Vor dem Haus standen zwei Wachen, die ersten Menschen, die einfach so außerhalb der Häuser waren.
"Das ist das Rathaus", erklärte einer der Männer, "hier kommt ihr unter solange ihr hier seid. Ihr könnt uns sagen, was ihr wollt und dann können wir handeln, die Assistentin der Dorfheilerin kann euch vielleicht etwas weiterhelfen wenn ihr verletzt seid. Ansonsten solltet ihr euch ruhig verhalten, dann wird euch auch nichts passieren."
Larn und Nala traten ein und wurden sogleich von den beiden Wachen flankiert.

Das Rathaus bestand aus einem Stockwerk, einem Keller und einem Dachboden. Im Parterre befand sich nur ein grosser Raum, in dem reihenweise Bänke standen. Davor eine Bühne, auf der ein langer Tisch und mehrere Stühle dahinter standen, vor ihnen ein Stuhl. Der Raum diente anscheinend als Gerichts- und Messeraum. An beiden Seiten des Raumes führten Treppen nach oben, wo sich drei Räume befanden. Im ersten war das Zimmer der Heilerin. Sie bewohnte es natùrlich nicht, konnte es aber nutzen, wie sie wollte. Der zweite Raum stand leer und der dritte diente als Lagerraum, genauso wie der Dachboden und Keller.
Sie wurden hineingeführt und gebeten sich auf einen der Bänke zu setzen. Dann rief einer der Männer die Assistentin der Heilerin und der andere rief einen weiteren Mann herbei, der sich als Enkel des Dorfältesten vorstellte. Nala schätzte ihn auf ungefähr zwanzig Jahre und er wirkte recht unsicher in der Gegenwart der Fremden. "Verzeiht bitte, aber in den jetzigen Zeiten kann man sich keine Gastfreundschaft leisten", sagte er und fragte sie nach Dingen, die sie brauchten.

Als sie ihre Wünsche geäußert hatten, schickte der Enkel zwei Männer los, die Dinge besorgen.
"In der Zwischenzeit", bot er an, "könnt ihr die Heilerin aufsuchen. Sie ist allerdings noch in der Lehre und beherrscht nicht alle Heilkünste. Eventuell könnt ihr auch eine Nacht hier verbringen, ihr scheint mir nicht gefährlich zu sein. Allerdings müsstet ihr eure Waffen abgeben und eure Unterkunft wäre bewacht. Dies dient natürlich nur als reine Vorsichtsmaßnahme!", erklärte er.
Larn fand den Mann merkwürdig nervös, aber das Dorf machte auf ihn den Eindruck eines normalen ländlichen Dorfes mit allem was dazugehört. Die Einwohner schienen neutral zu sein, aber waren mit Sicherheit nicht unbetroffen vom Krieg, so wie sie sich verhielten.

"Das ist sehr nett, danke", antwortete die Elfe. Sie hatte keine Lust ihre Waffen abzugeben, denn würden sie sie durchsuchen würden sie verdächtig viele Messer finden. Und es war auch nicht schlau hier zu bleiben. Wer wusste schon, ob dieses Dorf am Morgen noch stand, oder von der Armee der Toten überrannt wurde. "Wir werden uns noch heute auf den Weg machen", sagte sie also und hoffte, dass Larn nichts dagegen auszusetzen hatte. "Wo ist die Heilerin? Es wäre wirklich nett, wenn sie mir helfen könnte", fügte sie mit einem Lächeln hinzu.

"Hier lang", antwortete der Enkel und führte sie die Treppe rauf.
"Soll ich so lange hier warten?", fragte Larn. Er war unsicher, ob er mitkommen durfte oder nicht.
Aber dass sie noch heute weiterziehen würden, empfand er nicht als falsch. So ganz behagte ihm die Situation nicht, auch wenn er nicht dachte, dass die Dorfbewohner ihnen gegenüber feindlich gesonnen waren...aber gut, man konnte nie wissen.

"Es sollte nicht lange dauern", meinte Nala und folgte dem jungen Mann hinauf. Er klopfte an die Tür des ersten Raumes und eine junge Frauenstimme bat sie einzutreten. "Das ist Fabrizia", stellte er sie Nala vor. "Sie ist die Assistentin der Helerin... und das ist..." - "Oh, Verzeihung, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Man nennt mich Nala", sagte Nala leicht beschämt. "Sie ist auf der Durchreise. Kannst du ihr helfen?" - "Natürlich", antwortete Fabrizia. Als Erik, der Mann, das Zimmer verlassen hatte und die Tür ins Schloss gefallen war entspannte sich die Heilergehilfin ein wenig. "Ihr seid verletzt?", fragte sie. Nala nickte und nahm den dreckigen Stofffetzen ab, den sie als Verband gebraucht hatte, zog sich die zerrissene Tunika über den Kopf und nahm die Restlichen Verbände ab, die allesamt Fetzen ihrer Kleidung waren. Fabrizia schnappte nach Luft. "Wie.." - "Wir gerieten an einen Trupp Söldner in der Nacht. Sie hatten uns angegriffen und mich dann eine Böschung hinunter geworfen", unterbrach sie die Elfe, um ihre Verletzungen zu erklären. Die Frau schluckte schwer und nickte. Sie wusste viel, wie Nala feststellte, die Wunden waren schnell gereinigt, versorgt und genäht. "Wieso herrscht eine so erdrückte Stimmung im Dorf?", fragte die Elfe, als Fabrizia sie verband. "Es... es herrscht Krieg und man fürchtet jeden Augenblick überfallen zu werden", sagte das Mädchen. Nala nickte nur.

Er trat nervös von einem Bein aufs andere, während er in der großen Halle wartete. Nach kurzer Zeit kamen die Männer wieder und brachten ihnen den Proviant. Larn bezahlte, er hatte für seinen Auftrag ein bestimmtes Budget erhalten und verstaute die Sachen in der Tasche.
"Seid ihr aus dem Süden?", ertönte da eine Stimme.
Er drehte sich um. Ein junger Mann mit Kapuze und strubbeligen Haaren saß Pfeife rauchend in einer Ecke im Schatten, die Füße hochgelegt.
"Ja, wieso?", fragte Larn, überrumpelt von dieser Person, die er vorher nicht gesehen hatte.
"Wie ein Krieger seht ihr nicht gerade aus. Es heißt, im Süden würde ein mächtiges Königreich mit starken Kriegern liegen, aber ihr...was macht ihr hier?"
Der Knirps war etwas frech. Larn tippte ihn auf Anfang zwanzig. Aber er durfte hier im Dorf keinen Ärger machen, er musste ruhig bleiben.
"Was ich hier mache geht dich nichts an und wo ich herkomme auch nichts", antwortete er knapp.
"Oho, verstehe", kam es zurück, "der mysteriöse Reisende. Der Klassiker."
Langsam reichte es ihm mit diesen frechen Antworten.
"Und du", sagte er, "bist der Jüngling, der sich für cool und stark hält, aber in einer Schlacht als Erster fliehen würde?", fragte er höflich zurück.
Das schien den anderen seinerseits zu verärgern. Immerhin.

"Wer ist der Lange Arm?", fragte sie die Nachwuchsheilerin, bevor sie den Raum verliess. "Niemand. Wieso... wie kommt dir auf einen solchen Namen?", stotterte diese. "Wir wurden gefragt ob wir von ihnen geschickt wurden, bevor wir ins Dorf gelassen wurden", antwortete die Elfe und musterte das Mädchen. Das war also der Grund für die Angst im Dorf. Der Lange Arm. Es ging sie eigentlich nichts an, aber Nala hasste Gruppen von Leuten, die anderen ihren Willen aufzwangen. "Ihr müsst keine Angst haben, es mir zu sagen. Ich will nur wissen, wem ich aus dem Weg gehen muss", fügte sie hinzu. Fabrizia seufzte. "Sie sind eine Gruppe Männer aus einem nahe liegenden Dorf. Allesamt Krieger und seit einiger Zeit kommen sie alle par Tage her, um irgendwas einzufordern. Letztes Mal nahmen sie uns alle Pferde. Der Dorfälteste will kein Blutvergiessen, also gibt er ihnen was sie verlangen", erklärte sie schliesslich. "Wie viele sind es denn?", hakte die Elfe nach. "Ich weiss nicht genau. Am Anfang kamen an die dreissig Mann, allesamt vermummt. Die Sachen holen sie aber immer zu viert." Nala bedankte sich und wollte die Heilerin bezahlen, doch diese winkte ab und gab ihr noch eine Schachtel mit, in der sie die nötigsten Sachen zur Wundbehandlung gelegt hatte.
Als Nala die Treppe hinunterstieg sah sie wie Larn sich mit jemandem unterhielt. Dann bemerkte sie den jungen Mann im Hintergrund. Er stand jetzt und schien nicht sonderlich erfreut zu sein.

"Vorsichtig. Ich könnte dich in ein paar Sekunden zur Strecke bringen", drohte der Jüngling flüsternd.
Er hatte ja ein sehr ausgeprägtes Ego.
"Ich dachte, ihr sucht keinen Ärger im Dorf? Wieso dann gleich so ausfallend werden?", antwortete Larn.
Er war ein ganz passabler Kämpfer, hatte die Soldatengrundausbildung und ein paar weitere Spezialausbildungen absolviert und verstand sich auf manche Tricks, er hatte keine Angst vor dem Jüngling. Aber er wollte auf gar keinen Fall einen Kampf in diesem Dorf riskieren."
"Wer sagt denn, dass ich zu diesem Dorf gehöre?", fragte der Jüngling mit knurrender Stimme.
"Niemand. Lass gut sein, ich glaube dir, dass du ein guter Kämpfer bist, nur solltest du lernen ruhiger zu bleiben und einen höflicheren Ton verwenden", sagte Larn beschwichtigend. Er hätte dem anderen gerne eine Lektion erteilt, wobei es stimmen könnte, dass der andere stärker war als er. Zumindest im Schwertkampf vielleicht oder als Waldläufer geschickter. Er könnte faires Armdrücken vorschlagen, sollte der andere nicht nachlassen.
"Mein Ton ist ganz allein meine Sache, Fremder", antwortete der Jüngling und setzte sich wieder in seine Ecke. "Und ihr solltet euch lieber von mir fernhalten, bevor noch was passiert."
Wütend drehte Larn sich um und ging zur Treppe zurück. Da kam ihm auch schon Nala entgegen.
Er grübelte immer noch über den jungen Mann in der Ecke. Er hatte sich merkwürdig verhaLten. Gar nicht wie ein eingeschüchteter Dorfbewohner. Und was sollte seine Anspielung? Wer war er überhaupt? Fragen über Fragen, aber er wollte nicht nachfragen, obgleich es ihn doch sehr interessierte.

"Wer ist das?", fragte Nala und nickte in Richtung des Mannes in der Ecke. "Haben wir Ärger am Hals?"