Das Mädchen wechselte den Säbel von der rechten, in die linke Hand, was Lesir überraschte. "Bist du Linkshänderin?"
"Nein", antwortete sie. "Aber mein rechtes Handgelenk ist gebrochen."
Sie hob die Hand, so dass er die Schiene sehen konnte, bevor sie sie wieder senkte und sich zum Kampf hinstellte.
Lesir nickte ihr auffordernd zu und liess sie den ersten Angriff machen. Sie war schnell und ziemlich gut für ihr Alter, das merkte er sofort. Er liess ihr den Raum, zu zeigen, was sie konnte, bevor er zum Gegenangriff überging und ihre Verteidigung testete. Sie hielt stand, auch wenn sich in ihrer Deckung gelegentlich eine Lücke bot. Er nutzte sie nicht aus, sondern deutete sie nur an, und liess den Kampf in die Länge laufen, bis er spürte, dass ihre Schläge begannen, müder und schwächer zu werden.
Als er ihr schliesslich die Klinge an die Kehle setzte, um den Kampf zu beenden, merkte er, dass er selber ausser Atem geraten war und ihm Schweiss von der Stirn rann. "Du bist gut", sagte er mit einem respektvollen Nicken, während er den Säbel langsam senkte. "Wie heisst du?"
"Mercha", antwortete sie keuchend. "Vom Clan Agares."
Er nickte und legte ihr die Hand auf die Schulter. "Aus dir wird eine Kriegerin", sagte er. "Und wenn du so weiter machst wie bisher, dann kannst du eine der besten werden, das sage ich dir."
Mercha strahlte.
Als Lesir gegangen war, um sich etwas zu trinken zu holen, stand sie noch einige Augenblicke lang da und blickte ins Feuer, bevor sie ihren Säbel wegsteckte. Sie schnappte sich von einem Tisch einen Becher Met und trank ihn, während sie zwischen den Leuten hindurch schlenderte.
Schliesslich sah sie ein bekanntes Gesicht. Rombra, der Mann, der sie zusammengelesen hatte, nachdem Kesah sie verprügelt hatte. Sie trat zu ihm. "Rombra Dassery?"

"Ja", antwortete sie. "Aber ich kann jetzt auch mit links kämpfen."
Sie holte Luft. "Ich wollte mich noch einmal bedanken dafür, dass du mir geholfen hast. Wenn ich es irgendwann einmal irgendwie zurückgeben, also dir helfen kann, dann werde ich es gerne tun."

"Danke, ich habe schon", meinte sie und hob ihren Becher, bevor sie ihm einen guten Abend wünschte und wieder zwischen den Leuten verschwand.

Als der Morgen nicht mehr fern war, ritt Vakra zurück in die Festung. Er wollte sich einige Stunden Schlaf leisten, bevor die Aufräumarbeiten begannen, doch zuerst trat er in sein Arbeitszimmer. Gewohnheitsmässig ordnete er die Papiere auf seinem Schreibtisch, als er plötzlich einen Luftzug in seinem Rücken spürte. In einer Bewegung fuhr er herum und zog seinen Säbel.
Silah erstarrte und blickte amüsiert auf die Klinge an ihrer Kehle. "Hast du Angst, hier würde dich jemand abstechen?"
"In meiner Position muss man immer damit rechnen", antwortete Vakra kühl, steckte den Säbel weg und drehte ihr wieder den Rücken zu. "Was willst du?"
Ihr Kleid raschelte über den Boden, als sie auf ihn zutrat. "Wir haben uns lange nicht gesehen, Cousin."
"Zweiunddreissig Jahre sind nicht so lange", meinte er und sein Mundwinkel kräuselte sich amüsiert. Im nächsten Moment fing er ihre Hand ab, als sie sie ihm auf die Schulter legen wollte. "Silah, ich frage dich noch einmal. Was willst du hier?"
"Was wohl?", hauchte sie und schob sich zwischen ihn und den Tisch. Ihr hageres Gesicht liess ihre umrandeten Augen noch grösser wirken, als sie waren.
Er trat ungerührt an ihr vorbei, sammelte die letzten Papiere zusammen, und legte sie in eine Schublade, die er daraufhin abschloss. "Ich wünsche eine angenehme Nacht", meinte er mit einem halben Lächeln, verliess den Raum und liess sie einfach stehen.

Lesir hatte keinen Kater, als er kurz nach Sonnenaufgang dem Seeufer entlang wankte, er war noch viel zu betrunken dazu. Ein Liedchen summend kletterte er über den Zaun der Arena, fiel prompt auf die Nase und fand kurz darauf Triwan. "Kannsch wasch helfn?"