RE: Ufer des Loney, Stadt Loney
in Dreitan - das Spiel 30.11.2016 00:50von Ro Raven •

Nordosten des Königreichs
Pave überlebte. Wobei Meyra sich nicht sicher war, ob man es wirklich noch leben nennen konnte. Der Heiler hatte es ihr gesagt, und er hatte recht behalten, das musste sie sich irgendwann eingestehen, als Wochen vergingen, Monate, als Paves Schädelknochen längst wieder zusammengewachsen war und seine Wunden verheilt, und er noch immer kein Wort sprach, nicht im Stande war sein Bett zu verlassen, sie nicht einmal ansah oder verstand, wenn sie mit ihm sprach. Oft zweifelte sie sogar daran, dass er sie überhaupt erkannte, wusste, wer sie war, sich an irgendetwas erinnerte. Manchmal fragte sich, ob in dem Körper, um den sie sich kümmerte, den sie fütterte, wusch, sauber hielt, überhaupt noch ein Geist war. Ob er nicht längst tot war, fort, und sie sich an etwas klammerte, was nicht mehr exisiterte.
Sie verzweifelte und machte doch immer weiter. Verwendete Stunden darauf ihm Brei zu füttern und dafür zu sorgen, dass er schluckte, anstatt ihn einfach nur wieder auszusabbern. Pflegte die Stellen, die wundgelegen waren, weil er es nicht schaffte, sich selbst zu drehen. Scheuchte die Fliegen weg, die sich auf seinen Lippen niederlassen wollten, wenn sein Mund offen stand. Sie kümmerte sich um ihn, hielt ihn am Leben, sprach mit ihm, auch wenn sie wusste, dass sie vermutlich nie wieder eine Antwort erhalten würde, lag nachts neben ihm und wärmte ihm, spürte jeden einzelnen Knochen seines einst so starken Körpers und versuchte ihn ihre Tränen nicht sehen zu lassen, obwohl er sie vermutlich nicht einmal verstanden hätte.
An manchen Tagen hatte sie Hoffnung. Wenn sein Blick plötzlich zu ihr flackerte, wenn sie ihn berührte. Wenn seine Finger zitterten, als wollte er etwas damit greifen. Wenn er Wasser aus der Flasche trank, ohne dass die Hälfte wieder aus seinem Mund lief. Dann hoffte sie, dass es besser wurde. Dass es irgendwann vielleicht wieder gut sein würde. Sie klammerte sich an diese Hoffnung, denn es war das einzige, was sie aufrecht erhielt, wenn sie bis tief in die Nacht wach lag, weil es ihm schlechter ging, wenn sie sich die Knöchel wund schrubbte bei der Arbeit als Wäscherin, die sie angenommen hatte, um wenigstens das Essen bezahlen zu können, wenn sie den Blicken der anderen Leute im Armenhaus auswich, die ihr alle irgendwann nahegelegt hatten, ihn aufzugeben und nach vorne zu blicken.
Sie konnte ihn nicht aufgeben. Sie liebte ihn. Er war alles, was ihr noch geblieben war. Alles, wofür es sich überhaupt noch lohnte zu kämpfen. Aber sie war am Ende, körperlich wie seelisch. Und die Angst, dass das noch nicht alles gewesen war, wurde von Tag zu Tag stärker...
If you're going through hell, keep going.

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney
in Dreitan - das Spiel 04.01.2017 22:48von Ro Raven •

Anfang bis Mitte Mai
Irgendwann musste sie sich eingestehen, dass sie ihre Befürchtungen nicht länger als Hirngespinst abtun konnte.
Nachdem sie eingetroffen waren, als sie verzweifelt nach Hilfe für Pave gesucht hatte, hatte man ihr gesagt, dass es zwei Personen gab, die sich um die Gesundheit der Stadt kümmerten auf eine Art, die das Verabreichen von Medizin und das Verbinden von Wunden überstieg. Den Heiler, zu dem man Pave gebracht hatte, und eine Frau, die sie nur die Hexe nannten. Sie lebte ausserhalb, in einem Haus am Hügel, unter den Bäumen. Es hätte keinen Sinn, Pave zu ihr zu bringen, hatte man ihr gesagt, denn sie kümmerte sich nicht um solche Arten von Verletzunge. Ihre Fähigkeiten lagen auf einem Gebiet, das nur Frauen betraf.
Meyra weinte den ganzen Nachmittag lang. Sie sass unten am Fluss, gebrochen, starrte auf die Reflexionen des Sonnenlichts auf den Wellen, ohne sie zu sehen. Fragte sich, wo die Götter waren in dieser Welt, Akkaya und all die anderen. Warum sie solche Ungerechtigkeit zuliessen. Ob kein einziger von ihnen ein Herz besass.
Als die Sonne sich dem Horizont zuneigte, trat sie den Weg zum Haus der Hexe an.
in der Stadt Loney
Die Gasse, in der sie erschienen, sah anders aus als in Revens Erinnerung, insbesondere weil es Tag war, und auch wenn kein Sonnenlicht den Boden zwischen den hohen Wänden erreichte, war es hell genug, um den unappetitlichen Untergrund auszumachen, auf dem sie standen. Der Geruch stimmte ebenfalls. "Wie heisst dieser Ort?", fragte Navrazzih.
"Loney", erwiderte Reven munter, allem Anschein nach sehr guter Dinge darüber, dass es tatsächlich geklappt hatte und er zurück in seiner Heimat war. "Ein ausgezeichneter Ort, um mit Nachforschungen zu beginnen. Oder zumindest so gut wie jeder andere", räumte er ein, während er auf den Ausgang der Gasse zuschritt. "Ausserdem gibt es hier einige ausgezeichnete Spelunken, mit dem besten Absinth, den ich je ha..."
An dieser Stelle verstummte er abrupt, den vor ihm materialisierte sich eine Gestalt aus schwarzem Nebel, die ihm die Worte im Hals stecken bleiben liess.
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RE: Ufer des Loney, Stadt Loney
in Dreitan - das Spiel 21.01.2017 03:07von Ro Raven •

"Bist du dir sicher?"
Meyra nickte.
Die Frau, die ihr gegenüber sass, musterte sie mit dunklem Blick. Sie war jünger, als Meyra erwartet hatte, in ihrem Haar war noch mehr schwarz als grau, aber ihr Gesicht war zerfurcht von Narben. Narben, die Symbole bildeten, gleich den Brandmarkungen eines Diebes, aber unverständlicher, und andere, hässlichere, wie von einem Feuer. Ihre Augen waren klein, und dunkelgrün, beinahe schwarz. "Ich habe von deinem Schicksal gehört", sprach sie, während sie über die Federn der Elster auf ihrem Schoss strich. "Woher weisst du, dass es nicht sein Kind ist?"
"Ich weiss es", antwortete Meyra und kniff die Lippen zusammen. Pave hatte sie nicht angerührt seit der Geburt des Toten Kindes. Um ihr nicht wehzutun, um ihr Zeit zu lassen und aus Angst.
"Du bist noch jung", meinte die Hexe.
Meyra erwiderte nichts darauf. Es mochte stimmen, aber es war nicht, was sie fühlte.
Die Frau scheuchte die Elster auf und der Vogel flatterte durch den Raum, um sich im Halbdunkel auf einen der Dachbalken zusetzen. "Wenn ich tue, was du willst, wirst du vielleicht nie wieder einem Mann ein lebendes Kind schenken können."
Meyra biss die Zähne zusammen. Ihre Stimme klang nicht mehr wie ihre eigene, sondern wie die einer Fremden, kalt und hart. "Das konnte ich auch bis jetzt nicht."
Die Finsternis umwob Navrazzih, bevor er auch nur daran dachte. Sie sickerte aus seinen Fingern, kroch über seine Haut, nahm seinen Blick ein und seine Zunge, verlangte freigelassen zu werden. Er krümmte die Finger und zwang sie zurück, noch. Sein Blick war auf die Gestalt fixiert, die sich vor ihnen materialisiert hatte, ein wabernder Schemen aus Dunkelheit, das einzig wirklich Feste eine weisse Maske, geformt wie das Antlitz eines Vogels.
Er spürte die Macht, die das Wesen umgab, und die derselben Quelle entspammte, wie die Schatten, die seine Haut überzogen. Die Meisterin hatte ihn gewarnt, dass es auch diesseits der Berge Schwarzmagier gab und dass er möglicherweise gegen sie kämpfen würde, da auch sie hinter dem Mädchen her waren. Damit, so schnell auf einen zu treffen, hatte er nicht gerechnet. Und das Wesen vor ihm war nicht, was er erwartet hatte.
Offenbar hatte die Gestalt auch nicht mit ihm gerechnet, denn sie legte ihren Kopf schräg und ein Gefühl der Verwunderung sickerte durch die Dunkelheit, gefolgt von Gedanken. "Wer bist du?"
"Mein Name ist Navrazzih", antwortete er ernst und gab die Frage zurück.
Das Wesen musterte ihn weiter mit schräg gelegtem Kopf, bevor es langsam auf ihn zukam. "Ich bin der Wächter Loneys", antwortete es. "Ich wache über die Stadt." Er kam so nahe, dass sie sich fast berührten und streckte einen seiner wabernden Mantelärmel aus.
Navrazzih liess es zu. Er spürte Neugierde, Verwirrung. Keine Feindseeligkeit.
Der schwarze Nebel glitt über seine Haut wie ein kühler Hauch. "Du bist ein Mensch", sagte das Wesen verwundert. "Aber in dir ist mehr Dunkelheit als Mensch."
Navrazzih lächelte bitter. Er wusste, dass es so war, auch wenn die wenigsten anderen es in diesem Ausmass begriffen. Vielleicht nicht einmal die Meisterin. Hätte sie ihn sonst aus seiner Verbannung zurückgeholt und hierher geschickt?
Das Vogelwesen zog sich zurück. "Weshalb bist du hierhergekommen?"
Etwas in dem, was hinter dieser Maske lag, berührte Navrazzih, sagte ihm, dass er vertrauen konnte, dass dieses Wesen kein Feind war, solange er es sich nicht zu einem machte. Und so sagte er die Wahrheit. "Ich suche ein Mädchen."
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RE: Ufer des Loney, Stadt Loney
in Dreitan - das Spiel 23.04.2017 00:06von Ro Raven •

"Was für ein Mädchen", fragte das Vogelwesen.
Er zeigte es ihm, zeigte ihm das Kind mit der roten Strähne im Haar und der Angst im Herzen. Sein eigenes Herz zog sich zusammen, während er es tat, und er wusste nicht, warum. Neid? Zu einem Teil. Sehnsucht nach etwas, was er niemals war und niemals sein würde? Bestimmt. Aber da war auch Sorge, Sorge um dieses Mädchen, das er nicht kannte und das er eigentlich hätte hassen müssen für die Liebe, die die Meisterin ihm entgegenbrachte. Er wusste nicht warum, aber er hatte sie gemocht, in dem Moment, als Ashgaz'hari sie auf seinen Arbeitstisch gelegt hatte. Er wollte sie finden, wollte sie retten. Wollte, dass sie ihm dankbar war. Dass sie keine Angst mehr vor ihm hatte, nicht wie all die anderen.
Ihm war klar, dass der Wächter Loneys all diese Gedanken mitfühlte, aber es war ihm egal. Es war schwer genug, die Kontrolle über die Dunkelheit zu behalten.
Das Wesen schwieg lange und dachte nach, dann schüttelte es den maskenartigen Kopf. "Ich kann dir nicht helfen. Ihr könnt bleiben, solange ihr niemandem Schaden zufügt."
Navrazzih nickte ernsthaft und nach wenigen Herzschlägen löste sich das Wesen auf wie Nebel im Sonnenlicht.
Reven, der die ganze Zeit wie versteinert danebengestanden hatte, starrte ihn mit grossen Augen an. "Was zur Hölle war das?!"
Navrazzih gab keine Antwort, sondern konzentrierte sich darauf, die Finsternis wieder in zurückzuholen. Reven sah ihn schwanken und eilte ihm zur Hilfe. "Alles in Ordnung. Hat es uns angegriffen?"
Navrazzih schüttelte den Kopf und wich seinem Griff aus. "Alles in Ordnung. Er rang um Kontrolle, aber das musste Reven nicht wissen. Du hast etwas gesagt von Gasthäusern? Er brauchte dringend einige Augenblicke Ruhe.
If you're going through hell, keep going.

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney
in Dreitan - das Spiel 09.05.2019 22:52von Úrakantôr •

Anfang März 208
Er konnte nicht leugnen, dass er für den Moment unfassbar glücklich war. Während der Geburt ihrer Tochter kamen ihm die Tränen - zwar weniger als Livaleth, aber auch davon bekam er nichtsmehr mit, als die alte Frau die Holztür schloss, nachdem sie ihn missbilligend des Raumes verwiesen hatte. Ein Mann habe bei sowas Nichts verloren. Und auch sonst - das Gefühl von Heimat, von Liebe, einem Platz an dem er gebraucht wurde - war berauschend. Nein, aktuell störte es ihn nicht relativ langweiliger Arbeit nachzugehen, die er zumindest dank seiner Magie leichter ausführen konnte. Und auch hier war er zwar ein Außenseiter, aber das war egal, denn er hatte eine Frau, die ihn liebte und nun auch eine Tochter, eine kleine Halbdämonin, die ihn brauchte.
Wer würde sie später eher sein? Eine Schattin aus den Bergen oder eine Maid vom See?
Aber nachts quälten ihn dennoch ab und zu die Sorgen - nein, eher die Gewissheit, dass er nicht für dieses Leben bestimmt war. Dass es ihn eines Tages wieder in die Weiten Dreitans ziehen würde. Livaleth schien das nicht so zu sehen, sie war offensichtlich froh und erleichtert ihr altes Leben aufgeben zu können um das zu Sein was sie gerne gewesen wäre als sie keine Wahl hatte. Oder ging es ihr genauso und sie sagte es ihm nur nicht?
Er wusste nicht warum, aber er traute sich nicht es anzusprechen.
And he wondered...how can I protect something so perfect without evil?

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