Ro band sich den Gürtel um und hob das Messer auf, um es zurück in den Stiefel zu stecken, während sie den Schlagstock in der anderen Hand behielt. Vorsichtig trat sie über die Wachen draussen weg und marschierte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Prompt räusperte sich jemand. "Nun, da ihr frei seid, könntet ihr hier vielleicht aufschliessen."
Ro drehte sich um und sah den Mann an, der mit zwei anderen hinter dem Gitter einer offenen Zelle stand. Sie lächelte einen Moment lang, dann holte sie aus und liess den Schlagstock gegen die Gitterstäbe knallen. "Verreck, Idiot."
Ohne ein weiteres Wort marschierte sie an ihnen vorbei und stiess die Türe zur Wachstube auf.

"Welche Waffen?", fragte Ro wütend. Nein, eigentlich war es nicht Wut, was sie empfand. Sie war nur furchtbar genervt. Was ging heute denn noch alles schief?! Du wirst gerade verrückt, oder?, fragte eine kleine, amüsierte Stimme in ihrem Kopf. Sie brachte sie zum schweigen und folgte den Blicken der Wachen zum Schlagstock in ihrer Hand. "Das nennt ihr eine Waffe?!"
Ihr wurde klar, dass sie kurz davor war irgendetwas richtig dummes zu tun. Sie zwang sich daran zu denken, dass sie immer noch ihren Säbel nicht wieder hatte, dass Alastar hinter ihr stand und ein halbes Dutzend Bolzen auf sie gerichtet war. Und dass das Feuer, dass durch ihre Adern flackerte, vielleicht den Schmerz wegbrennen würde, aber sie nicht am Leben erhalten konnte. Und dass das nicht so egal war, wie es sich gerade anfühlte. Ein Hauptmann hat Verantwortung. Du musst wissen, was du tust, wenn es um mehr geht als nur dich selbst. Einen Moment lang war sie überrascht. Sie hatte lange nicht mehr mit Darez Stimme gedacht...
Sich zusammenreissend sah sie die Soldaten an. Sechs Armbrüste. Aussichtslos im Moment. Sie hatte keine Waffe zu ziehen, aber vielleicht ein Ass im Ärmel. "Ihr habt da ein Monster, dass ihr tot sehen wollt, oder?"

"Ich weiss nicht wie freiwillig man es nennen kann, wenn die Alternative ein Bolzen in der Lunge ist", meinte sie und starrte auf eine der Armbrüste. "Aber wir könnten dazu übereinkommen, dass wir bei eurem kleinen Spiel mitmachen, wenn ihr uns anständige Waffen dafür gebt. Ohne wäre es nämlich etwas sinnlos."
Sie richtete den Blick wieder auf den Soldaten und ein schmales Grinsen zog sich über ihr Gesicht. "Wir kehren in die Zelle zurück und ihr könnt uns einschliessen, bis zum Aufbruch dieser Selbstmordmission." Sie hasste den Gedanken daran zurück in dem Raum zu sein jetzt schon. "Aber wenn irgendeiner von euch nochmal versucht, mir einen freundlichen Besuch abzustatten, kann ich für nichts garantieren."
Damit liess sie den Schlagstock fallen, drehte sich wortlos um und trat zurück in den Gefangenentrakt.

Ro nickte knapp und wartete stumm, während einer der Soldaten die Bewusstlosen aus ihrer Zelle und der Türe schleifte, bevor sie hineingingen und man hinter ihnen abschloss. Mit einem Seufzen liess sie sich gegen die Wand sinken. "Sie werden uns auf ein Schiff verfrachten, um das Ding zu jagen", sagte sie leise genug, dass nur Alastar sie hören konnte. "Wir haben bessere Chancen, einfach runter zu springen und zu schwimmen, als uns erschiessen zu lassen."
Sie hielt einen Moment inne, bevor sie hinzufügte: "Und als mir das letzte Mal eine Wache den Säbel abgenommen hatte und er nicht auffindbar war, hat mich die Suche danach in wesentlich beschissenere Schwierigkeiten gebracht, als das hier."

Sie öffnete den Mund, um eine Antwort zu geben, aber schliesslich sagte sie nichts, sondern fasste ihn an den Schultern und zog ihn an sich. Langsam liess sie sich der Wand entlang zu Boden rutschen und zog ihn dabei mit sich, das Gesicht an seiner Schulter vergraben. "Wir kommen hier raus", flüsterte sie, und das Feuer in ihr brannte Angst und Unsicherheit weg. "Und wenn ich dazu einem verdammten Monster das Herz in Stücke reissen muss."