"Schade", meinte sie und hielt ihm den Hut hin. "Ne, ist schon gut."

Es war windig, aber keine Wolken in Sicht. Meleth hing auf halber Höhe in der Takelage und beobachtete den Sonnenuntergang, während die Böen an ihren allmählich länger werdenden Haaren zerrten. Der Klabauter setzte sich mit einer Flasche Rum auf die Reling, bis es schliesslich dunkel wurde, und er in seiner Kabine verschwand.
Mit der Nacht wurde es kalt und nach und nach verschwanden die meisten unter Deck, um dort zu würfeln oder zu schlafen. Meleth hatte Nachtwache und blieb am Mast, auch wenn sie frohr. Im nächsten Hafen musste sie sich unbedingt etwas mehr anzuziehen kaufen, wenn sie noch Geld hatte.

Der Klabauter sass in seiner Kajüte. Die Flasche Rum war mittlerweile halb leer und er war über eine Karte gebeugt mit Kreide, Lineal und Zirkel. Die Route nach Westen, zu Moners Versteck. Nach einer Weile zog er eine Schublade auf und holte ein altes Logbuch hervor. Als er es aufmachte, fiel ein Stück Papier heraus und flatterte zu Boden. Er starrte es an. Dann bückte er sich langsam und hob es auf. Er wusste, was für ein Papier es war. Trotzdem faltete er es auf.

Meleth hatte sich zwischen drei Seile geklemmt zu einer Kugel geformt und die Hände unter die Achseln geschoben, um sie warm zu halten, trotzdem zitterte sie fast. Sie fragte sich gerade, ob sie Reina oder Ismir fragen sollte, ob sie nicht den Posten kurz verlassen und sich etwas warmes zu trinken machen konnte, als sie hörte, wie eine Türe aufging. In der Hoffnung auf etwas Ablenkung blickte sie nach unten.
Der Captain fiel mehr die Treppe hinauf, als er ging. Er hatte eine Flasche in der Hand, doch es war bestimmt nicht die erste. Taumelnd erreichte er das Steuer. "Ichübernehm", sagte er zu Reina. "Geh schlafen."

Er hielt mehr sich am Steuer fest als umgekehrt, aber es war ohnehin festgebunden. Lange Zeit stand er einfach da, und starrte aufs Meer, das Rad in der einen Hand, die Flasche mit Rum in der anderen. Dann fing er an zu murmeln. Meleth spitzte unwillkürlich die Ohren, aber er sprach so undeutlich, dass sie nur Fetzen verstand. Vielleicht sagte er auch nicht mehr.
"...alles... so lange... weissu? ...war weg... tut leid... so ruhig... so tief..."
Er trank einen tiefen Zug aus der Flasche. Meleth fragte sich, mit wem er eigentlich redete. Er starrte nur aufs Meer hinaus. Wieder schwieg er lange Zeit und wankte mit dem Wellengang vor sich hin.

Er trank noch einen Schluck und seine Stimme wurde immer undeutlicher.
"...ich würd so gern... in deine Tiefe... wieso... sinken..."
Noch ein Schluck
"...du bist die einzige... ich schwörs dir!... aber ich hab dich... im Stich..."
Noch einer.
"Es tut mir so leid... es tut mir so leid..."
Ohne Vorwarnung sackte er in die Knie und fing an zu schluchzen.
Meleth war einen Moment lang so perplex, dass sie überhaupt nichts tat, dann blickte sie sich hilfesuchend auf dem Deck unten um und sah Ismir, wie er Reina ein Zeichen gab, dem Captain ja fern zu bleiben.

"Ich hab versagt... ", schluchzte er leise und schlug mit der Flasche auf den Boden, aber sie war stabil genug um nicht zu zerbrechen. Stattdessen sah er sie an und schüttete den Rest in sich hinein, bevor er sie fallen liess. Er kippte nicht sofort um. An das Steuer gelehnt rutschte er langsam daran herunter, bis mit dem Rücken dazu sass, den Kopf in den Nacken gelegt, und in den Himmel blickte. Seine Wangen waren nass von Tränen.
Langsam kletterte Meleth aus der Takelage herunter, bis sie knapp über Ismir war. "Was war denn das?!", fragte sie ihn flüsternd.
Ismir zuckte mit den Schultern. "Manchmal spricht er mit dem Meer."