Anfang Juli
Machek und knapp die Hälfte der noch lebenden Mitglieder des ehemaligen Südzirkels
<- Gebirge im Osten S. 148
Sie hatten endlich Immen erreicht, nach einer langen und mühseligen Reise zu Fuss, mit Handkarren, Rucksäcken und Taschen voller Bücher, die sie verstecken mussten und geheim halten. Nicht wegen der Räuber, auch wenn die Bücher eine Summe wert waren, die wohl einer ganzen Horde genug bis an ihr Lebensende eingetragen hätte, nein, die einzigen Räuber, die dumm genug gewesen waren, eine Schar Magier anzugreifen, hatten bald eingesehen, dass es die wohl schlimmste und vor allem letzte falsche Entscheidung ihres Lebens gewesen war.
Aber sie mussten sich sorgen machen wegen der anderen Magierzirkel. Kein ehrgeiziger Magier liess sich die Chance entgehen, an mehr Wissen zu gelangen, und es gab eine Menge Gruppierungen in der Gegend, die mehr Ehrgeiz hatten, als gut für sie und ihre Umgebung war. Deshalb hatten sie sich bedeckt gehalten, waren als Händler gewandert und hatten darauf geachtet, dass niemand herausfand, worum es sich bei ihrer Ladung handelte.
Ihr Weg hatte sie den Ufern des See's entlang geführt, auf der Handelsstrasse und vorbei an Kor, durch die verlassenen Dörfer und den leeren Landstrich, über dem bereits der Schatten des Krieges lag, auch wenn der Feind ihn noch nicht erreicht hatte. Sie hatten darauf ihre Idee, vorerst in Brimmen zu bleiben, aufgegeben, und waren weiter nordwärts gezogen, bis sie Immen erreichten.
Seit einigen Tagen waren sie nun in der Stadt auf dem See. Machek hatte gar nicht erst versucht, ihre Anwesenheit zu verschleiern, sondern war auf direktem Weg zu den Hallen der Druiden marschiert, und hatte ihnen mitgeteilt wer sie waren, woher sie kamen, und was ihr Ziel war. Er achtete die Druiden, denn sie waren gute Magier und in den allermeisten Fällen Leute, die ihr Wort hielten, und um ihre Umgebung bedacht waren - was für viele Magier nicht galt, ihn selber mitunter eingeschlossen, auch wenn er fest vorhatte, sich in dem Punkt zu bessern - aber leider waren sie in manchen Belangen auch sehr abergläubisch und vor allem nicht sehr aufgeschlossen gegenüber neuen Forschungen und Anwendungsbereichen der Magie. Und sie pflegten ein gewisses Misstrauen gegenüber Magiern, die nicht ihnen angehörten, weil sie ihnen Machthunger und Unmoral vorwarfen - nicht ganz zu unrecht.
Dennoch hatten Machek und die anderen Magier des Zirkels, die offizielle Erlaubnis erhalten, vorerst hier zu bleiben und zu wirken, auch wenn noch nicht sicher war, ob sie sich hier würden dauerhaft ansiedeln und womöglich sogar eine Schule gründen können.
If you're going through hell, keep going.

Zwei Wochen später
Machek starrte auf das dünne Buch in seiner Hand. Das Licht der Flammen flackerte über den fleckigen Einband und die angekohlten Ränder und er rang mit sich selbst. Wirf es ins Feuer!, sagte er sich. Na los, mach schon! Aber seine Hand gehorchte ihm nicht. Niemals zuvor hatte er ein Buch ins Feuer geworfen, und es widersprach ihm zutiefst, Wissen für immer zu vernichten. Zumal er wusste, dass es von dem, was in diesem dünnen Bändchen stand, keine Abschrift in der ganzen Welt gab. Wenn er es verbrannte, war es für immer fort...
Er hatte das Buch in den Trümmern von Nagareths Arbeitszimmer gefunden, als er nach Rhugrön zurückgekehrt war, begraben unter dem Schutt der eingerissenen Wände. Hatte es aufgelesen mit der Wissbegierde eines Magiers, der darauf hoffte, der tote Meister habe den einen oder anderen seiner Tricks den Seiten anvertraut.
Was das betraf, war er enttäuscht worden. Das Heft, dessen Seiten mit schwarzer Tinte vollgekritzelt waren, in Nagareths enger, kaum leserlicher Handschrift, enthielt keine Zauber, Anleitungen oder Erläuterungen zur Magie. Es war mehr eine Art Tagebuch, dessen Einträge teils nur Tage, teils Jahre auseinander lagen, wobei Machek das nur dem Inhalt hatte entnehmen können, denn die allerwenigsten waren mit einem Datum versehen. Nagareth hatte Leute notiert, denen er begegnet war, Beobachtungen der Natur, des Wetters, der Tiere und Menschen, Überlegungen und Gedankengänge. Viele alltägliche Dinge, von denen Machek sich fragte, warum jemand sich überhaupt die Mühe machte, sie zu notieren.
Aber dazwischen, darin verwoben, in die Beobachtungen, die Gedanken, war er auf etwas anderes gestossen. Etwas, das nie, nie jemand zu Gesicht bekommen durfte. Nagareths Hass auf die Dämonen. Und der Grund dafür.
Es ist nur eine Theorie, hatte Machek versucht, sich einzureden. Gedankenspiele eines Magiers, der zulange gelebt hatte. Aber Tatsache war, dass er nicht ausschliessen konnte, dass es möglich war. Er wusste nicht, was er glauben sollte. Natürlich, es war nicht sehr wahrscheinlich, aber wenn es stimmte.. Ein kaltes Gefühl kroch ihm über den Rücken.
So oder so, dieses Buch durfte nie jemandem in die Hände geraten. Denn wenn die Idee darin sich verbreitete... dann waren die Dämonen vermutlich dem Untergang geweiht. Und so wenig er sich seinem Volk noch zugehörig fühlte nach all den Jahren, der Gedanke, mit die Verantwortung zu tragen für ihrer aller Tod, Männer, Frauen, Kinder...
Aber er brachte es nicht über sich, es ins Feuer zu werfen. Nicht, so lange er sich nicht sicher war, ob es nicht am Ende wahr war. Er wollte es wissen. Er brauchte Gewissheit. Auch wenn er ahnte, dass er sie nicht mehr erreichen würde, bevor er starb.
Zähneknirschend starrte er auf das Buch in seinen Händen. Dann warf er es in den Nachttisch neben seinem Bett und schlug die Schublade zu.
If you're going through hell, keep going.

Das Feuer im Raum flackerte und in der Flamme erschien ein Grinsen. "Wieso so trübsinnig, Magier?", grüsste Minpiers Stimme. "Wollt ihr mir das Buch nun doch nicht geben? Das Wissen den Gesitern zur Aufbewahrung geben, sodass es niemandem sonst mehr zugänglich ist?"
some men just want to see the world burn


Minpier lachte. "Dan könnten wir einen Handel schliessen", meinte er. "Keine Angst ich will dein Leben nicht, nur, dass du und deine Leute das Kind der Asche findet und davon abhaltet an zu viel Macht und Wissen zu gelangen... Im Gegenzug verwahre ich dein Geheimnis bis in alle Ewigkeit."
some men just want to see the world burn


Minpier musterte den Mann. "Ich habe nie ein mir anvertrautes Gut, egal welcher Art, verkauft", entgegnete er. "Nun denn, Magier, wenn du keinen Handel mit mir abschließen willst...Und einen besseren Preis, als das Kind der Asche zu finden, kann mir niemand zahlen..."
some men just want to see the world burn

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