#921

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 25.08.2013 00:09
von Randreyah | 11.751 Beiträge

Dass Ro irgendetwas quälte hatte sie gemerkt, schliesslich hatte die Rabentochter auch heute geweint. Und wenn Ro so kaputt war, würde sie sich in einem Kampf gegen Nagareth nicht konzentrieren können und das war nichts Vorteilhaftes. Ran entschloss sie etwas direkter darauf anzusprechen...
Sie lächelte Veray an. "Alles klar, ich nehme sie mit", sagte sie und entschied ihm nicht zu sagen, dass das von Anfang an sowieso der Plan war.
Ran war sich nicht sicher was sie noch sagen sollte. Sollte sie vielleicht besser gehen und wiederkommen, wenn es ihm etwas besser ging? Sie konnte ihn nicht heilen, da dies zu viel Energie forderte und das wurmte sie. Im Moment kam sie sich nutzlos vor.
Sollte sie vielleicht doch sofort Ro suchen gehen? Oder lieber warten, bis sie aufbrachen. Vielleicht war Zweiteres sinnvoller. Aber Veray brauchte sowieso Ruhe, also sollte sie besser gehen und ihm diese gönnen. "Ich sollte dich jetzt besser wieder in Ruhe lassen", sagte sie und erhob sich. "Werde bitte schnell wieder gesund." Ran beugte sich vor und küsste ihn zum Abschied.


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#922

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 25.08.2013 00:26
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

"Ich werde mir Mühe geben", sagte er lächelnd und hielt ihre Hand noch einen Augenblick lang fest, bevor er sie gehen liess. Als sie den Raum verlassen hatte, liess er den Kopf auf das Kissen sinken und begann auszuformulieren, was genau er Vakra sagen würde. Es dauerte jedoch nicht lange, bis ihn der Schlaf erneut übermannte.

Ro machte sich auf dem Rückweg aus dem Kerker einen genauen Plan, was sie in den nächsten drei Tagen tun würde. Zuerst einmal musste sie dafür sorgen, dass sie und Machek alles hatten, was sie für eine Reise brauchten. Das hatte vorrang.
In Zimmer setzte sie sich aufs Bett und öffnete den Seesack, wobei sie über die Verbände an ihren Fingern fluchte. Sie kippte den Inhalt auf ihrem Bett aus, untersuchte, was noch brauchbar war, und machte sich im Kopf eine Liste mit Dingen, die sie kaufen musste. Ganz zuoberst stand ein neuer Seesack. Der hier war völlig hinüber seit... sie beendete den Gedanken nicht. Auf jeden Fall hatte er eine Menge Brandlöcher.


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#923

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 25.08.2013 00:32
von Randreyah | 11.751 Beiträge

Sobald Ran die Schwarze Festung verlassen hatte, rief sie Aries. Der Drache kam beinahe sofort. Sobald sie im Sattel sass, schwang sich die Nachtkatze in die Lüfte. Wortlos schwebten sie über Drez hinweg, Richtung Westen zum Drashnsee. Sie hatten kein Ziel, sondern flogen nur wortlos über die Landschaft hinweg. Die kühle Luft tat Ran gut, erfrischte ihren Geist und half ihr ihre Gedanken zu ordnen. Sie würde heute Nacht den Schwarzmagier rufen, beschloss sie und sah hinunter auf die glitzernde Wasseroberfläche. Aries flog tief genug, als dass sie die Hand ausstrecken und das Wasser berühren konnte, doch sie liess es sein und er drehte ab und suchte sich seinen Weg in grössere Höhen.


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#924

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 25.08.2013 01:43
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Am nächsten Tag ging Ro hinunter nach Drez einkaufen. Proviant, Decken, einen Mantel und eine Tasche für Machek, einen Seesack, Zunder und Kerzen und so weiter. Als sie alles hatte, was sie brauchte - inklusive zwei Schläuchen Met - waren von ihrem Geld nur noch wenige Münzen übrig. Genug um einige Biere zu kaufen, aber für eine Übernachtung oder etwas anderes würde es niemals reichen. Sah so aus, als würde sie wieder einmal stehlen müssen, wenn sie auf der Reise etwas brauchte. Nun, das war sie ja gewohnt.
Sie schaute auch noch bei Vron vorbei, um sich von ihm zu verabschieden. Sie kreuzten noch einmal die Klingen, dann sassen sie eine Weile da und tranken Tee. Ro wurde bewusst, dass sie Vron eigentlich mochte, auch wenn sie ihm hundert Mal am liebsten den Hals umgedreht hätte. Vielleicht sah sie ihn heute zum letzten Mal. Zum einen bestand die Möglichkeit, dass sie das nächste Jahr nicht überlebte - und diese Wahrscheinlichkeit war gar nicht so klein - zum anderen war Vron selbst nicht mehr der jüngste. Sie wusste nicht, wie lange er noch vorhatte zu leben. Und drittens, nun, es konnte sein, dass sie niemals nach Drez zurückkehrte. Vielleicht lebte sie den Rest ihres Lebens unter Menschen, wie ihr Vater es getan hatte. Allerdings musste sich dafür erst zeigen, ob sie es überhaupt noch konnte, nach all dem, was geschehen war.
Am Abend ging sie in den Roten Drachen und traf sich mit den Asnet'Shar. Nach ein, zwei Bieren und einem Haufen gequatsche zogen sie weiter in die Arena und Demra forderte sie zum Kampf auf. Ro versuchte sich rauszureden mit den Bandagen an ihren Händen, aber schliesslich trat sie doch gegen ihn an. Sie war alles andere als in Form, erstens weil ihr bei jeder Bewegung etliche Stellen ihres Körpers wehtaten, zweitens, weil sie sich nicht traute, sich wirklich gehen zu lassen, aus Angst, Demra damit umzubringen. So kam es, das Demra sie für ein Mal besiegte und sie mit einer Klinge an der Kehle dastand. Es war eine ungewohnte Erfahrung.
Nach dem Kampf lehnten sie am Zaun und sahen den anderen zu. "Ha, ich hab dich besiegt!", sagte Demra. "Was sagst du dazu?"
Nicht viel, dachte Ro, aber sie sagte: "Nicht schlecht. Und ich hab nicht mal Gelegenheit, mich zu revanchieren."
"Wieso?"
"Weil ich in ein paar Tagen zur Severjazka aufbreche", erklärte Ro.
"Wieso sagst du das nicht früher?", fragte Demra aufgeregt. "Ich komme mit!"
"Geht nicht", meinte Ro.
"Wieso nicht?" Demra wirkte gekränkt.
Ro seufzte. "Weil ich weiss, wohin ich gehe, und da kannst du nicht mitkommen."
"Aber dann seh ich ja sieben Jahre überhaupt nichts mehr von dir!", rief Demra aus.
Sie erzählte ihm, dass Vakra es auf ein Jahr gekürzt hatte und Demra wirkte etwas versöhnlicher.
"Trotzdem", meinte er. "Ich werde meine Kampfpartnerin doch vermissen."
Wäre sie nicht während dem ganzen Gespräch in Gedanken schon beim nächsten Tag gewesen, wäre ihr vermutlich sein Tonfall aufgefallen. Und wie nahe er ihr stand. So aber merkte sie es erst, als er mit den Fingern über ihre Wangenknochen strich und sich zu ihr hinunterbeugte. Sie begriff, was er vorhatte, und ihre Reaktion kam so schnell, dass ihr keine Zeit blieb, darüber nachzudenken. Sie schlug Demra mit Wucht die Faust ins Gesicht.
Er taumelte rückwärts und hielt sich die Nase. "Ahh, Mann, gehts noch?!"
"S..sorry", stammelte sie. "Das war ein Reflex."
"Oh, toller Reflex", meinte Demra. "Dann reagierst du immer so, wenn ein Mann versucht, dir näher zu kommen?"
Er nahm die Hand hinunter. Ein Rinnsal von Blut lief aus seiner Nase und über die Oberlippe. Ein kleiner Teil im Chaos ihres Geistes, der versuchte, die Situation zu kapieren und eine Lösung dafür zu finden, stellte fest, dass er ihr so ein bisschen angeschlagen eigentlich besser gefiel. Irgendwie interessanter. Aber trotzdem würde sie niemals, niemals... "Äh... nein, also..."
"Dann liegts an mir?" Er stand da wie ein begossener Pudel.
"Nein", bemühte sie sich schnell zu sagen. "Es ist überhaupt nichts gegen dich. Ich... ich bin nur erschrocken."
Seine Miene hellte sich auf und er trat auf sie zu. "Aber jetzt bist du vorgewarnt."
Sie wich zurück und stiess augenblicklich gegen den Zaun. "Demra!", sagte sie mühsam beherrscht. "Ich will dich ungern ein zweites Mal schlagen, aber wenn du nicht sofort einen Schritt zurück machst, dann tu ichs!"
"Was ist denn mit dir?", fragte er und seine Stimme klang ein klein wenig gereizt. "Tu doch nicht so. Wir kennen uns lange genug. Und wenn du so bald weggehst... Es muss ja nichts festes sein."
Ro überwand den Drang, so weit wie möglich zurückzulehnen, sondern legte stattdessen eine Hand auf seine Brust und stiess ihn weg von sich. "Nein!", sagte sie. "Vergiss es!"
"Aber wieso?", fragte er. "Wovor hast du Angst?"
"Vor nichts", entgegnete sie scharf. "Das hat nichts mit Angst zu tun. Das ist... das ist..."
"Das ist was?" Er sah sie verständnislos an.
Sie konnte es nicht erklären. Es war nicht so, dass sie etwas gegen Demra hatte. Er war nett, und sah auch nicht schlecht aus. Aber beim blossen Gedanken, daran, er könnte sie anfassen, drehte sich ihr der Magen um. Es gab nur einen Mann, von dem sie so etwas hätte zulassen können. Und der war tot. "Ich... ich will das einfach nicht", sagte sie und kämpfte darum, ihre Stimme fest klingen zu lassen. "Du musst dir jemand anderen suchen."
Sie trat von ihm weg. "Leb wohl, Demra."
Er schmollte und sagte nichts, doch als sie einige Schritte entfernt war, rief er ihr nach: "Bis in einem Jahr!"
Sie drehte sich nicht um, damit er nicht ihre Tränen sah. Das ging ihn nichts an. Das ging niemanden etwas an.


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#925

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 25.08.2013 01:55
von Randreyah | 11.751 Beiträge

Ran lag auf einem umgefallenen Baum und starrte zum Himmel, durch die Lücke, die einst seine Äste ausgefüllt hatten. Aries sass neben ihr, den Kopf auf den Stamm gelegt. Er sah sie fragend an. Sie verstand den Blick. Gehst du nicht nach Lovit?
"Nein", antwortete sie und sah den Vögeln zu, die über den blauen Himmel zogen.
Und zu den anderen? Wieso sagst du es ihnen nicht?
"Sie müssen nicht alles wissen, Aries."
Wieso kommt sie mit?
"Wieso interessiert dich das?"
Ich bin besorgt
"Darüber, dass sie mitkommt?"
Der Drache schnaubte, was nein hiess.
"Worüber dann?"
Ein gequältes Knurren. Sie kraulte seinen Nasenrücken.
"Du machst dir zu viele Sorgen."
Nach einer Weile entschloss sie dann doch weiter zu fliegen. Sie wusste nicht genau wohin, nur, dass sie in der Nähe bleiben würde.
Als die Nacht einbrach lag der Drache um sie gerollt auf einem Felsen. Er wärmte sie. Die Nacht war klar und die Sterne funkelten tausendfach auf sie hinunter. "Was soll ich bloss tun, Aries?", murmelte sie. Nichts lief so, wie es sollte. Der Drache knurrte. Er schlief, es war keine Antwort.
Ran drehte sich von den Sternen weg und versuchte zu schlafen.


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#926

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 25.08.2013 03:18
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Am Morgen des zweitletzten Februartages verliess Ro die Festung, als ginge sie in die Berge laufen, wie sie es oft tat. Dass sie dabei mehrere Fackeln und einiges anderes Zeug mitnahm, fiel glücklicherweise niemandem auf, weil ihr niemand begegnete. Sie stapfte durch den Schnee in den Wald und lief dort eine Weile so kreuz und quer bis es auch dem hinterst und letzten verleiden musste, ihren Spuren zu folgen, dann machte sie sich auf den Weg zu den Katakomben.
Sie erinnerte sich an das letzte Mal, dass sie diesen Weg gegangen war. Damals hatte der Winter eben begonnen und der erste Schnee war gefallen. Jetzt hatte die Sonne bereits wieder die Kraft, ihn allmählich zu schmelzen. Und dazwischen war nicht nur ein Winter vergangen, sondern zwei, und ein langer Sommer dazwischen. Viel war geschehen, sehr viel. Sie verstand jetzt mehr von dem, was sie tat, als damals. Allerdings fragte sie sich auch, ob es nicht besser gewesen war, als sie nicht verstanden hatte.
Sie erreichte die schwarze Felswand kurz vor dem Mittag. Sie ragte hoch in den Himmel auf, wie ein Wächter. Das erste, was Ro tat, als sie vor ihnen stand, war ihren Säbel zu ziehen und ihren Geist damit zu verbinden. Das Letzte mal war sie hier blind und ahnungslos hineingelaufen. Dieses Mal wollte sie verstehen.
Sofort schmeckte sie etwas. Da war die Wärme in der Luft auf ihrer Haut, die war das deutlichste. Aber aus den Steinen vor ihr sickerte noch ein anderer Geschmack. Er war bitter, aber irgendwie auch süss. Wie Bier. Wenn man es das erste Mal trank, mochte man es nicht, aber es wurde mit jedem Schluck besser. Sie kannte diesen Geschmack. Er war zutiefst mit ihr verknüpft. Es war Magie, ja. Aber nicht die Art Magie, wie Ran oder Nagareth sie verwendeten.
Sie zog die Säbelklinge sanft über ihren linken Daumenballen und drückte die blutende Wunde gegen den schwarzen Stein. Etwas brodelte zusammen in den Tiefen und dann brach es hervor, als tiefer, dröhnender Trommelschlag. Acht weitere folgten. Neun Schläge. Sie suchte in dem, was sie von Veray gelernt hatte, nach einer Bedeutung der Zahl neun, aber sie fand nichts, was passte. Dann erzitterte der Stein und klaffte langsam auf.
Der Korridor vor ihr war dunkel, gerade und trocken wie ein Grab. Sie zündete eine der Fackeln an, nahm ihren Mut zusammen und unterdrückte ihre Angst vor unterirdischen Räumen und trat hinein.


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#927

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 25.08.2013 03:28
von Randreyah | 11.751 Beiträge

Erneut stand Ran vor der Schwarzen Festung. Sie war sich nicht sicher, wieso sie kam. Es war alles gesagt, was hätte gesagt werden können. Natürlich waren da immer noch die Sachen, die sie hatte nicht aussprechen können, doch sie hätte es auch jetzt nicht gekonnt.
Vielleicht wollte sie auch nur sein Gesicht sehen, sie wusste es nicht, denn in letzter Zeit wollte sie sich nicht mehr mit solchen Dingen befassen. Ran musste aber zugeben, dass sie Veray mochte, wirklich mochte, doch auf welche Art genau konnte sie nicht sagen.
Nachdem sie noch einige Momente mit sich rang, klopfte sie an der Tür und bald darauf hörte sie das Knarren der Angeln. Diesmal war es Nera, die öffnete.


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#928

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 25.08.2013 21:36
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

Der Gang hatte sich nicht verändert, seit sie zum letzten Mal hier gewesen war. Vermutlich änderte sich hier unten über Jahrhunderte nichts. Er verlief eine lange Zeit schräg abfallend, ohne dass irgendwelche Markierungen im schwarzen Stein eine Auskunft über die Distanz gegeben hätten. Ro spürte die Magie überall um sich herum. Sie klebte an den Tunnelwänden wie Schleim. Dieser Tunnel war nicht natürlicher Herkunft, noch war er mit Händen herausgehauen worden, aber der Stein war auch nicht durch Magie geformt worden. Ro konnte es schlecht in Worte fassen, aber es fühlte sich an, als hätte etwas den Gang aus dem Stein herausgefressen.
Nach einer langen Weile änderte sich die Struktur des Raumes und kurz darauf sah sie die Münzen in den Augenhöhlen der Totenschädel im Licht der Fackel glitzern. Sie sah die beiden Gänge links und rechts, von denen der eine hinauf und der andere tiefer hinunter führte und fragte sich, wohin sie führten. Damals waren sie dem mittleren, hinter der Schädelwand, gefolgt, weil sie gewusst hatte, dass es der richtige war, aber nun hatte sie im Grund zwei Tage Zeit, die Höhlen zu untersuchen.
Doch irgendetwas liess sie zögern. Wie schon beim letzten Mal hatte sie das Gefühl, dass irgendetwas mit diesen Tunneln nicht stimmte. So als wären sie Sackgassen, die nirgends hin führten. Oder so als wäre die Dunkelheit darin etwas zu schwarz. Sie richtete die Sinne ihres Säbels darauf und fand eine Menge dunkler Magie. Vorsichtig trat sie einige Schritte in den Tunnel hinein. Die Magie schien sich um sie zu verdichten, sie einzuhüllen...
Namenloses Grauen ergriff sie, als sie begriff und sie stolperte keuchend rückwärts. Diese Tunnel führten tatsächlich nirgendwo hin. Sie führten ins Nichts. Und damit war nicht gemeint, zu einem tiefen Abgrund, sondern in das wahrhaftige Nichts, den Raum ohne Zeit und Ort, ohne Grenzen und Ausrichtung. Es war eine magische Falle, die jeden, der den richtigen Weg nicht kannte und nicht öffnen konnte, für alle Ewigkeiten jenseits von Zeit und Raum gefangen halten würde. Ro fragte sich mit Grauen, wie viele Leute wohl schon dort gelandet waren, und was mit ihnen geschehen war. Hatten sie sich aufgelöst? Oder sassen sie noch immer dort?
Sie versuchte ruhig zu bleiben und konzentrierte sich auf die Schädelwand. Nun, als sie genauer hinsah, bemerkte sie, dass die Münzen in den Schädeln keine Prägung trugen, was sehr seltsam war. Dafür war jedoch in jeden Schädel über der Nasenwurzel ein Zeichen geritzt. Sie musste sich näher beugen, um es genau zu sehen, und erkannte es als das Wappen der schwarzen Festung, wenn auch sehr stilisiert. Ohne nachzudenken strich sie mit den Fingerspitzen darüber und sofort durchfuhr sie ein scharfer Schmerz wie ein Strom kalten Wassers. Agraz Srok, Sohn von Hechra, Vater von Isarad, fünfundvierzig Jahre Erbe, Tanz in den Tod, die Schattenspitzen, der Geschmack, wenn ein Magier stirbt...
Sie riss die Hand zurück und die Worte brachen ab. Keuchend begriff sie, dass die Schädel vor ihr einmal Vorfahren von ihr gewesen waren, vor tausenden von Jahren. Man hatte sie hier eingesetzt als Wächter, damit keiner, der nicht ihr Blut und ihren Säbel trug, eintreten konnte. Und auf irgendeine Weise trugen sie einen Teil der Erinnerung ihrer Besitzer in sich, das, was sie als Srok ausgemacht hatte. Das war verrückt! Das war alles so verrück!
Ro tastete abermals nach einem der Zeichen und wieder durchfuhr sie ein Strom von Informationen, allerdings die eines anderen Lebens. Sie griff noch nach mehreren Schädeln, bis die Eindrücke ihrer Vorfahren drohten, ihr eigenes Bewusstsein wegzuschwemmen. Sie trat zurück und starrte in die kalt glitzernden, metallischen Augen. Sie spürte die Uralte Vergangenheit in sich, die Spitzen der Berge, die Schwarzen Drachen, das Feuer, das Blut, die Runen, Hass, Mut, Wille, Tod. Sie war sie alle. Sie war der Rabe.
Sie hob den Säbel und die Worte in der Dämonensprache flossen so leicht über ihre Lippen, als hätte sie niemals etwas anderes gesprochen.

"Hallo Ran", begrüsste Nera sie auf ihre höfliche, etwas reservierte Art und bat sie herein. "Zu wem möchtest du?"


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#929

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 25.08.2013 21:47
von Randreyah | 11.751 Beiträge

"Hallo Nera", sagte Ran und lächelte. Bei Nera war sie sich nie sicher, was sie dachte und wie sie gerade gelaunt war. Natürlich hätte sie ihre Gedanken lesen können, aber sie liess es bleiben. Seit einiger Zeit hatte sie beschlossen, dies nur im Notfall zu tun. "Zu Veray."


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#930

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)

in Dreitan - das Spiel 25.08.2013 22:18
von Ro Raven | 10.532 Beiträge

"Natürlich", meinte Nera und führte Ran die Treppe hinauf. Anstatt sie jedoch direkt zu Veray zu geleiten, bat sie sie in seit langem leerstehendes Zimmer. In ihren eigenen Räumen hätte sie niemals gewagt, offen mit Ran zu sprechen, aus Angst, belauscht zu werden, aber hier sollte es gehen. Sie schloss die Tür hinter ihnen.
"Ich möchte dich vor etwas warnen", sagte sie ernst zu Ran. "Ich weiss, dass du Veray magst und... nun, ich will nicht in die Details gehen. Aber ich gebe dir einen Rat: hüte dich davor, dich an ihn zu binden. Die Männer in dieser Familie sind alle Arschlöcher."
Tiefe Verbitterung lag in ihrer Stimme. "Veray mag dir vielleicht im Moment als nicht so schlimm erscheinen. Aber auch, wenn Vakra das leugnet: Veray kommt nach seinem Vater. Und der ist ein absolutes Arschloch. Mach nicht den gleichen Fehler wie ich."

Die Türe öffnete sich und Ro schritt in den Korridor dahinter. Der Boden war glitschig, aber ihr Schritt war sicher und der Tote vermochte sie diesmal nicht zu erschrecken. Stattdessen besah sie sich ihn im Licht der Fackel genauer. Er trug keinerlei Markierungen und sie spürte auch über ihren Säbel klar, dass er kein Wächter war. Es dauerte eine Weile, bis sie zusammengesetzt hatte, warum er hier war. Er war in die Höhle eingedrungen und hatte es aus irgendeinem Grund nicht geschafft, wieder hinauszukommen. Vermutlich hatte er wochenlang an die Türe geschlagen, bis er sich schliesslich in eine Ecke gesetzt hatte, um zu sterben.
Die Vorstellung war grausam. Aber Ro war so vom Geist ihrer Ahnen, von Freude und Leit weit vergangener Zeiten erfüllt, dass sie das Schicksal dieses armen Teufels nicht berührte. Sie ging weiter nach unten und bald kam sie an die erste Verzweigung. Ihre Erinnerung sagte ihr, dass sie in den rechten Tunnel gehen musste, und sie hatte auch das Gefühl, dass sie irgendetwas dort hinunter zog. Ein Teil von ihr fragte sich, was in der anderen Richtung lag, aber darum würde sie sich später kümmern.
Zwei weitere Verzweigungen folgten und schliesslich stand sie in der Halle, in der sie gegen den Troll gekämpft hatte. Der Steinhaufen, der seine Überreste darstellte, lag noch immer in der Mitte des Raumes. Der Hauch eines Geschmacks haftete ihnen an, wie von Magie, die sich längst aufgelöst hatte. Ro trat durch das Loch in der Wand und folgte dem Tunnel dahinter, bis ihr ein rotes Glühen entgegendrang. Kurz darauf stand sie in dem Raum mit dem Ring aus geschmolzenem Stein. Auf der Insel in der Mitte glitzerte etwas. Natürlich, der Zauberspiegel. Aber der interessierte sie im Moment nicht. Sie tastete mit ihrem Geist nach dem Wesen, das damals mit ihr gesprochen hatte, aber sie fand nur Unmengen an Wärmeenergie, die von der Lava aufstiegen. Sie wusste, dass es hier sein musste.
"Zeige dich!", brüllte sie in der Sprache der Dämonen. "Ich fordere Antworten!"


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