Machek nickte nur stumm und lenkte das Boot an eine Stelle am Ufer, wo die verknoteten Wurzeln zweier Bäume eine Art natürlichen Kai formten. Die Bäume waren hier so gross, dass zwischen ihnen genug Raum für den Drachen war, um von der Flussseite her zu landen.

Ro nahm den Umhang an, aber beim Rest schüttelte sie den Kopf. "Behalt sie. Ich habe selber."
Sie ging einige Schritte hinter den Stamm einer mächtigen Eiche und zog sich um. Es tat gut in trockene Kleider zu kommen. Die Stiefel leerte und schüttelte sie aus, und zog sie wieder an. Sie waren zwar innen nass, aber mit Wollsocken war das nicht so schlimm. Dasselbe tat sie mit der Rüstung.
Sie kehrte vor Ran zum Boot zurück und setzte sich Machek gegenüber. Er drehte seinen Kopf so, dass sie davon ausging, dass er sie ansah, auch wenn sie seine Augen nicht erkennen konnte. "Du weisst, warum ich dir nicht geholfen habe, oder?", fragte er.
"Nein", antwortete sie und hob eine Augenbraue in Erwartung einer Moralpredigt. "Aber ich hab auch keine Hilfe gebraucht."
"Genau darum", sagte Machek mit einem halben Grinsen. "Du hättest dich in deiner Ehre gekränkt gefühlt, wenn ich es getan hätte. Und du hättest niemals einen Sieg akzeptieren können, den du mit Hilfe errungen hättest."
Ro starrte ihn sprachlos an. Woher wusste er den Scheiss?! Sie kniff die Augen zusammen. "Liest du meine Gedanken?!"
Er grinste abermals. "Du bist anhand deines Verhaltens leichter zu lesen, als du glaubst."

Sie waren nicht lange wieder auf dem Fluss, als die Nacht endgültig hereinbrach und es unter dem dichten Astgeflecht der hohen Bäume zu beiden Seiten des Flusses, dass den grössten Teil des tiefen, ruhigen Wassers überspannte, sehr dunkel wurde. Sie zündeten eine Laterne an und hängten sie an den Bugspriet, um überhaupt noch sehen zu können, wohin sie fuhren. Machek lenkte das Boot sicher und ruhig, während sie zu Abend assen, und er übernahm die erste Nachtwache.
Als er Ro eine Stunde nach Mitternacht weckte, blickte sie um sich und sah keinen Wald mehr. Sie hatten den Fluss verlassen und schaukelten nun sanft auf den Wellen des Langen Sees. Das Ufer war noch recht nah, sie konnte Felsen und darüber die dunklen Bäume des verfluchten Waldes ausmachen.
"Wir haben guten Nordwind", sagte Machek. "Hilf mir das Segel zu spannen."
In der Dunkelheit - die Laterne hatten er ausgemacht, hier auf dem See trübte sie nur die Augen, während man im Licht der Sterne bei klaren Himmel sehr weit sah - sah er aus wie eine grosse, schwarze Spinne, als er an die Seile trat und Ro zu ihrem Platz wies.
"Du kannst segeln?", fragte sie überrascht.
Er lächelte halb. "Ich bin alt und weit gereist."
Sie zogen das Segel am Mast in der Mitte des Bootes hoch und befestigten es mit Seilen im richtigen Winkel. Machek zeigte Ro, wie sie das Steuer halten musste und deutete auf den Nordstern. "Du musst darauf achten, dass er immer genau im rechten Winkel zur Fahrtrichtung liegt. Sonst kommen wir vom Kurs ab."
Damit legte er sich schlafen und liess Ro alleine. Sie hielt das Ruder fest und starrte in die Dunkelheit, auf die sie zufuhren, vorangetrieben vom Wind. Irgendwo dort war das andere Ufer des Langen Sees, aber sie konnte es genau so wenig sehen wie die Bahn, der sie folgen musste. Still glitt das Boot durch das Wasser und liess das Ufer hinter sich zurück.

-> weiter auf dem Langen See

Anfang April, Ran und Veray
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Der Flug war wesentlich angenehmer als das letzte Mal, denn nichts tat ihm weh und er war ausgeschlafen. Auf den Rücken der Nachtkatzen glitten sie fast lautlos dahin, über Felsgrate, Schluchten und Flüsse, vorbei an glitzernden Gipfeln und rauschenden Wasserfällen, angefüllt von Schmelzwasser. Es war kalt, aber sie hatten die Mäntel um sich gewickelt.
Nach etwas mehr als einer Stunde liessen sie das Gebirge hinter sich und glitten, von wärmeren Aufwinden getragen, ruhig über dem endlosen Blätterdach der verfluchten Wälder dahin. In der Ferne konnte man das Blau des Langen Sees ausmachen. Veray versuchte sich seinen Standort als Punkt auf einer Karte Dreitans vorzustellen. Er war nicht mehr so weit von Drez weggewesen seit seiner Severjakza und auf eine Art fand er es beunruhigend: für die Strecke, die sie zurücklegten, hätte man zu Fuss oder zu Pferd über eine Woche gebraucht. Die Welt wurde plötzlich so klein, wenn man mit einem Drachen reiste.
Nach zwei weiteren Stunden, liessen sich die Drachen absinken und steuerten in Kreisen wie Raubvögel auf den Wald zu. Veray beugte sich über den geschuppten Hals und sah, dass unter ihnen der Wald endete und einer Siedlung mit Feldern Platz machte. Azura.
Kurz darauf landeten sie.

"Ganz meinerseits", antowrtete Veray auf die Begrüssung des Assassinen und nickte ihm höflich zu. Ihm war bewusst, dass dieses Aufeinandertreffen vermutlich wichtig war, immerhin war die Wahrscheinlichkeit, dass Karim im politischen Spiel versuchen würde, gegen ihn zu arbeiten, oder ihn zumindest auszutricksen, recht hoch. Dennoch wollte er ihm nicht prinzipiell mit Ablehung und Misstrauen begegnen, oder zumindest sollte Karim nichts davon merken.
Er setzte sich auf ein Kissen neben Ran und wartete darauf, dass der Ältere Dämon und Gastgeber zu sprechen begann.