Sie sah das Papier an und zögerte. Dann schrieb sie.
Ich kann nicht sicher sein, durch wie viele Hände dieses Papier wandern wird, bevor es zum Rat gelangt. Akkaya wies mich an, die Botschaft persönlich zu überreichen und sicher zu gehen, dass der Wolf im Wald sie erhält. Was ich aber sagen kann, ist, dass sie bald hier sein wird.
Als Unterschrift zog sie eine Linie, die wie ein versehentlicher Klecks aussah, aber an eine Schlange erinnerte. Sie legte die Feder beiseite, nahm zwei ihrer leeren Nadeln, rammte sie durch das Papier ins Holz, welches die Wurzel eines Baumes war, der die Ruine zu verschlucken begonnen hatte und wandte sich um. Schnell ging sie zurück zu ihrem Pferd, hob ihren Bogen auf und schwang sich in den Sattel.

Als man sie holte, war es bereits Nacht geworden und hätte das Pferd noch stärker gescheut, als es sonst vor fremden Menschen scheute, hätte sie geschossen. In der Dunkelheit wurde man schnell mal paranoid, vor allem, wenn da hinter jedem Grasbüschel und in jedem Schatten ein hungriges Ungeheuer lauern könnte.
Die Egraz waren jedenfalls mit ihren Uniformen gut getarnt im Dunkeln der Ruinenstadt. Als sie sie in der Nähe hatte Rascheln hören, hatte sie schon nach einem Pfeil gegriffen, aber schnell war ihr klar, dass es kein Kriecher sein konnte. Wäre es einer gewesen, wären entweder ihr Pferd oder sie tot.
Die Egraz redeten nicht viel, begrüßten sie knapp und brachten sie in einen recht kleinen Raum, in dem ein Bett stand. Sie setzte sich darauf und man schloss die Tür hinter ihr. Der Schlüssel wurde im Schloss gedreht und ab da herrschte Stille. Schwer schluckte die Elfe, als die Zweifel und bösen Vorahnungen, die sie seit ihrer Abreise plagten, wieder anfingen an ihr zu nagen. Was wenn Dreshar verloren hatte? Vielleicht war er tot. Hingerichtet als Verräter. Und dem Rat traute sie nicht. Sie hoffte, dass man nicht auf die Idee kam, sie zu foltern, denn ihr Wisseb würde sie auch so mit ihnen teilen.
Als draussen Schritte ertönten, sprang sie auf. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie starrte die Tür an, Schlüsselrasseln, das Klacken des Schlosses und Jammern der Scharniere, sie ballte ihre Fäuste. Die Tür schwang auf und ihr Herz setzte aus.

Evereya folgte der Aufforderung und musterte unauffällig Elira, die sich kurz verbeugte und die beiden Würdenträger angemessen begrüßte. Sie entschuldigte sich fast mit ihrem Dank die Gastfreundlichkeit des Ordens geniessen zu dürfen, dass sie da war. Kurz stellte sie sich vor, mit Namen und von wo sie gerade kam.
Dreshar hatte sie an seiner Stimme und Statur erkannt, aber dass er immer noch eine Krücke zum Laufen brauchte, liess ihr Herz sich zusammen ziehen vor Sorge. Sie war aber erleichtert, dass er lebte und als sie bemerkte, dass er anders gekleidet war, fiel die Sorge von ihr ab. Sie musterte die Egraz aus dem Schatten ihrer Kapuze genau. Die Frau trug die Uniform der Tiefenjäger, der unbekannte Mann, schien, in seiner grüngoldenen Falken-Tracht und dem breit vergoldeten Kapuzenrand sehr wichtig zu sein. Wahrscheinlich ein Ratsmitglied. Dreshar hingegen trug eine grünbraune Uniform und der goldene Kranz seines Kapuzenrandes, schmaler, als der des Ratsmitgliedes, schien ihm wegen einer neuen Position verliehen worden zu sein.
"Akkaya schickt mich, um ihre Ankunft anzukündigen. Sie sollte innert der nächsten zehn Tage hier eintreffen. Je nachdem, wie ihre Reise verlaufen wird, von den Siedlungen der Bergvölker bis hier her, ist es immerhin ein langer Weg", sie streifte sich die Kapuze vom Haupt, "Sie wird nicht alleine reisen und bittet, auch ihre Begleiter, als Gäste zu empfangen, auch wenn das vielleicht etwas viel verlangt ist... Und sie will... helfen."

Elira zählte Nach, wen Ran alles in ihren Briefen genannt hatte. Da waren ihr Kind, ihr Mann, Schwager und noch zwei, machte sechs. "Mit mir wären es fünfeinhalb", antwortete sie.

Elira blickte zu Dreshar und dann zum Ratsmitglied. "Ihr Kind", erklärte sie kleinlaut.