Sie führte ihn aus dem Raum und durch den Gang, erklärte ihm wohin welcher Gang führte und ging dann mit ihm nach draussen. Im Garten erklärte sie kurz das Prinzip der Fallen, die überall versteckt waren und hielt unterwegs einen Jungen ihres Clans auf. Er sollte Karim suchen gehen und ihn zu ihr bringen. Der Junge nickte und verschwand. Dann setzte Ran ihre Führung fort, die kurz ausfiel, da das meiste von Azura in den Gebäuden war. Doch diese konnte sie Veray nicht zeigen. Ihr selber war das Betreten schliesslich nicht mehr erlaubt.
Der Junge liess nicht lange auf sich warten. Er kam schon nach einigen Minuten zu Ran zurück mit Karim im Schlepptau, welcher eine Papierrolle in der einen Hand hielt und sie schon von weitem breit anlächelte. Ran nahm die Liste entgegen, dankte dem Jungen und verabschiedete sich knapp von Karim. Den Vorfall mit dem Assassinen erwähnte sie nicht. "Ihr wollt wirklich schon gehen?", fragte der alte Dämon enttäuscht. "Aber ihr habt eine so lange Reise auf euch aufgenommen."
"Wir sehen uns Ende Jahr", meinte Ran, nahm Veray an der Hand und ging durch das Stadttor. Die beiden Drachen warteten schon ungeduldig. Ran verstaute die Liste in einer Satteltasche und schwang sich auf Aries' Rücken. "Wohin sollen wir?", fragte sie Veray strahlend.

"Dann nach Immen", sagte sie und wartete bis er gemütlich im Sattel sass und sich Aries und Apollo in die Lüfte schwangen.

-> weiter in Immen S.1

(Südlicher Waldrand, unweit des Langen Sees, Anfang April 308)

Die Gruppe, bestehend aus zwei Magiern und zwei Skelettkriegern standen unschlüssig auf der Prärie, die sich bis zum Wald ansteigend erstreckte und dort ohne einen nenneswerten Übergang in den Wald überging. Die Menschen nördlich von Ravi hatten das Gebüsch, das sich in der Regel vor einem Wald erstreckte, abgeholzt, sodass es aussah, als wäre der Wald eine Mauer.
"Ich hab ne Menge Geschichten über den Wald gehört", sagte einer der Krieger.
"Er soll verflucht sein. Es leben Monster darinnen. Wer reingeht, kommt nicht wieder raus."
"Manche schon", antwortete einer der Magier, der eine Kapuzenrobe trug. "Und Monster kann man töten. Wenn ihr Krieger nicht ausreicht, habt ihr ja noch uns. Wir sind beide ausgebildete Kampfmagier!"
Er sah den anderen an, welcher nickte.
"Na gut. Aber wenn es zu brenzlig wird, sollten wir den Seeweg nehmen", antwortete der Krieger.
"Wir laufen ab morgen ohnehin am Seeufer entlang. Von dort aus können wir jederzeit aufs Wasser raus", entgegnete der zweite Magier erneut, der einen seltsamen, aus Kürbisschalen gefertigten Helm trug, an dem Rankenpflanzen wie Tentakel herabhingen.
"Sind ja nur zehn Tage. Und nachts sind wir einfach besonders wachsam."
"Mhm", antwortete der Krieger mit merkwürdig hoher Stimme. Er wirkte gar nicht erleichtert.
"Auf dann, Jungs", sagte der erste Magier drängend und schritt voran, auf den Wald zu.

Ein Windzug fuhr durch den Wald und lies die Blätter rascheln, die Äste knarzend und knarrend sich hin und her wiegen und manch eine Baumhöhle gespenstisch aufheulen, als die Magier sich dem Wald näherten. Tausend Stimmen schienen über sie zu flüstern, zu kichern und zu tuscheln. Doch wenn man glaubte, ein Wort hie und da zu hören, erschien es einem, als hätte der Wind sich einen Streich erlaubt.
Still und leer war der Wald, kein Leben war zu sehen und auch die Pflanzen und Bäume wirkten wie düstere Erinnerungen, leere Hüllen, die einen mit sich in das Reich der Toten führen wollten.

Sie waren bereits zehn Mintuen durch den Wald gelaufen, immer Richtung Nordosten, als der Krieger sich erneut zu Wort meldete. "Hier ist es verdammt unheimlich! Ich sag's euch, hier stimmt was nicht! Man sieht kaum Tiere, es ist unnatürlich dunkel und selbst die Bäume sehen anders aus als woanders."
"Überall sieht es anders aus als woanders", kommentierte einer der Magier trocken.
"Aber dieser Wald riecht förmlich nach Gefahr."
"Wir auch."
"Kannst du einmal aufhören, immer deine dummen Kommentare dazu abzugeben?", brauste der Krieger auf, aber verstummte, als plötzlich ein gelber Blitz vor ihm in den Boden jagte. "Schnauze. Wir Magier haben hier das Kommando und ihr Krieger seid nur mit dabei, um uns den Rücken freizuhalten. Kapiert?"
Der andere Krieger blieb ruckartig stehen. "Ich hoffe, dass wir mehr sind als nur eure Sklaven, ansonsten seid ihr gleich nur noch zu zweit."
Er wartete kurz, als der Magier aber nichts erwiderte, ging er weiter.
Missgelaunt lief die Gruppe immer tiefer in den Wald. Die Luft schien vor Spannung geladen zu sein.

Als die Fremden weit genug in den Wald gelangt waren, den Rückweg nicht mehr finden zu können, tauchte eine kleine, grünlich schimmernde Fee vor ihnen auf. "Wegzoll", kündete sie mit ihrer hell fröhlichen Stimme an. Sie neigte sich auf ihrem Fliegenpilz sitzend vor, die Füsse verschränkt und ein breites Grinsen auf den dünnen Lippen.

Die vier Männer blieben augenblicklich stehen. "Was zur Hölle ist das denn?", flüsterte der eine Krieger dem anderen zu.
"Ein solches Wesen hab ich noch nie gesehen", entgegnete er.
Die Magier dagegen blieben ziemlich gelassen.
"Welchen Wegzoll fordert ihr?", fragte der eine förmlich.

Die Fee lächelte und ein dunkler Schatten legte sich auf das liebliche Gesicht, welches plötzlich wie das Gesicht des verkörperten Bösen wirkte. "Ein Menschenopfer. Nur drei dürfen passieren", sagte sie und das Grinsen wurde zu einem bösartigen Lächeln. Die Fee mochte es nicht als ein 'was zur Hölle ist das' bezeichnet werden. Hätten sie dies nicht gefragt, hätte sie kein Blut gefordert, doch eigentlich war ihr jeder Grund recht. Das rote, flüssige Gold war hier in letzter Zeit sehr selten...