Ro pfiff eine Melodie. Nach einigen Takten fragte sie sich, ob Alastar eigentlich pfeifen konnte, wenn er nicht sprechen konnte. Sie versuchte sich zu erinnern, ob sie ihn nicht schonmal irgendwo pfeifen gehört hatte, aber es fiel ihr grad keine Situation ein, also fragte sie ihn einfach.

Das war interessant.
Sie marschierten praktisch den ganzen Tag über, nur unterbrochen von einer kurzen Mittagspause, und schlugen erst am Abend wieder ihr Lager auf.

-> Alastar, Growndrill, Naja, Risk, Ro, Shagan und die ganzen Söldner weiter in Gebirge S. 180

Sie hatten die Strecke nach Kor in Eilmärschen und weniger als fünf Tagen hinter sich gebracht. Die Stadt, die sie erreichten, war nicht mehr die selbe, die sie verlassen hatten: praktisch sämtliche Holzbauten waren abgerissen worden, die Mauern waren ständig bemannt, die Zivilbevölkerung hatte den oberirdischen Teil der Stadt verlassen und die steinernen Häusern waren zu Kasernen, Munitionslagern, Kommandozentralen umfunktioniert worden. Kor war bereit für Krieg.

Die Drachenjäger waren den Spähern zugeteilt und in das Gebirge ausgeschwärmt, um zu verhindern, dass sich abermals irgendein unbemerkter Armeeteil von irgendwo her nähern konnte. Thjorns Truppe, verstärkt durch einen neuen Mann, überwachte von den Berghängen aus ein Dorf südöstlich von Kor. Die Bewohner hatten es längst verlassen, und waren nach Norden geflohen, in Richtung Immen und der nördlichen Zwergenfestungen.

Man hatte die Söldner in steinernen Lagerräumen in einer der unteren Ebenen einquartiert und gönnte ihnen einen freien Abend, nachdem man ihnen mitgeteilt hatte, wie man sie reorganisieren wollte. Fähnlein 2 und 3 hatten so viele Leute verloren, dass man sie nun zu einem zusammenfasste, sodass Ro und die anderen nun in der gleichen Truppe waren wie Krush und seine Kameraden, von denen die meisten noch lebten, weil sie weiter hinten gestanden hatten. Nicht alle, aber die meisten.
Als sie sich eingerichtete hatten, und in die Stadt zogen, merkten sie schnell, dass mittlerweile noch einige Söldner mehr hinzugestossen waren, und erfuhren, dass es auch die Armee unter Tasórs Führung zurück in die Stadt geschafft hatte. Das hiess, praktisch sämtliche Truppen, die die Zwerge hatten, waren nun hier versammelt, um standzuhalten, oder unterzugehen.
Ro bestellte sich eben in einer der wenigen, leicht überfüllten Schenken, die noch standen, ein Bier, als sie ein bekanntest Gesicht sah. Respektive das bekannte Gesicht sah sie.
"Hauptmann Raven!", hörte sie eine ungläubige Stimme und drehte sich um. Sie musterte den Mann und fragte unsicher: "Kre?"
"Ja", antwortete er. "Wir... dachten du bist tot."
"Dachte ich auch schon", meinte sie mit einem halben Grinsen.
"Aber wie... das Feuer... häh?", stotterte Kre, und versuchte sich den Umstand, dass sie lebendig vor ihm stand zu erklären.
Ro's Erheiterung über seine Verwirrung erlosch schlagartig, als sie sich erinnerte.

"Wir dachten, du bist bei der Explosion draufgegangen", sagte Kre. "Und wieso bist du nicht mehr aufgetaucht?"
"Der Drache... du weisst, dass da ein Drache war, oder?"
"Lor hat sowas gefaselt, ja", meinte Kre.
"Der Drache hat mich weggeschleppt", sagte Ro. "Bevor die Explosion war."
"Das heisst, du bist da gar nicht draufgegangen? Scheisse Mann, wenn wir das gewusst hätten. Wir dachten alle du bist tot. Nesh hat sich..."
Sie schnellte vor und drückte ihm die Hand auf den Mund, ohne nachzudenken. "Sag es nicht", sagte sie flehend. "Lass es einfach bleiben, und sag es nicht, bitte!" Ihr standen Tränen in den Augen.
"Sorry", meinte er, als er begriff und einen Schritt rückwärts gemacht hatte. "Wieso bist du nicht zurückgekommen? Dann hätte er nicht..."
"Weil ich dachte, er sei in der Explosion draufgegangen", sagte sie leise.
"Oh Mann", sagte Kre schlug sich gegen die Stirn.
Ro hatte das Bedürfnis, das selbe zu tun, oder den Kopf gleich auf den Tresen runter zu hauen. Sie wusste, was Kre meinte. Es war so verdammt sinnlos. So verdammt sinnlos. Er hatte sich umgebracht, weil er gedacht hatte, sie sei tot. Weil sie sich nicht gegen den Drachen gewehrt hatte, weil sie gedacht hatte, er sei tot. Es war so! Verdammt! Idiotisch! Und es tat weh.
Sie biss sich auf die Lippen und versuchte den Gedanken mit einigen Schlucken Bier abzuschütteln, aber es gelang ihr nicht wirklich.