Veray versuchte auszublenden, dass Ran dasass und ihm zusah. Er musste sich auf den Kampf konzentrieren. Ihm war bewusst, immer bewusst gewesen, dass er kein herausragender Kämpfer war, aber gerade dieses Wissen war auch eine Stärke. Er wusste, was er konnte, und was er nicht konnte.
Mit einem Schwung seines Säbels griff er Nardaki an. Die ersten Angriffe und Paraden dienten lediglich dem Abtasten, ohne dass einer wirklich versuchte, den anderen zu besiegen. Veray spürte sofort, dass Nardaki wesentlich offensiver kämpfte als er selbst, was ihn nicht überraschte. Dementsprechend verzichtete er in der Folge fast vollständig darauf, anzugreifen und konzentrierte sich stattdessen darauf, jede einzelne seiner Paraden so stark und präzise auszuführen, dass sie zu einer Bedrohung wurden. Es war ein Kampfstil nach Technik, aber nach Technik, die lange geübt war, seine Reflexe waren zwar nicht instinktiv, aber genügend antrainiert, um zu funktionieren.
Mit dieser defensiven Strategie hielt er wesentlich länger gegen Nardaki durch, als er selber erwartet hatte, und zwei oder drei mal wäre sie in einem allzu stürmischen Angriff beinahe in seine Klinge gerannt, aber schliesslich besiegte sie ihn. In dem Moment, als ihre Klinge vor seiner Kehle stoppte, erstarrte er.
Sie senkte den Säbel langsam und grüsste ihn. "Ein besonnener Verteidiger", sagte sie. "Einer, der schützt und die Risiken wohl abwägt. Eine gute Wahl", meinte sie an Ran gewandt.

Am nächsten Tag begann Vron ein anderes Spiel. Er stellte sich zwei Schritte entfernt von Achrat auf, mit einem ledernen Ball in der Hand. Achrats Aufgabe war es, den Ball zu fangen, wenn Vron ihn warf. So weit so einfach.
Vron stand gelassen da und dachte über die Wolken am Himmel nach. Dann, für einen Augenblick fixierte er sich auf das Ziel, Achrat riss die Hände nach oben, aber er war viel zu langsam und der Ball knallte ihm mit voller Wucht ins Gesicht.
"Hol den Ball", befahl Vron.
Achrat rieb sich über die Nase und hob den Ball auf.
"Was lernst du daraus?", fragte Vron.
Achrat gab keine Antwort. Nicht, dass das etwas zu bedeuten hatte.
"Dass es dir nichts bringt, wenn du eine Vorwarnung hast, wenn du dann noch nicht schnell genug bist mit reagieren", gab Vron selbst die Antwort. "Oder stark genug, gegen einen Angriff zu bestehen. Mach zehn Liegestützen, los!"

"Die Ehre wäre meinerseits, Randreyah Verdezia", sagte Nardaki, nickte ihr und Veray zu, steckte ihren Säbel weg und ging hinüber zum Stall.
Veray schob seine Waffe ebenfalls in den Gürtel und schlenderte zu Ran hinüber. Er freute sich über Nardakis Lob, auch wenn es natürlich bedeutete, dass er lediglich ein Verteidiger war. Jemand der gut darin war, zu bewahren, was existierte, aber nicht darin, neues zu schaffen.
Er beugte sich zu Ran hinunter, um sie zu küssen.

Vron setzte diese Übung über die kommenden Tage hinweg fort. Solange, bis Achrat den Ball jedes mal fing, wie er sagte. Und jedesmal, wenn er ihn nicht fing, wurde er zu irgendeiner Leibesübung verdonnert.
Das erste, was Achrat lernte, war Vron zu hassen
Anfangs gehorchte er auf alle Befehle, aber schon am zweiten Tag wurde es ihm zu blöde. Anstatt Kniebeugen zu machen, blieb er einfach stehen und starrte Vron an. Vron wartete einige Augenblicke lang und als Achrat sah, was ihm dann für eine Absicht durch den Kopf schoss, nahm er kurzerhand reissaus.
Vron holte ihn nach wenigen Metern ein und darauf setzte es eine Tracht Prügel. Zuerst gab Achrat den Schmerz der Schläge ungefiltert an Vron weiter, aber als er feststellte, dass es diesem weder etwas ausmachte, noch Mitgefühl in ihm weckte, sondern lediglich Verachtung und Spott, liess er es bleiben.

"Recht interessant", meinte Veray, während er sich neben sie setzte und einen Arm um sie legte. "Ein Kampf ist immer eine gute Möglichkeit, jemanden besser einzuschätzen."

"Du darfst mich jederzeit verdreschen", meinte Veray grinsend.

"Was hat er getan?", fragte Veray mit zusammengekniffenen Augen.