr erstaunte, war, dass sich Eryvthis noch nicht bei ihm gemeldet hatte. Er hätte erwartet, dass sie ihn aufhalten würde, kaum hatte er den Wasserpalast verlassen. Nun, vielleicht war sie anderswo beschäftigt.
Er wandte sich vom Wasser ab und trat auf die Veranda einer der zusammengezimmerten Baracken, die sie hier Wirtshaus nannten, signalisierte dem Wirt, dass er zwei Gläser Rum wollte, und liess sich in einen der Korbstühle fallen, neben Wezkon, der ebenso wie er selbst zuvor der auslaufenden Roten Anne hinterherblickte. Sie waren die einzigen, die noch hier waren. Ariak und die meisten von Moners Schiffen waren bereits am Vortag aufgebrochen, der Rest am Morgen. Als die Beute aufgeteilt gewesen war, hatte er sie alle vor die Wahl gestellt, ob sie unter seiner Flagge segeln wollten - und er hatte klar gemacht, dass es eine freie Wahl war. Moners Testament band sie theoretisch an ihn, aber was waren die Worte eines Toten? Dennoch hatten sie ihm Gefolgschaft geschworen, bis auf Ariak, der klar stellte, dass er nur dem Wunsch seiner Cousine folgte. Sie würden dieselben Aufgaben und Gebiete behalten wie zuvor unter Moner und ihr Heimathafen blieb die Insel. Vorerst zumindest.
Walgard hatte sich schwerer getan mit der Entscheidung, er war noch nie unter fremder Flagge gesegelt und auch noch nicht lange unter eigener. Vor allem wollte er zurück nach Dreitan. Schliesslich hatten sie ausgemacht, dass sie sich dort wieder treffen würden. Und dann würde die Entscheidung fallen.
Blieben er und Wezkon. Der Klabauter nahm die Rumgläser entgegen und reichte eines davon seinem ehemaligen ersten Maat, nun Captain der Nachtbringer. "Du hast mir noch keine Antwort gegeben."
"Ich weiss", antwortete Wezkon. "Ich segle gerne mit dir, Klabauter. Aber ich unterzeichne nicht gerne Verträge."
"Dann belassen wir es bei einem Handschlag", erwiderte der Klabauter. "Papier lässt sich genauso schnell anzünden oder einfach ignorieren wie ein Wort sich leugnen."
"Das ist wahr", erwiderte Wezkon. "Aber was, wenn ich austreten will?"
Der Klabauter blickte auf seinen Rum. "Wenn du bleibst, macht dich das zu meinem Verbündeten. Wenn du aufrichtig gehst zu meinem Rivalen. Nur wenn du mich verrätst zu meinem Todfeind."
Wezkon grinste. Dann streckte er dem Klabauter die Hand hin. Der Klabauter schlug ein. "Auf gute Winde."
"Wohin zeigt der Kurs?"
"Tarluka", antwortete der Klabauter und seine Augen funkelten.
Sie stiessen die Gläser zusammen und tranken.


If you're going through hell, keep going.
nach oben springen

#780

RE: Irian Shada und die Grüne See

in Dreitan - das Spiel 17.02.2017 17:30
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Sie waren seit drei Tagen wieder unterwegs, als ein Ruck durch das Schiff ging. Die Sturmsänger war schwer beladen mit Gold, Wasser und Vorräten für die lange Überfahrt, trotzdem hob sie sich einen guten Schritt aus dem Wasser. Einige Piraten brachen in Panik aus, aber der Klabauter blieb ruhig und band das Steuer fest, bevor er den Befehl brüllte, Segel zu reffen.
Eine Weile lang geschah nichts und Stille senkte sich über das Deck, als die Männer ihre Arbeit getan hatten. Dann begann das Wasser um das Schiff zu glucksen und zu schäumen und schliesslich erhob sich eine plätschernde Säule daraus und nahm die Gestalt einer wunderschönen Frau an, durscheinend und schimmernd, umflossen von kristallenem Haar, in ständiger Veränderung. Einige der Piraten aus Irian schrien auf vor Schreck, aber Meleth klammerte sich nur in Wanten fest und betrachtete das Schauspiel. Wenn die Meereshexe beschliessen würde, sie zu töten, wären sie ohnehin alle geliefert, da nützte auch schreien nichts.
Eryvthis beugte sich hinüber zum Klabauter und streckte eine wässrige Hand nach seiner Wange aus. Wasser tropfte auf das Achterdeck und strömte durch die Speigatten wieder ab. "Du hast sie", murmelte ihre Stimme wie Wellen in einem ruhigen Hafen.
"Ich grüsse dich, Eryvthis", grinste er.
Sie umkreiste ihn, wobei ihre Gestalt ihn um mehrere Köpfe überragte. "Gib sie mir. Erfülle deinen Teil des Paktes, Klabauter, und du wirst frei sein."
Er seufzte und zog die Kette, die er um den Hals trug, hervor. Er liess das Medaillon aufschnappen und der blaue Schein fiel in sein Gesicht. Ihm entging nicht, wie Eryvthis in seine Richtung zuckte in dem Moment, in dem sie das Licht sah, und für einen Augenblick durchlief ein schimmer puurer Verzweiflung ihren wässrigen Leib. Innerlich grinste er breit. "Die blaue Perle von Ask'Aradin", sagte er leise, den Blick auf das wabernde Licht gerichtet. "Legende der See. Aber weisst du, was ich mich frage?" Er liess das Amulett zuschnappen und hielt es fest mit der Faust umschlossen, während er Eryvthis ansah. "Warum bist du so versessen darauf, sie zu besitzen?"
Ihr Mund verzog sich zu einer breiten, zähnenbewehrten Fratze und ihre Stimme wurde zu einem Tosen. "Reize mich nicht, Klabauter!"
Ihre Drohung wirkte weniger beängstigend durch die Tatsache, dass sie dabei einen ganzen Schritt zurückgewichen war. Der Klabauter drehte grinsend das Medaillon in der Hand. "Sag schon. Was ist es? Ein Bann? Hat dieses hübsche, kleine Ding etwa Macht über dich?"
Eryvthis bäumte sich wütend auf und riss ihre Kiefer auseinander. Dann sackte sie von einem Moment auf den anderen in sich zusammen und Wasser schwappte über das Deck. Nun fast nur noch in menschlicher Grösse floss sie auf ihn zu und umkreiste ihn. Ihr schimmernder Blick war unendlich traurig und ihre Stimme nur noch ein Windhauch voller Gischt. "Macht... ja. Aber nicht durch Bann." Ihre Finger glitten durch seine Haare und sie beugte sich zu ihm, dass ihr Wasser ihm wie Tränen über die Schläfen rann. "Klabauter. Ich liebte einst. Wie du. Er war ein Seefahrer. Ein Mensch." Sie umrundete ihn und blickte in seine Augen, ihr Blick schimmernd vor Trauer. "Aber Menschen sind sterblich. Alles, was ich retten konnte, war seine Seele. Und selbst die wurde mir gestohlen."
Der Klabauter begriff. "Die Perle?", flüsterte er.
Sie nickte. "Gib ihn mir wieder, Klabauter. Ich bitte dich."
So viel Flehen lag in ihrer Stimme. Er wusste, in diesem Moment hielt er sie fest im Griff. Die Perle bedeutete ihr so viel, dass sie niemals gewagt hätte, ihn anzugreifen, solange er sie in der Hand hielt. Und sie erwartete, dass er das ausnutzte. Er schluckte leer. "Ich bin ein Trickser, Eryvthis, aber kein Teufel." Seine Stimme brach. "Und ich weiss, was Verlust bedeutet."
Mit diesen Worten reichte er ihr das Medaillon. Ihre wässrige Hand umfasste es wie ein Kind. "Danke, Klabauter", murmelte das Wasser. Dann glitt sie zurück, fiel in sich zusammen und schwappte durch die Speigatten von Deck, die Perle mit sich nehmend.

Als Meleth in dieser Nacht an Deck kam, fing Ismir sie ab. "Das mit dem Training heute kannst du vergessen", meinte er leise kopfschüttelnd.
"Warum?", fragte sie.
Ismir nickte seufzend zum Achterdeck. "Der Captain ist sturzbetrunken."

-> Der Schwarze Klabauter, Wezkon und ihre Mannschaften weiter in Westküste und Weissgischtmeer S. 192


If you're going through hell, keep going.
nach oben springen


Besucher
0 Mitglieder und 13 Gäste sind Online

Forum Statistiken
Das Forum hat 111 Themen und 30462 Beiträge.

Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen | ©Xobor.de