"Hm, wie wärs wenn man einfach das s weglässt?", fragte er. "Naja, ich weiss auch nicht. Aber Verdashsian Verdezia klingt irgendwie auch merkwürdig."

Er dachte eine Weile lang mit schräg gelegtem Kopf nach. "Das klingt gut", meinte er.

Zwei Tage später reisten die Verwandten vom Altaz-See ab, aber mit dem Versprechen, in Zukunft öfter einmal zu Besuch zu kommen. Veray begleitete sie noch ein Stück weit, um dann zur Festung zurück zu kehren und die letzten Verwandten zu verabschieden.
Als sie gegangen waren, wirkte die Festung plötzlich merkwürdig leer. Veray strich durch die Bibliothek und die Gänge, ohne genau zu wissen, wonach er suchte. Vakra bat ihn, den Unterricht für Islaresh bezüglich Traditionen wieder aufzunehmen, und er erklärte sich einverstanden, aber die Rolle als Buchhalter würde jemand anderes übernehmen, nun, da er am See wohnte. Der Gedanke war merkwürdig. Dass er nicht mehr hier lebte. Nicht, dass er die Festung sonderlich vermisst hätte. Es war nur so... ungewohnt.
Als er sich schliesslich auf den Weg nach Drez machen wollte, kam ihm Lashk entgegen. "Ich will mich mit dir unterhalten", sagte er.
"Worüber?", fragte Veray überrascht.
Lashk winkte ihn in einen der nun wieder leeren Seitenräume und bedeutete ihm, Platz zu nehmen.

Achrat bedankte sich bei Ran dafür, dass er hatte bleiben dürfen, auch wenn er keine Fortschritte gemacht hatte, fremde Gedanken auszusperren. Er schaffte es ein Stück weit, sie daran zu hindern, das zu sehen, was er dachte, ja, aber trotzdem spürte er Veray's Bewegungen, wenn er hinter dem Haus trainierte, als wären es seine eigenen.
Er wusste, dass die letzten Verwandten heute abgereist waren, aus Verays Gedanken, und deshalb würde er in die Festung zurückkehren. Zum einen, dass er da war, bevor Vakra auf die Idee kam, ihn zu bestrafen, weil er sich vor irgendetwas drückte, und zum anderen, weil er Driss vermisste. Sie gab seinen Gedanken Ruhe.

"Ok", meinte Lashk, als sie beide sassen. "Hör zu. Ich will dir jetzt keine Angst machen oder irgendetwas, aber du weisst, Randreyah ist schwanger und du kennst du Fakten. Eine Geburt ist nicht ungefährlich, vor allem nicht in unserem Volk und sie ist dazu noch ziemlich klein."
Veray versteifte sich automatisch. Es war nicht so, dass er nicht irgendwann einmal daran gedacht hatte. Er war nur ziemlich geschickt darin gewesen, den Gedanken beiseite zu schieben.
"Du musst davon ausgehen, dass etwas passieren kann", fuhr Lashk fort. "Das es zu früh kommt, dass es Komplikationen gibt, dass womöglich sie und das Kind..."
Veray krallte die Finger in die Armlehnen des Stuhls. "Lashk, hör auf, ich weiss, was..."
"Natürlich weisst du es", erwiderte Lashk. "Aber du versuchst es zu verdrängen, obwohl du weisst, dass das Risiko alles andere als klein ist. Das ist normal, aber es hilft nicht weiter. Viele Frauen sind gestorben bei der Geburt und du musst dir eingestehen, dass die Möglichkeit besteht..."
Veray verlor die Nerven. "Mal den Teufel nicht an die Wand!", fuhr er Lashk an und sprang auf. "Was macht es denn besser wenn ich mir Sorgen mache? Was macht es besser, wenn ich Angst habe. Und es sterben verdammt nochmal nicht alle, also wieso sollte ich davon ausgehen, dass sie...!" Seine Stimme versagte, Tränen standen ihm in den Augen und er zitterte fast.
Lashk stand auf und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Natürlich nicht", sagte er beruhigend und drückte ihn wieder zurück auf den Stuhl. "Hör, ich will nicht, dass du davon ausgehst, dass sie stirbt. Aber ich will... ich will dass du dir überlegst, was du tust, falls es passiert."
Veray biss die Zähne zusammen und sah ihn flehentlich an. An so etwas wollte er nicht denken. Das ertrug er nicht.
Lashk las seinen Gesichtsausdruck richtig. "Ich weiss dass du es nicht kannst, und ich erwarte auch nicht, dass du grosse Pläne machst. Nur dass du dir ein paar Schritte überlegst. Ein paar einfache Handlungen. Dich hinsetzen, einen Becher Wasser trinken, irgendetwas. Und dass du dir diese Handlungen so enprägst, dass du sie selbst im Schlaf durchführen würdest. Kannst du das tun?"
Veray schluckte und nickte langsam.
Lashk sah ihn um. "Ich nehme an, du weisst warum ich dich darum bitte?"
Veray nickte abermals.
"Versprich es mir."
"Ich verspreche es."
"Danke Bruder", meinte Lashk und klopfte ihm auf die Schulter. "Und sorry wegen dem Gespräch, aber es musste sein, auch wenn du es nicht magst."
Veray nickte nur. Er blieb sitzen, während Lashk aufstand und ging, und versuchte sich einzureden, dass er sich überhaupt keine Sorgen machen musste. Ran konnte gar nicht sterben. Oder?

Er hatte die Notiz auf dem Küchentisch gelesen, die sie ihm hinterlassen hatte, und ritt ihr ein Stück entgegen. Seit er dauernd zwischen Drez und der Schwarzen Festung hin und her reifeln musste, hatte er das Pferd nicht mehr bei Desatah abgestellt, sondern behielt es beim Haus am See, denn man war damit einfach schneller als zu Fuss.