Ihr lief bei seinem letzten Satz ein Schauder über den Rücken. "Wie viel weisst du über Aion und mich?", fragte sie trocken leise und sah die Tischplatte vor sich an, bevor sie zu ihm hoch blickte. "Wie viel haben dir die Splitter verraten? Und wie viel erzählt man sich als Legenden?"

"Gut", meinte sie und seufzte, knetete ihre Nasenwurzel und sah hoch zur Decke, die mehrere Meter über ihnen lag. "Aion hat die Kriecher geschaffen, ja. Aber... Kalidon und ein paar andere haben seine Experimente weiter verfolgt. Ich weiss aber nicht welche und zu welchem Zweck... Tanue liegt wegen ihnen allen in Trümmern, nicht nur wegen Aion.
Aber noch etwas anderes: Die Splitter sind Fragmente seiner Seele. Was so viel heisst, dass wenn du seine Erinnerungen durchforstest, lässt du auch einen Teil seiner Seele in die deine hinein. Je mehr Splitter du dir ansiehst, desto mehr weiss auch er über dich. Aion wollte zurückkehren mit ihrer Hilfe... Indem er sich einen neuen Körper sucht. Zum Zeitpunkt seines Todes war er ein Schwarzmagier. Sei also vorsichtig, falls du noch mehr Splitter finden solltest...
Und was dein Vorhaben betrifft. Ich werde dich unterstützen. Doch dafür brauche ich Magie. Und momentan kann ich zu wenig wirken, als dass mich jemand für einen Gott halten würde. Darum habe ich dich gefragt, ob du dich bis November gedulden könntest."

Sie musterte ihn. "Ich kann dir anbieten hier zu warten, bis ich meine Kräfte wieder zurück habe... Und wenn du dir Sorgen machst über dein Rudel, kann ich dir anbieten einen Boten nach Tanue zu schicken, um dich zu vergewissern, dass es ihnen gut geht... Dass sie Aion wegen anderer Gründe verehren ist mir klar. Ich habe dir gesagt, dass er ein Schwarzmagier war, damit du dich vor seinem Wissen, das in den Splittern steckt in Acht nimmst. Sie könnten deinen Verstand vergiften", sie verstummte kurz, als man ihnen die Bücher brachte, bedankte sich beim Skriptmeister und wartete bis er und sein Schüler gegangen waren, dann wandte sie sich wieder Dreshar zu.

Nachdem Dreshar am Morgen hysterisch bei ihm geklopft hatte, war er recht schnell aus dem Bett gesprungen und nachdem er von Akkayas Ankunft gehört hatte, hatte er sich nur "Oh mein Gott" gedacht, schnell fertig gemacht und war dann in die Küche gehastet. Umso enttäuschter war er gewesen, als sie sehr desinteressiert an seiner Vorstellung schien und ihm sogar ins Wort fiel. Und dann wollte sie noch mit Dreshar sprechen. Shak! Immer Dreshar, immer interessierten sich alle für ihn. Wieso nur? Was war an ihm so besonders?
Als er und Elira zurückblieben, überlegte er worüber er mit ihr reden sollte. Er sah spontan vier Möglichkeiten. Darüber, dass er den Verdacht hatte, dass sie und Dreshar in einem Raum übernachteten, was an sich nichts Schlimmes war, aber welchen Grund sie haben sollten, das zu tun, könnte auf Weiteres hinauslaufen...kam vielleicht zu dämlich, so in ihre Privatsphäre einzudringen, wenngleich es ihn schon beschäftigte.
Oder über Akkaya? Klang spannend.
Er könnte sie auch einfach anflirten. Ausgeschlossen.
Oder über sein Wurfnadeltraining sprechen, das immer besser lief. Hatte er gestern schon.
Also fing er an: "Ist Akkaya immer so? Also, ich meine, dass sie nicht richtig zuhört und dann plötzlich total anders ist und mit jemandem reden will und so...ach ich weiß nicht, irgendwie wirkt sie komisch."
Er wusste nicht, wie er es beschreiben sollte.

Elira sah den Feuerdämon an und nahm das Brot zur hand, schnitt sich eine Scheibe ab und begann es mit Honig zu bestreichen.
"Nein... Launisch ja, aber... ich weiss nicht was in Drez passiert ist. Aber sie wirkt recht... Verletzt."

"Welche Art von Boten würdest du passend finden?", fragte sie und lehnte sich zurück. "Einen aus Fleisch und Blut, wie ne Person oder ein Tier... Oder eine magische Art von? Ich könnte einen Doppelgänger schicken, ein Tier aus Rauch..."

"Oh...liegt vermutlich am Krieg, oder?", überlegte er. Denn das erschien ihm das Naheliegendste zu sein.
Oder an Verlusten. Merkwürdigerweise erschien kurz Melissa vor seinem inneren Auge bei dem Gedanke.