RE: Die Wilden Landen (nördlich des Tsar)
in Dreitan - das Spiel 28.09.2015 00:37von Ro Raven •

Veray nahm Jirakha das Versprechen ab, dass sie für einmal auf Orwl aufpasste, und liess sich volllaufen und später wusste er nichtmehr genau, wie es dazu gekommen war, aber irgendwann ging im Lesir so auf die Nerven, dass er ihm eine Schlug, was Lesir zum Anlass nahm, ihn zu einem Faustkampf herauszufordern. Veray spuckte aus, schnallte wortlos seine Rüstung auf und liess sie zu Boden fallen, während die Barbaren einen Ring um sie bildeten.
Lesir stellte sich ihm gegenüber auf, die Fäuste erhoben. Veray realisierte, dass sich bereits alles vor seinen Augen etwas drehte, aber es war ihm egal. Genau genommen war es ihm sogar egal, wenn er den Kampf verlor - wenn er wirklich nachdachte, ging er ohnehin davon aus - aber er fühlte sich scheisse, und irgendwie half der Alkohol nicht. Lesir lächelte, dann öffnete er den Mund und brüllte: "Racka!!"
Veray starrte ihn an und ballte die Fäuste, dann holte er Luft, was in seine Lungen ging und brüllte zurück: "TACKA!"
Lesir blickte einen Moment überrascht drein, dann grinste er. "TACKA!"
"TACK!", schrie Veray zurück und einen Moment lang realisierte er, dass es gut tat, zu schreien, dann trafen sie aufeinander.
Eine Weile später hing Veray mit blutiger Nase und einem blauen Augen an irgendeinem Tisch. Er trank weiter. Alles drehte sich. Er musste pissen... Fand irgendwie den Weg nach draussen. Irgendwie den Weg nicht mehr zurück. Bei den Runen, er war viel zu blau. Er lehnte sich mit dem Rücken an eine Hauswand und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Nachdenken! Wie bist du hier hingekommen? Wieso? Wo bist du überhaupt? Scheisse, er hatte keine Ahnung. Er wollte schlafen. Schlafen war eine gute Idee. Er liess sich zu Boden fallen und rollte sich zusammen. Alles drehte sich. Er wünschte sich, Ran wäre da und würde ihn zu Bett bringen. Ojeh...
Er lag in einem Raum, auf einer Decke. Da war Licht. Alles um ihn drehte sich und ihm war schlecht, aber nicht so schlecht, wie er erwartet hätte. Vor ihm brannte ein Feuer. "Es ist keine gute Idee, Veray", sagte eine singende Stimme auf der anderen Seite des Feuers.
Er zuckte beinahe zusammen als er den Namen hörte. Ausser Jirakha sprach ihn keiner der Barbaren so an. Er bezweifelte, dass sie überhaupt kapiert hatten, dass er so hiess. Die Flammen verzerrten das Gesicht der sprechenden Person, aber er hatte das vage Gefühl dass er wusste wer sie war, allerdings nicht wieso.
"Es ist keine gute Idee", sagte sie erneut und sah ihm tief in die Augen.
"Wieso?", fragte er.
Alles verschwamm vor seinen Augen.
Er stand in einer Arena aus rotem Stein. Drei Gestalten standen ihm gegenüber. Eine Frau aus goldenem Licht, mit Ranken von Blumen , die sich um ihren Leib wanden und wieder zerfielen. Nauma. Der Drache daneben, silbern und ernst. Und die dritte... schien verschwommen. Er erkannte keine Form, kein Gesicht, nur Dunkelheit und eine Klinge. Du weisst es, flüsterte jemand. Du weisst es.
Ein Schlag ins Gesicht holte ihn zurück. "Du weisst, dass es nicht gut ist. Du weisst es."
Er verzog das Gesicht. Natürlich wusste er es. Aber...
"Es bringt nur Unglück."
Er blickte das Mädchen an. Weisst du, wie es ist, nur zusehen zu können, und nichts zu tun, wenn die Person, die du mehr liebst als dein Leben, droht zu sterben?
"Wenn du es tust, wird sie dich hassen."
Er schloss die Augen. Lieber sie hasst mich, als sie ist tot.
"Du hilfst ihr nicht damit!"
Er fing an zu schluchzen. "Ich will... ich will doch nur..."
"Tu es nicht."
Er ballte die Hände zu Fäusten und schlug auf die Wolldecke. "... ich kann nicht..."
Dann dämmerte er wieder weg in Dunkelheit.
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RE: Die Wilden Landen (nördlich des Tsar)
in Dreitan - das Spiel 01.10.2015 16:27von Ro Raven •

Anderthalb Wochen später erreichten sie Trigar's Stammburg. Der Frühling, der während der Reise zwischenzeitlich hereingebrochen war, hatte sich wieder verabschiedet, und Schnee lag auf der Steppe, um die trutzigen, steinernen Mauern. "Irgendwie schade, dass ich dieses Land nur im Winter sehe", meinte Veray, als sie darauf zuritten. "Muss schön sein im Sommer."
"Ist es", nickte Lesir und sah ihn an. Er lenkte sein Pferd mit den Knien, die Zügel lagen lose auf dem Sattel. "Schön und frei." Seine Augen blitzten und er breitete die Arme aus. "Mit einem endlosen, blauen Himmel und ohne Grenzen."
Veray erwiderte seinen Blick. Gibt es eigentlich irgendein dämonisches Klischee, das du nicht erfüllst, Junge?
Er wandte die Augen ab und liess sie über das Land schweifen. Er fragte sich, ob es ihm hier gefallen hätte, währen die Umstände andere gewesen. Er jünger... oder Ran dabei... weniger Menschen... keine Aufgabe, die jederzeit damit enden konnte, dass er abgestochen wurde. Vielleicht. Lesir hatte Recht. Es war ein freies Land. Aber ihre Heimat waren die Berge. Und dennoch... er fragte sich ehrlich, ob es eigentlich irgendetwas gab, was ihn nach Drez zurücklockte. Er wünschte sich aus ganzem Herzen, dass dieser beschissene Winter endlich zu Ende ging, um Ran endlich wieder zu sehen, aber wollte er nach Hause zurückkehren? Was war Drez? War die Schwarze Festung? Sein Clan, seine Familie. Er hätte beinahe geschnaubt. Diese Familie war eine Ansammlung von Hass und Intrigen, nichts was irgendjemand vermisst hätte. Vermutlich könnte er anderswo ein viel besseres, glücklicheres Leben führen. Nur mit Ran und Verdash. Ein eigenes Leben, ohne Vakra, ohne den Clan, ohne...
Es fühlte sich falsch an. Ich bin zu alt, realisierte er. Politik und Pflichtgefühl hatte ihre Klauen zu tief in ihn geschlagen. Für ein paar Monate, ein Jahr verschwinden, ja. Aber einem halben Leben von sechzig Jahren für immer den Rücken zu kehren und nicht mehr daran zu denken, konnte er nicht. Sein Blick wanderte zurück zu Lesir, der lächelnd in den Himmel blickte, und einen Augenblick lang schrie alles in ihm danach, ihn zu warnen. Ihn am Kragen zu packen und anzuschreien: Kehr nicht zurück, Lesir! Bleib hier! Hier bist du frei. Egal wenn es Menschen sind. Komm nicht mit, wenn ich gehe! Ich kann es nicht mehr. Mach nicht dieselben Fehler wie ich! Bleib hier!
Er unterdrückte den Impuls und wandte den Blick ab. Wieso schweigst du?, fragte eine kleine, böse Stimme in seinem Hinterkopf. Weil du dich nicht über Vakra's Befehl stellen kannst? Dass ich nicht lache. Du willst nur nicht, dass es ihm besser geht. Du verlogener, eiversüchtige Drecksack. Er verzog wütend das Gesicht und brachte die Stimme zum Schweigen. Es ist sein Leben, nicht meins.
Als Veray in die Halle des Takr trat schlug ihm Trigar's zornige Stimme entgegen. Er brauchte nicht lange, um herauszufinden was der Grund dafür war. In der Mitte des Raumes stand ein Egraz. Und Trigar's Worten nach, war er nicht eben erst angekommen, sondern hatte sich bereits vor über zwei Wochen in Abwesenheit des Takr in dessen Festung eingeschlichen. Trigar schleuderte eine Salve an Verwünschungen gegen seine verräterischen Untertanen, die ängstlich den Kopf einzogen, als er sie anstarrte, und wandte sich dann wieder dem Mann zu, der bis anhin bemerkenswert ruhig geblieben war, dafür, dass ein verrückter Barbar mit einem Schwert in der Hand um ihn herumfuchtelte. Für einen Moment lang schienen dem Takr die Luft und die Anschuldigungen ausgegangen, und der Falke sagte leise einige beschwichtigende Worte, doch das brachte Trigar nur erneut zum Explodieren. Er trat einen schnellen Schritt auf den Schützen zu und packte ihn am Kragen. Veray realisierte aus dem Augenwinkel wie Lesirs Hand zum Säbelknauf fuhr, und alles in ihm spannte sich an, aber der Takr riss den Egraz zur zu sich und brüllte ihm ins Gesicht, bevor er ihn zu Boden stiess und anschrie, dann solle er halt bleiben, aber es bloss nicht wagen, sich noch einmal hier in der Halle blicken zu lassen!
Darauf drehte er sich und marschierte schnurstracks zu seinem Thron, während der Falke sich aufrappelte und mit einer leisen Enschuldigung, die von Trigar mit einem "Halts Maul!", beantwortete wurde, zwischen den umstehenden Leuten, die ihm eilig Platz machten, zur Türe schritt.
Trigar setzte sich, nahm die Hand seiner Frau, die auf dem Stuhl neben ihm Platz genommen hatte, und befahl, man solle ihm gefälligst etwas zu Essen und zu trinken bringen. Veray wandte sich um und sein Blick begegnete der kleinen Elfe, die mit einer unauffälligen Handbewegung ihre Nadeln zurückschob. Offenbar war er nicht der einzige gewesen, der bemerkt hatte, was für einen Moment in der Hand des Egraz aufgeblitzt hatte.
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RE: Die Wilden Landen (nördlich des Tsar)
in Dreitan - das Spiel 03.10.2015 02:35von Ro Raven •

Später an diesem Abend lehnte er mit einem Bier in der Hand an der Wand der Halle und musterte das Treiben. Die Zuhausegebliebenen machten Trigar ihre Aufwartung und beglückwünschten ihn zu seinen Eroberungszügen. Orwl sass missmutig am Tisch und starrte vor sich hin, bewacht von Dreqi. Jirakha schäkerte mit einem viel jüngeren Barbaren. Lesir erzählte Gestenreich einen Witz. Vom Egraz war nichts zu sehen. Das Elfchen lehnte sich neben ihn an die Wand.
Er trank einen Schluck Bier. "Was hältst du vom Egraz?"
Sie zuckte mit den Schultern. "Wieso?"
"Weiss er, wer du bist?"
"Vermutlich", antwortete sie, mit einem Tonfall, der klar machte, dass sie keine weiteren Nachfragen in diese Richtung wollte.
Veray senkte die Stimme. "Was glaubst du, wollte er Trigar abstechen?"
"Er wollte vermutlich eher dafür sorgen, nicht selber abgestochen zu werden", erwiderte sie trocken.
"Trigar hatte sein Schwert dazu völlig falsch in der Hand."
"Dein lieber Trigar ist aber völlig verrückt", gab sie zurück. Sie schien nicht die beste Laune zu haben.
"Ich weiss", antwortete er nur knapp und leerte seinen Krug, bevor er von der Wand weg trat. Es wurde Zeit, sich einen Weg einfallen zu lassen, wie er hier weg kam, ohne die halben Barbarenlande an den Fersen zu haben. Er hatte da so eine Idee...
Die Jagd hatte sie weit von der Festung weggeführt. Lesir und Karani ritten voran, wobei Karani den Spuren folgte und ab und an Lesir mit einem tadelnden Blick dafür strafte, dass er nur Blödsinn im Sinn hatte und halsbrecherisch auf dem Sattel herumturnte - was ihm aber ziemlichen Respekt bei den jüngeren Barbarinnen in der Gruppe verschaffte, ihren Blicken nach zu Urteilen. Veray hatte es aufgegeben, ihn dafür zu schelten, wenn er sich später seine Belohnung abholen würde, und beschränkte sich darauf, es zu missbilligen und die Runen zu beschwören, dass es nicht noch einen Bastard gab - wobei es ihm immer noch lieber war, Lesir zeugte einen zweiten, als dass eines Tages einer von ihm auftauchte. Er knirschte mit den Zähnen und verdrängte den Gedanken.
Die Frau des Takr war diesmal dabei auf der Jagd. Veray hatte vorgeschlagen, dass sie sie begleiten solle, falls es ihr zusagte, und als Trigar nur mit den Schultern gezuckt hatte, hatte sie begeistert eingewilligt, und Veray gratulierte sich dazu, die Zeichen richtig erkannt zu haben. Das Mädchen mochte das Leben einer Prinzessin führen, voller Luxus und ohne Anstrengung, was eine Seltenheit war unter den Barbaren, aber es war ein furchtbar langweiliges Leben, und ihr Geist war keineswegs so beschränkt, wie ihre Stille, passive Art im ersten Blick hätte glauben lassen können. Ausserdem war sie Schwanger mit Trigars erstem Kind, und wenn er das in ein, zwei Monaten erfuhr, würde er sie vermutlich gar nicht mehr aus der Festung lassen bis zur Niederkunft. Und trotz all der Würde, die sie aufbrachte in seiner Begleitung, war sie doch nur ein Kind.
Sie folgten den Spuren bis zu einem Bachlauf, wo sie das Wild schliesslich aufspürten und erlegten zwei junge Rehböcke, aber als sie dabei waren, sie auszunehmen, gab plötzlich jemand ein Warnsignal. Veray sprang auf und sah eine Gruppe Reiter über die Ebene reiten, nicht auf sie zu, sondern in Richtung Osten. Sie waren bewaffnet und an ihren Speeren flatterten die roten Stoffstreifen des Kriegs. Trigar hatte sie ebenfalls gesehen, und bevor irgendjemand ihn daran hintern konnte, war er auf sein Pferd gesprungen und preschte los, ihnen den Weg abzuschneiden. Der Rest der Truppe schwang sich fluchend in die Sättel und folgte ihm.
Lesir war der einzige, der ihn einholte, bevor sie die andere Gruppe erreichten, und Veray, der erst Trigar's Frau in den Sattel geholfen hatte, kam obwohl sie ihn anherrschte, nicht auf sie zu warten, fast als letzter, so dass er die ersten Worte nicht verstand, die gewechselt wurden. Auch so war die Feindseeligkeit mit Händen zu greifen.
"Das werdet ihr bereuen!", brüllte Trigar. "Niemand dringt in Trigars Land ein, ohne seine Erlaubnis!"
Der feindliche Anführer schien kurz die Stärke der beiden Truppen abzuschätzen und zum Schluss kommen, dass seine in der Überzahl war, denn er meinte spöttisch: "Wenn ich dich wäre, oh starker Trigar, dann würde ich lieber nach Hause rennen mit deiner Truppe von Kindern und alten Frauen."
Trigar brüllte und liess eine Salve von Beleidigungen los, dann zog er sein Schwert und die gegnerische Truppe ging zum Angriff über.
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RE: Die Wilden Landen (nördlich des Tsar)
in Dreitan - das Spiel 09.11.2015 00:21von Ro Raven •

Lesir war an vorderster Front, aber Veray machte sich keine grossen Sorgen um ihn. Erstens war Lesir, solange er nicht idiotisch aus dem Sattel fiel oder von einer Armbrust getroffen wurde, vermutlich fähiger sich zu verteidigen, als so ziemlich alle anderen Anwesenden, zweitens war Jirakha vorne bei ihm, und sie war schnell und tödlich mit ihrer Schnurklinge, und obwohl sie kaum vor etwas Angst zeigte, war sie niemand, der unnötige Risiken einging - vermutlich musste man so sein, um als Frau allein in den Barbarenlanden über dreissig zu werden.
Zu Trigar konnte er im Getümmel nicht durchdringen und so lenkte er sein Pferd nach rechts, um die Flanke zu schützen, während er die Doppelklinge vom Rücken zog. Vom Pferderücken konnte er sie zwar kaum anders einsetzen als als Lanze, aber sie gab ihm Reichweite. Aus dem Augenwinkel sah er Trigars Frau etwas weiter zurück ihr Pferd zügeln, um aus dem Kampfgetümmel wegzubleiben, und winkte ihr hastig aufzuschliessen, denn bereits lösten sich zwei Reiter aus der Truppe der Gegner um sie abzufangen und vom Rest zu trennen. Sie reihte sich hinter Veray ein und die beiden drehten ab, als sie der einen Spitze seines Doppelspeers entgegenblickten.
Der Kampf war hitzig und chaotisch. Noch während sich Veray wieder nach vorne drehte, sah er ihrendeine Klinge auf sich zukommen, duckte sich tief über den Hals seines Pferdes, um ihr zu entgehen und durchbohrte ihren Träger mit seiner Waffe. Das Gewicht des Mannes riss ihn einen Moment lang beinahe aus dem Sattel als er zu Boden fiel, bis die Doppelklinge freikam. Er schwang sie hoch über dem Kopf und riss sie hinunter auf einen weiteren, aber der fing sie ab mit seinem Schild und stiess schnell vorwärts. Veray fing einen Axthieb mit dem Speerschaft ab, aber der andere stiess unerwartet erneut mit dem Schild und traf Veray vor die Brust, wobei er ihm den Doppelspeer einklemmte. Ohne auf den Schmerz an seinem Schienbein zu achten, liess Veray den Schaft mit einer Hand los, riss seinen Dolch aus dem Gürtel und rammte ihm dem Barbaren am Schild vorbei zwischen die Rippen, bevor er sein Pferd rückwärts trieb und den Mann dabei aus dem Sattel riss. Dessen verängstigtes Pferd stieg und schlug um sich und holte dabei einen von Trigars Kämpfern aus dem Sattel, bevor es herumdrehte und mit weit aufgerissenen Augen davonpreschte.
Sofort drang einer der Gegner in die entstehende Lücke und hielt auf Trigars Frau zu. Veray wirbelte die nun wieder frei Doppelklinge mit einer Hand und trennte ihm mit einem Schlag sauber den Kopf vom Rumpf. Er nahm seinen Platz wieder ein und fuhr herum, als er erneut Reiter um die Gruppe preschen sah. Es waren zwei Pferde und das eine davon trug zwei Reiter, aber noch bevor er genaueres erkennen konnte, fiel einer von ihnen aus dem Sattel, der zweite riss die Zügel an sich, das Pferd herum und schlitzte den Verfolger auf. Lesir. Er hatte keine Zeit länger hinzusehen, den zwei Barbaren stürzten sich auf ihn. Er biss die Zähne zusammen, rammte einem mit beiden Händen den Doppelspeer durch den Lederharnisch in den Bauch und rollte sich aus dem Sattel um dem Angriff des zweiten zu entgehen. Er fiel unsanft, aber sein Pferd war schlau genug, nicht auf ihn zu trampeln, als er taumelnd unter ihm auf die Knie kam udn an seinen Vorderbeinen vorbei nach dem Oberschenkel des zweiten Angreifers stach. Er traf und nagelte ihn einen Moment lang am Sattel fest, bevor er sich ganz aufrichtete, die Klinge freiriss und ihm mit einem Schlag von oben den Brustkorb aufschlitzte.
Mit einem Fuss im Steigbügel schwand er sich zurück in den Sattel, denn er wollte in diesem Chaos nicht zwischen all den Pferdehufen bleiben, aber bevor er wirklich sass, krachten einige Angreifer, die sie umgangen hatten, von hinten in die Truppe und warfen sie nach vorne. Er hielt sich knapp im Sattel, aber das Pferd des Mädchens neben ihm strauchelte über einen der Gefallenen und stürzte. Ohne Nachzudenken liess er seine Waffe los, streckte sich und erwischte sie gerade noch, um sie hochzureissen, bevor sie unter dem Sattel eingeklemmt wurde. Ächzend hob er sie vor sich auf den Pferderücken und drückte ihr ohne Federlesens die Zügel in die Hand, bevor er sich selbst wieder hinunter schwang, um seine Doppelklinge zurückzuholen. Sorry, Mädchen, aber ich kann dich nicht draufgehen lassen, ich brauch dich noch.
Er riss die Klinge aus dem Dreck und zog sie hoch in einem weiten Bogen. Bis jetzt hatte er nur gegen die Reiter gezielt und die Pferde verschont, aber vom Boden her leistete er sich diesen Luxus nicht mehr und das Blut spritzte. Als die feindlichen Kämpfer sich irgendwann abwandten und zur Fluch übergingen, waren seine Hände und Arme tiefrot. Er hörte seinen eigenen, keuchenden Atem und realisierte, dass seine Knie zitterten. Als Lesir vor ihm auftauchte und ihm eine Hand reichte, um ihn zu sich aufs Pferd zu ziehen, musste er zweimal greifen, um nicht abzurutschen, denn das Blut machte seine Hände glitschig.
"Alles ok?", fragte Lesir.
Veray nickte und schluckte. "Bei dir?"
Er nickte zurück und trieb das Pferd an, um nicht hinter Trigar zurückzufallen, der sich an die Verfolgung gemacht hatte. Veray drehte sich zu dem Mädchen um, das ein Stück neben ihnen ritt. Sie war blass, schien aber unverletzt. Als sie seinem Blick begegnete, öffnete sie den Mund und wisperte: "Danke!", eine Hand schützend auf ihren Bauch gelegt.
Sie holten sie nicht ein und schliesslich gelang es Veray, Trigar davon zu überzeugen, dass es der Sicherheit seiner Frau nicht zuträglich war, ohne Verstärkung und mit so wenig Unverwundeten in Feindesland einzudringen. Als sie zurück in die Festung kehrte war es bereits Nacht. Als Veray sich aus dem Sattel hinter Lesir schwang und auf dem linken Fuss landete, gab sein Knöchel nach.
"Dackash", fluchte er mit zusammengebissenen Zähnen und liess sich von Lesir hochziehen.
"Doch wieder verletzt?", fragte der.
"Scheint so", knurrte Veray. Von meiner eigenen Klinge. Wie bescheuert.
"Ich diesmal auch", meinte Lesir und klappte seine linke Schulterklappe hoch. Darunter kam ein tiefer Schnitt in der blutgetränkten Polsterung zum Vorschein.
Veray verpasste ihm einen Schlag gegen den Hinterkopf. "Nur weil ich zu blöd bin, etwas zu sagen, wenn ich verwundet bin, musst du es mir nicht Nachmachen, Idiot."
Lesir kicherte und verzog das Gesicht.
Wenig später sassen sie in einem Langhaus und liessen sich von Jirakha wieder zusammenflicken. Lesir hatte bereits zwei Bier intus und klammerte sich an einem Trägerpfosten fest, um still zu halten, als sie seine Schulter nähte, und kaum hatte sie den Verband befestigt und ihm noch einen Klaps verpasst, stand er auf und schwankte hinaus. Veray folgte ihm kurze Zeit später, als sie die Wunde an seinem Schienbein versorgt hatte - man musste sie nicht nähen, das Stiefelleder hatte das meiste abgefangen.
Ihm war nicht danach sich zu betrinken, und so sass er am Rand der ohnehin schon ziemlich schläfrigen Halle, mit einem einsamen Krug Bier. Es dauerte eine Weile, bis sie auf ihn zukam und sich ihm gegenüber auf eine Bank setzte. Sie trug ein Nachthemd und sah damit mehr denn je aus wie ein kleines Mädchen. "Ich will dir nochmal danken", sagte sie leise.
Er winkte ab.
"Du hast mein Leben verteidigt", beharrte sie. "Wenn du etwas möchtest, als Zeichen meines Dankes, dann kann ich dafür sorgen, dass du es bekommst."
Er schüttelte den Kopf und trank einen Schluck von seinem Bier. Die Münzen, die Jirakha ihm in die Haare geflochten hatten, klimperten leise. "Ist schon ok."
Sie runzelte die Stirn. "Ich würde wirklich gerne... du verstehst vielleicht nicht, wie wichtig...Du hast nicht nur mein Leben..." Sie stockte.
"Ich weiss", sagte er nur.
Sie wirkte erschrocken. "Wie...?"
"Ich bin nicht blind", sagte er, und nach einer kleinen Pause leise: "Ich weiss, wie es ist, nicht nur um sein eigenes Leben zu fürchten. Wenn auch natürlich nicht... so." Er grinste schwach.
Sie sagte nichts, sondern sah ihn nur an. Er nahm es als Aufforderung zu sprechen. "Ich habe ein Kind", sagte er leise. "Einen kleinen Sohn. Vier Monate. Nein, fünf jetzt. Und eine Frau." Seine Stimme brach, und er brauchte es nicht zu spielen. "Ich würde sterben, um sie zu schützen", flüsterte er und fuhr sich übers Gesicht, um die Tränen zurück zu halten, als er an Ran dachte, wie sie auf dem Gestell lag, mit so viel Blut. Seine Stimme war kaum noch hörbar. "Ich wünschte, ich könnte zu ihnen, nach Hause."
Er schluckte und hob den Blick. Das Mädchen sah ihn an. Er grinste schief. "Sorry. Sind nicht deine Probleme. Ich wollte nur sagen: betrachte es als ich hab es getan, weil ich weiss, was es dir bedeutet."
Sie nickte. Dann stand sie auf und ging.
Später setzte sich Jirakha zu ihm. "Hängst du plötzlich an der Kleinen, oder was?"
Er zuckte mit den Schultern. "Mit einem Typen wie Trigar verheiratet zu werden ist schlimm genug, ohne dass man dafür umgebracht wird."
Jirakha schnaubte und trank von ihrem Bier. "Gibt schlimmere als ihn."
"Aber nicht viel", meinte Veray.
"Oh doch", antwortete Jirakha und spuckte aus. "Meiner war schlimmer."
Veray sah sie überrascht an. Jirakha hatte nie über ihre Vergangenheit gesprochen.
Sie grinste und zeigte ihre Zähne dabei. "Starr mich nicht so an. Ich weiss dass das paar Jährchen her ist. Aber ich war auch mal so ein Püppchen. Hübsch herausgeputzt und verschachert." Sie zischte.
Er sah sie weiterhin an und legte dabei den Kopf schräg.
Sie trank einen Schluck und spuckte erneut aus. "Weisst du, wie beschissen es ist, Prinzessin zu spielen, wenn du nichts bist als eine Sexsklavin?" Ihre Stimme klang heiser.
Er schüttelte den Kopf. Dann fragte er, einer plötzlichen Eingabe folgend: "Hast du ihn getötet?"
Sie lachte trocken. "Nein. Das haben andere getan. Und danach war ich gar nichts mehr wert. Wie ein Fetzen Stoff der zerrissen ist." Sie trank weiter.
"Wieso wurdest du verbannt?"
"Weil ich einen seiner Nachfolger umgelegt habe, als er sich mit paar anderen an mir vergreifen wollte."
Er dachte einen Moment lang nach. "Ich dachte, wenn man einen Takr umlegt, wird man Takr."
Sie schnaubte in ihr Bier. "Wenn du ein Mann bist, ja."
Er schwieg.
Sie wischte sich den Schaum vom Mund. "Weiss nicht, ob du das kapiert hast. Aber ich hab mich nicht an dich gehängt, weil du mir auf Anhieb sympathisch warst, sondern weil ich als dein Eingentum besser dran bin, als als Freie."
Ihm wurde klar, dass sie betrunkener sein musste, als er zuerst angenommen hatte, aber er sagte nichts, sondern liess sie weiter reden.
"Weil sich keiner an mir vergreifen will, wenn sie damit rechnen müssen, dass sie danach dich im Rücken haben - die haben echt Schiss vor dir, weisst du. Nicht, dass ich mich nicht verteidigen könnte. Aber dass ich diese Scheiss Bastarde umgebracht habe, war der Grund, wieso ich da draussen war, verbannt, geächtet in allen Festungen." Sie leerte ihren Krug. "Das Leben das ich in deinem Gefolge führ ist besser als irgendwas seit ich zwölf war."
Er sah sie an, und verspürte einen Stich der Schuld.
Sie grinste, als hätte sie es gesehen. "Keine Sorge. Ich weiss dass du bald abhaust. Und dass du mich kaum mitnehmen willst. Nachher sitz ich halt wieder in der Scheisse. Aber dreieinhalb Monate sind besser als nix."
Sie wollte einen Schluck trinken, stellte fest, dass nichts mehr im Krug war, und stand auf, um sich einen neuen zu holen.
Veray sah ihr nach mit gerunzelter Stirn.
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RE: Die Wilden Landen (nördlich des Tsar)
in Dreitan - das Spiel 19.11.2015 20:53von Ro Raven •

Am nächsten Morgen wurden sie alle noch im Morgengrauen aus den Betten gerissen vom Ruf eines Horns. Trigar ritt auf seinem Pferd auf dem zentralen Platz im Kreis, sein Schwert über dem Kopf schwingend, und rief nach Krieg, während seine Gefolgsleute verschlafen und verkatert aus den Langhäusern gekrochen kamen. Offenbar hatte er herausgefunden, was die Truppe vom Vortag auf seinem Gebiet zu suchen gehabt hatten: sie waren auf der Heimkehr gewesen von der Plünderung eines seiner Dörfer. Und das forderte Rache.
Veray behielt seine kühle Maske gegenüber Trigar, aber kaum war er zurück im Langhaus, um seine Sachen zu packen, fluchte er und stiess den Kopf gegen einen der Stützbalken. Das konnte er jetzt nicht brauchen. Nicht jetzt. Er hatte die Kleine fast so weit. Und in weniger als zwei Wochen war Neujahr. Und er würde Ran wieder sehen. Jetzt noch in den Krieg ziehen... Ihm wurde klar, dass er Angst hatte. Angst, dass etwas passierte. Dass er nach drei Monaten, die irgendwie überlebt hatte, und nachdem er Orwl allen Widerständen zum trotz gefangen hatte, in dieser verdammten letzten Woche draufging, nur weil Trigar seine Rache wollte. Dass er Ran nicht mehr wieder sah. Das war das schlimmste. Nicht dass er tot sein konnte, und dass es vermutlich höllisch wehtat zu sterben, sondern die Vorstellung, sie für immer zu verlieren, jetzt, wo ihn nur noch so wenig davon trennte wieder bei ihr zu sein. Er versuchte tief durchzuatmen. Dann richtete er sich auf. "Wir gehen. Sofort."
"Wohin?", fragte Lesir ahnungslos.
"Nach Tanue."
"Aber es ist noch nicht Neujahr", antwortete Dreqi.
"Das ist mir egal."
Das Elfchen musterte ihn. "Wie wollen wir uns jetzt aus dem Staub machen, ohne dass er uns verfolgen lässt?"
Er liess sich auf eines der Betten fallen und stützte den Kopf in die Hände. "Ich weiss es nicht..."
Wenn sie jetzt gleich gingen, während alles sich mobilisierte, war völlig klar, dass sie Trigar verrieten. Aber nachher in der Truppe konnten sie sich kaum mehr von den anderen Lösen - also Lesir und die anderen ja, unter dem Vorwand, das Gelände aufzuklären, aber ihn würde Trigar an der Seite haben wollen...
Bevor er eine Lösung für das Problem gefunden hatte, trat eine Barbarin ins Langhaus. "Jemand will dich sprechen, Dartala!"
Er stand ohne zu antworten auf und folgte der Frau. Sie brachte ihn in einen der Räume die an die Haupthalle angrenzte. Ein kleines Feuer brannte dort, und die Frau des Takr wartete auf ihn. Als er Eintrat, blickte sie auf. "Ich weiss, dass du nicht mehr kämpfen willst."
Er gab keine Antwort und es gelang ihm, seine Überraschung zu verbergen. Wenn er ehrlich war - so viel Überlegung hatte er ihr nicht zugetraut.
"Du willst deine Frau wieder sehen", sagte sie. "Ich meinen Mann auch. Die Liebe meines Herzens. Den Vater meines zukünftigen Kindes."
Sie sah ihn an, und ihm war klar, worauf sie hinauswollte, bevor sie es aussprach. "Beschütze ihn. Zieh mit ihm in den Kampf und bring ihn mir lebend wieder, und ich werde dafür sorgen, dass du gehen kannst. Ich verspreche es dir. Ich schwöre es dir beim Gott und der Göttin!"
Er dachte einen Atemzug lang nach. Dann ging er vor ihr auf ein Knie und neigte den Kopf. "Ich werde ihn schützen. Ich werde ihn dir wiederbringen."
"Wir gehen doch nicht."
"Darf man wissen wieso?", maulte Lesir.
"Nein", antwortete Veray knapp. "Packt, was ihr braucht für einen Feldzug. Wir ziehen mit Trigar in den Krieg."
Lesir streckte ihm die Zunge heraus.
Dreqi zuckte mit den Schultern und räumte einige Dinge wieder aus, die er in seine Satteltaschen gepackt hatte.
Jirakha, die vom ganzen Gespräch ohnehin nichts mitbekommen hatte, blickte von einem zum andern, zuckte mit den Schultern und fuhr fort ihr Kepesh zu schleifen.
"Was machen wir mit dem da?", fragte Elira und deutete auf Orwl, der gefesselt und geknebelt daneben sass. Er hatte für Verays Nerven definitiv zu viel geredet in letzter Zeit.
"Wir lassen ihn hier", antwortete Veray.
"Dann kannst du Gift drauf nehmen, dass er nachher Weg ist."
Orwl blickte drei, als ging ihn das alles nicht an.
"Warum?"
Elira verdrehte die Augen. "Weil sogar Dreshar die Schlösser aufbringt, die sie hier benutzen, um die Zellen abzusperren."
"Dann bleibst du eben auch hier, und passt auf ihn auf."
Die Elfe verzog das Gesicht, zumindest das, was er davon sehen konnte.
Er hob die Augenbrauen. "Du musst natürlich keine Befehle von mir entgegennehmen, wenn du nicht willst. Aber Ran braucht ihn, nicht ich."
"Ich weiss", murmelte sie, und er war sich ziemlich sicher, dass sie ihm am liebsten eine ihrer Nadeln in den Hals gesteckt hätte. "Ich weiss."
Sie trugen ihre Sachen nach draussen und sattelten die Pferde. Veray liess die anderen nochmal alleine, um zur Latrine zu gehen*. Auf dem Rückweg sah er den Egraz zwischen zwei Langhäusern stehen, und auf einen Barbaren einreden. Irgendetwas an der Haltung der beiden schien ihm merkwürdig, aber er hatte keine Zeit, sie weiter zu beobachten, denn vom Platz schallte das Horn. Er kehrte zur Truppe zurück, schwang sich in den Sattel und sie ritten los, in Richtung Osten, um den Takr dort zu zeigen, was es hiess, sich mit Trigar anzulegen.
*Jetzt gehn alle nochmal aufs Klo und dann reiten wir los.
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RE: Die Wilden Landen (nördlich des Tsar)
in Dreitan - das Spiel 23.11.2015 01:02von Ro Raven •

drei Tage später
Das Dorf brannte. Veray schwang sich neben Trigar zurück in den Sattel, und beobachtete, wie die Flammen über die Schindeldächer leckten, die Zügel in der einen, die blutgefärbte Doppelklinge in der anderen Hand. Er sah wie eine hochgewachsene Gestalt mit einer Fackel in der Hand von einem flammenden Dachfirst sprang und sich in den Sattel eines Pferdes fallen liess. "Lesir!!", brüllte er.
Lesir wandte sich um und wendete dann das Pferd, um zu ihnen und dem Rest der Truppe hinauszureiten. "Du sollst nicht so einen Blödsinn machen mit einer frisch genähten Schulter", knurrte Veray ihn an, zog ihn zu sich her, enthakte seinen Schulterschutz und klappte ihn hoch. Der Verband darunter trug keine frischen Blutspuren. Er liess ihn wieder los.
"Tu ich doch gar nicht", grinste Lesir unschuldig und hakte die Schulterklappe wieder ein.
Sie wartete, während die Flammen höher und höher leckten und der Rauch als dicke Säule in den eisblauen Himmel aufstieg. Man würde ihn kilometerweit sehen. Und dazu war er auch gedacht. Sie brauchten nur zu warten, bis der Takr des Landes herkommen würde mit seinen Leuten, um zu sehen, was los war. Veray gefiel diese Strategie nicht. Ihm gefiel alles hier nicht. Er wusste, dass er viel zu fürsorglich umging mit Lesir, der Junge war erwachsen, und wenn er sich unbedingt bei einem Salto die Schulter wieder aufreissen wollte, dann war das sein Problem. Er wusste genau, dass er kein Mitleid dafür bekommen würde, immerhin war er ein Dämon. Aber Veray hatte vor, sie alle hier lebend rauszubringen. Und Trigars bestehen darauf, den Feind zu provozieren und sich ihm dann in einer offenen Feldschlacht zu stellen um zu zeigen, wer stärker war, machte das komplizierter als es hätte sein müssen.
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RE: Die Wilden Landen (nördlich des Tsar)
in Dreitan - das Spiel 27.11.2015 00:45von Ro Raven •

Sie kamen im Morgengrauen. Die ganze Nacht hatten sie Wache gehalten und gewartet, und Veray war klar, dass es kein gutes Zeichen war, dass sie so lange auf sich warten liessen. Er hatte kaum geschlafen, den grössten Teil der Nacht an den dunklen Himmel über den sich Wolken und Sterne jagten. Der kalte Wind hatte an seinen Haaren gezerrt und er hatte weder Lesir noch Jirakha weggestossen, als sie im Schlaf näher an ihn rutschten, auf der Suche nach Wärme. Er fragte sich, wie sie schlafen konnten, wenn eine Schlacht bevorstand. Ob es manchmal ein Vorteil sein konnte, wenn man nicht dazu in der Lage war, alles zu durchdenken und im Voraus abzuwägen und zu planen. Ob ein bisschen Dummheit einen glücklicher machte. Ob er gerade mal wieder ein arrogantes Arschloch war, das eine viel zu hohe Meinung von sich selbst im Vergleich zu seinem Umfeld hatte, und nur deshalb nicht schlafen konnte, weil er sich fast vor Angst in die Hosen pisste.
Lesir hatte keine Angst vor einem Kampf. Ein Dämon sollte keine Angst haben vor einem Kampf. Ein Dämon sollte ihn akzeptieren und willkommen heissen, als eine Möglichkeit, Ehre zu erlangen, sei es im Sieg oder im Tod mit dem Säbel in der Hand. Manchmal fragte er sich, ob wirklich Ro diejenige in der Familie war, in deren Adern fremdes Blut floss. Er fragte sich, ob er sich überhaupt jemals einen Tod im Kampf wünschen würde. Wenn er alt wurde und schwach, und alle um ihn herum starben... aber man konnte auch mit zitternden Fingern noch Buchseiten umblättern. Und Ran wird niemals sterben... Er biss sich auf die Knöchel, um nicht irgendetwas zu sagen oder zu tun, was die anderen hätte wecken können. Er war kein guter Dämon, das wusste er. Er war nichts von alledem, was sie, was er selbst als erstrebenswert betrachtete. Besass keine der Tugenden und Fähigkeiten, die das Wesen seines Volkes bestimmten, über die sie sich definierten. Er schlug zu sehr nach seinem Vater. Sie wussten beide, was sie waren. Und Vakra's Enttäuschung war doppelt. Veray war klar, warum er Lesir so verhätschelte, während er ihn Jahrelang nicht angesehen hatte. Lesir war der Beweis, dass er wenigstens irgendetwas in seinem Leben zustande gebracht hatte. Er hingegen zeigte ihm nur, was er selbst war.
Er liess die Hand wieder sinken und atmete tief durch. Es war nicht so, dass sie nichts konnten, natürlich. Aber nichts von dem, was einem Anerkennung brachte. Sie hatten ihre Fähigkeiten, aber es waren keine, für die man gemocht wurde. Niemand bewunderte einen Denker und heimlichen Planer in einem Volk, das Tatendrang, Ehre und Mut als seine auszeichnenden Eigenschaften verstand. Ein Anführer hatte personifizierte Energie zu sein, kein Bücherwurm, der als Spinne im Hintergrund an den Fäden zog. Nicht dass es letztere nicht gebraucht hätte. Man mochte sie einfach nicht. Vakra hatte beschlossen, es trotzdem zu tun, und den Hass zu tragen. Er war sich nicht sicher, ob er zum selben bereit war. Sein Leben lang anderen zum Erfolg zu verhelfen, sei es nun Ro, als Oberhaupt des Clans, oder Ran. Nicht dass er sie nicht unterstützen wollte. Er liebte Ran, und Ro gegenüber war er durch den Clan verpflichtet, denn er hatte den Verdacht, wenn er es einfach ihr überliess, endete alles im Chaos. Aber die Vorstellung, jahrein jahraus für den Clan zu leben, während sie irgendwo in Dreitan umhertanzte und Durcheinander anrichtete, nur damit sie am Ende den Ruhm davontrug für seine Arbeit... Er hatte immer gewusst, warum Vakra das kalte, herzlose Arschloch war, das er war. Warum er nie für jemanden einen Funken Zuneigung oder gar Anerkennung zeigte. Warum er Nera misshandelte. Er wusste es - und er hasste ihn trotzdem.
Gegen Morgen liess der Wind nach und Nebel kam auf. Und aus dem Nebel erfolgte der Angriff.
Sie waren früh genug gewarnt worden von den Wachen und sassen in den Sätteln, als die Truppen des Gegners sich aus dem grau schälten, das über der verkohlten Ruine des Dorfes hing. Doch Lesir war nicht der einzige, der fluchte. Sie waren viele. Ungut viele. "Er hat sich Verbündete geholt", meinte Lesir, in einer Hand die Zügel seines tänzelnden Pferdes, in der anderen den Säbel. Veray nickte nur und zog den Doppelspeer vom Rücken.
Lesir brachte sein Pferd wieder unter Kontrolle. "Geben wir ihnen Saures."
Veray nickte abermals. Er hatte die Zähne so sehr zusammengebissen, dass er den Mund schlicht nicht aufbrachte, um zu antworten. Nachher, sagte er sich. Blende es aus. Nachher kannst du so viel Angst haben wie du willst. Aber nicht jetzt.
Irgendjemand in den gegnerischen Reihen brüllte den Befehl zum Angriff.
Der Nebel verzerrte alles. Pferde tauchten aus dem Nichts auf und verschwanden wieder. Die Geräusche der Schlacht waren gedämpft. Man bekam kaum eine Vorstellung davon, wie viele Leute überhaupt um einen herum waren.
Veray blieb bei Trigar, wich ihm nicht von der Seite, und er war erleichter als er sah, dass Lesir, Jirakha und Dreqi dasselbe taten. Ihre Waffen waren bald blutrot. Lesirs Gesicht, vom Zorn verzerrt, als er auf irgendeinen Gegner einhieb, bis er dessen Deckung durchbrach und ihn beinahe samt dem Pferd halbierte. Jirakhas Kriegsgeheul und das Sirren ihrer Schnurklinge. Er hörte Dreqi kichern irgendwo rechts von sich und das Geräusch jagte ihm einen Schauer über den Rücken, aber das war nicht der Moment ihn zurecht zu weisen. Er wirbelte die Klinge über dem Kopf und liess sie niederfahren. Sie hackte sich in den Schaft einer Axt und durchtrennte ihn fast, wobei sie ihn dem Träger aus der Hand riss, dann folgte das Hintere Ende und schlitzte ihm Kehle und Brust auf. Veray riss die Klinge zurück und warf einen Blick hinüber zu Trigar, während sein Gegner schreiend und gurgelnd aus dem Sattel rutschte. Er durfte sich nicht zu weit vom Takr entfernen, dass er nichtmehr rechtzeitig hätte reagieren können, aber er durfte ihm auch nicht so nahe kommen, dass er Gefahr lief, seinem Schwert in den Weg zu geraten.
Erneut stürmte ein Gegner an und Veray liess ihn bis fast an sich herankommten, schlug seinen Schwerthieb zur Seite und setzte mit der zweiten Klinge nach, aber sie schrappte über ein Stück metallene Rüstung und glitt ab. Ohne zu zögern trat er dem Pferd des Mannes heftig in die Seite, dass es zurücktänzelte und riss den Doppelspeer um zu parieren, aber bevor der andere dazu kam, nochmal zuzuschlagen, legte sich eine gekrümmte Klinge um seinen Hals und riss ihm den Kehlkopf heraus. Mit einem Schnalzen ruckte Jirakha ihr Kepesh wieder frei, stiess den Mann zu Boden und spuckte auf ihn, bevor sie sich zur anderen Seite drehte um in ein paar Eingeweiden herumzustochern.
Veray erledigte zwei weitere Gegner und versuchte dabei Trigar nicht aus den Augen zu verlieren, was leichter gesagt war als getan. Er duckte sich als jemand mit einem Streitkolben nach ihm schlug und fiel beinahe aus dem Sattel, schaffte es jedoch sich mit den Beinen festzuklammern und dem Mann von unten her in die Achsel zu schneiden. Er hörte ein Sirren. Dann spürte er einen Aufprall. Im ersten Moment kapierte er gar nicht wirklich was passiert war, denn seine linke Schulter fühlte sich taub an, dann kam der Schmerz. Mit einem Fluch zwischen zusammengebissenen Zähnen wankte er im Sattel, packte den Pfeilschaft und versuchte nicht zu schreien, als er ihn mit einem Ruck abbrach.
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RE: Die Wilden Landen (nördlich des Tsar)
in Dreitan - das Spiel 06.12.2015 14:32von Ro Raven •

Weitere Pfeile flogen. Sie verfehlten ihn knapp, doch sein Pferd hatte nicht dasselbe Glück, und als zwei lange Schäfte seine Flanken durchschlugen, bäumte es sich auf, in Todesangst. Veray hatte nicht die Kraft sich festzuhalten mit einer Schulter, in der ein Pfeil steckte, und er war viel zu benommen, rechtzeitig auszugleichen. Er fiel. Der Aufprall trieb ihm die Luft aus den Lungen. Er lag auf dem Rücken, den Blick in den Nebel über sich gerichtet und für einen Augenblick schien alles fern. Die Schreie. Das Wiehern des Pferdes neben ihm, das in Panik mit den Hufen um sich schlug und jeden Moment gefahr lief, ihn zu zertrampeln. Die Pfeile. Trigars Brüllen irgendwo links von ihm, und Jirakhas Kriegsschrei auf der anderen Seite. Der Schmerz in seiner Schulter strahlte in seinen ganzen Körper, wie lähmendes Gift. Er dachte an Ran, und ihm war, als könnte er sie vor sich sehen, müsste nur die Hand ausstrecken, um sie zu berühren. Bitte, flehte er. Ich will nur zurück zu dir. Er begriff, dass es kein Zurück gab. Er lag in einem fremden Land auf einem Schlachtfeld, umspült vom Blut eines fremden Volkes, in einem Krieg, der nicht der seine war, mit einem Pfeil in der Schulter, und hatte nichteinmal die Kraft, sich aufzurichten. Der Schmerz nahm ihm die Sicht und diesmal kam er nicht von der Wunde, sondern aus seinen Gedanken. Er dachte daran, wie Ran die Nachricht von seinem Tod erhalten würde und es zerriss ihn. Verdash würde ohne Vater aufwachsen. Er hoffte, Ran hatte die Kraft, sich alleine um ihn zu kümmern, aber er war sich nicht so sicher, wie er es gerne gewesen wäre. Er ballte die Fäuste und wollte Schreien vor Wut.
Dann erinnerten sich seine Lungen wie man atmete. Keuchend schnappte er nach Luft und der metallisches Geruch des Blutes um ihn herum und die Nässe des Nebels liessen ihn husten, was ihm erneut Schmerz durch die Schulter jagte, aber die Kälte, die damit in seine Brust strömte, machte ihn ruhig. Er tastete nach seiner Doppelklinge und fand sie neben sich liegen. Dann rappelte er sich auf.
Das Pferd schlug noch immer um sich. Er sah den blutigen Schaum vor seinen Nüstern und realisierte, dass die Pfeile seinen Hals durchschlagen hatten. Mit zwei raschen Drehungen durchtrennte er dem Tier die Halsschlagader und wich aus, als es zu Boden ging. Er sah weder Jirakha noch Trigar, aber um letzteren zu finden, brauchte er lediglich dem Brüllen zu folgen. Leichen lagen am Boden, Menschen wie Pferde. Er schlitzte jedem von ihnen die Kehle auf, bevor er über sie hinwegtrat. Er wollte nicht riskieren, dass irgenjemand ihn von unten her abstach.
Er fand Trigar und einige seiner Getreuen in ein Scharmützel mit einer feindlichen Gruppe verwickelt. Ohne Hast lief er von der Seite her darauf zu. Sie bemerkten ihn erst wirklich, als er der ersten den Oberschenkel durchtrennte. Den zweiten durchstiess er mit der Doppelklinge, und nutzte den Ruck, als der Mann auf der anderen Seite vom Pferd kippte, um sich selbst in den Sattel zu ziehen. Einen Moment lang scheute das Tier und drohte durchzugehen, aber Veray bekam die Zügel in die Finger und brachte es irgendwie unter Kontrolle. Er nickte Trigar knapp zu, wirbelte den Speer über seinem Kopf und durchschlug die Deckung eines weiteren Angreifers. Der Schmerz in seiner Schulter war dumpf geworden. Ein Teil von ihm hatte akzeptiert, dass er sterben würde. Sie waren schlicht zu wenige, um diesen Kampf zu gewinnen. Aber wenn er starb, konnte er genau so gut noch möglichst viele von diesen Bastarden mit in den Tod nehmen. Der Zweck von Schmerz war, einen am Leben zu erhalten. Er war eine Warnung, wann man besser still hielt, um eine Verletzung nicht noch weiter zu verschlimmern. Aber in dem Moment, in dem man wusste, dass man so oder so starb, war es egal, wenn man ein Bein verlor, oder einen Arm, oder einen Lungenflügel. Und der Schmerz wurde irrelevant.
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RE: Die Wilden Landen (nördlich des Tsar)
in Dreitan - das Spiel 08.12.2015 00:39von Ro Raven •

Jirakha war es, die den Pfeil aus seiner Schulter zog, während er keuchend vor Schmerz am Boden lag. Sie hatten gewonnen. Er wusste nicht wie. Er wusste nicht warum. Aber sie hatten gewonnen. Er konnte sich an Szenen erinnern. Wie er getötet hatte. Wie er Trigar verteidigt hatte. Wie er getroffen worden war. Er erinnerte sich an Bewegungen. An Schmerz. An Nebel. An Ran's Gesicht. Aber irgendwie fehlte allem der Zusammenhang.
Er spürte eine Hand, die versuchte ihn hochzuziehen, und stützte sich selbst ab um sich aufzurichten, auch wenn ihm dabei stechender Schmerz durch die Schulter schoss. Er merkte, dass er die Doppelklinge noch immer in der Hand hielt. Irgendwo im Hintergrund rief jemand etwas. Da war so viel Blut. So viel Blut an ihm. War das seins? Hatte er überhaupt noch irgendwelches in den Adern? Er hatte Angst, verdammt, warum hatte er solche Angst?
"Ganz ruhig", hörte er Dreqi's Stimme, und der Klang eines vertrauten Akzents liess ihn tiefer atmen. "Es ist halb so schlimm, wie es aussieht. Hast du irgendwo starke Schmerzen?"
"Ich fühl mich als hätte mich ein Pferd getreten", antwortete Veray heiser.
Dreqi kicherte leise, hielt ihm aber die Hand hin. "Komm, ich helf dir aufstehen, wenn du nicht gleich umkippst."
Veray liess sich hochziehen. Jetzt registrierte er die Leute, die um ihn herumstanden. Er sah Trigar einige Meter entfernt. Der Takr schien unverletzt. Jenseits von ihm knieten Gefangene am Boden, die Hände hinter dem Rücken an die Fussknöchel gefesselt. Sie hatten gewonnen. Erst langsam aber sicher sickerte die Tatsache in Verays Kopf durch, und eine Welle der Erleichterung flutete ihn, dass er beinahe anfing zu zittern. Sie hatten gewonnen und lebten noch. Er hatte nicht versagt. Oh Ran, dachte er. Ran...
Er spürte einige schmerzhafte Schnittwunden an Armen und Beinen, aber nichts davon schien lebensbedrohlich zu sein. Endlich richtete er seine Aufmerksamkeit auf die anderen um ihn. Dreqi schien es gut zu gehen, abgesehen davon, dass er sich das Handgelenk rieb, aber es schien nicht gebrochen. Jirakha zeigte ihm auf seine Nachfrage hin eine Wunde am Arm, die aber bereits vernäht war. Dann fiel ihm auf, wer fehlte. "Wo ist Lesir?"
Dreqi verzog das Gesicht. Es war nur ein Zucken, sofort wieder unter Kontrolle, aber Veray entging es nicht. "Wo ist er?!"
Dreqi bedeutete ihm mitzukommen und Veray folgte ihm widerspruchslos. Seine Knie waren so weich, dass er befürchtete, sie würden einfach unter ihm nachgeben. Nein, dachte er. Nein... Und dann kroch ein Gedanke in seinen Kopf, der ihm Angst machte. Er versuchte ihn beiseite zu schieben. Das bist nicht du. Hör auf damit, das bist nicht du! Aber der Gedanke setzte sich fest. Wenn er tot ist... Es war nicht Zorn. Es war Kälte. Sie werden dafür bezahlen... Er biss die Zähne so fest zusammen, dass sein Kiefer schmerzte, und die Knöchel am Speerschaft wurden weiss. Jeder einzelne von ihnen!
Dreqi schob einige Leute zur Seite und Veray sah Lesir. Er lag am Boden, an einen Sattel gelehnt, die Hände auf den Bauch gepresst. Sein Kopf ruckte hoch, als er Veray's Stimme hörte, und einen Augenblick lang atmete Veray auf. Dann sah er das Blut, das über Lesirs Lippen rann. Und seinen Blick. Schmerz. Und Überraschung. Ihm war, als könnte er seine Stimme hören, obwohl er nichts sagte. Ich hab einfach nicht damit gerechnet...
"Scheisse", entfuhr es Veray. Er liess den Doppelspeer fallen, schob den Barbaren, der ungeschickt an Lesirs Rüstung herumzerrte, um ihn hinauszubekommen, zur Seite, und riss mit geübten Fingern die Riemen auf. "Scheisse verdammt, ich hab gesagt du sollst auf dich aufpassen!!" Er merkte selbst, dass er schrie.
Lesir grinste schief und schmerzerfüllt. "Krieg dich ein, ich bin noch nicht tot."
"Und zu wirst auch nicht sterben hier!", fuhr Veray ihn an, löste die letzten Schnallen und zog ihm den vorderen Teil der Rüstung vom Oberkörper. Darunter war alles Blut. Sofort drückte Lesir wieder die Hand darauf, das Gesicht schmerzverzerrt. Veray zog sie weg. Der Schnitt war mehr als hässlich. "Was war das?"
"Irgendsone beschissne Sichel", murmelte Lesir.
Veray verpasste ihm eine Ohrfeige. "Hier bleiben! Bleib hier, hörst du mich?!" Er zerriss Lesirs Tunika ganz und schob die Stofffetzen zur Seite. Die Sichel war nicht sonderlich scharf gewesen, sie hatte mehr zerfetzt als geschnitten. Er konnte das weiss von Rippen sehen, aber der tiefste Punkt der Wunde war weiter unten. Er atmete durch und richtete sich auf. "Jirakha!"
Erst als sie ihm eine Hand auf den Unterarm legte, realisierte er, dass sie bereits neben ihm stand. Sie verzog das Gesicht, als sie die Wunde sah, und schüttelte den Kopf.
"Wir müssen zumindest irgendwie die Blutung stoppen!", fuhr er sie an.
Sie begegnete seinem Blick und einige Augenblicke lang starrten sie sich nur an. Dann kniete sie sich ohne ein Wort neben Lesir und machte sich an die Arbeit.
Karani sprach es aus, als sie zu ihnen getreten war. "Er wird es nicht überleben", urteilte sie mit der Sicherheit einer alten Jägerin und Kriegerin.
"Oh doch, das wird er", zischte Veray zwischen zusammengebissenen Zähnen.
Sie sah ihn an und er sah einen Funkeln Mitleid in ihren Augen. "Kein Mensch überlebt eine solche Wunde, Tyranak."
"Er ist kein Mensch!!", brüllte Veray zurück. Er realisierte, dass er dabei war, völlig die Beherrschung zu verlieren. Seine Schulter brannte wie Feuer. Er schloss die Augen und versuchte durchzuatmen, aber er konnte kaum mehr als Keuchen. Wieso Lesir? Er kämpfte besser als jeder einzelne dieser beschissenen Barbaren. Wieso hatte es ihn erwischt? Seit wann machte ihm der Gedanken so viel aus? Er erinnerte sich an eine Zeit, in der er froh gewesen wäre, sich keinen einzigen Tag länger mit Lesir herumschlagen zu müssen. Aber er war trotzdem sein Bruder. Sein kleiner Bruder, der nichts dafür konnte, dass seine Zeugung nichts gewesen war als eine Rache seines Vaters an seiner Mutter. Der trotzdem immer grinste, rotzfrech und respektlos, aber ehrlich. Selbst wenn er so gut wie tot war. Krieg dich ein, ich bin noch nicht tot.
Er öffnete die Augen wieder und realisierte, dass die umstehenden einen ziemlichen Kreis um ihn gebildet hatten. Dann bemerkte er, dass er noch immer die Doppelklinge umklammert hielt und er hätte beinahe gegrinst. So dumm sind die gar nicht. Er schob die Waffe in die Halterung auf dem Rücken und machte sich auf die Suche nach seinem Toten Pferd.
Als er zurückkam, hatte Jirakha die Wundränder irgendwie zusammengedrückt und grob vernäht und mit Streifen aus Lesirs Hemd einen festen Verband darüber festgezurrt. Es schien den Blutfluss etwas gestillt zu haben, wenn auch nicht gänzlich gestoppt, aber der junge Dämon war mittlerweile fast bewusstlos. Veray holte ihn mit einer Ohrfeige in die Realität zurück und drückte ihm eine Flasche an die Lippen. "Schlucken!"
Lesir gehorchte. Veray liess ihn zweimal absetzen, damit er atmen konnte, zwang ihn aber die ganze Flasche zu leeren. "Glaubst du nicht das ist Verschwendung?", fragte Lesir matt und kaum hörbar.
"Nein", antwortete Veray knapp. "Du kannst es schaffen."
Lesir nickte nur, und zu Veray's Überraschung schien er ihm tatsächlich zu glauben. Mehr als er sich selbst.
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RE: Die Wilden Landen (nördlich des Tsar)
in Dreitan - das Spiel 25.12.2015 17:35von Ro Raven •

Drei Tage später lebte Lesir immer noch, auch wenn die Wunde keine Anstalten machte sich irgendwie zu schliessen oder gar zu heilen. Es war mehr, als würde er sich einfach weigern zu sterben, obwohl die Sichel ihm ein Stück seiner Seite herausgerissen hatte und er Blut hustete. Die meiste Zeit war er sogar bei Bewusstsein, und so lange er sich nicht krümmte vor Schmerz, grinste er wie eh und je. Veray verstand es nicht.
Während der langen Stunden, die er neben ihm sass, fragte er irgendwann: "Lesir, hast du Angst vor dem Tod?"
Lesir wandte ihm den Kopf zu und grinste schief. "Du hast gesagt, ich werde nicht sterben."
Veray seufzte und stützte den Kopf in die Hände. Von irgendwo draussen schallte weinen herein. Sie waren in der Festung des Feindes. Nachdem sie ihre Streitmacht zerstört hatten, hatte es keine zwei Tage gedauert, sie einzunehmen. Veray erinnerte sich an den Gedanken, der ihn gestreift hatte, als er Lesir am Boden liegen gesehen hatte. Das Verlangen nach Rache. Das Verlangen, sie alle zu töten, weil sie schuld waren am Tod seines Bruders, Verbündete wie Feinde, sie leiden zu sehen bis sie erstickten an ihrem Blut. Offenbar war er nicht der einzige gewesen, der so dachte. Und im Gegensatz zu ihm hatte Trigar absolut keine Hemmungen gehabt, den Gedanken umzusetzen.
Er hatte zugesehen. Als sie sie töteten, vergewaltigten, verbrannten im Feuer, um sich zu rächen für die Morde ihrer Männer, Kinder, Väter. Hatte ihre Schreie gehört, ihr flehen und hatte sich gezwungen, nicht wegzusehen. War es das, was du wolltest?, hatte er sich gefragt. War es das wirklich? Irgendwie hatte er gehofft, ein Teil von ihm würde aufschreien dabei, das Unrecht verhindern wollen. Schliesslich waren die Frauen und Kinder dort im Feuer nur Opfer, keine Täter. Da war auch eine Stimme in seinem Kopf gewesen, die gesagt hatte, dass es falsch war, verabscheuungswürdig. Aber diese Stimme hatte sich nicht angefühlt wie ein Teil von ihm. Sie war nur ein ferner Ruf, der ungehört verhallte, den niemand ernst nahm. Er hatte auch Genugtuung erwartet, auch wenn er gehofft hatte, sie nicht zu spüren, gehofft, darüber zu stehen. Oh und ein Teil hatte sie empfunden. Mit jeder Wunde, jedem gebrochenem Knochen, jedem Schrei, der verstummte. Seltsamerweise hatte er kein Bedürfnis danach gehabt, sich zu beteiligen. Es war viel besser gewesen, zuzusehen, ihren Schmerz in jeder Facette zu erfassen mit seinem Blick. Die Qual in ihren Augen zog die Wut und den Durst nach Rache aus seiner Seele wie einen Dorn aus einer schmerzenden Wunde. Aber der grösste Teil von ihm, hatte nur etwas wirklich wahrgenommen: Leere. Er hatte zugesehen, wie sie gequält wurden und vernichtet, und alles, was er spürte, war Gleichgültigkeit. Ihm war bewusst, dass ihn das hätte entsetzen sollen. Mann musste doch irgendetwas fühlen, wenn denkende, fühlende Wesen zu Tode gefoltert wurden. Aber da war nichts gewesen. Ihre Panik, ihr Kreischen, ihr Tod, sie berührten ihn nicht. Und genauso war das Entsetzen darüber ausgeblieben. Er fühlte sich einfach nur leer. Wie ein kahles Feld über das der Nebel driftete, aus dessen Grau sich dann und wann ein Schemen schälte, um wieder zu verschwinden. Er sah zu, bis das letze unschuldige Blut vergossen, und die Feuer hinuntergebrannt waren. Aber in seinen Gedanken blieb nichts davon zurück als kalte, graue Asche.
"Ich hab das nur gesagt, weil ich daran glauben will, Lesir", murmelte er in seine Hände.
"Ich weiss", antwortete Lesir, und Veray hörte, dass er dabei lächelte. Er räusperte sich, und das klang dafür ziemlich schmerzerfüllt. "Nein. Ich habe keine Angst vor dem Tod. Er wäre nur ziemlich sinnlos."
"Wie meinst du das?", fragte Veray und richtete sich auf, um ihn anzusehen.
Lesir räusperte sich erneut und fluchte, als er das Blut an seinen Finger sah, bevor er den Blick wieder Veray zuwandte. "Ich habe keine Angst vor dem Tod, weil was ist er schon? Nur der Tod. Nichts schlimmes. Wenn ich in einen Kampf gehe... ich weiss, dass ich sterben kann. Aber dieses Risiko ist nunmal der Preis des Kämpfens. Und das ist es mir Wert, verstehst du?"
Veray nickte langsam.
"Wäre ich dort auf dem Schlachtfeld verreckt, mit der Sichel in meinem Herz, schön, dann wärs das gewesen. Es kann jeden irgendwann erwischen. Das ist der Tauschhandel, den man eingeht, wenn man in die Schlacht zieht. Der Rausch des Kampfes gegen die Möglichkeit des Todes." Er holte Luft. "Aber ich bin nicht tot. Und es bringt mir nichts, jetzt zu sterben. Es springt nichts dabei für mich raus. Darum versuche ich verdammt nochmal am Leben zu bleiben."
Veray musterte ihn und ein leises Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. "Manchmal hab ich das Gefühl, du bist schlauer, als du die meiste Zeit vorgibst zu sein."
Lesir grinste. "Danke."
Sie schwiegen eine Weile. Dann sagte Veray leise: "Weisst du, ich wär echt froh, mit dir zusammen zurück nach Drez zu reiten."
"Jetzt werd mal nicht übersentimental", erwiderte Lesir, sein Grinsen noch breiter als vorher. "Ich wette das bereust du sonst, sobald ich dir wieder auf die Nerven gehen kann."
Veray schnaubte und streckte die Hand aus um ihm eine Kopfnuss zu verpassen und Lesir beugte sich zur Seite um ihm auszuweichen, aber die plötzliche Bewegung liess ihn Wimmern vor Schmerz. Ohne lange nachzudenken, kniete sich Veray neben ihn und legte die Arme um ihn, darauf bedacht, ihm nicht wehzutun. "Shhh", flüsterte er, während Lesir das Gesicht an seiner Schulter vergrub und keuchend um seine Selbstbeherrschung rang. "Wir schaffen das."
Du musst nur am Leben bleiben bis Tanue, fügte er in Gedanken hinzu. Nur bis Tanue. Denn da ist Ran.
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