(Nö, wieso meinst du?)
Sie drosch solange auf die Luft vor ihr ein, bis sie von einem Geflecht schwarzer Risse durchzogen war. Sie sah die Angst im Gesicht des Magiers. Ein merkwürdig sirrender Ton erklang, der in den Ohren schmerzte, dann zerbarst der Schild. Ro zögerte keinen Moment, sondern schlug noch einmal zu, und der Kopf des Magiers flog getrennt vom Rest durch die Luft. Der Leichnahm kippte mit einem dumpfen Geräusch um.
Ro wollte sich dem nächsten Magier zuwenden, doch sie kam nicht dazu. Der Mann hob eine Hand, sagte etwas und im nächsten Moment fühlte sie sich, als hätte ein Rammbock ihre Brust getroffen. Sie flog rücklings durch die Luft und landete unsanft auf einem toten Soldaten. So schnell wie möglich wälzte sie sich zwischen zwei Leichen und duckte sich hinter den makaberen Schutzschild. Verdammt. Wie hatte sie denken können, dass sie gegen so viele Magier gewinnen konnte? Allerdings gab es da gewisse Ungereimtheiten. Erstens: warum hatte der Typ diesen Trick nicht schon längst angewandt? Warum hatte er zuerst mitangesehen, wie sie seinen Kollegen köpfte? Unter diesen Kapuzengestalten schien kein grosses Zusammengehörigkeitsgefühl zu bestehen. Zweitens: warum hatte nicht der, den sie angegriffen hatte, Magie gegen sie gewirkt, bevor sein Schild zerstört war? Konnte er es nicht? Oder war er vor Panik nicht dazu gekommen? Drittens: warum diese Panik überhaupt? Er war zu Tode erschrocken, als sein Schild Risse bekommen hatte. Als dürfte soetwas eigentlich nicht geschehen. Merkwürdig.
Aber sie hatte jetzt keine Zeit genau darüber nachzudenken. Aus ihrer Deckung heraus überblickte sie die Lage und sah, dass der Dämon ebenfalls gegen die Magier kämpfte, wenn auch mit etwas seltsamen Mitteln. Kurzentschlossen sprang sie auf und rannte zu ihm. Als sie ihn erreichte, deutete sie auf die Überzahl der Magier und fragte zischend: "Kämpfen oder Rennen?"

Ro sah sich nach dem besten Fluchtweg um. Sie konnten entweder bergauf in den Wald rennen, oder den Abhang hinunter, oder sie konnten dem Weg Richtung Murgird folgen. Vielleicht konnten sie die Stadt erreichen und wären dort in Sicherheit. Allerdings - man würde sie kaum hineinlassen, eine Elfe, einen Dämonen und sie, blutverschmiert und verfolgt von einer Horde murmelnder Kapuzengestalten. Kein halbwegs intelligenter Mensch halste sich freiwillig solche Probleme auf. Ausserdem waren sie auf dem langen Strecke über die Wiese vor der Stadt völlig ungeschützt und sie hatte keine Ahnung, wie weit Magie reichte.
Damit blieb eigentlich nur, bergaufwärts zu rennen, sie hatte keine Lust, nochmal den Abhang hinunter zu fallen. Plötzlich fiel ihr etwas ein. Verdammt! Der Elf war noch da unten! Einen Augenblick lang dachte sie daran, ihn einfach liegen zu lassen und die anderen nicht daran zu erinnern, doch dann erinnerte sie sich an das Blut, das den Magiern aus dem Mund lief, und sie stellte sich unfreiwillig vor, was sie alles mit ihm anstellten würden. Dann eben doch der Abhang. Verdammt!
Mit einem Satz sprang sie zu Runa und rief: "Rückzug."
Unglücklich sah sie kurz auf die Kante, hinter der der Boden abfiel. Das grüne Leuchten der Magier wurde immer stärker. Sie spürte, wie sich die Luft zu verändern schien, das Atmen wurde ihr mühsam, als drücke ein schweres Gewicht auf ihre Brust. Sie keuchte und rang nach Luft. Vor ihre Augen zogen graue Schleier und sie taumelte. Plötzlich begriff sie, dass sie bald bewusstlos werden würde, wenn sie nicht sofort dieser Magie entkam. Sie biss die Zähne zusammen, nahm zwei Schritte Anlauf und sprang ins Leere.

Sie flog/rutschte/stolperte den Abhang hinunter und hoffte, dass die nicht in einen Baum krachte, denn nach dem merkwürdigen Leuchten der Magier war der Wald hier rabenschwarz. Einen Moment lang grinste sie sarkastisch über ihre eigene gedankliche Wortwahl. Immerhin war sie die Tochter des Raben.
Dann hängte ihre rechte Fussspitze irgendwo ein und sie musste sich darauf konzentrieren, auf den Füssen zu bleiben anstatt kopfvoran runterzusegeln. Im Krachen zersplitternder Zweige, das ihre eigenen schweren Stiefel verursachten, war sie sich nicht sicher, aber sie hatte das Gefühl das jemand vor ihr rannte und jemand knapp hinter ihr. Der Dämon und die Elfe. Endlich lief der Boden flacher aus und sie kamen auf den Platz, an dem sie zuvor erwacht war.
Es sah immer noch genau so scheusslich aus wie vorher: überall Blut und Leichenteile und ein ekelhafter Gestank. Der Elf lag noch genau so da, wie sie ihn zurückgelassen hatten.

"Keine Ahnung", meinte Ro und sah den Dämonen fragend an. Er schien hier die meiste Ahnung von Magie zu haben, zumindest von allen wachen Personen.
Sie kniete neben den Elfen und tastete nach seinem Puls. Er lebte immer noch. Sie verpasste ihm eine Ohrfeige und schüttelte ihn bei den Schultern. Nicht die angenehmste Art, auf einer Bewusstlosigkeit aufzuwachen, aber für feinere Methoden hatte sie jetzt keine Zeit.