Ende Dezember
Alastar betastete den Stoffstreifen, welcher sein rechtes Auge verbarg. Oder eher den Platz wo sein Auge gewesen war. Er atmete erleichtert aus, der Stoffstreifen sass richtig. "Lass dass!", knurrte der alte Dunkelschatten und er senkte die Hand hastig wieder. "Du weisst was du zu tun hast. Geh und wage es nicht zurückzukommen ehe du ihn getötet hast."
Der junge Dunkelschatten nickte. Alastar wusste was er zu tun hatte. Schließlich hatten sie ihn jahrelang darauf vorbereitet. Sie standen in einem kleinen spartanisch eingerichteten Zimmer. Ein schlichtes Bett stand in einer Ecke und an dessen Fussende stand eine Truhe. Das Zimmer wie auch der Rest des Hauses war aus dem schlichten weissen Kalkstein gebaut worden, welcher in der Gegend in Mengen vorhanden war. Der alte Dunkelschatten sass hinter einem alten zerkratzten Tisch auf welchem ein länglich in violettes Samt eingehülltes Bündel lag.
Der alte Dunkelschatten nickte zufrieden. Er hob das längliche Bündel auf und wickelte es vorsichtig aus. Zum Vorschein kam ein kurzes Schwert in einer schwarzen Lederscheide. "Die ist Fuin. Sein Gegenstück, Arad, hat Makaras mitgenommen. Seit Jahrhunderten waren sie im Besitz unserer Familie, bis er Arad gestohlen hatte und einen grossteil von uns ausgelöscht hat. Unsere Feinde haben nur auf eine solche Gelegenheit gewartet. Wir haben fast all unseren Einfluss eingebüsst und wenn wir nicht aufpassen werden sich auch die letzten unserer Verbündeten von uns abwenden." Der alte Dunkelschatten hielt einen Moment inne und seine Hand krampfte sich um den Griff des Schwertes. "Es ist eine Schande! Ausgerechnet einem Elfen hat er sich unterworfen." Er erschauerte und wandte den Blick seiner dunklen Augen auf Alastar. "Töte ihn und bringe uns Arad wieder." Der alte Dunkelschatten reichte ihm das Schwert. Alastar zögerte einen Moment, dann nahm er das Schwert an sich. Der Schwertgurt bestand ebenfalls aus schwarzem Leder und er band ihn sich um die Hüfte. Anschliessend drehte er sich um und ging. Es gab nichts mehr zu sagen. Er hatte seinen Auftrag erhalten. Alles was es jetzt gab war Erfolg oder Tod. Er war sich bewusst, dass er nicht die Erste Wahl gewesen wäre, falls der Rest der Familie noch gelebt hätte. Er war nicht einmal ein ganzer Dunkelschatten, ausserdem war er auch noch stumm. Seine Mutter hatte sich einem Schattendämon hingegeben und die hellere Haut hatte ihn das ganze Leben lang verfolgt. Jetzt endlich hatte er die Chance sich zu beweisen. Er würde Arad zurückholen, koste es was es wolle.

Auf einem Gutshof ausserhalb von Kasz. Ein grosser, dunkler Raum, erhellt von Fackeln, die Wände behangen mit Wandteppichen. Ein Dunkelschatten in vernieteter Rüstung stand am Kopfende des Raumes, wo der Boden erhöhte war. Vor ihm, zwei Stufen tiefer, standen zwei Frauen. Ihre Haut war genauso pechschwarz wie ihr zu einem langen Zopf geflochtenes Haar. Sie waren gekleidet in schwarzes Leder, und hielten die Arme überkreuzt vor der Brust, in jeder Hand ein langer, zahnartiger Dolch. Sie glichten sich vollkommen, als stünde ein Spiegel zwischen ihnen.
Der Mann sah sie an. "Nechbet, Wadjet, ihr kennt euren Auftrag."
"Ja", antworteten sie wie aus einem Munde.
"Dann macht euch auf den Weg."
Synchron und mit einem metallischen Schaben steckten sie die Messer in die Scheiden an ihren Gürteln, drehten sich um und gingen.
If you're going through hell, keep going.

Der Sklavenmarkt von Kasz lag auf einem grossen, festgetrenenen Platz und drängte sich in die davon ausgehenden Strassen wie ein Geschwür. Brettertribünen, auf denen die hochwertigere Ware präsentiert war, standen neben vergitterten Karren und den Zeltbuden der Händler, dazwischen flanierten die Grossgrundbesitzer oder ihre Verwalter um sich ihre neuen Arbeitskräfte herauszupicken und mit den Händlern über den Preis zu feilschen. In Kasz herrschte immer Bedarf an Sklaven, denn Verschleiss auf den Gutsbesitzen um die Stadt herum und in den Minen war gross.
In einem herrschaftlichen, mit bequemen Möbeln und glänzenden Teppichen ausgestatteten Zelt mit rot-blau gestreifter Plane zählte ein Sklavenhändler zufrieden seine Einnahmen, als er eine Klinge am Hals spürte. "Wo ist er?", zischte eine Stimme an seinem Ohr.
Der Sklavenhändler versuchte ruhig zu bleiben. Eine Schweissperle rann ihm von der Stirn und er hatte das Bedürfnis leer zu schlucken, wagte es aber nicht aus Angst um seinen Kehlkopf. "Von... von wem sprecht ihr."
Eine Frau tauchte auf der anderen Seite des Tisches in seinem Blickfeld aus, eine Dunkelschattin mit einem langen, schwarzen Zopf und zwei scharfen Klingen am Gürtel. "Du weisst, wen wir meinen", sagte sie und ihre Stimme klang zugleich süss und tödlich.
Gemessen an der Tatsache, dass immer noch eine Klinge seine Halsschlagader bedrohte, mussten sie mindestens zu zweit sein. "N... nein, ich habe keine Ahnung. Ich gebe euch, was ihr wollt, aber sagt mir, was ihr wollt."
"Der Sklave aus dem Süden", zischte die Stimme an seinem Ohr. "Der grosse, menschliche, mit der dunklen Haut."
Ihm fiel ein Stein vom Herzen. "Den habe ich verkauft."
"An wen?", fragte die Stimme.
"An die Arena", antwortete er. "Sie wollten ihn als Rarität."
"Lügst du uns an?", fragte die Frau ihm gegenüber. Die Klinge an seinem Hals verlieh der Frage Nachdruck, indem sie seine Haut einritzte.
"N...nein", stotterte er schnell. "Ich sage die Wahrheit."
"Gut", sagte die Stimme an seinem Ohr. Im nächsten Moment war die Klinge weg von seinem Hals.
Er wartete einige Augenblicke, dann wollte er sich vorsichtig umdrehen. Aber er konnte es nicht mehr, seine Gliedmassen waren wie gelähmt. Seine Sicht verschwamm, der Boden kam ihm entgegen. Das letzte was er sah, bevor die Schwärze, die von beiden Seiten her in sein Gesichtsfeld raste, ihn tötete, waren zwei Frauen, die sich glichen wie ein Ei dem anderen. Ausser dass die eine einen Dolch in der Hand hatte...
If you're going through hell, keep going.

Mitte März
Das Gitter der Zelle hob sich rasselnd und rastete in der Verankerung in der Decke ein. Der Nubier rührte sich nicht. Die Ketten über seiner breiten Brust spannten unter seinen tiefen, ruhigen Atemzügen. In vollkommener Ruhe starrte er auf den nun offenen Durchgang zum Korridor. Einige Atemzüge lang geschah nichts, dann trat von jeder Seite her eine Frau in die Türöffnung, genau gleichzeitig. Sie waren von Kopf bis Fuss schwarz, schwarzes Haar, schwarze Haut, schwarze Augen, schwarze Kleidung. Nur die Klingen in ihren Händen blitzten hell.
Den Nubier schien ihr Anblick nich aus der Ruhe zu bringen. "Was wollt ihr hier", fragte er mit grollender Stimme.
"Sagt dir der Name Nurshadaz etwas?", fragte die eine Frau mit gefährlich süsser Stimme.
Der Nubier erschauerte.
"Du hast gesehen, was sie mit ihm gemacht haben", sagte die Frau. Sie trat auf ihn zu und umkreiste ihn. "Du warst dabei."
Er antwortete nichts.
"Wer war noch dabei?", fragte sie dicht an seinem Ohr.
"Sie sind alle tot", antwortete er.
"Warum lebst du dann noch?" Die Stimme flüsterte beinahe.
Ihm kroch eine Gänsehaut über den dunklen Leib. "Sie wussten nicht, dass ich es gesehen habe."
"Wie kannst du dir dann sicher sein, dass nicht jemand anderes es gesehen hat?", fragte die andere Frau mit einer zischenden Stimme.
Er blieb ruhig, aber das weiss seiner Augen verriet seine Angst. "Was habt ihm mit den Wachen getan?"
Als Antwort hob die Frau eine ihrer Klingen. Ein schmaler Blutstropfen hing darin.
"Da war eine Frau", sagte der Mann. "Sie lag in einem Karren und schlief."
"Was für eine Frau?", fragte diejenige an seinem Ohr.
"Eine wie ihr, von eurem Volk. Ihr Vater hatte sie am Tag zuvor an den Goblin verkauft, der sein Lager neben unserem hatte. Sie kann etwas gesehen haben, wenn sie wach war." Kalter Schweiss rann ihm über die Stirn und den Nacken hinunter.
Die Frau trat von ihm weg und einen Schritt vor ihn. "Gut", sagte sie lächelnd. "Genau das wollte ich wissen."
Dann drehte sie blitzschnell die Hand und eines ihrer Messer senkte sich tief in die Brust des Nubiers.
If you're going through hell, keep going.

Mitte April, Stamm der Nordnomaden, südlich des Tsar
Iron empfing den grünen Falken mit ausgestreckter Hand und als das Tier den ledernen Handschuh berührte, löste es sich in Rauch auf. Iron schloss die Augen und hörte die Stimme des Halbdrachen. Er rief ihn um Hilfe. Es war Zeit die alte Schuld zu begleichen. "Hja!", rief der Dunkelschatten und sein Pferd galoppierte los. Den Speer erhoben ritt er zurück zu seinem Stamm, welcher das Lager in der Nähe aufgeschlagen hatte, die roten, braunen, schwarzen und beigen Zelte erstreckten sich über eine weite Fläche im hohen, trockenen Gras. Er reif seinen Stammesbrüdern zum Gruss und sie erwiderten indem sie ihr Lied anstimmten. Wenn Iron den Speer hob, wussten sie, was folgte. Jagd.
Die Jäger brachen auf, noch bevor er die Zelte erreichte und Iron machte sich auf den Weg in sein Zelt, nachdem er vom Pferderücken sprang und das Tier zur Herde trabte. Er schob die Plane beiseite und für einen kurzen Moment wurde der Blick auf seine junge Frau frei, die gerade ihr Jüngstes, ein Kind von drei Wochen, stillte. "Ich werde in den Osten ziehen", sagte er in der Stammessprache und setzte sich ihr gegenüber im Schneidersitz, das kleine Feuer in ihrer Mitte. Er holte seine Pfeife heraus und stopfte sie. "Wirst du lange weg bleiben?", fragte sie und stand auf, um ihm Schnaps zu bringen. "Nein", brummte er und deutete ihr sich zu setzen. Er wusste, dass sie noch müde und ausgelaugt war von der Geburt und dem ständigen Reisen. Sie war keine der Tresh*. Sie wuchs in Kasz auf und kam erst vor vier Jahren zu ihnen. Er holte sich selber Schnaps und ihr gekochte Milch. Als er sie ihr reichte strich er dem Kind sanft über den Kopf und küsste den Scheitel seiner Frau. "Zieh die schönsten Sachen an, sag den Kindern, sie sollen sich waschen gehen. Heute gibt es ein Fest", verkündete er, trank ein Glas Schnaps und legte sich zum Schlafen hin. Die Frau nickte und versorgte das Kind, bevor sie es in seinen Korb legte. Als es schlief, verräumte sie die Felle und ging nach draussen, ihre anderen Kinder zu rufen.
*Hyäne, Name des Stammes
some men just want to see the world burn

Trommeln und Flöten füllten die Nacht und der Rauch der verbrannten Gewürze und Kräuter lag schwer in der Kalten Luft. Die Jäger hatten reiche Beute gemacht, zwei Wildschweine und ein grosses Reh, diese hatten sie über den Feuern gebraten und jetzt wurden sie an die Leute verteilt. Met und Most wurden geöffnet und getrunken. Auch wenn ihre Vorräte knapp waren feierte der Stamm ausgiebig und Tänzer und Tänzerinnen tummelten sich vor den Feuern, die hellen Bemalungen blitzten im Schein der Flammen, liessen ihre Körper, ihre Silhouetten in der Bewegung und Dunkelheit zerfließen.
Iron sass im Zelt des Schamanen, welcher ihm Blut eines für den Anlaß geschlachteten Pferdes gegeben hatte und nun weisse Linien über die Haut zeichnete. Iron würde bei Anbruch des nächsten Tages gen Osten reisen, gen Osten zum Herrn der Flammen. Candor dem Grünen.
Sobald die Schuld beglichen war, könnte Aerons, die Seele Irons Schwester endlich ihren Ritt in die ewigen Steppen Tsariwas fortsetzen.
some men just want to see the world burn

Als die letzten Feiernden in die Zelte verzogen und die ersten erwachten, machte Iron sich auf den Weg sein Pferd war nicht zu schwer beladen, er hatte nur seine Waffen, Felle, Zelt und einen Satz frischer Kleidung bei sich, schliess war er ein Kind der Steppe und keine Mutter würde seinen Spross verhungern lassen. Er brach auf, nach Nordosten, wohin Candor ihn gerufen hatte.
Die Tage in der Steppe vergingen ruhig und schleichend. Iro hatte nicht einmal daran gedacht sie zu zählen, denn für ihn spielte Zeit keine Rolle, noch weniger tat sie dies für seinen Auftraggeber. Er genoss die Stille und Freiheit, die ihm die Weite der Steppe bot, den freien Himmel über sich und die wärmenden Strahlen der Sonne. Der Frühling war zurück gekehrt.
Es dauerte ein Weilchen, bis er den Tsar erreichte, welcher dir Grenze zwischen den Wilden Landen und dem Gebiet der Dunkelschatten darstellte. Zögernd überquere er schlussendlich den Fluss, das Gebiet dahinter kannte er nicht wirklich, doch wusste er, wie er den Menschen aus dem Weg gehen konnte. Er folgte der Steppe weiter in den Osten, bis er zu einer Stelle kam, die die Dämonen normalerweise mieden.
Die Stelle war einst ein Ort des Wissens und Handels gewesen, ein Ort, welcher in Vergessenheit geraten war und nun von finsteren Gestalten bewohnt wurde. Er wollte den Ort - dessen Namen er nicht kannte - umgehen, doch dies hätte dazu geführt, dass er zu nahe an die Festungen und Siedlungen der Menschen gekommen wäre und as wollte er wenn möglichst vermeiden.
some men just want to see the world burn

Ende April, Gwaishach
Es war nicht leicht gewesen, sich zurechtzufinden. Er hatte sich stets zwei Meilen von Kasz ferngehalten und die Stadt heimlich umschritten, bis zu der Stelle, die er gesucht hatte.
Fast einen Tag hatte er dafür gebraucht. Jetzt kam der komplizierte Teil, Er stand vor der hohen Felswand, an der richtigen Stelle und der Geheimgang war auch hier. Aber er kam von außen dennoch nicht herein. Und er wusste nicht, wie er diejenigen, die ihn öffnen konnte, kontaktieren konnte. Immerhin war er am äußersten Randbereich der weitläufigen Dämonenstadt, etwas abseits der letzten Häuser und Hütten, fernab vom dichtbesiedelten und belebten Stadtzentrum.
Er überlegte. Brieftaube oder ähnliches. Hatte er nicht. In die Stadt gehen. Sehr riskant. Jemanden finden und losschicken. Auch nicht risikoärmer. Klopfen. Erfolglos.
Er wägte eine Zeit lang alles ab, dann entschied er sich dafür, nach Kasz zu gehen. Was blieb ihm anderes übrig?
Wobei...da fiel ihm jemand ein, den er vergessen hatte. Seine Hütte lag etwas abseits, auf einem Berg, zu dem ein Weg vom Kasz-Talkessel hinaufführte. Gar nicht weit von hier.
Erleichtert, daran gedacht zu haben, ging er los. Es war nur ein Weg von einer Stunde bis zu der Hütte.
And he wondered...how can I protect something so perfect without evil?

Sie erreichten Kasz gegen Ende des Monats. Die Sonne schien und es war ein ungewöhnlicher heisser Tag dafür, dass der Sommer noch nicht begonnen hatte. Nechbet mietete ein Zimmer in einer Herberge unweit des Sklavenmarkts. Der Sklavenmarkt war das Zentrum von Kasz. Früher oder später kam alles und jeder dort durch.
If you're going through hell, keep going.


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