RE: Azura (Verfluchte Wälder)
in Dreitan - das Spiel 03.09.2012 03:21von Randreyah •

Neujahr 241
Er sass im Keller des Hauses. Ein versteckter Raum, den niemand kannte. Es war so gekommen, wie es musste, wie es vorherbestimmt war.
Auch wenn er schon eine Ewigkeit lebte, so glaubte er an Schicksal. Natürlich war nicht alles bis ins kleinste Detail vorherbestimmt, aber mit dem Sein ergab sich eine Richtung. Die Zeit war wie ein Fluss, der eine Richtung hatte und bergab floss, aber er konnte seine Richtung ändern, je nachdem wie der Boden beschaffen war in den er sich grub und in dem er eine raue Spur hinterliess.
So war auch der heutige Tag. Es war keine besondere Jahreszahl, nicht nach der heutigen Zeitrechnung, aber nach der damaligen. Seit dem Tag waren genau zweitausend Jahre vergangen. Zwei Jahrtausende des Wartens. Er lächelte. Endlich würde sie wieder leben, wieder über die Erde schreiten und wieder lächeln. Er wunderte sich nicht mehr, warum er sie nie gefunden hatte. Sie wurde nicht wiedergeboren, da ihre Seele in einem Stein gefangen gewesen war. Einem Stein, den sie selber geschaffen hatte. Er sah sich den leblosen Körper vor sich an. Dieser war von Anfang an für ihre Seele bestimmt worden. Ohne sie konnte er nicht leben. Die Seele war eine Eigenart für sich. Sie formte den Körper und sie währte ewig. Oder zumindest für eine sehr sehr lange Zeit. Immer wieder lebte sie in verschiedenen Körpern, verschiedenen Zeiten und doch blieb sie die gleiche. Ohne Erinnerungen an das vorherige Leben, denn die wollte sie nicht. Er lächelte, zumindest wollten die meisten Seelen sich nicht erinnern. Von Zeit zu Zeit gab es die eine oder andere, die ihre Erinnerungen behielt. Diese wurden dann Wiedergeborene genannt. Aber es war ihm ein Rätsel, wie eine Seele ihre Erinnerungen behalten konnte. Eine Seele war nur ein Energiefluss, welcher seine unverkennbare und einzigartige Eigenschaften hatte. Pure Energie, die einen Körper nach ihrem Willen schuf. Er dachte nach. Wollte sie als Frau wiedergeboren werden, oder hatte er sich im Körper geirrt? Er schüttelte den Kopf. Das Kind das vor ihm lag, ein Neugeborenes, musste ihr Körper sein. Seitdem er ihre Seele geholt hatte wurde es gezeugt und von ihr geformt. Es hatte sogar das gleiche Feuermal wie ihr letzter Körper. Es musste sie sein. Er seufzte. Ein Jahr hatte er darauf gewartet und jetzt war es endlich so weit.
Er holte den Kristall, welcher die Seele enthielt und legte ihn auf die regungslose kleine Brust. In der uralten Sprache der Drachen beschwor er sie sich mit dem Körper zu vereinen und tatsächlich zerfloss der Kristall und eine schwarze, violettschimmernde Pfütze bildete sich, die von der toten Haut aufgesogen wurde. Der Kristall vermischte sich mit dem Blut und die Seele nahm ihren Platz ein. Das Kind lebte und sein Feuermal formte ein Zeichen. Das Zeichen für Einigkeit und Gleichgewicht. Er verliess glücklich den Raum und liess ihre neue Mutter herein, die sie sofort in die Arme nahm und ihr einen neuen Namen gab. Die Frau wusste, dass sie eines Tages nach Loney musste, um dort ihr altes Ich zu finden, denn dieser Körper konnte nicht lange leben und sie würde dann ihren alten brauchen, welcher im Bernstein eingeschlossen auf ihre Ankunft wartete.
Die Frau lächelte und sah dem Kind zu wie es aufhörte zu weinen und mit seinen grossen, unergründlichen Augen ihr Gesicht musterte. Es spielte mit Ärmchen und Beinchen mit dem langen, blaugrauen Haar der Elfe. Sie wog es hin und her und sang ein Lied. "Auf einer Lichtung so weit, so weit. So weit, wo das Licht nicht mehr scheint..."
Draussen ging er nervös hin und her. Er wusste nicht was er jetzt tun sollte. Wann sollte er ihr sagen wer sie war? Ihre Erinnerungen waren alle in dem Anhänger, den ihr alter Körper um den Hals trug. Wann sollte er ihr davon erzählen. Er fröstelte. Es war Zeit dass er auch seinen alten Körper in den Katakomben des Doms versiegelte. Er wusste, dass sie ihn in wenigen Jahren töten würde. Das war ihre Natur. Sie hatte ihn auch letztes Mal fast ausgelöscht. Aber wie sollte er ihr dann sagen, wer sie war? Er fasste einen Entschluss und holte sich ein Buch. Es begann mit der Geburt eines Kindes. Einer neuen Seele... begann er, strich es durch, begann erneut. Beim fünften Versuch riss er die Seite raus und überlegte fieberhaft wie er beginnen sollte. Dann viel es ihm ein. Er begann die Legende der Götter aufzuschreiben. Der Götter der Gegensätze. Er benutzte den Text aber als Behälter für die Wahrheit. Er schrieb ihn so um, dass sie mit ihrem wahren Namen als Schlüssel all die Geheimnisse ihres vergangenen Lebens erfuhr. Er schrieb ab jetzt jeden Tag. Schrieb von dem was er erlebt hatte, Gedichte, beschrieb was er sah und fühlte und sie, wie sie als Kind war. Irgendwann würde sie dieses Buch finden und lesen. Bis dahin würde er es in seinen Gemächern verstecken und bis zu seinem Tod würde er vier-und-sechzig Bücher geschrieben haben. Seine Tagebücher. Und seine Seele hätte er bis dahin schon versiegelt und für den zweiten Teil ihres alten Lebens vorbereitet. Oder zumindest hoffte er, dass sie wieder leben würden. Er würde jedenfalls als Golem sterben, denn seinen Körper hätte er drei Jahrzehnte vor seinem Tod in Bernstein geschlossen und sein Schüler hätte seine Seele in den Körper aus Erde versiegelt.
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RE: Azura (Verfluchte Wälder)
in Dreitan - das Spiel 03.09.2012 23:41von Ro Raven •

"Ich sehe, welche Folgen Magie für die Opfer hat", sagte Ro. "Und du hast Recht, ich vertrete nicht Kampfeslust, denn ich vermag nicht alle ihre Facetten abzudecken. Ich trage nur einen Teil von ihr. Wollte man ihn genau benennen, bräuchte man andere Worte."
Sie seufzte. "Zwanzig. Neunzehn, wenn du es genau wissen willst." Sie blickte auf. "Aber sag jetzt nicht, ich sei zu jung, um etwas über diese Welt zu wissen und zu verstehen. Wie alt jemand ist, hängt nicht nur von der Anzahl seiner Jahre ab, sondern von dem, was er gesehen hat. Von dem, was er erlebt hat."
Sie hatte vieles gesehen. Mehr als die anderen Kinder damals in Derni vermutlich in ihrem ganzen Leben sehen würden. Auch vieles, was sie nicht hätte sehen wollen, hätte man ihr die Wahl gestellt.
Sie sah Rans Rücken an. "Ich schätze, es wäre vernünftig, noch etwas zu schlafen vor dem Angriff."
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RE: Azura (Verfluchte Wälder)
in Dreitan - das Spiel 04.09.2012 00:30von Randreyah •

"Natürlich nicht. Es nahm mich nur Wunder", sie drehte sich noch einmal um bevor sie den Raum verliess. "Gute Nacht und spar dir deine Kräfte für Morgen auf. Es dauert nämlich länger jemanden mit einem Säbel zu töten als mit Magie." Sie fragte sich wie viel Ro gesehen haben mochte. Wenn sie mit Darez unterwegs gewesen war, wäre sie auf Schlachtfeldern gross geworden, aber egal wie viele Jahre man dort verbrachte, egal wie viele Grausamkeiten man auf dem Feld sehen mochte, so war es etwas das dort erwartet wurde. Aber wenn man Wesen begegnete, die nur aus Hass andere verfolgten, Unschuldige folterten und töteten. Ihnen grausame und unvorstellbare Dinge antaten, nur weil sie Spass dran hatten; Spass am Leid und Schmerz anderer, Spass am Foltern, dann wusste man wie Grausam jemand sein konnte. Was Grausamkeit überhaupt war.
Als sie die Treppe hinaufstieg zu Narums Gemächern passierten ihre Erinnerungen Revue. Sie sah sich, wie sie als kleines Mädchen zur Assassine erzogen wurde, wie kalt und kräftezehrend ihre Ausbildung war und wie sie dann einer ähnlichen unterging um Priesterin zu werden. Dann an die letzte Reise mit ihrem Bruder und Grossvater. Sie erinnerte sich an die Dämonenjäger und ihre Gedanken, die sie damals gesehen hatte. Erinnerte sich an die Art und Weise wie sie ihren Bruder hingerichtet hatten und den Vater ihres Vaters. Als sie vor der Tür stand und die Hand auf das Siegel legte rauschten die Erinnerungen an ihre Jagd nach der Sekte vorbei. Was sie erlebt hatte, was sie getan hatte um an Informationen zu gelangen und was sie ihnen angetan hatte. Das letzte Bild war das Bild einer verängstigten Frau, die ihr Kind umarmte, welches sie fragte wieso sie ihren Vater getötet hatte und welches nicht verstehen konnte, dass ihr Vater nicht unschuldig war und was er falsch gemacht hatte.
Sie schloss die Augen und riss das Siegel herunter. Wieso erinnerte sie sich jetzt daran? War es das Gespräch mit Ro gewesen? Was war der Grund, dass sie die Magier wirklich jagte?
Die Tür schwang auf und ein kalter Lufthauch strich über ihr Gesicht. Sie merkte, dass ihr Tränen über die Wangen liefen und sie wischte sie sich schnell weg.
Eines der Fenster stand weit offen und bie Vorhänge blähten sich im Luftzug. Sie erinnerten sie an Geister, oder Feen, die in der Luft tanzten. Der Raum war kühl, erfrischend. Sie war oft hier gewesen. Narum hatte ihr immer vorgelesen, wenn sie nicht schlafen konnte, weil sie zu erschöpft war vom Training. Sie sah sich um. Wo konnte er es versteckt haben?
Es gab drei, oder vier Bücher von denen sie wusste. Wo waren sie? Sie suchte Narums Erinnerungen ab, konnte es aber nicht finden. Verzweifelt liess sie sich auf sein Bett fallen. Und sah zur Decke auf. Wo konnte er sie bloss verstecken? Die gegenüberliegende Wand war ein einziges riesiges Bücherregal. Aber waren sie wirklich dort? Sie fröstelte, stand auf und schloss das Fenster. Es war so still im Raum.
Sie lauschte. Irgendetwas war aber da. Sie lauschte genauer hin. Und da! Ein Rauschen. Es kam vom Regal her. Sie ging hin und sah sich die Bücher genauer an. Dann blieb sie wie erstarrt stehen. Ein Buch mit dem Titel Die weisse Fee stand vor ihr. Sie zog es heraus und blätterte darin. Eine Widmung stand in der Feensprache auf der ersten Seite. "Für Narum, einen alten Freund, welcher es nie lassen konnte um auch im tiefsten Dschungel nach der Grünen Fee zu suchen", las sie laut vor sich hin. "Der Grünen Fee... Die Grüne Fee... Ein Likör?", überlegte sie laut und dann viel ihr etwas ein. Sie stellte das Buch wieder zurück und suchte ein altes Buch, das er ihr einmal gezeigt hatte. Tatsächlich stand es zuunterst im Regal. Sie zog es heraus und fand wieder eine Widmung. "Von Elaya, für einen guten Freund, der mit seiner Harfe alle erfreute", sie kaute an ihrer Unterlippe herum. "Er spielte Flöte, nicht Harfe...", murmelte sie und suchte ein weiteres Buch, sie fand es. Kunst des Instrumentenbaus. Das einzige Buch, das mit Musik zu tun hatte. Sie ignorierte die Widmung und blätterte, bis sie zur Harfe kam. Die Seiten waren unberührt. Es schien als wären sie niemals angesehen worden. Sie sah sich das Buch aus allen Winkeln an, konnte aber nichts finden. Dann fiel ihr etwas ein.
Es war nicht ihre Erinnerung, aber Narums. Er hatte das Bücherregal von einem Instrumentenbauer anfertigen lassen, welcher in jeder Ecke ein Instrument als Verzierung geschnitzt hatte. Sie begann bei der oberen rechten Ecke. Konnte aber nicht heran kommen, da sie zu klein war. Sie sah sich um und fand nur die Truhe am Fussende des Bettes. Sie zog sie heran und stellte sich auf sie. Eine Geige. Enttäuscht stieg sie herunter und schob die Truhe etwas zur Seite. In der unteren rechten Ecke waren zwei Trommeln eingelassen Sie fluchte und schob die Truhe ans andere Ende des Regals. In der linken oberen Ecke war eine Flöte eingelassen. Sie tastete sie ab, versuchte sie hinein zu drücken, zu drehen, verschieben,aber es war nur eine Verzierung. Sie sprang von der Truhe und sah sich die untere Ecke an. Eine Harfe. Sie drückte an ihr herum und merkte, dass sich ein Teil der Verzierung herausziehen liess. Als sie es auch schliesslich herauszog, kam ein kleiner Schlüssel hervor. Sie sah das Ding verwirrt an. Wofür war der bloss? Hier gab es nichts im Raum zu dem ein Schlüssel gehörte und die Truhe war offen. In Narums anderen Räumen gab es nur einen grossen Schrank und das Badezimmer. Aber nichts von dem war abgeschlossen.
Aus neugier klappte sie den Deckel der Truhe auf. Merkwürdig, sie war leer.
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RE: Azura (Verfluchte Wälder)
in Dreitan - das Spiel 04.09.2012 20:48von Ro Raven •

Ro grinste schief. Darauf wäre sie jetzt natürlich nicht gekommen. Was war denn der Grund, warum sie Magie nicht mochte?
Als Ran die Türe hinter sich schloss, wandte sie sich zum Kamin. Immer noch lag dort das Häufchen Asche, kalt und verbraucht. Ihr fröstelte, und diesmal lag es nicht an der Kälte, denn Ran hatte sie irgendwie vertrieben. Oder besser gesagt, sie hatte die Wärme wieder hergeholt, denn schliesslich war Kälte nichts eigenes, wie sie jetzt wusste, es war nur die Abwesenheit von Wärme, die Abwesenheit von Energie.
Sie überlegte, ob sie weitermachen sollte, noch mehr ausprobieren, versuchen, ob in dem Häufchen Asche nicht doch noch ein Rest von Energie war, oder vielleicht sogar noch eine weitere Ebene, aber sie hatte plötzlich Angst. Angst vor dem, was sie selbst getan hatte. Vor dem, was sie tun konnte. Das war ihr niemals passiert. Sie wusste, dass sie leicht jemanden umbringen konnte, wenn sie zornig war oder betrunken vielleicht sogar ohne dass sie es wollte. Aber das hier war nicht nur der drohende Tod. Es war Vernichtung.
Schaudernd legte sie sich aufs Bett und wickelte sich in ihren Umhang und die Decke ein. Den Seesack band sie los und schob ihn unter das Bett, aber ihre Stiefel behielt sie an, denn irgendwie wirkte die Umgebung plötzlich feindlicher als zuvor. Sie starrte in den kalten Kamin hinüber. So leer. So leer wie Darez Augen gewesen waren, als sein Herz aufgehört hatte zu schlagen. So leer wie die Augen der Männer, die sie an jenem Tag getötet hatte, als könnte ihr Blut ihn wieder lebendig machen. Wie dumm. Der Tod war endgültig. Das einzige, was wirklich sicher war, in einer Welt, in der sich alles änderte.
Ein Schatten streifte ihre Gedanken. Eine plötzliche Ahnung. Ein grausamer Verdacht. Ein Verdacht, der leider zuviel Nahrung fand in ihrer Erinnerung, als dass er einfach als Hirngespinst hätte abgetan werden können. Ihre Mutter war gestorben, als sie kaum sieben war. Sie hatte Darez gefunden. Auch er war nun tot. Und dann der Dieb. Was, wenn sie gestorben waren wegen ihr? Konnte es sein, dass der Tod jemandem folgte? Sie kniff die Augen zusammen. Ihre Reaktion mochte kindisch sein, aber sie begann beinahe zu weinen beim Gedanken daran, dass das wahr sein könnte. Dass auch Arsa und die Räuber sterben würden. Und Nesh.
Sie drehte den Kopf so, dass sie nur noch die Dunkelheit ihrer Armbeuge sah. Langsam begannen sich der Marsch durch den Wald, der lange Tag und nicht zuletzt die durchsoffene letzte Nacht bemerkbar zu machen. Sie dämmerte weg.
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RE: Azura (Verfluchte Wälder)
in Dreitan - das Spiel 04.09.2012 21:28von Randreyah •

Etwas gereizt starrte Ran den Innenraum der Truhe an. Wieso war diese zum Teufel nochmal leer? Hatte Narum etwa gedacht, er würde miterleben, wie er sie an der Nase herumführte. Aber halt. Was hatte Naja gesagt... Er sei nicht tot. Was hatte sie damit gemeint. Ihr lief ein Schauder den Rücken hinunter. Sie fühlte sich plötzlich beobachtet, wusste aber, dass es nur ihre Vorstellung war.
Sie seufzte. "Naja komm heraus", sagte sie und stand auf. Die schwarzen Verbände zerflossen und sammelten sich auf den Boden vor ihr. Sie nahmen langsam Form an und Naja erschien. "Was ist los Randreyah?", fragte sie mit zischender, klingender Stimme. "Wo hat er es versteckt, sein letztes Tagebuch?" Naja verdrehte die Augen. "In der Kisssste, mein Kleinesssss", zischte sie übertrieben. "Du musst nur das Ssssiiegel aufbrechen." Ran sah sie leicht genervt an. Das Siegel? Sie sah wieder in den Innenraum, klopfte die Seiten und den Boden ab, konnte aber kein Siegel finden. Dann kam ihr etwas in den Sinn. Sie sah die Schlange an, welche sie nicht aus den Augen liess. "Es ist auf der Unterseite, nicht wahr?" - "Kluges Mädchen", antwortete die Schlange und öffnete ihre Halskrause. Ran schloss die Truhe und kippte sie um. Sie suchte die Unterseite ab und fand eine gemalte weisse Fee. Sie wischte sie mit ihrem Ärmel weg, welcher sich zischend aufzulösen begann, was sie nicht sonderlich störte.
Naja kam etwas näher. Sie war gespannt, was in dem letzten Tagebuch Narums stand. Immerhin hatte er den Verstand verloren und sie nahm es wirklich Wunder, wie es im Kopf eines Wahnsinnigen aussah. Reyla schien keine Schwierigkeiten mehr mit Siegeln zu haben, oder zu mindest keine grossen, wie sie es früher hatte.
Sie klopfte auf die Unterseite und diese gab nach. Sie war aus brüchigem Holz. Ran riss es weg und ein dickes, in Leder gebundenes Taschenbuch kam zum Vorschein, genauso wie eine sehr interessante Kette. Das Tagebuch war nicht ganz zu Ende geschrieben, einige Seiten waren noch leer. Für jeden Tag des Jahres zwei. sie blätterte darin. Überall wurden um den Text herum Notizen gemacht, Sachen eingeklebt oder getrocknete Blumen zwischen die Seiten gepresst. Sie lächelte, auch wenn seine Handschrift und seine Schreibart etwas wirrer waren, so war es doch Narums Schrift. Aber sie fragte sich was die Kette war.
Naja sah sich jetzt das Tagebuch an. Es war definitiv das, des merkwürdigen Magiers. Sie legte den Kopf schräg und beobachtete die hin und herpendelnde Kette, die Ran hochhob und gegen das Mondlicht hielt. Sie hatte bis jetzt nicht gemerkt, dass Ran den Zauber der Katzen brauchte. So nannte man einen Fluch mit dem man die Beschaffenheit seiner Augen so veränderte, dass man auch mit sehr wenig Licht sehr gut sehen konnte.
Die Kette war unerwarteter Weise nicht schwer. Sie bestand aus Platingliedern, das konnte sie sehen und auch riechen. Sie konnte es nicht erklären, aber der Drachenteil in ihr konnte Metalle und andere Stoffe durch den Geruchssinn auseinanderhalten. Sie sah den Anhänger genauer an. Ein schwarzer Kristalldrache, welcher sich um eine azurblaue Kristallträne wand. Beide Kristalle liessen Licht durch und waren sich, bis auf die Farbe, zum verwechseln ähnlich. Die Augen, Hörner, Flügelknochen und Klauen des Drachen waren aus einem anderen Kristall, aus Rubin. Einem Edelstein, darum nahm sie an, dass die anderen beiden Kristalle ebenfalls Edelsteine sein mussten, auch wenn sie solche noch nie im Leben gesehen, oder von ihnen gehört hatte. Sie hing sich die Kette um den Hals. Magische Kräfte schien sie keine zu haben, aber eine hypnotisierende Wirkung auf Naja.
Ran lächelte, nahm Najas Kopf in die Hand und küsste ihre Stirn. "Wach auf Naja", sagte sie fröhlich. Die Kobra schüttelte ihren Kopf. "Diese Kette... Sie wird die Kette der Götter genannt. Ein sehr mächtiges Stück übrigens, aber nur, wenn man weiss, wie man es aktiviert, ansonsten ist es eine nutzlose Kette", zischte sie und wand sich um Rans Handgelenke. "Gute Nacht kleine Reyla", sagte sie und verwandelte sich wieder in die schimmernden Verbände. Ran wusste, das wenn sie Najas volle Kraft nutzen wollte, sie ihre Knochen und Zähne brauchte, die irgendwo in Dreitan verstreut lagen.
Nachdem sie die Truhe zurückgestellt und ihre Spuren verwischt hatte, verliess sie den Raum und versiegelte ihn. Dann stieg sie die Treppe herunter, an dessen Ende Earon auf sie wartete. "Und hast du was interessantes gefunden?", fragte er gähnend. Sie schüttelte den Kopf. "Nur Gedichte und diese Halskette. Nutzloses Zeug", antwortete sie und blieb auf der letzten Stufe stehen. Jetzt waren sie auf gleicher Höhe. Sie fuhr seiner Tätowierung im Gesicht nach. "Geh schlafen Earon, morgen ist ein wichtiger Tag", sagte sie sanft und ging an ihm vorbei. "Ich kann nicht, Aeron ist verwirrt. Sie war noch nie so nah dran gewesen, aus ihrer Rolle zu fallen, darum übernehme ich ihren Wachdienst", sagte er zu ihrem Rücken. Sie blieb kurz stehen. "Gut, dann komm mit. Aber, das eins klar ist, du schläfst auf dem Boden", sagte sie bevor sie sich in Richtung ihres Zimmers begab. Sie liess die Tür hinter sich offen und legte sich schlafen. Es dauerte nicht lange und sie fiel in tiefen festen Schlummer.
Earon folgte ihr. Und wartete im Hauptzimmer, bis er hörte, wie sie sich hinlegte und zudeckte, dann ging er ans Fenster und sah sich die Sterne an. Sie schien schnell eingeschlafen zu sein, was er nicht erwartet hätte, denn ihr Atem ging ruhig und regelmässig. Er sah in das Nebenzimmer, in dem ihr riesiges Bett stand und merkte, dass sie sich nicht ganz zugedeckt hatte, ihre Sachen einfach neben das Bett geworfen hatte und sich über die Verbände nur ein Nachthemd übergezogen hatte. Er schüttelte den Kopf. Überprüfte, ob sich jemand in den Gängen trieb, oder im Bad versteckte und ging zu ihr ins Zimmer. Vorsichtig deckte er sie zu und sammelte ihre Sachen ein, faltete sie und legte sie ans Fussende des Bettes. Dann liess er seine Waffen neben ihr und legte sich, nur mit einem Dolch bewaffnet, auf einige Kissen direkt gegenüber der Eingangstür. Er schlief ein, aber auch im tiefsten Schlaf nahm er seine Umgebung wahr.
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RE: Azura (Verfluchte Wälder)
in Dreitan - das Spiel 04.09.2012 22:15von Ro Raven •

"Warum fürchtest du den Tod, kleiner Rabe?"
Sie zuckte zusammen und wirbelte herum, oder zumindest hätte sie es getan, hätte sie einen Körper gehabt. Doch sie und alles, was sie um gab, war nur schwarzes Nichts. Im selben Moment, in dem sie das begriffen hatte, begann das Nichts sich mit Splittern von Bildern und Geräuschen zu füllen. Sie drängte sie zurück in die Finsternis, denn sie wusste, dass nichts davon wahr sein würde.
"Ich fürchte nicht den Tod", antwortete sie grimmig. "Ich füchte das Leben. Ein Leben, in dem alle wegsterben, die mir etwas bedeuten."
"Und warum hast du Angst davor?"
"Warum?" Sie lachte verzweifelt. "Ich habe ein Herz. Ich weiss, was Liebe ist. Ich will nicht alles verlieren, was ich liebe. Es tut so weh."
"Warum glaubst du, dass du es verlierst, nur wenn es stirbt?"
Jetzt weinte sie. "Habe ich denn Darez nicht verloren? Er ist tot. Er ist fort. Ich werde ihn nie wieder sehen. Ich werde nie wieder ein Wort von ihm hören, nie wieder mit ihm kämpfen."
Die Stimme schwieg eine Weile, dann meinte sie: "Kann der Tod so schrecklich sein, wenn er ihn wollte?"
Sie schluchzte und schwieg.
Ein Bild flackerte in der Dunkelheit, ein Bild, an das sie sich nicht erinnern konnte. Weisser Schnee, rotes Blut, schwarze Haare. Oder waren es Federn?
"Der Tod ist nicht böse", sagte die Stimme. Das Bild veränderte sich und zeigte einen Dämonen mit kohlrabenschwarzem Haar, einer Rüstung und einem glitzernden Säbel in der Hand, in einem schneebedeckten Tal. Im ersten Moment dachte sie, es sei Darez. Aber er war es nicht. Nur der Säbel war tatsächlich der Seine. Das Bild verschwand wieder, aber in den dunklen Augen hatte sie etwas gesehen, das ihr im Herz brannte. Etwas, das sie verstanden hatte, aber zuerst nicht benennen konnte. Der Tod ist dein Freund.
"So ist es", sprach die Stimme. "Du bist der Rabe. Die schwarze Feder. Die Stimme des Todes."
Sie blickte auf. "Sag mir, wer du bist."
Die Dunkelheit schüttelte den Kopf. "Du weisst, ich kann nur sagen, wass du weisst. Und alles, was ich gesagt habe, wusstest du bereits, du wusstest nur nicht, dass du es wusstest. Denn ich bin nur eine Projektion. Aber du weisst: ich bin sehr alt, älter als die Völker selbst."
Ungläubig starrte sie in das Nichts. Doch die Stimme sprach nicht weiter, und der Traum begann sich aufzulösen. Langsam glitt sie in einen tiefen Schlaf über.
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RE: Azura (Verfluchte Wälder)
in Dreitan - das Spiel 04.09.2012 22:50von Randreyah •

(wie geil: die dunkelheit schüttelte ihren kopf -^_^-)
Bevor die Sonne über dem See aufging und seine Oberfläche glitzern und glänzen liess; Langsam das gesamte Tal mit Licht füllte und auch die Wälder flutete. Hörte man überall das Gras rascheln, Vögel miteinander reden und weit im Westen einige Drachen rufen. Metallisch klangen ihre Rufe nach Azura. Sie klangen wie das Ziehen unzähliger Klingen im Getöse einer Schlacht, nach der es kein Morgen gab.
"Reyla!" Sie schreckte auf. Und hielt sich den Kopf. Was hatte sie bloss schon wieder geträumt? Immer den gleichen Traum, jedesmal wenn sie einen Auftrag bekommt, oder in einen Kampf zieht.
Sie träumt dann die Nacht davor, dass sie auf einem Blumenfeld steht, dessen Blüten und Pflanzen rot vom Blut unzähliger Gefallener ist. Von Freund und Feind. In ihrem Traum stürmt sie dann auf einen letzten Ritter in schwarzer Rüstung, doch bevor sich ihr Schwert durch seine Rüstung beisst, verliert sie den Boden unter den Füssen und fällt Rücklings in die Schwärze. Bevor sie dann hochschreckt, sieht sie sich bewusstlos an in die Tiefe eines bodenlosen Gewässers schweben.
"Reyla!" Sie rieb sich die Augen und fauchte ein Was ist den zurück. Drewngard hatte sie gerufen und sie hasste es, wenn er einfach so unerlaubt in ihre Gedanken drang. Sie wollte nicht, dass er den Traum sah, den sie hatte. "Steh auf", sagte er ungerührt und sie stand auf; zog sich an, band sich ihr Haar zusammen und schnappte sich ihre Maske. Verschlafen ging sie ins Nebenzimmer und traf auf einen hellwachen Earon. "Wieso bist du nicht müde?", fragte sie gähnend und mit heiserer Morgenstimme. "Ich bin kein Morgenmuffel", sagte er und holte seine Waffen. "Lass uns gehen", murmelte sie halb verständlich und verliess schleppend ihre Räume. Wieso musste sie so müde sein? Sie hatte genug geschlafen, kam meist mit viel weniger Schlaf aus, aber heute... Wieso ausgerechnet heute? Lag es am Traum, den sie die ganze Nacht über immer wieder und wieder miterlebt hatte? Sie fühlte sich wirklich so. Einen Assassinen, der vor der Tür gewartet hatte, schickte sie in die Waffenkammer, von wo er ihr die Zwillingsschwerter und Feenmesser holen sollte und liess ihn unterwegs nach Lesk rufen. Sie würde den kleinen Drachen in Navrila gut brauchen können.
Bevor der Mann mit ihren Waffen zurückkam, verliess sie das Gebäude auf schnellstem Weg und rief noch Earon zu er solle Ro wecken und dann nach unten kommen.
Sie stand draussen im kühlen Morgentau. Die frische Luft weckte sie und sie rief die Drachen zusammen, die sie nach Navrila bringen sollten. Hinter sich hörte sie wie Elairon und Danwey aus dem Hauptgebäude kamen.
Earon klopfte zweimal an Ros Tür und wartete, dass sie ihm aufmachte. Er fühlte sich ausgeruht, auch wenn er auf dem Boden geschlafen hatte, aber eine Vorfreude auf den heutigen Tag hatte ihn gepackt. Nicht weil er Leute umbringen konnte, sondern weil er endlich wieder Navrila sehen konnte und Reyla zusehen konnte, wie sie in sekundenschnelle einen Dutzend Magier ausschaltete. Oder zu mindest zwei. Denn er erwartete nicht so viele Magier in Navrila zu treffen, wie es im Haus der Sekte gegeben hatte. Er grinste, als er an damals zurückdachte. Reyla war so wütend und rachsüchtig gewesen, dass sie nicht gemerkt hatte, wie ihr er und seine Schwester gefolgt waren, ihr bei ihrem Rachefeldzug zugesehen hatten und dann die Sklaven der Sektenmitglieder befreit hatten.
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RE: Azura (Verfluchte Wälder)
in Dreitan - das Spiel 04.09.2012 23:07von Ro Raven •

Ro fuhr auf, rollte sich aus dem Bett, verhedderte sich in ihrem Umhang und fluchte. Dann erst wurde ihr wirklich bewusst, wo sie war, und dass nur jemand an die Türe geklopft hatte. Sie rappelte sich auf. Es musste Morgen sein.
Sie hängte den Seesack an den Schultergurt und öffnete die Türe. Draussen stand Earon. Er sah wacher aus, als sie sich fühlte, aber sie wusste, dass sie wacher werden würde, je näher der Kampf kam. Es war immer so am Morgen vor einer Schlacht. "Wir brechen auf", sagte Earon.
Ro nickte, schloss die Türe hinter sich und folgte ihm. Im Gehen zog sie etwas Proviant aus ihrem Seesack und ass. Earon sah sie deswegen ein wenig irritiert an, aber sie hob nur eine Augenbraue. Vielleicht brauchten ja Assassinen kein Essen, aber Söldner schon, und sie war allergisch darauf, kein Frühstück zu kriegen.
Als sie aus dem Stadttor traten, waren schon einige Assassinen und Drachen dort versammelt. Earon gesellte sich zu den anderen Clanführern, Ro blieb etwas abseits von ihnen stehen. Sie gehörte nicht zu Rans Gefolgschaft, und das würde auch so bleiben. Sie war hier in eigenem interesse.
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RE: Azura (Verfluchte Wälder)
in Dreitan - das Spiel 04.09.2012 23:23von Randreyah •

Alle hatten sich versammelt, nur der Assassine mit ihren Waffen fehlte. Sie nickte Danwey zu und ging irritiert wieder hinein. "Lesk!", rief sie im Treppenhaus, aber keine Antwort kam. Sie stieg hinunter in den Keller.
Danwey wartete bis sie im Haus war. "Herrin Reyla vermisst ihre Waffen. Ich will, dass das nie wieder vorkommt. Wenn sie euch schickt etwas zu holen, dann bringt ihr es unverzüglich", sagte er mit kalter, aber lauter Stimme und tödlich funkelnden Augen zu den Assassinen, die sich im Hintergrund hielten und warteten, dass sie ihre Befehle bekamen, bevor sich die Clanführer auf den Weg machten. Sie wussten, dass Karim das Kommando übernahm, aber er war am Morgen nicht aufgetaucht.
Jetzt wandte sich Danwey und verkündete mit viel wärmerer Stimme: "Jeder Drache trägt eine Person, Proviant findet ihr in den Satteltaschen, genauso wie Medizin, Wurfmesser, Dolche und natürlich Wasser. Eine Decke ist für jeden bereit, sie ist hier hinten am Sattel befestigt", er zeigte wo, an seinem schwarzen Drachen, "Wir werden ungefähr eine Stunde fliegen, bevor wir den Wald um Navrila erreichen, dort steigen wir um auf Walddrachen. Sie bringen uns unbemerkt zum Stadttor und von dort aus, werden wir weitere Befehle erhalten. Jedenfalls..." - "Jedenfalls müsst ihr auf eure Hände, Füsse und Gesichter aufpassen, weil es heute sehr eisig ist oben, und ihr sollt aufpassen, dass ihr euch nicht an den Schuppen verletzt", unterbrach ihn Reyla, welche genervt wieder zu ihnen kam. Sie hatte sich die Zwillingsschwerter um die Schultern geschnallt und um ihren Nacken lag Lesk, der feuerrote Drache. Kurz darauf kam Karim und rief die einzelnen Assassinengruppen aus dem Hintergrund nach vorne, um ihnen ihre Aufträge zu verteilen. Heute würden sie früher anfangen, als sonst. Ran schwang sich in Taos Sattel. Und die anderen taten es ihr nach, dann erhob sich die Gruppe schwarzer Drachen in die Lüfte und schlug mit den Flügeln, bis sie eine Strömung erreicht hatten, die sie nutzen konnten um gemütlich nach Navrila zu segeln.
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RE: Azura (Verfluchte Wälder)
in Dreitan - das Spiel 06.09.2012 14:50von Ro Raven •

Ro hielt sich am steifen Leder des Sattels fest, während der Drache auf der Luft dahinglitt wie ein Segelschiff auf einem weiten See. Er hatte sich ihr als Fabraney vorgestellt und sie sich ihm als Ro, das Hauptmann und das Raven hatte sie weggelassen, sie hatte keine Lust auf irgendwelche Förmlichkeiten, und der Drache schien auch kein Gespräch anzustreben.
Es war kalt, wie Ran gwarnt hatte, aber nicht so kalt wie die letzten beiden Male, die sie geflogen war. Das mochte einerseits daran liegen, dass sie nicht so klatschnass war wie beim ersten Mal, aber nicht nur. Ein Wind hatte eingesetzt, ein Wind von Südwesten, und er war wärmer als die Winde der vergangenen Monate. Wärmer und trockener. Ein Wind aus der Wüste, und aus den fernen Tieflanden.
Ro klammerte sich mit den Beinen fest und beugte sich über die Satteltaschen. Sie fand alles, was der Dämon aufgezählt hatte dort, trank einen Schluck, hängte sich die Lederflasche an den Schulterriemen und stopfte etwas Proviant in ihren Seesack. Mit der Medizin konnte sie nichts anfangen, die Dolche brauchte sie nicht und die Wurfmesser hätte sie zwar gerne genommen, aber sie passten nicht in die Halterungen an ihrer Schulter. Sie musste also mit denen auskommen, die sie noch hatte. Sie würde ohnehin vorallem mit dem Säbel kämpfen.
Ro machte es sich bequem und legte sich dichter an den Körper des Drachen, um in seinem Windschatten zu sein. Sie glitten ruhig über die Welt dahin, während sie langsam der Morgen einholte. Zuerst leuchteten nur die Spitzen der Bergeim Westen, während die Sonne langsam über die gewaltigen Gipfel im Osten kroch, die auf diese Entfernung wie Bilder aus einem längst vergessenen Traum aussahen. Ihre Schneekronen glitzerten in allen Farben. Das Sonnenlicht floss die Hänge hinunter, über Felsgrate, Hochwiesen, Wald. Dann erreichte es den See, und das dunkle Wasser begann zu funkeln wie ein Meer von Edelsteinen. Ro richtete sich auf und breitete die Arme aus. Freiheit. Zu fliegen musste eine Freiheit sein, die ein Wesen ohne Flügel niemals wirklich kennen lernte. Sie fragte sich, warum Wesen, die so frei waren, sich überhaupt von irgendjemandem etwas sagen liessen. Warum liessen sich die Drachen von Ran herumkommandieren? Sie behandelte sie wie Lastesel. So wie sie eigentlich auch ihre Leute behandelte. Als wären sie nur Werkzeuge, die zu tun hatten, was sie sagte. Wie konnte irgendjemand, wie konnte ein Drache zulassen, dass er so behandelt wurde? Wo liessen sie ihren Stolz?
Sie legte sich wieder auf den dunkel geschuppten Rücken, schliesslich beschloss sie ihn zu fragen. Zu rufen hätte keinen Sinn gemacht, der Wind hätte ihr Worte fortgeblasen, noch bevor sie sie gesprochen hatte. Sie erinnerte sich daran, wie der graue Drachen damals an dem See mit ihr gesprochen hatte. Konnte sie das auch? Sie schloss die Augen. Fabraney?, fragte sie in die Schwärze hinein. Keine Antwort kam. Sie beugte sich noch weiter hinunter, bis sie mit der Stirn eine der Schuppen berührte. Sie konzentrierte sich ganz auf diese Berührung und fragte abermals. Fabraney? Wieder Stille, doch in der Stille war etwas. Dann klang eine tiefe Stimme durch ihren Geist, so dunkel wie seine Schuppen. Ro?
Sie redete nicht lange um den Brei herum, sondern fragte ihn direkt, warum sie sich Ran gehorchten, obwohl sie sie behandelte wie Tiere.
Die Antwort kam sofort. Wir gehorchen nicht ihr. Wir gehorchen dem Schicksal. Viele, die gehorchen, tun es nicht, weil ihnen befohlen wurde, sondern weil sie es wollen. Und viele, die befehlen, machen den Fehler, das nicht zu erkennen, und halten sich deswegen für wichtiger als sie sind.
Ro dachte kurz nach. Dann braucht es in Wahrheit gar keine Anführer?
Doch, antwortete Fabraney. Denn viele haben nicht von sich aus den Mut, das zu tun, was sie wollen. Es ist die Aufgabe des Anführers, ihnen diesen Mut zu geben.
Ro dankte Fabraney stumm und dachte über seine Worte nach. Sie erinnerte sich an den Traum, den sie letzte Nacht gehabt hatte. Dass sie keine Angst vor dem Tod zu haben brauchte, denn er war ihr Freund. An den schwarzhaarigen Dämon in dem Tal voll Schnee, der ihren Säbel getragen hatte, und in dessen Augen ihr Feuer gebrannt hatte. Wer mochte er sein?
Sie richtete sich auf und blickte auf das Land, das sich im Morgenlicht unter ihr ausbreitete. Sie näherten sich dem Ende des Sees, vor ihnen erhob sich der Wächter aus der Ebene, seine Schneekrone glitzernd wie ein Auge, dass seit Urzeiten über den langen See nach Norden blickt. Über ihre Wange rann eine Träne. Vielleicht war es der Wind, der sie ihr in die Augen getrieben hatte. Vielleicht auch nicht.
If you're going through hell, keep going.

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