"Wie steht es im Krieg?", fragte Armelion. "Wenn du uns antwortest bekommst du auch was zu essen." Als der Soldat das Wort Essen hörte schnellte sein Kopf hoch.
"Nehmt ihr mir auch die Fesseln ab?"
"Wenn du uns nicht mehr angreifst ja."
"Könnt ihr die Stimmen in meinem Kopf wegmachen? Bitte! Sie wollen etwas, aber ich versteh sie nicht. Sie flüstern...flüstern... die ganze Zeit. Seit der Schlacht sind sie da und sie wollen nicht gehen. Sie bleiben, den ganzen Tag, die ganze Nacht. Nachts sind sie am schlimmsten. Sie lassen mich nicht in ruhe bitte macht sie weg." Er schluchzte.
"Okay, ich bin mir sicher meine Gefährtin wird ihr bestes versuchen um die Stimmen wegzumachen. Aber kannst du uns zuerst einige Fragen beantworten?"
Der Soldat nickte zögerlich.
"Wie steht es im Krieg?"
"Gevira hat die Schlacht an den Ufern des Grünsees verloren. Die Soldaten der Nachtzinne waren zu stark, aber im Norden hat Gevira gewonnen und nun schicken sie Verstärkung nach Süden, in den Süden ja. Süden ist wichtig, aber Alvian ist grausam. Er hat alle Gefangenen hingerichtet, ausser den Adligen. Ich war im Norden in der Schlacht und seitdem sind die Stimmen da. Macht sie weg, macht sie weg.", wimmerte er und presste beide Hände gegen den Kopf.
"Was ist in der Schlacht passiert?", fragte der Elf weiter, aber der Soldat schüttelte einfach den Kopf und wimmerte weiter, wobei er sich sachte vor und zurück wiegte.
"Okay, ich bin mir sicher meine Gefährting wird alles tun was sie kann, oder?" Armelion warf ihr einen Blick zu und sandte einen Gedanken zu ihr aus. "Wenn du ihn nicht heilen kannst tu ihm den gefallen und töte ihn auf eine schmerzlose Weise. Er hat vollkommen den Verstand veroren."

Ran seufzte und packte den Mann am Kragen. Sie presste zwei Finger gegen seine Stirn und untersuchte seinen Geist. Sie konnte keine fremde Gegenwart spielen. Der Geist des Mannes war aber zerfetzt. Es war ein Wunder, dass er überhaupt noch lebte, denn seine seele war an mehreren Stellen gespalten, was auf Angriffe von Magiern auf seinen Geist zeigte. "Ich kann ihm nicht helfen", antwortete sie und sah Armelion kalt an. "Seine Seele liegt im Sterben. Es sind durch verschiedene Einflüsse Alter-Egos geschaffen worden, die nicht mit einander klar zu kommen scheinen. Aber wenn er Glück hat, kann Earon etwas für ihn tun", sie wandte sich ab und ging zum Fluss. Sie könnte dem Mann helfen, aber dafür würde sie ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen und sie hatte Narum schwören müssen, nicht die Beschaffenheit einer Seele zu verändern. Und dieses Versprechen würde sie halten, auch wenn es sich dabei um ihre eigene Seele handelte, denn nur weil sie die Seelen anderer gespalten hatte, verlor Narum seinen Verstand.
Earon war überrumpelt worden. Er konnte sich vorstellen, dass sie wusste, dass er sehr wohl das Geheimniss des Lebens immer noch kannte, auch wenn der grösste Teil seines Wissens versiegelt wurde. Aber dass sie nicht selber handeln wollte, kam ihm verdächtig vor.
Er trat zum Soldaten hin und sah sich seinen Geist an. Mit viel Wärmeenergie aus der Umgebung, schmolz er die Seele des Mannes zusammen, alle Stimmen, beziehungsweise Alter-Egos sollten jetzt verschwunden sein und so war es auch.
Er setzte sich müde zu Ran. Die Pflanzen um den Soldaten waren von einer dünnen Schicht gefrorenen Taus geschmückt und die Luft um sie herum war noch kalt, bis der Wind sie mit der wärmeren Umgebungsluft vermischte.

Armelion hatte begannt zugesehen. Earon war offensichtlich stärker als er angenommen hatte. Er blickte zum Mann rüber er war zusammengesackt, aber ein seeliges Lächeln umspielte seine Lippen. "Die Stimmen sind weg. Sie sind weg.", murmelte er wieder und wieder. "Es ist wieder heil. Ich fühle mich gut, nun kann ich sterben." Er griff mit seinen gefesselten Händen in seine Kleider und holte einige zerquetschte grüne Blätter hervor. Bevor ihn jemand hindern konnte, stopfte er sie sich ins Maul und schluckte sie runter.
"Danke.", brachte er noch heraus dann fiel er zu Boden. "Nicht mehr lange.", flüsterte er und drehte sich auf den Rücken. "Ich komme." Armelion ging schnell zu Maeva rüber und hielt ihr Augen und Ohren zu. Nicht dass er dachte sie sei zimperlich, oder gar überängstlich. Aber ein Tod im Kampf war etwas anderes als das hier und er kannte diese Blätter. Der Tod des Mannes würde eine hässliche Sache werden. Er schaute noch einmal hin und konnte schon die ersten Anzeichen der Vergiftung sehen. Die Kehle hatte begonnen anzuschwellen. "Schau weg!", schärfte er dem Mädchen ein. "Reyla? Kannst du ihn heilen?"

Ran war blitzartig beim Mann. Ein Lufthauch folgte ihr und sie sah ihn ausdruckslos an. "Du hättest auch anders ruhig sterben können", fauchte sie und griff ihm an die Kehle. Geschickt hielt sie ihm den Mund offen und holte mit der freien Hand Wasser aus der Luft. Dieses schickte sie in seinen Magen und spülte so die Blätter heraus. Der Mann würgte und übergab sich, aber bevor er einen weiteren Suizidversuch starten konnte, übernahm sie die Kontrolle über seinen Körper. Sie liess ihn starr und regungslos sitzen. "Erzähl uns doch, was genau auf dem Schlachtfeld los war", brummte sie. "Wer kämpfte alles auf wessen Seite, wie stark sind die Armeen und wer sind die Führer und Warlords? Gab es Magier, Dämonen, Elfen Zwerge, auf dem Schlachtfeld, oder nicht? Ausserdem spuckst du besser aus, wie die Beschaffenheit des Terrains ist auf dem die Schlachtfelder sind, wo sich die Heerlager befinden und vor allem", sie warf ihm einen eiskalten, zerstörenden Blick zu, "Wieso du dich umbringen wolltest, nachdem mein Leibwächter sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, nur um deines zu retten."

Armelion liess das Mädchen los und seufzte erleichtert. Reyla war gut. Sie hatte es besser hingekriegt als er es jemals hätte tun können. Er ging rüber zum Soldaten und kniete sich vor ihm hin. "Antworte ihr!", knurrte er.
"Das Terrain ist ganz verschieden um den Grünsee ist es flach. Grosse Wiesen. Im Norden zerklüftet, vom Fluss, es gibt viele kleine Schluchten von kleinen Bächen." Er brach ab, aber als Reyla ihn weiter anstarrte, "Der Fürst von der Nachtzinne Alvian ist der Heerführer. Er hat einige fähige Kommandanten. Wulfran ist seine rechte Hand. Seine Söhne Alvias und Almer sind auch Heerführer. Wie viele Soldaten er hat weiss ich nicht. Gevira hat auch einige Heerführer ich habe unter Andros gedient. Er ist gut. Wir haben alles in allem etwa 20'000 Soldaten und noch Söldner, aber ich weiss nicht wie viele. Vom Norden weiss ich nicht viel. Aber... aber sie kämpfen gut. Ich wurde gefangen genommen und gefoltert. Ich war ein niederer Offizier, hatte das Kommando über 20 Mann. Meine Familie lebt im Norden. Sie wurden auch gefangen.... sie... sie wurden vor meinen Augen hingerichtet. Die Magier griffen in meinen Kopf um Informationen zu holen und setzten dort die Stimmen ein um mich zu quälen." Er brach ab und schöpfte Atem. "Alvian hat etwa hundert Tiefland-Elfen angeheuert. Ich schaffte es zu fliehen nachdem die Magier mit mir fertig waren. Ich wandere schon seit Monaten in der Wildnis herum."
Armelion runzelte die Stirn. Der Mann hatte offensichtlich nicht mehr alle beieinander. Er wechselte manchmal so abrupt das Thema das er ihm kaum folgen konnte. "Ich weiss nicht wo die Heerlager sind und kenne keine Warlords beim Namen, aber es gibt etwa zehn von ihnen. Sie führen ihre Söldner in die Schlacht, je nachdem wer am meisten zahlt hat ihre Treue, aber einige sind auch so loyal." Wieder brach er ab und starrte auf die Blätter des Aronstabs vor ihm.
"Ich will wieder zu meiner Familie. Sie warten im Jenseits auf mich.", flüsterte er. "Ich habe genug gesehen. Ich wusste die Stimmen mussten weg, bevor ich sterben konnte, ansonsten wäre etwas falsch gewesen. Jetzt sind sie weg und ich will sterben."

Ran seufzte und kniete sich vor den Mann hin. "Du glaubst also an das Jenseits?", fragte sie interessiert. "Was würdest du sagen, wenn es nicht existiert, wenn deine Familie nicht auf dich wartet?" Sie sah ihn an. Er war eine jämmerliche Gestalt. Sie hatte Mitleid, aber sie konnte ihn nicht sterben lassen. Sie fasste an seine Stirn. "Du wirst nach Ravi gehen und von dort aus ein Schiff nach Immen nehmen. In Immen wirst du dir ein neues Leben aufbauen und der Schmerz wird immer kleiner und kleiner. Jetzt fühlst du dich schon besser, sicherer, geborgener. Du fühlst, dass du nicht ins Jenseits passt, noch nicht", sagte sie und liess ihre Gedanken die seinen umfluten. Er wiederholte den letzten Satz. "Wenn du in Immen ein Leben aufgebaut hast wirst du dich nicht mehr an uns, oder die Schlacht erinnern können. Du wirst wieder lachen und dein Leben geniessen und du wirst dich wieder verlieben." - "Erneut verlieben?", fragte er in Trance. "Ja. Du wirst in der Lage sein erneut zu lieben und du wirst den Schmerz nur noch als bittersüsse Erinnerung wahrnehmen. Eine Erinnerung an ein altes Leben, das dich nicht mehr interessieren wird", Rans Worte veränderten seinen Geist, liessen seine Gefühle schmelzen und verschwinden, ersetzten sie und ein neuer Lebenswille flackerte in seinen Augen auf. Sie nahm die tödlichen Blätter zwischen die Finger und hielt sie zwischen ihrem und seinem Gesicht. "Sobald die Blätter ganz verbrannt sind, wirst du schlafen. Du wirst nicht lange schlafen, nur wenige Stunden. Und wenn du aufwachst wirst du merken, wie wertvoll das Leben doch ist und dich wird es nach Immen ziehen, wo du dich einer Handwerkerzunft anschliessen wirst", sagte sie und die Blätter fingen Flammen. Langsam brannte die Pflanze in blauen Flammen herunter und der Mann nickte. Als die letzte Asche von Rans Fingern in den Wind sprang, fielen die Augenlieder des Mannes zu und er sackte schlafend in sich zusammen. Ran befreite ihn von seinen Fesseln und holte ihr Pferd.
Earon sah sie nur tadelnd an. Sie wusste wieso, sie hatte ihr Versprechen teilweise gebrochen. Sie fühlte, wie sie vor Scham errötete. "Starr mich nicht so an", knurrte sie. "Wie starr ich dich denn an?", fragte Earon herausfordernd. Sie schwieg. "Ich warte noch auf meinen Lohn", meinte er dann sarkastisch und sie warf ihm eine Goldmünze zu. Er fing sie geschickt auf und murmelte "Eigentlich hatte ich etwas anderes gemeint, aber eine Goldmünze ist auch nicht ohne", bevor er ebenfalls aufstieg. Sie warteten auf den Elf, welcher noch einige Augenblicke lang den Soldaten ansah. Er schien in Gedanken versunken.
Dann brachen sie auf. Maeva ritt diesmal neben Earon her und ihre Müdigkeit schien schon fast verflogen.

Armelion starrte den Soldaten an. Was für eine Magie war das? Sie war mächtiger als er es sich vorstellen konnte. Sie hatte die Seele des Menschen verändert, seine Erinnerungen gelöscht und ihm einen neuen Lebenswillen eingehaucht. Er schüttelte den Kopf. Falls er es nicht besser wüsste würde er sie für einen Gott halten.
Falls er jemals im Krieg auf sie treffen würde, bräuchte er eine Geheimwaffe. Etwas womit sie nicht rechnete. Die anderen stiegen auf und ritten los. Er wartete noch einige Minuten, dann legte er einige Fische und seine Angelleine neben dem Soldaten und anschliessend ritt er ihnen hinterher. Den ganzen Tag über ritt er den anderen hinterher und versuchte sich das zu erklären was er gesehen hatte. Die Seele verändern. Er erschauerte und griff sich an die Brust. Das jemand solche Macht besass war nicht recht und es gab sicher noch weitere, die diese Kunst beherrschten. Er musste einen Weg finden sich zu schützen. Er schnalzte mit der Zunge und sein Grauer holte zu den anderen auf. "Ich werde euch bald verlassen müssen. Ich fühlte mich hier fehl am Platz. Ich muss weiter zur Nachtzinne. Ich bleibe noch bis heute Abend bei euch, dann reite ich alleine weiter."

Ran ritt weiter. Er ging also zur Nachtzinne und sie würden Gevira unterstützen. "Gut. Aber du musst mir versprechen die Soldaten nicht zu töten, die dich nicht töten wollen. Ich bin nicht für Mord, meine Männer genauso wenig und sie werden jedes Leben schonen, dass sie können. Und das erwarte ich von dir auch. Schliesslich bist du jetzt ein Unsterblicher", sagte sie und sie.
Sie ritten den Fluss entlang bis zum Abend machten nur kurz Rast um etwas zu essen und redeten nicht viel.

"Das habe ich schon vorher getan Reyla. Ich töte nur in der Schlacht. Ich habe noch nie jemanden ermordet oder einfach aus Vergnügen getötet. Das ist ehrlos.", fügte er hinzu und stiess seinem Pferd die Hacken in die Seiten um zu ihr aufzuschliessen. "Aber manchmal muss man Dinge tun, die man nicht tun will. Ich versuche mit meinen Männern, so wenig Leid über die Zivilbevölkerung zu bringen wie möglich. Ich kämpfe nur gegen Soldaten." Er zügelte sein Pferd wieder und liess sich zurückfallen. Als die anderen ausser Sicht waren holte er aus seiner Tasche ein alter schwarzes Buch hervor. Der Einband war zerfleddert, doch die Schrift auf den Seiten selbst waren noch so klar als ob sie eben geschrieben worden wären. Geduldig studierte er den Zauber, den er brauchen würde um schnell zur Nachtzinne zu gelangen. Das mit dem Boot war nur eine Ausrede gewesen. Er wollte nicht dass die anderen herausfanden, was er besass. Als er sich sicher war, dass er sich den Zauber genau eingeprägt hatte schloss er zu den anderen wieder auf.
"10 Kilometer weiter vorne ist eine kleine Insel im Fluss. Sie bietet unseren Pferden und uns genug Platz."

(eine genauere Erklärung zum Buch werdet ihr in einem späteren Eintrag finden)

Ran nickte und ritt voraus. Sie achtete auf die Umgebung, konnte aber keine Feinde entdecken. Eine halbe Stunde später standen sie am Ufer des Flusses. Seit einigen Kilometern war er immer breiter geworden und jetzt war er zehn Meter breit und fünf tief. Die Pferde konnten hinüber schwimmen, aber ihr Gepäck durfte nicht nass werden.
Rannstieg ab und ging zum Wasser hinüber. Am besten wäre ein Eispfad. Das Pferd führte sie dicht hinter sich an den Zügeln und setzte den Fuss auf die Wasseroberfläche. Sobald sie das Wasser berührte entströmte die Wärme und Eis bildete sich. Sie legte einige Schritte zurück, als plötzlich etwas vor ihr aus dem Wasser hoch in die Luft schnellte. Ihr blieb vor Überraschung der Atem weg.