Wadjet lernte schnell, trotzdem war es frustrierend, sich im eigenen Körper nicht zurecht zu finden. Als Nechbet am zweiten Tag mit etwas zu Essen in den Raum kam, fand sie sie am Boden liegend vor, schluchzend wie ein Häufchen Elend, weil sie versucht hatte aufzustehen, gestürzt war, und es nicht schaffte, sich wieder aufzurappeln. Sie nahm sie in die Arme und wiegte sie, ohne etwas zu sagen.
Es ist... du weisst, was ich konnte, schluchzte Wadjet in Gedanken. Und jetzt kann ich nichtmal stehen! Ich... ich... was, wenn nie wieder...?
Nechbet strich ihr über den Kopf und küsste sie auf die Stirn. Wadjet reckte den Kopf und sah sie an, Nechbet verstand und küsste sie sanft auf den Mund. Zu ihrer Überraschung erwiderte Wadjet den Kuss, unbeholfen wie ein junges Mädchen, aber so intensiv, dass Nechbet einen Moment lang der Atem stockte. Sie spürte, wie Wadjet den Arm um ihren Hals legte und schloss die Augen. Wadjet's Hände glitten unter ihre Weste und liessen nicht offen, was sie wollte. Und Nechbet liess sich nicht zweimal bitten.

Eine Weile später lagen sie auf den Bett, Nechbets Kopf auf Wadjets Brust, die Hände der Schwester auf ihrem Rücken. Sanft strich sie über Wadjet's Oberarm, auf der die Schlangentätowierung prangte, mit Wadjet's Geist auf die ansonsten makellose Haut hinüber gekrochen. Geht es?, fragte sie.
Ich weiss nicht, antwortete Wadjet.
Versuch es!, forderte Nechbet.
Sie hörte wie Wadjet tief durchatmete, um sich zu konzentrieren. Eine Weile lang geschah nichts. Dann begannen sich die Linien plötzlich zu bewegen, und von einem Moment auf den anderen, ohne dass man den Übergang wirklich bemerkt hätte, kroch eine schwarzgrüne Schlange über Wadjets dunkle Haut, ringelte sich um den Arm und glitt über die Bettkante zu Boden, wo sie in der Mitte des Raumes innehielt, sie aufrichtete und züngelte. Nechbet streckte die Hand nach ihr aus und die Schlange kam zurück gekrochen und wand sich an ihrem Arm hinauf bis zu den Schultern, kühl und glatt auf der nackten Haut. Nechbet blickte einen Moment lang in ihre smaragdfarbenen Augen, dann zurück in Wadjets dunkle. Wadjet zog sie zu sich hoch und küsste sie auf den Mund.

Anfang Januar

Die Klingen schlugen aufeinander, dass Funken stoben. Nechbet schnellte um die eigene Achse, parierte mit dem einen Dolch und griff mit dem anderen an, aber Wadjet blockte mit gebleckten Zähnen. Ihre Blicke begegneten sich einen Moment lang, dann ging der Tanz weiter.
Ein Monat war vergangen, seit der Meister Wadjet einen neuen Körper gegeben hatte. Ein Monate und es fehlte nicht mehr viel, bis Wadjet zurück war zu alter Form. Bereits nach einer Woche hatte sie angefangen gegen Nechbet zu trainieren, und gewaltige Fortschritte gemacht seither. Wesentlich subtiler waren die Dinge, die anders waren als früher. Sie hatten immer gewusst, was die andere dachte, bis hin zur Telepathie, aber seit sie einen Körper geteilt hatten, ging die Verbindung noch viel tiefer. "Ihr bewegt euch, als wärt ihr eins", hatte der Junge mit den Augen es in Worte gefasst, nachdem er sie beim Training beobachtet hatte. Und so war es. Nechbet war, als spürte sie stets nicht nur ihre eigenen Bewegungen, sondern auch die von Wadjet. Ihr war klar, dass das dem Training eher abträglich war. Wadjet brauchte möglichst bald einen anderen Gegner.

Er klopfte an die Türe zu Weya's Kammer. Während er darauf wartete, dass jemand öffnete, drehte er sich zu dem Sklaven um und schenkte ihm ein breites, aufmunterndes Lächeln voller spitzer Zähne. Der Mann bemerkte es nicht, denn er stand unter Drogen. Sie liessen sich dann leichter herumführen.

Er zog einen zerknitterten Zettel aus seiner Tunika. Ein menschlicher Oberkörper war darauf skizziert, fein säuberlich mit Tinte. "Vorläufiges Ergebnis der Experimente. Das alles hab ich ihm entfernt." Er hielt ihr den Zettel hin. "Und das ist das Versuchsobjekt nach der Wundverheilung." Er deutete auf den Sklaven.

"Wenn er nicht gerade unter Drogen steht, kann er noch sprechen, das liesse sich aber ausschalten, wenn man den Kehlkopf entfernt", antwortete er und stupste in den Hals des Mannes. "Er ist nicht mehr so aktiv und ausdauernd wie zuvor, vermutlich wegen dem verringerten Lungenvolumen. Und seine Ausscheidungen sind wesentlich unverdauter. Ah, und er ist nicht mehr fortpflanzungsfähig."

"Grundsätzlich nicht", meinte er und legte den Kopf schräg. "Wieso? Möchtest du ihn?"

Akri musterte erst sie, dann das Versuchsobjekt. "Glaubst du, jemand könnte ohne Seele leben?"