Er erbleichte und fühlte wie kalte Angst in ihm hochkroch, bis er kaum Luft bekam. Derart merkwürdige Schauergeister jagten ihm seit jeher Angst ein, selbst wenn er bisher noch nie Beweise für solche mit eigenen Augen gesehen hatte.
"Wie...wo soll ich dann noch reisen können, wenn es mich verfolgt?", stammelte er. "Ich kann in der Situation doch gar nicht aus Ladril fort und selbst dann könnte es mich des Nachts überfallen. Wie wehre ich mich dagegen? Was ist das für ein Wesen?"
Der ganze Auftrag war vergessen. Es zählte nur noch sein Überleben.

"Wenn du schnell reist, wird es dich so schnell nicht finden. Ich kam den ganzen Weg aus dem Tiefland-Wald bis hierhin und bin ihm erst hier wieder begegnet. Vielleicht bist du auch nicht interessant für ihn. Das einzige was ich dir raten kann ist: Bleib so oft du kannst in der Nähe von anderen und verweile nicht zu lange am selben Ort." Sie hatte das zwar schon einmal gesagt, aber was sie sonst hätte sagen sollen, war ihr ein Rätsel. "Ich habe keine Ahnung was es ist. Pfeile und Dolche nützen nichts gegen ihn. Reise einfach schnell und hoffe darauf, dass es sich nicht weiter für dich interessiert." Sie schulterte ihren Bogen und wandte sich ab um zu gehen. Sie sollte diesen Platz möglichst rasch verlassen.

"Ich werde deine Ratschläge beherzigen, vielen Dank!"
Er würde sich sofort auf den Weg machen, zurück zur Gruppe und ihnen erzählen, was passiert war. Zusammen konnten sie dann fliehen.
"Eine Frage noch: Wohin gehst du als nächstes?"

"Richtung Ravi. Ich werde über den Fluss schwimmen und hoffen, dass das Ding meine Spur verliert. Anschliessend am Rande der Wüste entlang immer weiter Richtung Norden. Ewig kann es mich ja nicht verfolgen.", erwiderte sie. "Viel Glück und stell dich das nächste Mal geschickter an, wenn du dich irgendwo einschleichst.", fügte sie mit einem frechen Grinsen hinzu.

"Danke, werde ich versuchen", grinste er zurück, dann wandte er sich um und ging möglichst gelassen an den Wachen vorbei aus Ladril hinaus. Seltsamerweise hielten sie ihn nicht auf, sie hatten also vermutlich noch nichts vom Angriff mitgekriegt.
Rotan würde den Diebstahl für ihn schon erledigen, das wusste er.
Er jedenfalls rannte, sobald er außer Sichtweite war, so schnell er konnte zurück zum Treffpunkt.

Rotan starrte entgeistert in die leere Truhe. Er hatte es unbemerkt bis in die Schatzkammer geschafft und seine Methoden hatten ihn über sich selbst hinauswachsen lassen. Aber sein Stolz war zusammengebrochen, als er gesehen hatte, dass die Schatzkammer außer Gold und Schmuck nichts enthielt. Zumindest nichts Magisches.
Enttäuscht suchte er weiter, aber vergeblich. In der gut sortierten Kammer fand er den beschriebenen Gegenstand nicht. Enttäuscht schlüpfte er durch das enge Loch in der Decke.
Als er wenig später wieder in einer Baumkrone inmitten von Ladril saß, überlegte er. Er würde einen der Elfen direkt fragen müssen, wo es war.
Dazu musste er durch die Tore spazieren. Er konnte sich ja als der Bruder des anderen Diebes ausgeben, dessen Namen er immer wieder vergaß, wieso auch immer.
Und zur Not würden sie mit leeren Händen zurückkehren müssen. Hexathar selbst hatte schließlich nicht gewusst, ob das Artefakt überhaupt noch hier war.

Rotan ging wenig später auf das Haupttor Ladrils zu.
Die Wachen versperrten ihm den Weg.
"Seid gegrüßt", sagte er. "Ist mein Bruder vielleicht vorhin hier vorbeigekommen?"
"Wer ist dein Bruder?", fragte einer der Wächter knapp.
"Verzeihung, wie dumm von mir. Ein Mensch. Ich nehme an, hier kommen nicht allzu oft welche vorbei. Wir sind auf dem Weg in den Osten, Verwandte in Murgird besuchen. Er wollte kurz nach Ladril und deshalb nehme ich an, er kam hier vorbei?"
"Ja, er ist nach Ladril hinein, aber vorhin wieder herausgekommen. Irgendetwas scheint passiert zu sein."
Verdammt!
"Dann wird er im Lager auf mich warten. Dürfte ich passieren und mir Ladril ansehen?"
"Wenn ihr euch untersuchen lasst. Ihr könntet ein Dämon sein."
"Natürlich lasse ich mich untersuchen."
Die Wachen gaben den Weg frei, aber einer von ihnen lief neben ihm her.
"Komm mit", sagte er.
Das wäre schonmal geschafft.

Rotan schlenderte durch die Elfenstadt und machte sich zielstrebig auf den Weg zum Palast. Als er schließlich dort angekommen waren, ließen ihn die Wachen passieren. Das hatte er erwartet. Die große Eingangshalle des weitläufigen Gebäudes durfte jeder betreten. Nur ab da wurde es schwierig.
Aber wie zu erwarten gewesen, waren mehrere einflussreiche Elfen, Elfenfürsten oder wie auch immer man sie nannte, in der Halle.
Er ging zum Erstbesten und fragte: "Sehr geehrter Herr Elf. Ich habe eine Frage, da ich mich für Magie interessiere. Befinden sich die Manschettenknöpfe von König Vandala des Zornigen noch in Ladril und wenn ja, sind sie irgendwo ausgestellt, wo man sie besichtigen kann? Ich würde sie zu gerne einmal bewundern, wie sich in den Diamanten das Licht bricht und die Energie spüren, die von ihnen ausgeht!"

(Will jemand den Fürsten übernehmen oder soll ich?)

"Vielen Dank", antwortete Rotan mit einer Verbeugung. Er war sich nicht sicher, ob der Elf gelogen hatte, aber seine Geschichte passte zumindest zu dem, was sie bereits wussten. Aber das musste nichts heißen.
Er drehte sich um und ging in die Bibliothek. Er würde die Schriften dort erforschen und mit Hilfe von dem, was in ihnen stand, versuchen, den Verbleib der Knöpfe zu kären.
Als Dieb musste man nicht nur schleichen und klauen können. Wichtig war eher, wie man mit Menschen umging und wie man sich Informationen beschaffte.