#2221

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 08.02.2014 15:27
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Er gab keine Antwort, sondern hob sie hoch und trug sie zur Festung der Agares. Es war ein Stück Weg, aber sie war leicht und er erzwungenermassen stärker geworden in den letzten Wochen. Gegenüber ihrem Geist, der sich suchend umhertastete wie ein Kind im Dunkeln, zeigte er, dass er da war, aber nicht viel mehr, alles andere behielt er zurück.
Als sie die Festung erreichten, war es stockdunkel. Ungehindert traten sie durch das Tor, in dem er die Aufmerksamkeit derjenigen, die sie hätten sehen können, auf etwas anderes lenkte. Dann dehnte er seinen Geist aus, um nach dem Geschichtenerzähler zu suchen. Er spürte ihn in einem der Räume und ging darauf zu. Als er den Hof überquert hatte und das Gebäude durch einen Seiteneingang betreten wollte, kam ihm ein Jugendlicher entgegen. Seine Reaktion wäre unmissverständlich gewesen, auch wenn Achrat nicht Idrils Erinnerung gelesen hätte: er blieb einen Moment lang stehen wie angewurzelt, dann manifestierte sich in seinen Gedanken der Wunsch, Achrat daran zu hindern, sie hinein zu bringen.
Achrat verzog keine Miene, sondern schlug nur seinen Mantel zurück, so dass das gestickte Wappen auf seiner Schulter sichtbar wurde. Er hatte Vakras Gedanken lange genug zugehört und verstand das Spiel gut genug, um zu wissen, dass das eine unmissverständliche Warnung war: wenn du mich angreifst, hast du eine Fehde am Hals.


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#2222

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 08.02.2014 15:41
von Armelion | 4.811 Beiträge

Als Idril Kesah erblickte, drückte sie sich instinktiv fester an den fremden Jungen. Gegen die lächerliche Furcht, die in ihrem Inneren aufwallte war sie machtlos. Sie kam sich selbst ein wenig kindisch vor, doch die Geschehnisse des Nachmittages waren noch zu frisch, als dass sie ihre vollkommene Hilflosigkeit vergessen hätte. Als der Junge den Mantel zurückschlug, trat Kesah zur Seite.

Biredh hielt Idrils neue Holzflöte zwischen den Fingern. Sie würde ihre Instrumente ab heute besser verbergen müssen. Jeder Tag an dem sie es nicht trug war ein unkalkulierbares Risiko. Allerdings hatte er die Spur auf ihr ausgelöscht und die Schwarzmagier hatten wohl kaum Verbindungen, die bis zu den Schattendämonen aus Drez reichten. Als das Geräusch von Schritten an sein Ohr drang, drehte er den Kopf und stiess die Türe zu seinem kleinen Zimmer mit dem Blindenstock auf.

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#2223

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 08.02.2014 15:53
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Achrat trat ein und auf den Mann zu. Er sah den Dämonen, den ihm Idrils Erinnerung gezeigt hatte, spürte aber gleichzeitig, dass sich in der Gestalt ein ganz anderer Geist verbarg, ein Geist, der nicht einem Volk zuzuordnen war, ein Geist, der seinen Kern schützte. Ein Geist, der durchaus Möglichkeiten hatte, seine Umgebung wahrzunehmen, auch wenn er blind war.
Achrat blieb stehen, Idril noch immer in den Armen, und wartete darauf, dass der Mann begann zu sprechen oder auf eine andere Art den Kontakt aufnahm.


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#2224

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 08.02.2014 16:16
von Armelion | 4.811 Beiträge

Biredh stand auf und trat auf den Jungen zu. Idril hing schlaff in seinen Armen und sie sah übel aus, doch sie schien keine ernsthaften Verletzungen davongetragen zu haben. Er sah auch wie der Junge einen guten Teil der Schmerzen von ihrem Geist fernhielt. "Danke, dass du sie hierher gebracht hast. Hast du gesehen wer es war?", fragte Biredh und nahm ihm Idril aus den Armen. Das Mädchen lächelte schwach, als sie das vertraute Gesicht ihres Freundes sah. "Hier. Ich habe dir eine neue Flöte geschnitzt. Pass gut auf sie auf."
Idril fühlte das kühle Holz in ihrer Hand und schloss instinktiv die Finger darum. Sie hatte seit Tagen nicht mehr üben können. "Danke.", murmelte sie und drehte sich dann zu dem Jungen. "Danke, dass du mich hierher getragen hast."

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#2225

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 09.02.2014 18:06
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

"Ich nicht", sagte Achrat. "Vor wem versteckt ihr euch?"


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#2226

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 09.02.2014 18:34
von Armelion | 4.811 Beiträge

Biredh lächelte und bettete Idril vorsichtig auf sein Bett. "Ich verstecke sie vor Schwarzmagiern.", erwiderte er dann schlicht. "Also erzähle bitte niemandem von uns. Es würde ihr teuer zu stehen kommen."

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#2227

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 09.02.2014 22:13
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Achrat gab keine Antwort, sondern drehte sich um und ging, genau so unbehelligt, wie er hereingekommen war.
Eine halbe Stunde später hatte er die Schwarze Festung erreicht und betrat sein Zimmer. Driss wartete bereits auf ihn. Als sie seine Schritte hörte, kam sie durch die Verbindungstür herüber und setzte zur Frage an, warum er so spät vom Training kam. Bevor sie die Frage stellte, sah sie das Blut an seinem Hals, von Idrils Gesicht, und stürzte auf ihn zu. "Bist du verletzt? Was ist passiert?"
Er nahm einen Lappen, tränkte ihn mit Wasser aus dem Krug auf der Kommode und wischte das Blut ab, damit sie sehen konnte, dass er nicht verletzt war. Ihrer Sorge folgte Erleichterung, dennoch fragte sie sich, was geschehen war. Sie stellte die Frage jedoch nicht noch einmal. Ihr war klar, dass sie keine Antwort bekommen würde.


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#2228

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 09.02.2014 22:29
von Armelion | 4.811 Beiträge

"Ich will von hier weg.", murmelte Idril. "Es ist Scheisse hier. Au." Sie griff sich an den Mund und Tränen rannen ihr über die Wangen. Biredh setzte sich neben ihr aufs Bett und strich ihr mit einer Hand über die Wange.
"Ich kann dich anderswo nicht so gut beschützen, Kleines. Wir müssen vorerst eine Weile hier bleiben, doch wenn Kesah dich das nächste Mal bedrängt, greif nach der Holzflöte. Das nächste Mal werde ich eingreifen können.", flüsterte er. Er hob sie hoch und trug sie in ihr Zimmer. Niemand sah ihn und Mercha schlief tief und fest. Er hörte es an ihrem Atem, ausserdem murmelte sie etwas im Schlaf. Er schloss die Augen und begann dann mit leiser Stimme ein Lied zu singen. Die Türe schloss sich wie von Geisterhand und kein Ton drang mehr heraus. Es würde nichts machen, falls Mercha ihn ebenfalls hörte. Sie würde nicht aufwachen und alles was sie morgen fühlen würde, wäre dass es ihrer Hand schon deutlich besser gehen. Ein gebrochener Knochen war allerdings etwas anderes, als die Verletzungen die Idril davongetragen hatte. In Merchas Hand würde lediglich die Schwellung zurückgehen und das beschädigte Gewebe um die Knochen würde geheilt werden, mehr nicht. Idril schloss die Augen und schlummerte ein, als Biredh sie zudeckte. Der Geschichtenerzähler setzte das Lied in der gleichen Tonlage fort und erst als Mercha sich gegen beim Morgengrauen wieder regte verliess er das Zimmer.

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#2229

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 09.02.2014 22:54
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Achrat lag wach in der Nacht. Er schlief oft nicht. Lag stattdessen auf dem Rücken in seinem Bett, die Augen geschlossen, und brachte Ordnung in seine Gedanken. Lauschte den Träumen der anderen.
Der Geschichtenerzähler hatte von Schwarzmagiern gesprochen. Es waren nicht dieselben, wie diejenigen, die Rombra geschickt hatten, so viel war Achrat aus den Gedanken des Mannes klar geworden, doch er hatte nicht viel tiefer gekratzt. Der Mann verstand etwas vom Umgang mit dem Geist, und er wollte nicht, dass er bemerkt wurde, wenn er herumtastete. Deshalb hatte er nur behutsam die obersten Schichten durchdrungen. Um bei jemandem, der sich seines eigenen Geistes bewusst war, tiefer zu gehen, ohne bemerkt zu werden, musste er den Geist des anderen kennen und sich ihm anpassen können. Das brauchte Zeit.
Ein Gefühl starker Angst durchbrach seine Gedanken. Ihm war die Quelle sofort klar, diese Angst hatte er oft gespürt in den letzten Tagen. Sie ging aus von Islaresh's schlafendem Geist, der gefangen war in einem Traum. Sie hatte oft solche Träume, Träume voller Käfige mit Dornen, die ihre Haut aufrissen, Träume von Peitschen, Prügeln und glühenden Eisen. Das Gesicht des Peinigers blieb stets im Dunkeln, aber Achrat wusste so gut wie Islaresh selbst, wer er war. Vakra. Islaresh hatte von den Gerüchten gehört, dass er seine eigene Frau folterte, auch wenn sie wie die meisten Leute nicht wirklich wusste, was genau Vakra tat, geschweige denn warum. Aber wenn er seine eigene Frau quälte, was würde er dann mit ihr, einer Tochter des Feindes, tun?
Der Traum war grausamer als jeder andere von ihr, den Achrat bis dahin gesehen hatte und das Erwachen kam spät. Achrat spürte, wie sie in die Realität zurückgerissen wurde, aber die Grenze nicht begriff. Wie sie auffuhr und nach einem Messer griff, aus der Türe stolperte. So schnell er konnte, drehte er sich aus dem Bett, ohne sich die Zeit zu nehmen aufzustehen, knallte auf den Boden und rollte sich unter das Bett. Einen Augenblick später stand sie auch schon in seinem Zimmer, keuchend und mit weit aufgerissenen Augen.
Er beobachtete sie aus der Dunkelheit, wartete, bis ihr Geist sich zurechtfand und begriff, wo sie war, und nahm während diesem Prozess etwas interessantes wahr. Das dominierende Gefühl, als ihr klar wurde, dass sie in seinem Zimmer stand, aber er nicht da war, war Erleichterung, aber darunter, so verborgen, dass sie es sich selbst nicht bewusst wurde, auch weil sie sich so etwasem niemals hätte bewusst werden wollen, schwelte Bedauern. Sie war einsam und sie hatte Angst. Ein Teil von ihr sehnte sich einfach nur nach Gesellschaft, auch wenn es die eines Feindes war.
Langsam ging sie, schloss die Tür hinter sich und schlich hinüber in ihr Zimmer, wo sie sich auf ihr Bett setzte und lautlos zu weinen begann. Achrat kroch unter dem Bett hervor, klopfte sich den Staub von den Kleidern und legte sich wieder hin.


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#2230

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 09.02.2014 23:45
von Armelion | 4.811 Beiträge

Als Idril erwachte fühlte sie sich erstaunlich gut. Lediglich ihre Zähne schmerzten ein wenig, doch ansonsten fühlte sie nichts von der Prügel, die sie am letzten Tag bezogen hatte. Sie gähnte und fuhr sich mit der Zunge prüfend über die Zähne. Die oberen beiden Schneidezähne waren immer noch weg. Anscheinend hatte Biredh diese nicht heilen können. Sie stand auf und ging rüber zur Waschschüssel, wo sie kritisch ihr Spiegelbild betrachtete. Wenn sie lächelte sah man die Lücke deutlich. Beide Zähne waren direkt beim der Verankerung im Zahnfleisch abgebrochen. Sie verzog das Gesicht und trank einen Schluck aus dem Wasserkrug. Hoffentlich wuchsen die anderen Zähne bald nach. Sie hatte keine Lust monatelang mit einer solchen Zahnlücke rumzulaufen.
Die Chancen standen jedenfalls gut, dass man in einigen Monaten nichts mehr sehen würde. Sie schob noch einmal die Oberlippe hoch, begutachtete kritisch ihr Aussehen und zuckte dann mit den Schultern. Sie konnte so oder so nichts machen. Sie würde halt warten müssen.

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