#1541

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 19.05.2015 23:04
von Armelion | 4.811 Beiträge

Er legte einen Finger unter ihr Kinn und küsste ihr sacht die Stirn. "Das Kind ist nicht von mir. Ich hatte etwas mit ihr ja. Doch das war etwas mehr als ein Jahr, bevor das Kind geboren wurde. Es kann also gar nicht von mir sein und ausserdem habe ich nicht mit so vielen Frauen geschlafen wie die Leute gerne behaupten. Mindestens die Hälfte meiner angeblichen Liaisons sind erfunden." Er legte einen Arm um sie. "Und glaube mir. Ich schaue dich jeden Tag an, an dem ich kann." Er nahm mit seiner freien Hand die ihre und führte ihre Fingerspitzen einzeln zu seinen Lippen.

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#1542

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 19.05.2015 23:12
von Randreyah | 11.751 Beiträge

Sie lächelte halb und zog die Hand weg, denn ganz beruhigt war sie nicht. Aber dennoch schmiegte sie sich an ihn.

Anfang Januar

Maeva und ihr Gefolge von mehreren Dutzend Leuten, unter denen Diener, Leibwachen und der ein oder andere Berater, das ein oder andere Ratsmitglied waren machten sich auf den Weg zur Nachtzinne. Der Tross war relativ lange und würde fast den ganzen Monat brauchen, um an zu kommen, doch die Wagen waren schlicht gehalten.
Die Königin hielt über Nacht in den Dörfern, um in den Wirtshäusern, wie jeder andere einfache Reisende zu rasten, auch wenn Ainbheartach ihr davon abgeraten hatte. Doch sie vertraute auf ihre Leibwache und das Wohlwollen ihres Volkes, denn sie zahlte ihren Aufenthalt und das Essen und die Güter, die ihre Leute verbrauchten.


Maeva, Numair und Rowenia, Ain und co weiter in Nachtzinne S. 192


some men just want to see the world burn

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#1543

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 24.06.2015 03:12
von Úrakantôr | 2.898 Beiträge

Februar 308
Neshatar und Livaleth


Neshatar war nervös. Noch nervöser als sonst oft.
In Loney hatte schließlich ihr neues Leben begonnen. Hier wurde er im Gegensatz zu Ravi als Magier akzeptiert, auch wenn er das Meiste seines Könnens verbarg.
Hier wurde er auch nicht von der Familie von Livaleth getriezt.
Dafür hatten sie sich wirklich nur eine kleine Wohnung leisten können, unruhig gelegen und nicht sehr schön.
Aber sie waren beide Schlimmeres gewohnt.
Neshatar hatte auch eine Arbeit gefunden, immernoch recht langweilig, aber die Bezahlung war besser als in Ravi. Es reichte knapp zum Leben.
Zumindest für sie beide.
Aber er würde noch etwas Besseres finden. Zur Not musste er eben offenlegen, wie viel schwere Arbeit er einfach verrichten konnte mit der Luftmagie.
Vielleicht würde er dann einen zwar immernoch langweiligen, aber gut bezahlten Beruf finden, bis er schließlich etwas fand, was ihm mehr zusagte.
Aber was sagte ihm zu? Entweder der Weg eines Gelehrten...keine Knochenarbeit, sondern geistiges Geschick. Wissen.
Oder eben das, was er immer getan hatte. Aufträge. Abenteuer. Magie. Aber er konnte sich nichtmehr an Auftraggeber verkaufen.
Livaleth war hochschwanger, sie verließ kaum noch die Wohnung.
Nur noch wenige Tage oder Wochen und sie würde ihr Kind gebären.
Dann wäre er Vater. Familienvater. Hatte noch mehr Verantwortung. Und würde sie die Geburt unbeschadet überleben?
Eine ältere Dame, die auch im Haus wohnte, würde die Hebamme sein. Sie hatte sowas schon öfter gemacht hatte sie gesagt.
Dennoch. Außerdem...wäre er dann vollkommen gebunden. Er könnte Livaleth niemals mit dem Kind alleine zurücklassen.
Lieber würde er hier veröden, mit einem aussichtslosem Alltag.
Er liebte Livaleth. Er liebte sie wirklich. Ihre Momente zu zweit waren das Schönste für ihn.
Aber er vermisste die Weite da draußen, die Landschaft, das unvorhersehbare Morgen einer Reise, die mit zahlreichen Hürden übersät war.
Und hier war nur die Stadt. Er gehörte hier nicht hin. Aber er gehörte auch zu Livaleth und ihrem Kind.
Und die beiden waren hier in Sicherheit.


And he wondered...how can I protect something so perfect without evil?

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#1544

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 10.07.2015 23:58
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Uvri schlenderte durch den Laden und musterte das Zeug, das auf den Regalen stand. Das meiste waren Waffen, aber auch Rüstungsteile, Rucksäcke, Töpfe, Heringe, alle möglichen weiteren Metallwaren und Reisebedarf, dazwischen türmten sich Stapel von Planen und Segeln. Ihn interessierten nur die Waffen, und auch das mehr aus Neugierde, schliesslich wurde er als Wache Loney's von der Krone ausgerüstet mit Kettenhemd und Waffenrock, Helm und Schild, Schlagstock, Kurzschwert und Lanze. Zwar war nichts davon offiziell seins, aber seit er vom Rekruten zur Wache befördert worden war, stand es offiziell zu seiner Verfügung, solange er bei der Wache blieb. Und wenn man genügend Dienstjahre leistete, konnte man das Zeug am Ende sogar behalten.
Perrel handelte im vorderen Teil des Ladens mit dem Besitzer um einen Dolch und Uvri vertrieb sich die Zeit damit, das verstaubte Zeug auf den Regalen zu inspizieren.
"Haha, sieh dir das mal an!"
Er drehte sich um und schlenderte hinüber zu Chary, der etwas Klingenähnliches in der Hand hielt. "Schau!" Er ballte die Faust, die er um den Quer zur Klinge zischen zwei Streben verlaufenden Griff gelegt hatte, und die Klinge öffnete sich unvermittelt in drei Teile. "Booom. Alter, das ist echt böse. Schlitzt einen völligst auf."
"Sicher sauteuer", meinte Uvri.
"Eh", pflichtete Chary bei und drehte das Ding um. "Nimmt mich aber Wunder wie das Teil funktioniert."
"Vielleicht..." Uvri verstummte mitten im Satz.
Chary blickte auf. "Vielleicht wat?"
Uvri gab keine Antwort, sondern griff in die Regalreihe unter der, in der das Dolch-Ding gelegen hatte, in der eine Reihe von Ästen an einer Stange hing. Zielsicher fasste er eine davon am Kopf und zog sie aus der Halterung.
Chary beugte sich zu ihm rüber. "Ohje, ist ja voll verschartet. Und sieh mal der Rost da. Dass die sich trauen hier sowas noch als Axt zu..."
"Das ist meine Axt", sagte Uvri, ohne Chary zuzuhören.
Der musterte ihn von der Seite her. "Wie, deine Axt."
Uvri gab erneut keine Antwort, sondern liess den Daumen der Klinge entlang gleiten. Er kannte die Scharten. Jede einzelne von ihnen. Die grosse da war ein Helmgrat gewesen, von irgendeinem Offizier. Der Helm hatte nachgegeben. Die flache daneben ein Schildrand. Die ganz am Ende ein Speer, der seiner Schulter entlanggeschrammt war. Krieg. Die Erinnerungen flackerten durch seinen Geist. Er blickte auf und starrte Chary an. Freund, du hast keine Ahnung, wer vor dir steht, und was er getan hat.
"Meine Axt", sagte er nur, drehte sich um und marschierte auf die Türe zu, die zum vorderen Raum führte.


If you're going through hell, keep going.
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#1545

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 01.09.2015 01:15
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Er erklärte es Chary nicht genauer, aber er kaufte die Axt. Über dem Preis, den sie eigentlich wert war, aber doch erschwinglich, denn sie war in einem grauenhaften Zustand. Der Händler hatte sie aus irgendwelchen Restposten erstanden, die die Krone verscherbelte, um Geld hereinzubringen. Uvri steckte sie in seinen Gürtel. Er kannte das Holz unter seinen Fingern. Er kannte das Gewicht und die Balance. Er erinnerte sich daran, wie er sie geführt hatte.
Als sie an diesem Abend aus einer Schenke zurückkehren wollten in die Kaserne, hörten sie Stimmen aus einer Seitengasse. Uvri blieb stehen. Mehrere dunkle Gestalten hatten eine einzelne umkreist. Der Stimme nach zu urteilen war es eine Frau. Chary legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Lass uns weiter gehen."
Uvri schüttelte die Hand ab.
"Lasst mich in Ruhe", flehte die Frau leise. "Ich habe nichts."
In der Hand einer der Gestalten blitzte Metall auf.
"Uvri, wir sollten uns verpissen", zischte Chary, aber Uvri ignorierte ihn und trat auf die Gruppe zu. "Was ist hier los?"
Chary holte ihn ein. "Misch dich nicht ein, wir gehen!"
Eine der Gestalten drehte sich zu ihnen um. "Hör auf deinen Freund und mach dich vom Acker!"
"Helft mir!", flehte die Frau. "Ich habe nichts getan."
Uvri schüttelte Chary's Hand erneut ab. "Im Namen der Stadtwache von Loney, was ist hier los?!"
"Ouuuu", machte Chary nur. "Fünf zu zwei. Du verdammter Vollidiot..."
"Hau ab wenn du Schiss hast", knurrte Uvri leise.
"Damit die Hackfleisch aus dir machen?"
"Verpiss dich oder lass es bleiben!"
Chary schnaubte.
"Hau ab Junge, oder ich schlag dir ein paar Zähne aus", zischte eine der Gestalten.
Anstatt einer Antwort zog Uvri mit einem Finger die Lippen zurück. "Nichts neues. Zwei davon hab ich verloren für Liebe, zwei für Freundschaft. Wenn zwei dazukommen aus Mitleid dann soll es so sein."
"Das werden nicht nur zwei, Idiot", knurrte einer der Männer und trat auf ihn zu.
Uvri wartete nicht bis er schlug, sondern duckte sich unter seinem Arm hindurch und rammte ihm die Faust ins Gesicht, dass er zu Boden ging. "Will noch wer, oder verpisst ihr euch?"
Bevor einer eine Antwort gab trat der am Boden hoch und erwischte ihn in der Kniekehle. Uvri landete am Boden und drosch ihm zweimal ins Gesicht bis er liegen blieb, aber da waren die anderen schon heran.


If you're going through hell, keep going.
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#1546

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 01.09.2015 14:05
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Bis Chary begriffen hatte, was er tun sollte, und eine der Wachtruppen aufgetrieben hatte, hatte Uvri zwei niedergeschlagen und der Rest türmte, als sie die Verstärkung sahen. Uvri taumelte und sein Gesicht war blutüberströmt, aber die Axt steckte in seinem Gürtel, ohne dass er sie gezogen hätte. Chary stützte ihn, als er beinahe auf die Fresse gefallen wäre. "Alter, du bist verrückt."
Uvri öffnete den Mund. "Fehlen welche?"
Chary zählte kurz nach. "Ne, glaub nich."
"Gut", meinte er, wischte sich das Blut von den Lippen, stiess sich von Chary ab und trat auf die Frau zu. "Seid ihr verletzt?"
Sie sah ihn gross an und umklammerte den Korb den sie trug. "Nein. Aber Ihr."
Er winkte ab und zog die Nase hoch. "Das kommt wieder. Kann sie jemand heimbringen?"
Zwei der Wachen nickten. Chary und ein anderer packten Uvri. "Du bist ein Idiot", zischte Chary. "Du hättest draufgehen können."
Uvri lachte heiser. "Ich bins mich gewohnt auf die Fresse zu kriegen."
"Aber die hatten Messer."
Uvri hustete. "Ich weiss." Er nahm die linke Hand von seiner Seite. Sie war blutverklebt.


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#1547

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 01.09.2015 17:36
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Anfang März 309

Sie hatten ihn verarztet und ihm eine halbe Stunde gegeben, in der er beinahe eingeschlafen wäre, bevor er in der Wachkammer landete und von irgendeinem Vorgesetzten den Kopf gewaschen bekam, was die idiotische Aktion hätte sollen. Er liess die Tirade über sich ergehen und als der Mann am Ende angekommen war, meinte er nur: "Sie hätten sie vielleicht getötet."
"Junger Mann, du bist hier, um Befehle zu befolgen, nicht um den Helden zu spielen", zischte der Beamte. "Deine Ausbildung war mit Kosten verbunden. Dein Leben ist mehr wert als das irgendeiner Frau aus den Armenvierteln!"
Uvri hatte Mühe die Augen offen zu halten und gerade sitzen zu bleiben, aber er hob den Kopf. Er ignorierte die Bemerkung des Mannes, auch wenn sie etwas in ihm zum Kochen brachte. "Wenn die glauben sie könnten auf offener Strasse wen ausrauben, gehört ihnen der Hintern versohlt. Sonst werden die nur noch frecher."
Er bekam eine geklatscht, dass er beinahe samt dem Stuhl hintenüberflog, aber schliesslich liess man ihn gehen, respektive von zweien seiner Kollegen hinausschleppen. Danach schlief er erstmal einen vollen Tag.
Einige Tage später lag er gelangweilt in der Unterkunft, als Perrel reinkam. "Uvri, ich glaub da ist wer für dich."
Er hob fragend den Kopf und Perrel winkte die Frau herein. Ihre Kleider waren verschlissen und geflickt, aber sie war jünger, als er in der Dunkelheit gedacht hatte, höchstens dreissig. Er setzte sich auf, aber bevor er aufstehen konnte, hatte sie sich neben dem Bett hingekniet, seine Hand genommen und küsste seine Finger. "Ich danke Euch. Ich danke Euch."
Uvri lief hochrot an und und zog die Hand weg. "Dazu besteht echt kein Grund."
"Doch", antwortete sie. "Ihr habt mir das Leben gerettet. Dafür möchte ich mich bedanken."
Sie stand auf, schob das Kopftuch zurück, das ihr nach vorne gerutscht war, und zog etwas aus der Tasche, die sie über der Schulter trug, und drückte es ihm in die Hand. Es war ein kleines Knochenamulett mit Metalleinlagen. "Ihr habt Euer Leben riskiert gegen diese Verbrecher. Wenige hätten so etwas getan. Ihr seid ein guter Mann."
Er hielt das Amulett in beiden Händen und sah sie an. Du weisst nicht, wer ich bin, dachte er. Du weisst nicht, was ich getan habe. Nichts kann das wieder aufwiegen. "Danke", sagte er vorsichtig, um sie nicht zu verletzen. "Es war meine Pflicht. Aber behaltet das lieber, ihr braucht es mehr als i..."
"Nein", sagte sie und schob seine Hände zurück, dann senkte sie den Blick. "Ich weiss, es ist nicht genug, um Euch zu danken. Aber ich habe nicht mehr. Aber ich würde mich freuen, Euch einmal zu mir einzuladen auf einen Tee und etwas zu essen, wenn ihr möchtet und euch erholt hab. Ich..." Sie redete nicht weiter, sondern biss sich auf die Unterlippe. "Ich hoffe ihr genest vollständig. Ich werde für euch beten."
Abrupt drehte sie sich um und wollte gehen, aber er erwischte sie am Ärmel. "Danke", sagte er, als sie sich überrascht umdrehte, und lächelte, obwohl die Bewegung in der Wunde stach wie Feuer. "Ich nehme die Einladung gerne an."


zur gleichen Zeit, in einem der Nordöstlichen Gebiete Loney's
-> Meyra und Pave aus Nordufer des Spiegelsees und Oberlauf des Loneys S. 37

Der Heiler wischte sich die Hände sorgfältig an einem Tuch ab, bevor er zurück in den Vorraum trat und die Türe hinter sich schloss. Das Mädchen sass immer noch auf dem Stuhl, aber sie blickte auf, als er eintrat. Jemand hatte ihr trockene Kleider gegeben, trotzdem sah sie bleich und verfroren aus. Sie fragte nicht, sondern sah ihn nur an.
Er seufzte innerlich. Man hatte sie am frühen Nachmittag ins Städchen gebracht, auf einem Ochsenkarren, nachdem sie am Vortag auf einem Hof aufgetaucht waren, irgendwo ganz an der östlichen Grenze, mit schweren Verbrennungen und halbtot. Ein Söldnerüberfall. Schon wieder. Seit die Nachricht von der Armee aus dem Osten sich verbreitet hatte, zogen sie ihr in Scharen entgegen, nach zwanzig Jahren plötzlich arbeitslos geworden durch den Tieflandfrieden. Und sobald sie die beherrschten Gebiete und die Gesetze Loney's verlassen hatten, zogen sie eine Schneise aus Tod und Gewalt hinter sich her. Sie hatten von mehreren niedergebrannten Dörfern am oberen Loney gehört in den letzten Wochen. Meist gab es keine Überlebenden.
Er trat zum Tisch und schenkte sich eine Tasse kalt gewordenen Tee ein. "Er wird es vermutlich überleben", sagte er leise. "Aber ich kann nicht sagen wie."
"Was wie?", fragte sie heiser.
Er seufzte. "Verletzungen am Gehirn... haben andere Auswirkungen auf einen Menschen als solche an Knochen oder Gewebe. Vielleicht wird er nie wieder sprechen können. Vielleicht nicht einmal selbst essen oder sich bewegen." Er sagte nicht, dass er letzteres befürchtete. Die Wunde war viel zu lange unbehandelt geblieben. Es hatte ihn Stunden gekostet, die Knochensplitter zu entfernen und an ihre Plätze zurückzusetzen und der Inhalt war noch viel zu angeschwollen als dass er die Schädeldecke bereits wieder hätte verschliessen können. Im Moment war es seine Magie, was den Kopf des Mannes überhaupt zusammenhielt. Hätte das Mädchen nicht so darauf beharrt, hätte er vermutlich beschlossen, dass es besser war, ihn einfach sterben zu lassen.
Sie erwiderte nichts auf seine Erklärung, sondern wandte nur den Blick ab. Es waren ihre Augen, die ihm fast das Herz brachen. Dieser kalte, leere Blick von jemandem, der sich wünschte, nie wieder sehen zu müssen, weil er Dinge gesehen hatte, die schlimmer waren als der Tod.
Er stellte das Glas hin, trat zu ihr und ging vor ihr in die Hocke. "Kann ich nochmal nach deinen Wunden sehen?"
Sie streckte ihm die Arme hin und er setzte sich ihr gegenüber, löste die Verbände, bestrich die Verbrennungen frisch mit Salbe und band sie neu ein, während er Wasser für frischen Tee aufkochen liess. Er reichte ihr eine Tasse davon, dann fragte er vorsichtig: "Das sind nicht alle Verletzungen, die du hast, nicht wahr?"
Sie gab keine Antwort.
"Ich weiss was Söldner tun", sagte er leise. "Lass mich danach sehen."
Sie schüttelte nur den Kopf und kniff die Lippen zusammen, die Hände um die Tasse geklammert, dass ihre Knöchel weiss hervortraten.
Er legte die Hände zusammen. "Bitte. Ich will dir Helfen. Ich verstehe etwas davon, denn ich habe bei vielen Geburten geholfen. Hab keine Angst. Ich will nur sicherstellen, dass es sich nicht entzündet."
Sie starrte ihn an mit der Angst eines Menschen, der überhaupt niemandem mehr vertrauen wollte, aber schliesslich nickte sie.
Er stellte keine Fragen, sondern tat, was es zu tun gab und liess sie sich dann wieder anziehen und setzen. "Hast du Verwandte hier in der Gegend?"
"Nein", antwortete sie heiser und nach ein, zwei Sekunden der Stille. "Wir kamen... von Osten."
Er nickte. "Hier in der Stadt gibt es ein Armenhaus, wo du sicher für ein paar Tage oder Wochen unterkommen kannst. Achte darauf, die Wunden sauber zu halten. Das hier beschleunigt die Heilung." Er reichte ihr einen kleinen Tiegel mit Salbe.
Sie nahm ihn entgegen. "Was ist mit... Pave?" Ihre Stimme klang genauso gebrochen wie ihr Blick es war.
"Ich werde ihn hierbehalten. Sicher ein paar Tage. Dann werden wir sehen, wie es weitergeht." Ob es überhaupt weiter geht, fügte er in Gedanken hinzu.
Sie nickte gefasst. Dann fragte sie. "Wie... ich habe kein Geld... was..."
Er klemmte sie mit einer Handbewegung ab. "Keine Angst. Ich weiss, dass du nichts hast. Aber die Götter zeigen sich gnädig gegenüber denen, die helfen, wenn andere in Not sind. Geh und ruh dich aus. Ich sage Tomi unten er soll dich zum Armenhaus bringen."
Sie nickte nur und stand auf.


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#1548

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 24.07.2016 00:16
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Mitte - Ende März

Als die Königin Loney's und ihr Gefolge in die Stadt zurückkehrten, blühten die Aprikosenbäume. Ihr helles rosa säumte die Alleen und der Duft hing süss in der Luft. Alyrna blickte aus dem Fenster der Kutsche, mit der die Reisegesellschaft im Hafen abgeholt worden war und für einmal, in Abwesenheit von Blicken, die jede ihrer Regungen politisch zu werten versuchten, strahlten die kalten, grauen Augen der Lady aus Eis vor Bewunderung. Wo die schwarzen Mauern der Nachtzinne eine Trutzburg waren, die selbst das Meer fernhalten mochte, ein kriegsgestählter Soldat, wirkte Gevira wie eine ältere Dame, die sich niedergelegt hatte, um in roten Blumen und Erinnerungen zu schwelgen. Loney hingegen war ein junges Mädchen, fröhlich und weise, alterslos, ein Sternenkind an der Hand seines Geliebten.
Sie fuhren durch breite Strassen, gepflastert mit hellem Stein und gesäumt von Bäumen, die Gebäude zu beiden Seiten ebenso strahlend, mit Türmchen und Kuppeln von einer Leichtigkeit, als wären sie nichts als Schaum. Eine Kleine Menge betrachtete den Einzug des Hofstaates und Alyrna musterte ihre Gesichter, so fern es das Tempo der Kutsche erlaubte, die Art, wie sie ihren Adel ansahen. Sie sah Respekt in manchen, Zweifel in anderen und eine Palette anderer Gefühle, aber eines fehlte, eines, das in der Nachtzinne so allgegenwärtig geworden war: die verzweifelte Hoffnung, dass diese Person endlich alles ändern könnte, alles in Ordnung und Frieden über das Land bringen.
"Was ist denn das dort?"
Der Stift in Alyrna's Hand schwebte über dem Papier auf ihren Knien, zu gefesselt vom Anblick draussen, um den Satz zu vollenden, den sie begonnen hatte, aber bei Davi's Frage wandte sie sich um, um ihrem Blick auf die andere Seite des Fahrzeuges zu folgen. Am Rande eines grossen Platzes stand ein gewaltiges Bauwerk, verzierter als alle andere, wie eine gewaltige Halle mit hunderten von Türmchen, jedes einzelne ein Kunstwerk für sich.
"Der Dom, schätze ich", mutmasste sie anhand dessen, was sie über die Stadt gelesen hatte.
"Zu welchen Göttern betet man hier?"
"Die Sieben.* Sie nennen sie die Götter des Chaos. Aber was ich gehört habe, sind die alten vier beliebter, als die jüngeren."
"Warum?"
Alyrna zuckte mit den Schultern. "Man attestiert ihnen mehr Weisheit."
Sie liessen den Platz hinter sich und die Kutsche rumpelte weiter über die Pflasterstrassen bis sie schliesslich in der grossen Auffahrt zum Palast zum Stillstand kamen.

*Ich lach mir mal wieder einen ab.


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#1549

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 27.11.2016 03:19
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Anfang April

Zwischen Empfängen und Einladungen durch den Adel Loneys fand Alyrna nur gelegentlich Zeit, die Stadt zu besichtigen. Meistens begleitete Davi sie dabei, sowie zwei oder drei Soldaten, trotzdem konnte sie sich relativ frei bewegen. Von der jungen Königin hatte sie wenig gesehen in den letzten zwei Wochen, sie schien eine Menge zu tun zu haben. Der Palast sprach von einem Bündnis mit den Elfen und verhaltenere Stimmen auch von widerstrebendem Adel, den es im Zaum zu halten galt. Alyrna war bekannt, dass Maeva durch einen Putsch an die Macht gelangt war und es waren längst nicht alle Wogen davon geglättet, aber sie schien zumindest in der Bevölkerung breiten Rückhalt zu haben.
Loney war wunderschön und noch waren die Warnungen vor Krieg aus dem Osten nicht mehr als ein Wetterleuchten am fernen Horizont und die Stadt erstrahlte voller Leben. Dennoch beabsichtigte Alyrna nicht mehr lange zu bleiben. Avedis war schon viel zu lange ohne seine Gräfin und auch wenn sie durch Briefe an Leute, denen sie vertraute, eine gewisse Kontrolle behielt, wurde es Zeit, wieder selber nach dem rechten zu sehen. Ausserdem war heute morgen ein Brief eingetroffen aus Gevira, der ihr einen weiteren Grund gab, Loney zu verlassen...
"Oh, seht, Mylady!"
Sie folgte Davi's Blick in Richtung des Brunnens, der sich in der Mitte des Platzes erhob. Heute waren sie in den eher schlichteren Gassen der Stadt unterwegs. Man hatte ihr genau genommen davon abgeraten, hierherzukommen, sie hatte den Ratschlag mit einem Lächeln entgegengenommen und nicht befolgt.
In der Mitte des Brunnens stand eine Skulptur aus hellem Stein. Sie zeigte Akkaya, die Göttin des Sturms, wie viele in Loney, aber für einmal nicht als Beschützerin oder Richterin, sondern als Herrin der Assassinen, mit zwei Dolchen, und um ihren Hals und ihren halben Leib lag ein Drache aus hellrotem Marmor. Alyrna zückte ihr Notizbuch, um sich die Besonderheit zu notieren, als ihr ein kleiner Junge direkt vor die Füsse rannte. Sie machte einen raschen Schritt rückwärts, gerade rechtzeitig, um nicht mit dem blonden jungen Mann zu kollidieren, der ihm hinterhersprang, ihn schliesslich erwischte, hochhob und lachend über seine Schulter warf wie einen Sack Kartoffeln.
Er wandte sich um und lächelte breit. "Verzeihung...", begann er, aber dann glitt sein Blick über ihre Kleidung, die zwar nicht allzu prunkvoll war, aber sie dennoch klar als Mitglied des Adels auszeichnete, und der Ausdruck in seinen Augen wurde merklich kühler, bevor er schliesslich den Soldaten neben ihr bemerkte und hastig salutierte. "Obergefreiter Koyass!"
Alyrna musterte den Mann. Sein Haar war hellblond, fast weiss und stand ihm in wirren Locken vom Kopf und seine strahlend blauen Augen hätten sein Gesicht attraktiv erscheinen lassen, wäre es nicht gekennzeichnet gewesen von Narben und einer mehrfach gebrochenen Nase. Sie war sich nicht sicher, was sein Alter betraf, aber offenbar war er ein Soldat, denn Koyass erkannte ihn sofort. "Müsstest du nicht in der Kaserne sein?!"
"Nein, Obergefreiter, ich habe heute frei", antwortete der Junge schnell und stellte das Kind auf den Boden mit der Ermahnung, rein zu gehen.
"Hm", brummte der Obergefreite. "Wüsste trotzdem nicht, was du hier verloren hast. Ich hoffe, du bringst dich nicht schon wieder in Schwierigkeiten."
"Ich habs nicht vor", grinste der Junge leicht.
"Uvri?", rief eine Frauenstimme und die dazu gehörige Person erschien im Türrahmen, auf den das Kind zugerannt war. Sie war sehr einfach, fast ärmlich gekleidet und erstarrte als sie Alyrna und die Soldaten sah.
Uvri trat ihnen aus dem Weg. "Verzeihung, Obergefreiter, ich wollte euch nicht aufhalten."
Der Soldat schnaubte und Alyrna setzte sich wieder in Bewegung, um den Platz zu überqueren, ohne den jungen Mann dabei aus den Augen zu lassen. Er verhielt sich höflich, aber in seinen Augen brannte ein merkwürdiger Zorn, als er ihrem Blick begegnete.
"War das einer eurer Soldaten?", fragte sie Koyass, als sie sie hinter sich gelassen hatten.
Der Obergefreite nickte. "Ein Hitzkopf, aber im grossen und ganzen anständig."
Alyrna lächelte nur. Was auch immer diesen Uvri hierher verschlagen hatte. Er stammte ganz eindeutig aus der Nachtzinne.


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#1550

RE: Ufer des Loney, Stadt Loney

in Dreitan - das Spiel 30.11.2016 00:18
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Sie verliess Loney eine Woche später, mit im Gepäck einige Andenken, eine Menge Notizen und eine Handvoll nützlicher neuer Verbindungen, die sie gedachte aufrecht zu erhalten. Davi wirkte niedergeschlagen, als sie an Deck des Schiffes traten, das sie zurück nach Gevira bringen würde, und Alyrna konnte es ihr nicht verdenken. Loney wirkte so makellos, so zeitlos friedlich und sie kehrten zurück in ein Land, das gerade erst einen Bürgerkrieg hinter und einen Krieg gegen einen vollkommen übermächtigen Gegner vielleicht noch vor sich hatte. Ein Land, dessen Bewohnern allmählich die Hoffnung ausging, auch wenn sie sie immer wieder neu in Brand steckten. Ein Land, das verzweifelt versuchte Drigan Halbschilds Erbe aufrecht zu erhalten, obwohl seine Erben es bereits verraten hatten. Ein Land, in dem Bauern ihre Äcker umgruben und sääten ohne zu wissen, ob sie noch leben würden, wenn die Zeit zur Ernte gekommen war, weil nichts zwischen ihnen und Tod und Unterwerfung stand, als einige Tausend Soldaten und ein paar Hände voll Magier. Ihr Land, dem sie ihr Leben schuldig war, eine Schuld, die sie im Gegensatz zu ihren Vorgängern anerkannte.
Das Schiff legte ab und Loney verschwand hinter einer Biegung des Flusses wie eine Perle in einer sich schliessenden Muschel.

-> Alyrna weiter in der Nachtzinne S. 234


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