Sie lächelte halb. "Ich trink aus, dann gehen wir Stöcke suchen."
Das taten sie. Es war schon ziemlich dunkel, als sie das Wirtshaus verliessen, also nahmen sie eine Laterne mit. Risk liessen sie mitsamt dem Gepäck in der Schenke, wogegen die überhaupt nichts einzuwenden hatte, denn es war schweinekalt draussen. Hinter Altmoor führte der Weg durch einige kleine, schneebedeckte Felder und eisüberzogene Sumpflandschaft. Die reifbedeckten Schilfhalme glitzerten im Licht der Lampe, alles war still bis auf das Knirschen des Schnees unter ihren Sohlen und gelegentlich ein Windhauch, der durch das Schilf raschelte. Schliesslich tauchten die gespenstisch weissen Stämme eines lichten Birkenhaines, an dem sich der Pfad vorbeischlängelte, vor ihnen aus der Dunkelheit auf und Ro verliess den Weg, vorsichtig einen Fuss vor den anderen setzend, um nicht plötzlich durch das Eis in irgendeinen Tümpel zu brechen.
Zwischen den Birken wirkte der Boden fester und sie hatten keine Mühe, geeignete Stöcke zu finden. Ro stellte die Laterne zwischen die Wurzeln eines der Bäume, so dass sie ein gutes Licht über den Platz zwischen den Bäumen warf, dann schnallte sie ihren Gürtel auf und hängte ihn Alastar an. Nie würde sie ihren Säbel irgendwo unbeaufsichtigt herumliegen lassen. Aber ihm vertraute sie.
Sie nahm den Stock locker in die rechte Hand und stellte sich ihm gegenüber.

Ro spürte das Feuer durch ihre Adern schiessen und wie ihre Muskeln sich bewegten, wie die Luft an ihrer Hand vorbeizischte, den unebenen Boden unter ihren Füssen, und ihr Körper wand sich im Takt des Kampfes, ohne nachzudenken, ohne zu planen oder auch nur eine Absicht zu fassen. Sie wusste in jedem Moment, was zu tun war. Oder nein, sie wusste es nicht. Sie tat es einfach. Die Birken verschwammen in den Hintergrund und gingen in Flammen auf, sie drehte sich, schlug zu, liess abgleiten, schnellte vor und wirbelte den Stock in ihrer Hand, immer schneller. Sie spürte, wie Alastar allmählich ins Hintertreffen geriet und grinste. Obwohl sie sich eigentlich wünschte, dass er mehr aufdrehte. Es machte viel zu viel Spass. Etwas war anders, das wusste sie, auch wenn sie keinen klaren Gedanken fassen konnte und ihr Geist nichts war als Feuer und Bewegung. Anders als in Kor. Anders als bei Vron. Sie schnellte los und deckte Alastar mit einem Wirbel von Schlägen ein, duckte sich unter einem Gegenangriff weg und trat nach seinem Knie. Er zog das Bein hastig zurück und das Gefüge der Welt verschob sich ein bisschen, als er für einen Augenblick aus dem Gleichgewicht geriet. Ro stiess vor mit einem Stich, er parierte haarscharf und sie schlug mit der Faust nach seinem Gesicht.

Sie spürte den Schwung, den ihr der Tritt verpasste, liess sich davon herumwirbeln und bog dabei den Rücken durch, unter Alastars Klinge hinweg und schlug rückwärts nach seiner Seite. Er sprang zurück, sie drehte ohne innezuhalten weiter und setzte nach. Die Stöcke sirrten durch die eiskalte Luft und Ro spürte weder die Kälte, noch den Schmerz, wo Alastar sie getroffen haben musste. Alles war Feuer. Helles, loderndes, gieriges Feuer. Ihr Stock bewegte sich schneller, als sie sehen konnte und streifte Alastars Rippen, blockte seinen Gegenschlag und traf ein zweites Mal, diesmal satt.

Sie wollte nicht aufhören. Sie wollte weitermachen. Da war noch so viel Feuer, so viel Energie...
Sie holte aus, rammte den Stock in den Boden, stützte sich darauf und begann zu kichern, etwas atemlos und noch etwas verrückter. Es dauerte einige Atemzüge, bis das Feuer so weit abgeflacht war, dass sie sich zurechnigsfähig genug fand, um sich zu bewegen. Sie holte Luft, sah Alastar an und bemerkte, wie er die Hand auf die Rippen gedrückt hatte. "Sorry", meinte sie und versuchte das Grinsen um ihren Mundwinkel unter Kontrolle zu bekommen. "Sorry. Gehts?"

"Tschuldigung", meinte sie etwas kleinlaut. Sie trat zu im und nahm ihm den Gürtel wieder ab, um ihn sich selbst umzuschnallen, dann schob sie ihre Schulter unter Alastars, damit er sich auf ihr abstützen konnte.
Während sie sich so auf den Rückweg machten, dachte Ro darüber nach, was gerade passiert war. Sie hatte zu hart geschlagen, ja, aber sie hatte nicht versucht zu töten, nicht wie bei Vron. Es hatte Spass gemacht, und das Feuer... das Feuer war anders gewesen, irgendwie... heller.