Veray trat etwas vor, gerade so, dass er den Text auf der Tafel lesen konnte. Er war klein geschrieben, in der Schrift der Elfen, aber in der Sprache der Dämonen, wie die meisten alten Texte. Es war nicht viel Text. Er besagte, dass die Feindschaft besiegelt sei und die Clans Verdezia und Srok keinen Krieg mehr gegeneinander führen würden. Dass sie sich stattdessen helfen würde, wo Not sei, sei es Hunger oder Krieg und dass sie in Freundschaft verblieben. Ein typischer Bündnistext, wenn auch etwas altmodisch.
Unter dem Text war ein Teil frei, und dort waren die Unterschriften der Clanführer eingraviert. Nicht die aller, die diesen Vertrag im Laufe der Zeit unterzeichnet hatten - dafür hätte der Platz nicht gereicht, sondern nur die letzten sechs. Veray erkannte Tarak's energische Schrift, und die etwas wirre von Zevar's - Vorsza's Grossvater war nie ein grosser Freund von Buchstaben gewesen. Zuunterst standen Vorsza und Karim.
Vakra nahm den Dolch, der bereit lag, und zog ihn aus der Scheide. Es war eine hübsche Waffe, verziert mit Runen und ziemlich alt. Wie Veray Ran gegenüber festgestellt hatte: die Schwarze Festung hatte sehr wohl Erbstücke. Die meisten davon hatten scharfe Schneiden. Was die Kelche betraf... er hatte sie gefunden. Aber sie hatten ihm nicht sonderlich gefallen. Er fand sie etwas makaber.
Vakra zog den Dolch über seine Handfläche, dass Blut hervortrat, und reichte ihn dann an Ran.

Veray folgte Karims Beispiel, und die Namen prägten sich tief und unauslöschlich in den Stein ein. Für einen Augenblick lang hielt er inne und fragte sich, wessen Name wohl dereinst unter Vakra's stehen würde. Dann reichte er Karim den Griffel zurück und sie schlugen die Tafel wieder in ihre Lederhüllen ein.
Die würdevolle Anspannung des Offiziellen und Zeremoniellen liess etwas nach, und sie sprachen noch einige Details der bevorstehenden Zeremonie ab. Während Vakra Karim eine frage stellte, strich Veray Ran über die Wange. Ja, er war nervös, dass er heiraten würde. Nicht weil er befürchtete, eine falsche Wahl getroffen zu haben, sondern weil er trotz seiner eigenen Worte immer noch irgendwie Angst davor hatte, was es bedeutete, Angst, dass eine Ehe vielleicht die Liebe zerstörte. "Hast du Antwort von Drewngard und deinem Vater erhalten?", fragte er.

"Schade", meinte Veray.
Die Verdezia verabschiedeten und machten sich auf den Weg zurück nach Drez. Veray ging auf sein Zimmer, um sich zu waschen und umzuziehen, bevor er ihnen mit Vakra und den anderen wichtigeren Mitgliedern der Familie folgen würde.

Veray trat vor. Er trug neue Kleider, mit dem Wappen der Schwarzen Festung in Silberfaden an Ärmeln und Kragen gestickt, und die Nieten, Schnallen und Beschläge seiner Rüstung und seiner Waffen glänzten im Sonnenlicht. Die Haare hatte er frisch gewaschen und gekämmt, und mittlerweile waren sie trocken, aber er hatte sich gegen jeden Vorschlag, sie zusammen zu binden oder sonstwie zu befestigen, vehement gewehrt. Er wollte nicht aussehen wie Vakra, und er wusste, dass er wenn er die Haare zusammenband aussah wie Vakra.
Er trat vor und stellte sich Ran gegenüber, nickte ihr zu, wie es Tradition und Höflichkeit geboten und versuchte seine Nervosität herunter zu schlucken.

Veray trank einen Schluck von dem Blut und sah Ran dabei in die Augen. Und in dem Moment wusste er, dass er keinen Fehler beging. Er liebte sie. Und keine Politik, kein Bündnis und keine Ehe konnte diese Liebe zerstören.