Er sah sie nur kurz an, denn er wusste nicht was darauf antworten. Dann blickte er wieder zum Himmel hinauf.

Er sah ihr nach. "Alysia", hielt er sie nochmals zurück, "Im Orden ist ein Mädchen namens Idril... Bitte sorgt dafür, dass man ihr nicht zu sehr den Kopf wäscht", bat er, nickte zum Abschied und ging.
Er würde Ran sagen müssen, dass er Muirgeahl fast nichts gesagt hatte. Und das bereitete ihm Sorgen. Was wenn seine Schwester sich aus Sturheit auf den Weg hierher machte?

Drewngard ging nicht zur Jagd. Noch nicht. Stattdessen beobachtete er Idril und Alysia, was nicht gerade einfach war von der Stelle auf dem Dach. Von da aus hatte er nur einen Blick auf ihr Zimmer und viel sah er nicht. Er seufzte. Er hätte es überhaupt nicht zur Sprache bringen dürfen...

Idril unterdrückte ein herzhaftes Gähnen und blinzelte mehrmals um die aufkeimende Müdigkeit zu verscheuchen. Die Erläuterungen der Priesterin über die Göttin und ihrer vielen Erscheinungsarten langweilten sie zu Tode. Das Novizinnengewand, das sie erhalten hatte, war etwas zu gross und ständig lief sie Gefahr über den Saum ihres Rockes zu stolpern. Immerhin hatte sie ebenfalls ein paar enganliegende kurze Beinlinge erhalten, die sie als Untergewand trug. Wenn der Rock allzu sehr störte, würde sie ihn einfach hochbinden.
Sie blickte aus dem Fenster raus, doch draussen gab es nichts interessantes zu sehen. Die Äste eines Kirschbaumes verdeckten es halb und sie konnte nur ein paar Wespen sehen, die träge zu den überreifen Früchten flogen. Ein Räuspern liess sie aufhorchen und sie schaute wieder nach vorne, wo sie dem Blick der Priesterin begegnete. Idril nickte nur als Zeichen, dass sie verstanden hatte und der Unterricht wurde fortgesetzt. Wenn das so weiterging würde sie noch vor Langeweile sterben. Ohne dass sie etwas dagegen tun konnte liess sie ihren Blick wieder umherwandern. Ihre Aufmerksamkeit wurde von einer fetten Spinne in einer der Zimmerecken gefangen. Sie war fast so gross wie ihre Hand. Ein richtiges Prachtexemplar und genau das richtige für ihre Pläne. Vorsichtig streckte sie den Geist nach dem Tierchen aus und brachte es dazu sein sicheres Versteck zu verlassen. Es krabbelte über die Decke bis es über dem Kopf von einem der älteren Novizinnen war. Idril betrachtete die Spinne nochmals aufmerksam und dachte angestrengt nach. Das Tier war nicht giftig. So viel wusste sie schon. In Lovit hatte es diese Viecher auch gegeben und niemand hatte es gekümmert. Allerdings hatte sie ein schlechtes Gewissen. Sie zögerte noch einen Augenblick, doch dann begann sich die Spinne langsam an einem Faden von der Decke runterzusenken, direkt auf den Kopf des Mädchens.
Ihr Schrei war ohrenbetäubend. Die Novizin sprang auf und stiess dabei die Bank um, sodass noch ein halbes dutzend weiterer Novizinnen zu Boden kullerten. Idril, die einen Platz nahe der Türe hielt, nutzte den Augenblick in dem die Priesterin zu dem immer noch kreischenden Mädchen eilte und floh. Mit sichtlicher Erleichterung trat sie auf den Hauptplatz hinaus und duckte sich hinter einige Büsche. Vorsichtig blickte sie sich um, konnte jedoch niemanden sehen. Ausser Drewngard, welcher sich gerade auf dem Dach aufhielt. Ihm Gesellschaft zu leisten, war sicherlich interessanter, als der Priesterin zu lauschen. Idril lief rüber zum Kirschbaum und kletterte schnell hoch, wobei sie tunlichst das Fenster zum Unterrichtszimmer mied. Von einem dicken Ast aus gelangte sie schliesslich aufs Dach, pflückte sich eine Handvoll Kirschen und lief dann leichtfüssig rüber zu Drewngard und liess sich neben ihm nieder. "Wie lange werden wir hier bleiben?", fragte sie und schob sich eine Kirsche in den Mund.

Er nahm ihr eine Kirsche aus der Hand und ass sie. "Ein oder zwei Tage... Siehst du die Priesterin da", er deutete auf Muirgeahl, die gerade von der anderen Priesterin getröstet wurde. "Ich sollte ihr noch eine Nachricht überbringen... Aber als ich das Thema ansprach, wurde sie ohnmächtig. Es ist eine wichtige Botschaft. Aber ich weiss nicht, ob sie etwas dummes tut, wenn sie sie erhält... Vor ein paar Minuten hatte sie versucht aus dem Kloster abzuhauen", erzählte er besorgt und unsicher, wobei er den Kopf auf die Knie senkte, ohne den Blick von Muirgeahls Fenster zu wenden. "Menschen sind manchmal sehr zerbrechlich unf kompliziert", murmelte er.

"Siehst du, sehr kompliziert", seufzte Drewngard, als die Frau Idril nach unten rief, bevor diese Antworten konnte. "Komm", sagte er und hob Idril hoch. Mit dem Mädchen im Arm sprang er auf einen Ast und von dort auf den Boden. "Verzeiht, ich habe vergessen, dass man hier nicht auf den Dächern sein darf", sagte er und liess Idril runter. "Ich wollte dem Mädchen nur die Aussicht zeigen."