"Ich werde mit ihnen sprechen", sagte der General. "Die Chancen stehen nicht schlecht, dass sie die Tore freiwillig aufmachen. Ihre Lage ist aussichtslos."
Er ritt auf das Tor zu. Einige der Männer auf den Mauern waren Bogenschützen, aber keiner schoss auf ihn, auch nicht, als er längst in Pfeildistanz war. Als er nahe genug war, um verstanden zu werden, rief er: "Wer führt die Verteidigung an?"
Wie erwartet meldeten sich mindestens drei Stimmen gleichzeitig. Er wartete, bis sich das Gekeife gelegt hatte und rief: "Gegen wen wollt ihr diese Stadt verteidigen. Gegen ihre eigenen Bewohner? Die Männer, die ihr hinter mir seht, sind keine Söldner. Es sind die Söhne der Bauern und Handwerker von Avedis, die Männer Euer Näherinnen und Mägde, die Väter der Kinder, die diese Stadt einst bewohnen werden. Über wen wollt ihr herrschen, wenn ihr sie ausschliesst?"
Keine Antwort kam. Der General ritt noch näher. "Ihr alle wisst, dass der alte Graf sich mit den Schwarzmagiern verbündet hat, bevor er zu Tode kam", rief er, und diese Worte waren nicht mehr nur für den Adel gedacht, sondern für die Männer auf den Mauern, und für jeden anderen, der es hören mochte. "Weil er nach Macht strebte, die ihm versprochen wurde. Es war ein Fehler, denn diese zwielichtigen Verbündeten haben uns verraten. Wir haben den Krieg verloren, und wäre der junge Fürst ein Tyrann, würde er uns alle töten lassen für unseren Verrat. Aber das ist er nicht. Die Nachtzinne bietet uns Frieden an und ein Bündnis nach den selben Bedingungen wie vor dem Krieg, ohne Vergeltung, die viele das Leben kosten würden, ohne Entschädigungen, die uns ausbluten würden. Es wäre ein Fehler, dieses Angebot auszuschlagen, denn sie werden es nicht ein zweites Mal machen."
Der General holte noch einmal tief Luft und rief: "Deshalb öffnet die Tore und ergebt Euch! Es ist das beste, was wir tun können."
Er schwieg und beobachtete, was auf den Mauern vor sich ging. Die Soldaten wirkten unsicher, doch vereinzelte Rufe wurden laut. Sofort schrien die Adligen etwas dagegen, aber es schien Unmut unter ihren Gefolgsleuten zu wecken.
Der General ritt zurück zum Heer und an die Seite von Armelion. Jetzt hiess es warten.
Der Tumult auf den Mauern wurde grösser, auch wenn aus dieser Distanz nicht alles klar erkennbar war. Eine Zeit lang schien sich das durcheinander auf die Stadt dahinter auszudehnen, dann wurde es wieder ruhiger. Schliesslich hallte ein Knarren über die Ebene und die grossen Stadttore von Avedis schwangen langsam auf. Im Torbogen stand ein Soldat mit einer Flagge, die für Frieden stand. Er trat einige Schritte auf die Ebene heraus und brüllte: "Das Volk ergibt sich!"
If you're going through hell, keep going.

Bei Cadogan
Durien schaute den trutzigen Mauern von Cadogan hoch. Hier war seine Ausbildung zum Knappen abgeschlossen worden. Er kannte die Stadt fast so gut wie Tyre. Nur wenige Soldaten waren auf den Mauern zu sehen. Die meisten waren Zivilisten, die sich irgendwelche Waffen geschnappt hatten. Alles in allem schätzte er die Verteidigung auf etwa 500 Mann, lediglich 100 schienen richtige Soldaten zu sein.
Mit einem Knarren schlugen die Torflügel der Stadt auf und ein Mann in kostbaren Gewändern ritt raus. "Das muss wohl der momentane Ratsherr sein.", murmelte Durien zu sich selbst und versuchte sich an den Namen des Mannes zu erinnern. Die Tore schlugen wieder zu, sobald der einzelne Mann draussen war. Nervös blickte dieser zurück und schien für einen Augenblick zu zögern, doch dann streckte er seinen Rücken durch und gab seinem Pferd die Sporen. Durien blieb ruhig sitzen und wartete. Die Soldaten hinter ihm waren vollauf damit beschäftigt die Leitern für den Angriff zu bauen.
Der Ratsherr zügelte sein Pferd vor Durien und schluckte einmal sichtlich nervös. "Wir.... wir sind bereit uns zu ergeben.", sagte er stockend und schluckte als er Durien's Hand auf dem Schwertgriff erblickte, hastig redete er weiter, "Wir bitten euch nur die Stadt nicht zu plündern und die Bevölkerung zu verschonen. Mit den Soldaten dürft ihr tun, was ihr wollt.", fügte er hinzu.
Durien schwieg und betrachtete den Mann mit einer Mischung aus Abscheu und Ungläubigkeit. Schnell fing er sich jedoch wieder und sagte: "Ich nehme an die Soldaten wissen nichts von eurem Vorschlag, ansonsten wären sie kaum so willig ihr Leben für das eure zu opfern."

Tasór gehörte zu denjenigen Soldaten, die hinter ihrem dem Fürsten standen und als Schutz gegen Ausfälle dienen sollten. Aber er konnte sich nicht vorstellen, dass die Einwohner Cadogans das wagen würden: Sie standen einer gewaltigen Übermacht entgegen, und ihre Mauern würde ihnen nicht lange helfen. Wenn die Herren der Stadt das Leben ihrer Soldaten und auf die Schnelle rekrutierten Bürger schützen wollten, würden sie sich ergeben müssen.
Die Zwerge waren der restlichen Armee, die von Avedis Richtung Cadogan marschiert war, vorausgeeilt, um Durien diesesmal auf keinem Fall zu verpassen, doch vor dem Angriff hatten sie nicht mehr mit ihm reden können, also mussten sie ihn abwarten.
Ein prächtig gekleideter Mann kam aus dem Stadttor hinaus und ritt zu Durien hinüber. Was genau sie besprachen, konnte Tasór nicht hören, da er zuweit weg stand, aber er konnte es sich denken.

Der Ratsherr zögerte einen Augenblick und nickte dann. Ohne Hast drückte Durien seinem Pferd die Knie in die Flanken und das Tier trottete nach vorne. "Mein Herr....?"
"Sei still.", befahl Durien barsch. Er ritt in Hörweite zu den Mauern und richtete sich auf. "Warum schliesst ihr eure Tore? Noch nie habe ich den Befehl gegeben eine Stadt zu plündern und noch nie habe ich Unschuldige hinrichten lassen. Ich habe mich immer für das Volk eingesetzt. Die Leibeigenschaft und die Sklaverei sind abgeschafft worden. Ihr seid frei! Euer Treueschwur bindet euch nicht mehr an Graf Cadogan, denn er ist tot." Er liess die Worte für einige Sekunden wirken und fuhr dann fort, "Der Mann, der mit mir verhandelt hat, ist bereit euch, die einzigen, die mutig genug sind mir offen entgegenzutreten, zu opfern. Er begreift nicht, dass mir Männer wie ihr lieber sind. Ihr tut was ihr glaubt sei das richtige. Ihr wollt euer Heim und eure Familien beschützen, doch ich schwöre euch bei meinem Blute, dass ich euch nichts antun werde falls ihr euch von der Rebellion von Graf Cadogan abwendet und euch wieder der Nachtzinne anschliesst."
"Was tut ihr da?!", rief der Ratsherr wutentbrannt. "Wir hatten doch eine Abmachung. Ihr sollt..." Mit einer fliessenden Bewegung zog Durien sein Schwert. Die Klinge zuckte in Richtung Hals des Mannes, hielt jedoch kurz bevor sie ihr Ziel traf inne. Der Mann fiel mit einem Angstschrei vom Pferd und stürzte zu Boden. Der Graf von Tyre lenkte sein Pferd rüber zu dem am Boden liegenden Mann und blickte auf ihn runter. "Geht mir aus den Augen ihr elender Feigling bevor ich mich vergesse."
Der Ratsherr raffte seine Roben und rannte zurück Richtung Tor. "Also was ist? Wollt ihr jemandem dienen, der euch als die Männer, die ihr seid respektiert oder einem Wurm wie eurem Ratsherrn?", brüllte Durien. Keine Antwort kam von den Mauern. Das Tor öffnete sich als der Ratsherr in der Nähe war und offenbarte einen einzelnen Mann in Offiziersrüstung. Der Ratsherr redete auf den Mann ein, doch dieser trat zurück, zog sein Schwert und spaltete dem Ratsherrn mit einem Schlag den Schädel. Anschliessend trat er zurück die blutverschmierte Klinge in die Höhe reckend und rief: "Lang lebe König Biarn!" Der Ruf wurde zuerst zögernd, dann immer lauter von den Männern auf der Mauer aufgenommen. Durien wendete sein Pferd und ritt zurück zum Lager seiner Armee. Das Tor zu Cadogan blieb offen.

Der General ritt mit einer kleinen Truppe in die Stadt hinein, während der grösste Teil der Armee draussen blieb. Der Elf Armelion war bei ihm, wie er es angekündigt hatte. Es war genau das geschehen, was der General erwartet hatte, wenn auch noch etwas radikaler. Die Absicht seiner Rede war gewesen, dass die Soldaten und Bürger sich dem Adel widersetzten, dessen Befehle ignorierten und sich ergaben. Offenbar waren die Soldaten in ihrer Konsequenz dabei so weit gegangen, ihre Befehlshaber gleich umzubringen, denn der General sah die auf Lanzen aufgespiessten Köpfe zweier Adliger. Ihm konnte es nur recht sein, auch wenn ihm natürlich klar war, dass es dadurch einiges neu zu regeln geben würde. Aber darum würde sich Alyrna kümmern.
Sie ritten die steilen Strassen der Stadt hinauf bis auf den Platz vor der Burg. Es waren fast nur Soldaten auf der Strasse, aber aus jedem Fenster blickten die Gesichter von Menschen. Sie waren verunsichert, aber hoffnungsvoll. Nachdem sie in die Burg hineingeritten waren liess der General sofort Leute losschicken, um die Soldaten vor der Burg zusammen zu rufen, damit er zu ihnen allen sprechen konnte. Dann sah er Armelion an. "Was nun? Werdet ihr hier warten, bis Nachricht von Graf Durien kommt?"
Danva erlaubte seinen Soldaten, die Schlachtordnung, die sie mehr zur Schau eingenommen hatten - da sie ja, wie ihnen der General mitgeteilt hatte, nur im Notfall gekämpft hätten - aufzulösen. Sie legten ihre Schilde hin und setzten sich darauf. Danva ging zwischen ihnen herum. Einige fragten, ob sie nicht schon mit dem Aufbauen der Zelte beginnen sollten, aber sie mussten warten, denn Danva hatte noch keinen Bescheid bekommen, ob man hier lagern würde, oder ob sie noch an diesem Tag weitermarschierten.
Als er am Ende seiner Runde zu einer Gruppe von Söldnern herantrat, fand Danva auch Reven. Er hatte ihn die letzten Tage kaum gesehen, weil es zu viel zu organisieren gegeben hatte, und war sich nicht sicher gewesen, ob der Magier überhaupt noch da war. Tatsächlich fiel Reven auch nicht auf zwischen den Söldnern, so wie er eigentlich nirgends wirklich auffiel, ausser dass er etwas kleiner war als die meisten anderen. Er trug immer noch seinen Helm und irgendjemand hatte ihm einen verschlissenen Gambesan gegeben.
Danva liess sich neben ihm auf seinen Schild fallen. "Wie es aussieht, werden wir noch eine Weile hier bleiben", meinte er. "Der General ist in die Stadt geritten."
"Wenn Avedis sich jetzt ergeben hat, wars das dann?", fragte Reven. "Ist der Krieg dann vorbei?"
"Cadogan bleibt noch", sagte Danva. "Solange wir nicht wissen, was dort los ist, müssen wir damit rechnen, dass sie kämpfen. Und natürlich ist das Land ein Chaos. Aber ja. Was unseren Teil betrifft, ist der Krieg dann vorbei."
Auf den Gesichtern der Männer um ihn herum spiegelte sich die gleiche Erleichterung, die er empfand, auch wenn einige die Stirn runzelten. Das Ende eines Krieges war für einen Söldner immer eine zweischneidige Sache. Einerseits kommte man froh sein, wieder einmal nicht um sein Leben fürchten zu müssen, andererseits war man dann ohne Arbeit. Nun, für Danva galt das nicht, und nichts konnte seine Freude darüber trüben.
Plötzlich stutzte er. "Hat eigentlich jemand von euch unsere Zwerge gesehen."
Alle schüttelten den Kopf. "Die sind schon weg, seit wir mit dem Heer von Avedis ziehen", meinte Reven.
Danva runzelte die Stirn, dann zuckte er die Schultern. Er war nicht derjenige, der sie Deserteure schimpfen würde. Dafür war er zu lange Söldner gewesen.
If you're going through hell, keep going.

"Ich werde den Männern mitteilen, dass wir hier eine Nacht lang bleiben werden. Danach werden ich 4000 Mann in Richtung Cadogan führen. Ich werde eure Reiter und noch weitere 1000 Mann von Avedis mitnehmen. Die restlichen 2000 Mann werden hier bleiben und eurem Befehl unterstehen." Er war sich durchaus bewusst, das seine Forderungen provozierend wirken mussten, doch der General selbst hatte ihm gesagt, dass er sich seinem Befehl unterstellen würde, sobald sie die Stadt gesichert hätten. Doch er brauchte ausgebildete Soldaten falls es zum Kampf kommen sollte. Der General nickte kurz angebunden und Armelion salutierte vor ihm. Vielleicht hatte er sich trotz allem in dem Mann getäuscht. "Ich werde Durien mitteilen, dass er sich so schnell wie möglich hierher begeben soll, wenn ich ihn treffe.", sagte er und wendete sein Pferd um zum Lager hinauszureiten, doch er hielt nochmals inne. "Wünscht ihr, dass ich Lady Alyrna in die Stadt eskortieren lasse, oder befürchtet ihr, dass ihr jemand schaden will?"

"Nein, lasst sie heraufkommen", sagte der General. "Ihre Leibwache wird sie zu schützen wissen. Sagt ihr, dass ich sie in der Burg erwarte. Ich werde hier das wichtigste Regeln, aber in etwa einer Stunde werde ich zum Heer hinunter kommen, um Euch mit meinem Stellvertreter Valis bekannt zu machen. Er wird euch nach Cadogan begleiten, denn ich schätze ihn hoch als Offizier, und die Männer tun es ebenso."
If you're going through hell, keep going.

"Ich danke euch!" Armelion gab seinem Pferd die Sporen und galoppierte aus der Stadt raus. Zuerst suchte er Danva und die übrigen Offiziere auf und befahl ihnen mit dem Aufbau des Lagers anzufangen. Sie würden die Nacht über hierbleiben und am nächsten Morgen weiterziehen. Anschliessend ritt er zu Alyrna. Er zügelte sein Pferd in einem respektvollen Abstand vor ihr und deutete eine leichte Verbeugung an. "Der General bittet euch in die Burg zu kommen, Mylady."

"Ich danke Euch für Eure Gastfreundschaft", sagte Alyrna und verabschiedete sich von Armelion, bevor sie in die Burg hinaufritt. Der General hiess sie willkommen und half ihr vom Pferd. Es war nichts als eine Geste, denn er wusste genau, dass sie es alleine gekonnt hätte. Allerdings bestand Politik genau aus solchen Gesten. Indem der General ihr den Steigbügel hielt, zeigte er, wen er als seine Herrin betrachtete. Als sie stand, verneigte er sich leicht vor ihr. "Ich übergebe an Euch, Lady Alyrna."
Sie nickte, wandte sich um und schritt hinauf zum Eingang des Palas.
Der General gab noch einige Befehle, dann schwang er sich auf sein Pferd und ritt hinaus auf den Platz vor der Burg, wo sich die Soldaten versammelt hatten, die in Avedis geblieben waren. Er sprach ihnen seinen Dank und seine Anerkennung aus. Dafür, dass sie bereit gewesen waren, die Stadt gegen jeden Feind zu verteidigen, aber auch dafür, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatten. Wie er es mit Alyrna zuvor abgesprochen hatte, versprach er ihnen vollständige Amnestie für die Ermordung der Adligen, und dass er niemals wissen wollen werde, wer genau den Schlag ausgeführt habe.
Nach dieser Ansprache schickte er sie zurück in ihre Häuser und Kasernen, um sich auszuruhen und stellte Männer aus dem Heer auf die Wachposten. Dann ritt er hinunter zum Heer, liess Valis rufen und ging mit ihm zu Armelion, um ihn dem Elfen bekannt zu machen und zu empfehlen.
If you're going through hell, keep going.

Armelion klappte das Buch zu und liess es verschwinden, als der General und ein weiterer Mann sein Zelt betraten. Das musste Valis sein. Er stand auf und schenkte ihnen beiden ein Glas Wein ein. "Es ist mir eine Ehre euch kennen zu lernen Valis." Der Elf prostete ihnen zu und sie alle nahmen einen Schluck, bevor sie die Gläser wieder abstellten. Er war sich nicht sicher was der General noch gross tun oder sagen wollte.
Bei Arsa's Dorf
Alastar zügelte sein Pferd und blickte sich um. Er hatte auf einem kleinen Hügel oberhalb des befestigten Dorfes angehalten. Hier würde er vielleicht weitere Informationen über den Verbleib seines Zieles finden. Der stumme Dunkelschatten griff nach dem Griff von Fuin und das kalte Heft der Waffe schenkte ihm Ruhe. Das Schwert selbst hatte die Form eines Falcata, auch wenn es ein länger war. Die einzige Frage, die sich stellte, war ob jemand im Dorf lesen konnte. Nun er würde es früh genug herausfinden. Er zog sich die Lederrüstung zurecht, die er für die Reise erhalten hatten. Sie bestand aus einer doppelten Schicht aus Leder, zwischen welche kleine Stahlplatten eingenäht worden waren. Gegen die dunklere Hautfarbe würde er nichts machen können. Er tastete nach der kleinen Schiefertafel, welche er immer bei sich trug und gab seinem Pferd die Sporen. Langsam setzte sich das Tier in Richtung Dorf in Bewegung.

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