Der Jäger trat in eine der Hütten, deren Türe offenstand. Gedämpft hörte Veray seine Stimme: "Wir haben ihn erwischt."
Veray trat an den Kadaver des Wolfes heran, den die Jäger auf den Boden gelegt hatte. Das schwarzgraue Fell war verklebt vom Blut, das aus den Speerwunden geströmt war und nun eintrocknete. Er ging neben dem Tier in die Hocke und streckte die Hand aus, fast so als wolle er es streicheln, verharrte aber einige Fingerbreit darüber. Nachdenklich runzelte er die Stirn.
"Ar edrash, Â-Vrenasz?", fragte er leise in der Sprache der Dämonen. Warum hast du es getan, einsamer Wolf?
Natürlich gab ihm der Wolf keine Antwort. Er war schliesslich tot.
Zwei Leute traten heran und Veray erhob sich schnell. Es waren der Jäger und eine weisshaarige Frau, die mit ihm aus der Hütte getreten war. Sie schien uralt zu sein, ihr Gesicht war ein Netz von Furchen, die viele Jahreszeiten hineingegraben hatten, blaue, scharfe Augen blitzten dazwischen hervor. Sie trug einen knorrigen Stab in der linken Hand und einen Kranz aus Weidenzweigen um den Kopf.
Veray trat respektvoll zurück und stellte sich neben Ran, als sie den Wolf inspizierte. "Bereitet das Ritual vor", sagte sie schliesslich mit knarrender Stimme zum Jäger und schlurfte wieder davon.
If you're going through hell, keep going.

"Toll eine Hexe", murmelte Ran beinahe unhörbar und ihre Augen funkelten vor Neugierde auf, auch wenn sie es ironisch gemeint hatte. Sie beobachtete, wie sie den Wolf weg, zum Platz in der Mitte des Dorfes trugen. Die weisshaarige Frau murmelte dabei irgendwelche Beschwörungen und sie und Veray folgten den Jägern und der Druidin. "Weisst du was witzig wäre?", fragte Ran Veray.
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"Keine Hexe", antwortete Veray. "Sie ist die Weise des Dorfes. Sie hat mehr Macht, als du dir vorstellen kannst, wenn du sie siehst."
Die Männer banden den Wolf an ein Gittergeflecht, das Aufrecht auf dem Platz stand, zwei andere holten ein Kupferbecken und Kohlen aus den Herdfeuern des Dorfes, und erhitzten eine Eisenstange darin.
"Ich weiss eine Menge, das witzig wäre", sagte Veray leise zu Ran. "Aber ich weiss nicht, woran du im Moment denkst."
If you're going through hell, keep going.

"Wenn du sie von früher kennen würdest", flüsterte sie zurück. Sie sah eine Weile zu, was die Menschen machten, dann erblickte sie die Stange und sah verwirrt zu Veray. "Was haben die damit vor?"
Der Wolf tat ihr irgendwie leid, auch wenn er schon tot war, beim Anblick der heissen Eisenstange.
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"Das wäre nicht wirklich witzig, sondern könnte uns ziemlich in Schwierigkeiten bringen", meinte Veray.
Einer der Männer zog den spitzen Eisenstab prüfend aus dem Feuer. Er glühte weiss.
"Die Menschen hier betrachten die Tiere des Waldes nicht einfach als Tiere", erklärte Veray leise. "Es sind für sie Geister, gute oder böse. Im Falle des Wolfes hier ein Böser. Dieser Geist ist nicht verschwunden nur durch den Tod des Körpers. Noch klebt der Geist fest an den Augen und am Herz des Kadavers, aber mit der Zeit könnte er sich lösen und Besitz von einem anderen Körper ergreifen, von einem Nutztier, oder auch einem Menschen. Deshalb müssen sie ihn vernichten."
Die Weise Frau malte Symbole in die Luft mit ihrem Stock und murmelte dabei einen Bann. Einer der Männer hob das Kupferbecken an den Holzgriffen hoch und hielt es ihr entgegen. Sie ergriff den Eisenstab mit einem dicken Stück Leder als Handschutz und stiess ihn tief in den Leib des Wolfes, zuerst zwischen den Rippen hindurch ins Herz, dann in die Augen, in das Linke und das Rechte. Es zischte und der Gestank von verbrannten Fleisch und Fell stieg Veray in die Nase.
If you're going through hell, keep going.

Ran zuckte leicht, als sie das Zischen hörte. Der Gestank liess sie beinahe würgen, doch sie hatte sich soweit im Griff keine Miene zu verziehen.
"Zu welchem Gott oder welchen Göttern betet man hier? Zu Nauma?", fragte sie und sah zu Veray hoch, wobei sie sich langsam wie ein kleines Mädchen fühlte. Ein recht merkwürdiges Gefühl. "Wenn sie dich erkennt, behauptest du einfach du seist dein eigener jüngster Sohn", fügte sie hinzu. Ich fände es aber dennoch interessant ihre Reaktion darauf zu sehen, fügte sie in Gedanken hinzu. Auch wenn ihn die Frau kannte, oder sonst jemand, der noch lebte, würden sie nicht mit Sicherheit sagen können ob es sich bei Veray wirklich um den Mann vor vierzig Jahren handelte oder um einen seiner Nachkommen...
Die alte Frau sagte noch einige Bannzauber auf, dann war die Zeremonie vorbei und der Wolf wurde weggetragen. Die Weise des Dorfes wechselte ein paar Worte mit dem Jäger, der die Gäste ins Dorf geleitet hatte und trat zu ihnen, um sie zu begrüssen. Ran lächelte höflich und wartete das jemand etwas sagte.
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"Nauma unter anderem", sagte Veray leise zu Ran, dann nickte er der Weisen respektvoll zu. "Die Sterne seien mit Euch, Wicca."
"Ich kenne dich, Dämonenjäger", sagte sie ohne Umschweife.
Er erstarrte für einen Augenblick. Er hatte das mit Ran vorher eigentlich als Witz gemeint und hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass die Frau ihn tatsächlich kennen könnte. Prüfend blickte er in ihre Gesicht und versuchte unter den Falten irgendetwas vertrautes zu sehen, doch es gelang ihm nicht. Menschen veränderten sich so schnell. Vielleicht war sie ihm aber auch einfach nicht aufgefallen. "Vielleicht kennt ihr meinen Vater", sagte er. "Er war Dämonenjäger in diesen Gebieten. Ich gleiche ihm sehr."
Er spürte den Blick ihrer blassblauen Augen auf sich ruhen, als sie ihn musterte. "Du gleichst ihm tatsächlich sehr", meinte sie schliesslich nur. "Übst du seinen Beruf aus?"
Veray überlegte einen Augenblick lang und antwortete dann: "Ja. Er hat ihn mich gelehrt."
"Dann heisse ich dich Willkommen, Dämonenjäger. Vielleicht werden wir deine Dienste brauchen", sagte die Alte Frau und entfernte sich.
If you're going through hell, keep going.

Ran unterdrückte ein Grinsen und ein Lachen, was ihr wirklich schwer fiel, als sie sich Veray im Wald beim Krötenaufspiessen vorstellte. "Sie hat ein gutes Gedächtnis, Liebster", lispelte sie so leise sie konnte und sah der Frau hinterher.
Nauma, dachte sie leicht verträumt. Der Name war ihr einst so geläufig über die Lippen gekommen, doch in diesem Leben hatte sie ihn kaum gebraucht. Nauma, die Herrin der Zeit und des Seins. Sie seufzte und lehnte den Kopf gegen Veray. "Wir werden wohl etwas länger hier bleiben, Dämonenjäger?", fragte sie und sah zu ihm hoch.
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Er zuckte mit den Schultern. "Wir müssen nicht. Selbst wenn sie einen Dämonen gejagt haben wollen, können wir sagen, dass wir weiter müssen."
Der Jäger, der ihnen angeboten hatte, bei ihm zu übernachten, kam auf sie zu. "Meine Frau hat das Abendessen zubereitet. Ich lade euch ein, mit uns zu Essen."
Sie folgten ihm in eine der kleinen Bauernkaten. Der Raum war mangels grösserer Fenster und durch die von Rauch geschwärzten Wände ziemlich dunkel, das einzige Licht stammte von einem von Steinen eingefassten Feuer in der Mitte des Raumes. Die Kate bestand aus einem einzigen Zimmer, das offen war bis zum Dach, im hinteren Teil hatte man einen Zwischenboden eingezogen, auf dem vermutlich die Betten waren. Aus einem Gatter an der Seitenwand gackerten Hühner, auf den Bänken am Feuer sassen vier kleine Kinder mit dreckigen Gesichtern und sahen ihnen mit grossen Augen entgegen. Eine Frau stand am Feuer und rührte mit einem Schöpflöffel im Topf.
"Das ist meine Frau", stellte der Jäger sie vor. "Und meine Kinder. Edna, komm auch her und begrüsse die Fremden!" Ein Mädchen von etwa zwölf Jahren kam aus dem Dunkeln im hinteren Teil des Raumes ans Feuer. "Mein Ältester ist noch am Schweinehüten", erklärte der Jäger. "Aber sie sollten jeden Moment kommen."
Er bat sie, sich zu setzen und die Kinder rückten etwas scheu beiseite, um ihnen Platz zu machen.
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Sie nahmen Platz und Ran sah sich um. Die Kinder sahen aus, wie halt Kinder in ihrem Alter aussahen. Mit dreckigen Gesichtern und Händen, verstrubbelten Haaren, zerrissenen Hosen an den Knien, die öfters geflickt wurden, fehlenden Milchzähnen und aufmüpfigen Zöpfen. Wahrscheinlich waren sie bis vor kurzem draussen am Spielen und Herumtollen gewesen.
Eines der Mädchen, ein kleines Gör mit rotbraunen Haar zu zwei Zöpfen geflochten und Sommersprossen über dem Gesicht, beäugte Rans Bauch, eiener der Jungen, der zweitjüngste Sohn mit braunem Strubbelkopf und einem abgebrochenen Schneidezahn, hatte ihr langes Messer am Gürtel entdeckt und die anderen musterten Veray, dann sie und dann wieder den Dämonen. Sie schienen recht überrascht über den merkwürdigen Besuch und schienen den beiden Fremden noch nicht recht zu trauen. Dennoch interessierten sie die Gäste und sie versuchten jedes Detail von ihnen zu mustern, unauffällig versteht sich, doch in ihrer Kindlichkeit gelang es ihnen nicht so wie geplant.
Der fremde Mann eine merkwürdige Rüstung aus robustem Leder und die Frau war ganz in schwarz gekleidet mit Messern und merkwürdigem Haar, schwarz mit zwei silbern glitzernden Strähnen, das sie zusammengebunden hatte. Auch sonst sah das fremde Paar recht merkwürdig aus, der eine gross, grösser als ihr Vater oder die anderen Männer im Dorf und die Frau recht klein, aber mit Augen so schwarz, wie die tiefste Nacht. Die Kinder fragten sich, ob sie vielleicht eine Elfe war, oder noch zur Hälfte Mensch, da ihre Ohren leicht angespitzt waren -Vielleicht war sie auch ein Waldgeist oder ein Dämon, den der Dämonenjäger gefangen hatte. Schmuck trug sie auch keinen, auch wenn ihre Kleider aus recht feinem Material gefertigt schienen. Ein interessantes Zeichen prangte gross auf ihrem Mantel; ein mit Silber- und Goldfäden gestickter Phönix mit einer Waage und Sichel in seinen Klauen.
Ran versuchte so harmlos, wie nur möglich zu wirken, auch wenn die Kinder sie langsam nervös machten. Sie schienen mit ihren Augen jedes Detail und jede versteckte Waffe auszumachen und sich alles zu merken. Unangenehm, vor allem für einen Assassinen. Wahrscheinlich hatten die Kleinen das Geräusch gehört, welches die Messer verursacht hatten, als sie sich gesetzt hatte. Sie hoffte, dass man ihr dazu keine dummen Fragen stellen würde. Immerhin hatte sie an die zehn Messer bei sich und die zu erklären war nicht gerade leicht. Sie beruhigte sich ein wenig, immerhin war sie ja nicht allein. Veray war bei ihr und solange er nicht in Panik verfiel, musste sie es auch nicht.
In ihrem Leben als Randreyah hatte sie nicht viel mit Menschen zu tun gehabt, die nicht Assassinen waren und daher fühlte sie sich leicht fehl am Platz. Sie war noch nie im Haus eines Bauern gewesen für eine so lange Zeit. Meist hatte sie sich Unterkunft in den Städten gesucht oder unter freiem Himmel geschlafen, da sie sich dort wohler fühlte, nicht gross auffiel. Doch hier... Hier fühlte sie sich wie ein bunt angemaltes Pferd.
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