Der Kontinent Irian Shada liegt so weit im Südwesten, dass er für die allermeisten Bewohner Dreitans - sofern sie überhaupt schonmal von ihm gehört haben - nur eine ferne Legende ist, aus der Dinge kommen, die sich ohnehin nur die reichsten der Reichen leisten können, wie dieses merkwürige, schwarze Getränk namens Kaffee. Ein schnelles Schiff braucht von der Westküste Dreitans her sieben Wochen, und selbst aus Tarluka, der grossen Handelsstadt im südlichen Korodraim, sind es noch fünf, um die Küste Irian Shada's zu erreichen. Nur wenige Händler und andere Seefahrer nehmen diese mühevollen und gefährlichen Fahrten auf sich, aber für sie lohnt es sich umso mehr.
Irian Shada ist ein heisses, wildes Land mit undurchdringlichen Dschungeln, riesigen Mangrovenwäldern und zauberhaften Städten, die sich wie die Perlen einer Halskette an seinen Küsten reihen. Die wohl glorreichste unter ihnen ist Salaïwar, Zentrum des östlichen Sultanats, das hellste Auge in der Bucht der Sterne. Seine Paläste und Tempel schmiegen sich an das grüne Wasser, aus dem sich, der Stadt weit vorgelagert, der mächtige Wasserpalast erhebt, sitz des Sultans und Hort unermesslicher Reichtümer. Sein Einfluss dehnt sich im Süden aus bis fast hinunter zur trockenen Insel Ruachat, auf der die Sandläufer leben.
Salaïwar's Gegenspieler im Nordwesten ist das nördliche Sultanat, ungleich weniger prächtig und reich, aber nur umso entschlossener, dieses Ungleichgewicht zu beseitigen. Und zwischen den beiden Reichen, tief im Sumpfgebiet des Roshi-Deltas, liegt Vanalur, die Stadt der Piraten der grünen See. Inmitten einer riesigen Bucht erstreckt sie sich von Insel zu Insel, und es sind nicht nur die Gesetze der Menschen, die an diesem Ort keine Bedeutung haben, sondern gelegentlich auch die der Natur, denn die Wasser um Vanalur sind durchdrungen von wilder Magie wie nur wenige Orte auf dieser Welt.
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Anfang-Mitte November, eine Woche südwestlich von Moner's Inseln
Sturmsänger, Nachtbringer, die Rote Anne, Ranista's Schwan, Moner's ehemalige Flotte und sieben weitere Schiffe
<- Westküste und Weissgischtmeer S. 173
Fast eine Woche war vergangen, seit sie die Inseln verlassen hatten. Der Captain war unausstehlich gewesen die ersten Tage, so dass sogar Saki den Rückzug auf das Schiff ihres Bruders angetreten hatte. Meleth und dem Rest seiner Mannschaft hingegen blieb nichts anderes übrig, als den Kopf einzuziehen und dem Captain nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Was auch immer er jetzt wieder für ein Problem hatte. Wenn man sich auf dem Schiff des Klabauters an eines gewöhnte, dann, dass der Captain manchmal einfach schlechte Laune hatte, ohne dass es einen Grund dafür brauchte. Und dass das normalerweise auch wieder vorüber ging.
Was Meleth viel mehr verwirrte, war, wie freundlich Kopo plötzlich zu ihr war. Sie hätte schwören können, dass er sie noch vor wenigen Tagen am liebsten kielgeholt hatte, und jetzt war er die Freundlichkeit in Person. Irgendwie gefiel ihr das nicht. Es wirkte faul. Aber sie lächelte brav und liess sich nichts anmerken. Immerhin war sie damit nicht die einzige, auch Alek und Marres schienen leicht irritiert. Marres hatte gemeint, vielleicht habe jemand dem Kerl bei der letzten Prügelei eins auf den Kopf verpasst, und sein Hirn wieder eingerenkt. Wie auch immer.
Das Wetter war bis jetzt die meiste Zeit über gut gewesen, nur einmal hatte es leicht geregnet. Trotzdem war die Stimmung nicht die allerbeste. Sie hatten seit über einem Monat keinen anständigen Hafen mehr angelaufen. Die Lebensmittelvorräte hielten zwar noch lange, aber keiner von ihnen wusste genau, wie lange sie noch auf diesem gottverdammten Meer fahren würden, bis irgendwann wieder Land in Sicht kam, und angesichts dessen konnte auch lange kurz werden. Ausserdem sah es danach aus, als würde der Rum schon vorher alle werden.
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