Die Nebentür des Saals öffnete sich und Huldon, der eine der einflussreichsten Personen Murgirds war, trat ein. Er trug ein teures Brokathemd über dem Kettenhemd un an seiner schweren Axt waren Diamanten befestigt. Lange betrachtete er Arsór, dann begann er zu sprechen:
"Du weißt schon, Arsór, Sohn des Arnak, das von dem Gelingen deiner Mission viel abhängt."
Er ging mit langsamen Schritten um ihn herum.
"Ich habe dafür gestimmt, dass wir nicht weiter nachforschen und die Sache auf sich beruhen lassen. Aber, wie es aussieht wurde ich überstimmt.
Wenn deine Mission scheitert stehen wir vor schweren diplomatischen Problemen. Und sie werden auf uns aufmerksam werden. Das wäre gar nicht gut, gar nicht gut..."
Er blieb stehen und schnalzte mit der Zunge.
"Außerdem musst du wissen, dass wenn deine Mission scheitert, die Beweismittel vernichtet werden müssen. Hast du verstanden?"
Arsór nickte langsam. Das hörte sich nicht gut an.
"Aber trotzdem...wenn die Mission gelingt, und unser Verdacht bestätigt ist, haben wir einen unschätzbaren Standvorteil. Ich habe schon überlegt, ob ich dir einige Zwerge mitgeben soll, aber das wäre dumm. Als ob einer allein nicht schon auffällig genug wäre. Nun - ich denke, du musst jetzt gehen. Vielleicht sehen wir uns ja wieder. Aber das halte ich eher für unwahrscheinlich."

Einige Tage früher

Eine Gruppe von schwarz gekleideten Zwergen standen in einer niedrigen Halle in den Katakomben Murgirds. Als das Volk der Zwerge in frühen Jahren noch zahlreicher gewesen war, hatte man viele dieser heute leer stehenden Gänge und Hallen in den Fels gegraben. Heute boten sie das ideale Versteck für Diebe oder Gruppen, die nichts Gutes im Schilde führten.
Einer Zwerge, der wohl der Anführer war, zischte:
"Ruhe! Oder wollt ihr, dass die Wachen uns hören? Ihr wisst, warum wir heute hier sind. Ich habe entschieden, dass wir sofort aufbrechen."
Aufgeregtes Gemurmel setzte ein.
"Wir können nicht länger warten. Die Elfen leben wie die Maden im Speck und unser König ist schwach. Der Tag der Rache ist gekommen!"
Es gab Nicken und beifälliges Gemurmel von allen Seiten.
"Wisst ihr schon, wie wir es machen, Welfk?", fragte ein anderer Zwerg.
Der Anführer begann hämisch zu grinsen. "Oh ja. Das weiß ich schon."
Plötzlich rief einer der anderen leise: "Vorsicht! Da kommt jemand!"
Sofort rannten die sechs Zwerge zu der Tür, die zu den zentralen Kammern Murgirds führte, und versteckten sich an beiden Seiten. Fackelschein war zu sehen, dann kamen zwei Zwergenwächter, die wohl Geräusche gehört hatten, herein. Sofort und lautlos fielen die sechs Zwerge über sie her.

Gegen Abend klarte der Nebel etwas auf und in der Ferne konnten sie, etwas weiter unten im Tal, Murgird erkennen. Dies würde die letzte Nacht vor Ankunft sein und langsam war es Zeit sich Gedanken über die Vorgehensweise zu machen.
Sie saßen alle um das Lagefeuer herum, als er schließlich fragte: "Jemand ne Idee, wie wir morgen nach Murgird reinkommen sollen?"
Dabei blickte er vor allem Arsór, den Zwerg an.

Der Zwerg reagierte nicht. Er war schon den ganzen Tag so still gewesen, fast schon unheimlich. Mit leerem Blick stierte er ins Feuer. Plötzlich brachen gurgelnde Geräusche aus seinem Mund heraus, er zuckte und verdrehte die Augen. Dann sprang er auf und zog seine Axt.
Alarmiert sprang auch Urakantor auf. Da stimmte etwas nicht!

Runa sprang auf und sah sich um. Dann schloss sie die Augen und verließ sich auf ihre Ohren, bei jedem Geräusch zuckte sie leicht zusammen. Wenn irgendjemand die Gruppe beobachtete oder angreifen wollte, würde er das wohl kaum unbemerkt und ungestraft machen. So klein und unscheinbar diese Truppe auch sein mochte, sie war nicht zu unterschätzen.

Der Ast bewegte sich, es raschelte im Gebüsch. Mehrere Gestalten stürmten auf das Lager zu. Kampfbereit starrte er in die Richtung, aus der plötzlich Kriesgsschreie ertönten. Bohrende Kopfschmerzen erfüllten ihn. Dann hörte er am linken Ohr ein Geräusch wie von einer herabsausenden Axt. Er hechtete zur Seite; einen Moment später jagte eine Axtklinge in den Boden, wo er vorher noch gestanden hatte. Der Zwerg lief amok! Er blickte sich um. Gillian stand da und hielt sich die Ohren zu, Runa blickte sich verwirrt um und Ro stand mit einer Waffe in der Hand da. Hatten etwa Llaywan und Arsór sie verraten?
Darüber sollte er sich besser später Gedanken machen, denn der Zwerg lief wieder auf in zu. Gerade als er seinen Säbel gezogen hatte, flogen Pfeile in das Lager, bohrten sich in Baumstämme oder blieben im Boden stecken. Nicht gut. Er machte einen Schritt rückwärts. Noch einen. Und setzte seinen Fuß in Leere. Er verlor das Gleichgewicht und fiel rückwärts einen Waldhang hinab.
Seine Waffe rutschte ihm aus der Hand als er den Hang hinabrollte und bei jedem Aufprall fluchte er. Ein Baumstamm bremste ihn jäh ab und er verlor das Bewusstsein.

Im ersten Moment war Runa etwas verwirt. Was soll denn das jetzt, fragte sie sich. Mit einem Angriff bevor sie sich in der Stadt bemerkbar gemacht hatten hatte sie nicht gerechnet. Sie wurde von einer heransausenden Axt aus ihren Gedanken gerissen. Schnell ging sie in die Knie, zog ihre beiden Dolche unterihrem Umhang hervor und schlug ihren Angreifer erstmal bewusstlos. Dann machte sie sich einen Eindruck von dem Kampf und stürzte sich auf den nächst besten Angreifer.