#1211

RE: Tanue (Ruinenstadt am Tsar)

in Dreitan - das Spiel 22.05.2015 05:10
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Anfang - Mitte Januar

Die Pläne waren fertig und sie hatten angefangen mit den Konstruktionsarbeiten. Es war ein gefährliches Unterfangen, und jeden Tag erreichte Dreshar die Nachricht von neuen Verletzten, ein oder zwei Toten, egal wieviele Tiefenjäger und Wächter er abkommandierte, um die Arbeitstruppen zu schützen. Es machte ihn fertig. Er wollte nicht schuld sein daran, aber es waren seine Befehle, die sie befolgten. Mehr als einmal zweifelte er, verzweifelte fast, ob das, was er da tat, was er versuchte, wirklich das Richtige war, oder nur ein Auswurf seiner verblendeten Arroganz, der sie alle in die Vernichtung führen würde.
Eines Abends sass er unten in dem Zimmer unter der vierten Kohorte, allein. Er wäre lieber nicht allein gewesen, aber Tjavari hatte noch drei Stunden Arbeit und er konnte sie zwar davon freistellen, aber es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, das zu tun, nur damit er etwas Gesellschaft hatte. Und so gut sie ihm tat, in seiner Verantwortung war er doch alleine. Er fragte sich, warum er das alles überhaupt tat. Warum hatte er es jemals angefangen? Für Tanue, gab er sich selbst die Antwort. Für einen Traum, den er gesehen hatte in den Erinnerungen eines Mannes, der seit zweieinhalbtausend Jahren tot war. Der wahnsinnig war, darüber hinaus. Für den Traum von einem Tanue, das wieder strahlt, einem Tanue ohne Angst, einem Tanue, in dem sich nicht täglich Falken opferten, damit der Rest überlebte. Er wollte sehen, wie sie alt wurden, ohne so lange kämpfen zu müssen, bis es sie erwischte. Er wollte sehen wie Kinder aufwuchsen, ohne zu verinnerlichen, dass das Leben nichts als ein Kampf war, der niemals endete, bis man starb. Er wollte Hoffnung.
Aber die Hoffnung schwand ihm mit jedem Tag mehr. Fast ohne es zu merken, zog er den Beutel aus seiner Tasche, in dem das kleine Kugel-fragment lag und wog ihn in der Hand. Es noch einmal sehen. Das Tanue von damals. Akkaya hatte gesagt, er dürfe es nicht anfassen. Aber sie hatte ihm doch beigebracht, wie er seinen Geist vor Aions Eindringen schützen konnte. Und er war weder ein Idiot noch schwach. Nur einmal noch...
Er drehte den Beutel um und liess die Kugel in seine Hand fallen.


If you're going through hell, keep going.
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#1212

RE: Tanue (Ruinenstadt am Tsar)

in Dreitan - das Spiel 22.05.2015 13:34
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Tjavari fand ihn dreieinhalb Stunden später. Er lag zu einer Kugel zusammengerollt am Boden des Raumes und rührte sich nicht. Ihr war klar, dass er noch lebte, denn er lag nicht ganz still und mit geübtem Falkenauge sah sie sofort die Bewegung seines Brustkorbes durch den Atem. "Dresh, das ist jetzt nicht dein ernst, oder?", fragte sie genervt. Hatte er sich jetzt echt schon wieder die Birne zugedröhnt? Ach, er war so ein... hnn!
Sie trat zu ihm hin und kniete sich nieder und erst da bemerkte sie, dass er auch nicht schlief. Er war viel zu verkrampft dazu. Und seine Augen waren offen. Einen Moment lang zuckte sie zurück, als er sie so anstarrte, dann realisierte sie, dass er sie gar nicht ansah, sondern durch sie hindurchblickte. Er hatte die Hände gegen die Brust gepresst und zu Fäusten geballt, aus einer davon sickerte Blut. Die Angst holte sie ein. "Dresh? Dresh!" Sie packte ihn an den Schultern und versuchte ihn aufzurichten, aber er war so verkrampft, dass sie ihn kaum bewegen konnte. "Dresh! Was ist los? Dreshar Asil! Was ist passiert?!"
Sie schüttelte ihn und plötzlich war es, als würde er auftauchen. Seine Augen fokussierten sich, er beugte sich vornüber und hustete. Irgendetwas fiel zu Boden, dann hatte er die Arme um sie geschlungen und sie an sich gezogen, so fest, dass es wehtat. "Tjaki", wisperte er, den Kopf an ihrer Schulter vergraben. "Tjaki."
Sein Atem ging keuchend. Vorsichtig versuchte sie sich aus seinem Griff zu befreien, um ihn anzusehen. "Dresh, was ist los?"
"Tjaki", wiederholte er nur und sie spürte, wie seine Hände einen Weg unter ihre Tunika suchten.
"Dresh, doch nicht hier!", zischte sie leise, aber er tastete nur nach ihrem Rücken und fuhr über ihre Haut, als suchte er nach etwas, um sich festzuhalten. Sein Atem beruhigte sich allmählich, aber er liess sie nicht los.
Neben ihr auf dem Boden lag das blutige Fragment einer kleinen, grünen Kugel. Es leuchtete.


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#1213

RE: Tanue (Ruinenstadt am Tsar)

in Dreitan - das Spiel 27.05.2015 00:28
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Mitte Januar

Dreshar sass in einem der Studierzimmer. Vor ihm auf dem Tisch stand eine Thermoskanne mit Tee und ein Zinnbecher. Dazwischen lag, auf dem Beutel, in den sie gepackt gewesen war, die Halbkugel aus Aions Seelensplitter. Sie funkelte leicht vor sich hin. Er schraubte die Kanne auf, schenkte sich einen Becher Tee ein und verschloss sie sorgfältig wieder. Langsam trank er den Tee, schloss die Augen und wurde ruhig.
Als der Becher leer war, stellte er ihn langsam wieder auf den Tisch. Dann öffnete er die Augen. Und nun zu uns, Aion.
Er streckte die rechte Hand aus und berührte die Kugel mit der Fingerspitze.


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#1214

RE: Tanue (Ruinenstadt am Tsar)

in Dreitan - das Spiel 27.05.2015 00:42
von Randreyah | 11.751 Beiträge

Die Erinnerungen Aions brachen über ihn, wie eine Flut aus flimmernden Licht, voller Bilder, die Landschaften, Gegenstände, Ereignisse, Wesen aller Art, Märkten, Festen, leeren dunklen Räumen, Menschen, Geräusche von Tieren, Vögeln, Lachen, mechanische Laute, Musik, Gerüche nach Erde, dem Wind, Leben, Tod, nach Essen, Gewürzen, Regen, der Haut eines geliebten Menschen mit sich trugen und sich, wie gewohnt, schnell ordneten und abebbten, jeded mal, das er in die Splitter eintauchte, schneller.
Vor Dreshar erstreckte sich eine Seitenstrasse, im Hintergrund bellte ein Hund, es war Sommer, er liebte Sommer, denn dann reiften die Früchte heran und die Jungtiere wurden langsam erwachsen. Dreshar lief die Strasse hinunter; er wollte raus aus der Stadt, denn der Apotheker war wieder da, am Stadtrand Tanues. Er wollte seine Frau überraschen indem er ihr ein winziges Feuerwerk zusammen mischte.
Schnell verging die Zeit und Dreshar war wieder zuhause, sah sich im hellen, kühlen Raum um und rief nach ihr. "Akkaya!"
Sie kam aus dem Schlafzimmer und rieb sich müde die Augen, eine Hand um ihren Bauch geschlungen. "Hey", meinte sie, "Wo warst du so lange?"
"Ich will dir etwas zeigen", meinte er aufgeregt und nahm ihre Hand, küsste ihre Stirn und nahm den Duft ihres Haares in sich auf, erst dann merkte er; dass es Tjavari war, nicht Akkaya. Doch es kam ihm nicht merkwürdig vor. "Komm", er füjrte sie zum niedrigen Teetisch und sie setzten sich auf den Boden, er holte die Pulver hervor und da brach die Erinnerung ab.
Dreshar sass hinter dem Tisch und die Splitter unter seinen Fongern glühten warm.


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#1215

RE: Tanue (Ruinenstadt am Tsar)

in Dreitan - das Spiel 27.05.2015 00:47
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Er grinste schief. "Du bist ein Bastard, Aion", murmelte er.
Er umfasste die Splitter wieder und rief sich die letzte Szene in Erinnerung. Na los, zeig schon weiter.


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#1216

RE: Tanue (Ruinenstadt am Tsar)

in Dreitan - das Spiel 27.05.2015 00:51
von Randreyah | 11.751 Beiträge

Diesmal kam keine Illusion, sondern nur ein abschätziges Lachen in Alkayas Stimme hallte durch Dreshars Kopf.


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#1217

RE: Tanue (Ruinenstadt am Tsar)

in Dreitan - das Spiel 27.05.2015 00:56
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Er ignorierte das Lachen, packte eine Erinnerung, die er bereits einmal gesehen hatte, und die zu einer Zeit gewesen sein musste, als Aion knapp zwanzig war, und riss sie hervor. Er stand vor einem Spiegel, mit feinen Kleidern, bereit für die Zeremonie seiner Gelehrtenreife. Er sah sein Spiegelbild an. Was willst du, Aion?


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#1218

RE: Tanue (Ruinenstadt am Tsar)

in Dreitan - das Spiel 27.05.2015 01:01
von Randreyah | 11.751 Beiträge

"In der Tat, solltest du dich das Fragen, junger Mann", meinte ein sehr alter Gelehrter, der in den Raum eintrat. Dieser wurde plötzlich zu einem Teehaus, Waffeln wurden Dreshar und Aion serviert, die einander gegenüber sassen, jeweils eine dampfende Tasse Tee vor sich.
Draussen regnete es und Aion trug eine lange, schwarze Gelehrtenrobe auf der eine Spinne mit rotem Kreuz auf ihrem Rücken prangte. Der Mann zog an einer Wasserpfeife, bliess einige Ringe in die Luft und bot das Mundstück Dreshar an.


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#1219

RE: Tanue (Ruinenstadt am Tsar)

in Dreitan - das Spiel 27.05.2015 01:03
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Dreshar lehnte dankend ab. "Ich rauche nicht", meinte er schmunzelnd. Dann wurde er wieder ernst. "Du bist ein alter, verbitterter Mann, Aion. Wieso willst du wieder zurück unter die Lebenden."


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#1220

RE: Tanue (Ruinenstadt am Tsar)

in Dreitan - das Spiel 27.05.2015 01:07
von Randreyah | 11.751 Beiträge

"Wer sagt, dass ich jemals tot war?", fragte Aion und bliess einige Rauchkringel in die Luft.


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