Er lächelte und fuhr mit den Fingerspitzen ihre Nase und Augenbrauen nach, bevor er unvermittelt gähntebund dann verlegen grinste.

Meleth erwachte, als die Morgensonne durch das Fenster blinzelte. Verschlafen drehte sie den Kopf weg und vergrub das Gesicht in der Decke und im Arm des Mannes, der neben ihr lag. Sie hatte ziemlich lange gebraucht, bis sie jemanden gefunden hatte, und hätte es beinahe einfach aufgegeben. Zwar hatte es nicht an Idioten gemangelt, die ihr nachgegafft hatten, aber irgendwie widersprach es ihr einfach mit einem ins Bett zu steigen, ohne zumindest vorher ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Worte, die sie verstand, wohlgemerkt.
Als sie sich schon fast damit abgefunden hatte, dass das wohl nichts mehr wurde, bevor sie Vanalur verliessen, hatte sich einer zu ihr an den Tisch gesetzt, der zumindest ein bisschen der Sprache Dreitans sprach. Er war zwar einige Jahre älter als sie und hatte ihr auf den ersten Blick auch nicht wirklich gefallen, aber was er in schiefen Brocken zusammengebastelt hatte war ganz lustig gewesen. Ausserdem hatte sie zu dem Zeitpunkt bereits ordentlich Rum intus gehabt. Auf jeden Fall hatten sie eine Weile gequatscht und dann irgendwie eines zum anderen geführt. Er hatte nicht gross verborgen, worauf er es hinauslaufen lassen wollte und sie wohl auch nicht. Im Nachhinein betrachtet, fand sie es bemerkenswert, dass sie es am Ende überhaupt auf Zimmer geschafft hatten.
Sie wusste, dass sie eigentlich aufstehen sollte, hatte aber überhaupt keine Lust dazu. Einerseits war es verdammt komisch, neben einem Typen aufzuwachen, den man überhaupt nicht kannte. Andererseits musste sie, solange sie noch halb vor sich hindämmerte, nicht darüber nachdenken. Sie fragte sich, ob sie ihn wecken sollte. Eigentlich hätte sie gerne nochmal. Andererseits war es schon so hell, dass sie sich vermutlich echt mal auf den Weg machen sollte. Schliesslich richtete sie sich seufzend auf und kroch unter der Decke hervor, sammelte ihre Frauenkleider ein und warf sich in Hemd und Hose, Stiefel und Kopftuch. Dann hängte sie sich den Säbel des Captains um, und kam sich einen Moment lang toll vor, bevor sie die Messer dazu steckte, den Schultern des Mannes, der mittlerweile den ganzen Platz im Bett für sich beansprucht hatte, einen wehmütigen Blick zuwarf und dann leise hinausschlich.

Kurz vor Mittag stand der Captain auf dem Steg bei den Beibooten mit seiner Liste in der Hand. "Tarret, Neljo, Aran", hakte er ab und deutete mit dem Daumen. "In das Boot da. Mirko, da ist noch Platz. Moment." Er hob den Blick und musterte Mirko nochmal. "Pünktlich? Und nicht mal verkatert? Was hast du denn gemacht?"
Mirko hob zu einer Antwort an, aber der Captain winkte ab. "Egal. Da rüber."
Reina stand neben ihm, während die letzten Mannschaftsmitglieder allmählich eintrudelten.
Meleth sass in einem der Boote, die Stiefel neben sich stehen und die nackten Füsse über die Bordwand baumelnd, und bereute es, den Kerl nicht doch noch geweckt zu haben. So lange wie die hatten hätte die Zeit allemal noch gereicht.

Als alle versammelt waren, trat der Klabauter vor die Boote. "Jungs!", begann er. "Die meisten von euch wissen bereits, was ich von euch erwarte. Für den Rest: erstens Gehorsam. Wenn ich einen Befehl erteile wird er befolgt, ohne wenn, ohne aber und ohne Interpretation, sonst werdet ihr es bereuen, jemals aus euren Müttern gekrochen zu sein! Zweitens Hirn. Wenn Arbeit ansteht, wird sie erledigt, ohne dass ich euch mit der Nase darauf drücken muss, sonst werde ich euch mit der Nase darauf drücken! Drittens, dass ihr das verdammt beste gebt, was ihr könnt, egal worum es geht. Wer sich nicht anstrengt, fliegt von Bord. Egal wo wir gerade sind. Verstanden?"
Ismir übersetzte für diejenigen, die die Sprache Dreitans nicht konnten und der Klabauter konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ismir mochte eine friedliche Seele sein. Aber wenn man ihn nach einer Woche in den Wolken auf die bitteren Planken der Realität zurückholte konnte er bitterböse werden darin, Übersetzungen auszuschmücken.
"Gut", meinte der Klabauter, die Arme verschränkt. "Der erste Befehl lautet: rüberrudern zum Schiff und Quartier beziehen! Seht euch um, aber nichts wird angerührt, weder die Fracht, noch die Takelage. Ich werde in einer halben Stunde nachkommen. Solange gehört die Befehlsgewalt meinem Maat." Er legte Reina eine Hand auf die Schulter. "Verstanden?"
Erneut übersetzte Ismir.

Der Klabauter traf sich währenddessen noch einmal mit den anderen Captains. Nicht bei Koula diesmal, sondern in einer Taverne auf dieser Seite der Stadt, in einem Hinterraum, der recht gedrängt wirkte bei den vielen Leuten. Die Karte lag auf den Tisch ausgerollt und der Klabauter deutete auf eine kleine Felsenbucht, zwei drei Stunden unter gutem Wind nordwestlich des Lot's, einer Landzunge, die in die Bucht der Sterne ragte und Salaïwar dahinter vor den Ostwinden schützte. "Wir werden eine knappe Woche brauchen bis hierhin. Die langsameren vielleicht etwas länger, aber wir werden nicht geschlossen segeln, höchstens in Gruppen von zwei, drei Schiffen. Wezkon, Ranista, Ariak: ihr bleibt vor der Küste. Fahrt weiter raus, lasst euch nach Süden treiben, kreuzt hin und her, aber bleibt weit genug weg von Salaïwar um nicht ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Der Rest der Flotte versammelt sich hier in dieser Bucht, nach und nach. Achtet darauf, nicht gesehen zu werden wenn ihr dort einlauft und stellt einen Wachposten auf, hier am südlichen Ende."

"Ich werde jeden von euch nocheinmal kontaktieren, bevor es losgeht", fuhr der Klabauter fort und grinste leicht. "Also versucht es nicht vorher. Sind noch fragen?"