"Und für dich wäre es besser du würdest dich nicht in die Angelegenheiten Fremder einmischen", antwortete Growndrill.

(nicht viel eigentlich xD)

Als die magischen Lichter langsam erloschen, um Nacht zu simulieren, lag sie im Bett und starrte an die Decke des Raumes, den man ihr eingerichtet hatte. Ein Flammenflügel. Ein Flammenflügel, lebte. Sie war sich nicht sicher, ob sie es glauben sollte. Oder ob es nur eine Falle war. Der Gedanke an letzteres schmeckte bitter und nach Zorn.
Sie schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Ohne sich anzuziehen, liess sie den Tarnzauber über sich gleiten und verliess das Haus als Elfe in langem, dunklem Kleid. Durch die Höhlenstadt schlendernd streifte ihr Geist diejenigen der schlafenden Magier, ohne sie zu berühren. Sie träumten von einer neuen Welt, in der Liebe und Wissen über Zorn, Gier und Brutalität standen. Sie folgten Narum, dem Sohn von Vincent, dem Phönix. Wussten sie, dass die Phönixe selbst nur Sklaven waren? Unterdrückte, die nur deshalb eine milde Behandlung erfuhren, weil sie sich stets brav geduckt hatten?
Sie trat vor Narum's Haus und rief nach Growndrill. Er war wach, und nach ein oder zwei Minuten kam er nach draussen, und schloss leise die Türe hinter sich. "Du wolltest mir das Nest zeigen", meinte sie.
"Findest du keinen Schlaf?"
Sie schüttelte den Kopf.
Er antwortete mit Einverständnis und sie machten sich auf den Weg.

Sie wanderten durch die Höhlen, verliessen den von Magiern bewohnten Teil und gingen durch Korridore in den Eigeweiden des Berges oder stiegen aufwärts, über Treppen, die das Wasser in den Stein geschliffen hatte, in Zeiträumen, die selbst ein Drachenleben überstiegen. Als sie die schlafende Stadt weit genug hinter sich gelassen hatten, liess Velryunra ihre Tarnung fallen und folgte Growndrill weiter in ihrer wirklichen Gestalt, die langen, lockigen Haare schwarzrot auf der hellen Haut. "Wohin ist er gegangen?", fragte sie nach einer Weile.
"Das sagte er nicht", antwortete Growndrill. "Er ging mit den Soldaten, die als Verwundete hierher gebracht wurden. Aber er wollte nach Osten."
Ihre Augen wurden schmal und sie schwieg erneut.
Schliesslich öffnete sich der enge Pfad, dem sie gefolgt waren und verbreiterte sich. Velryunra spürte, dass sie den Berg verlassen hatten, auch wenn es unnatürlich warm war, denn die Luft hatte einen frischeren Geruch als unten im Berg, und als sie noch einige Schritte ging, spürte sie Moos unter den Füssen und sah Sterne über sich. Sie griff nach dem kleinen, magischen Licht, das Growndrill mitgenommen hatte, liess es emporsteigen und ihre Energie hineinströmen, bis es erstrahlte wie ein kleiner Stern. Sie befanden sich in einem Vulkankrater. Dichter, hoher Urwald bedeckte die Talsohle, sie hörte das Murmeln eines Baches und die Geräusche schlafender und wacher Tiere, die sich, vom Licht verunsichert, ins Unterholz flüchteten. "Ist das das Nest?"", fragte sie leise.
Growndrill nickte.

Sie sah dem Greifen nach und trat dann unter die Bäume. Einige Dutzend Meter ging sie in Stille, genoss das Gefühl des Waldbodens unter ihren nackten Füssen, das Gefühl frischen Tau's auf der Haut und sog den Geruch des Ortes in sich auf. Schwerer Blumenduft und Harz, modrige Blätter und frischer Regen, ein Hauch von Schwefel und dahinter eine Erinnerung an den Geruch der Phönixe. Sie blieb stehen mit geschlossenen Augen, dann drehte sie sich zu Growndrill um, der ihr gefolgt war. "Warum sind sie gegangen?"
Sie gab sich nun keine Mühe mehr, ihre Gedanken auf ihn zu kanalisieren und vor anderen verschlossen zu halten, die Magier waren weit fort.
Er trat näher. "Weil sie fürchteten, hier nicht mehr sicher zu sein. Sie sind nur noch sehr wenige. Vincent hielt es für besser, dem Krieg aus dem Weg zu gehen."
"Was für einem Krieg?", fragte sie irritiert und als sie die Antwort in seinen Gedanken sah, erstaunt: "Sie flüchten vor einem Krieg der Menschen?"
"Dreitan hat nie eine Armee von dieser Grösse gesehen", erwiderte er. "Und sie benutzen Magie."
Sie sah seine Erinnerung und lachte. "Kehla'kan war kein herausragender Magier. Er war stark, ja, aber dumm. Ich bin sicher, es gibt diesseits der Berge wesentlich mächtigere als ihn."
"Das mag sein", brummte Growndrill leicht verstimmt. "Aber sie sind untereinander zerstritten und sehen lieber alles vernichtet, als sich gegenseitig zu helfen. Und viele von ihnen hegen keine guten Absichten."
Sie behielt ihre Gedanken, was letzteres betraf für sich und schlenderte weiter.

"Wieso wurden sie so wenige?", fragte sie.
"Konflikte", antwortete Growndrill. "Und zu wenig Junge."
Sie schwieg eine Weile, dann fragte sie leise: "Stimmt es wirklich, was du gesagt hast? Dass noch einer lebt?"
Er nickte.
"Wie... wie ist er?", fragte sie zögernd.
Er bat sie zu erklären, was sie damit meinte.
Sie zögerte, tat es dann aber. "Ich war... nicht von Anfang an allein. Mein Bruder... war mit mir unter die Menschen gegangen. Auch sein Körper wurde zerstört, als dein Volk meines vernichtete. Ich wollte Rache - aber er, er brannte danach. Und er wusste, dass er dafür Macht brauchte, Macht, die die jedes anderen Magiers überstieg. Wir suchten beide unsere Pfade auf der Dunklen Seite. Aber er ging immer tiefer. Er hörte nicht auf. Und über die Jahrhunderte, Jahrtausende, begann sie ihn zu verändern, machte sie etwas aus ihm..."
Sie schauderte und drehte sich zu Growndrill um. Der gequälte Ausdruck in seinem Gesicht sprach Bände. Er hatte das Bild in ihrem Geist gesehen. Und er erinnerte sich selbst daran. Er zeigte ihr Bilder einer Schlacht. Einer Schlacht über den Klippen und Magie, die die Kraft hatte, die Welt zu zerreissen. Er zeigte ihr, was er angerichtet hatte. Und wie er ihn tötete.
Sie schwieg einige Augenblicke und sah ihn dabei an, dann wandte sie den Blick ab. "Es ist gut so", sagte sie. "Es ist gut, dass er tot ist. Er... er war nicht mehr er. Er war kein Drache mehr. Ich weiss nicht was er war, aber... Es tut mir leid", wisperte sie. Sie hatte einen Blick erhascht auf den Moment, als er Growndrills Töchter getötet hatte. "Ich hätte ihn töten sollen. Aber ich habe es nicht über mich gebracht. Er war der letzte..."
Er schloss sie in die Arme und diesmal liess sie es geschehen und erwiderte die Umarmung. Vergebung. Zu vergeben und vergeben zu werden. Sie hatte beinahe vergessen, wie es sich anfühlte.