Die Zwerge machten keine Anstalten zu gehen, sondern packten seelenruhig die Varnzla zusammen und schnallten sie Nesh auf den Rücken, der die ganze Zeit halb benommen dastand. Dann vermerkte Thjorn die Höhle auf einer Karte für spätere Gelegenheiten, bevor sie aufbrachen.

Sie kehrten zurück in das Dorf, ins Wirtshaus, schmissen ihre Waffen in eine Ecke. Die Dorfbewohner starrten sie an, sahen das Blut auf ihren Helmen und schliesslich wagte einer die Frage zu stellen. "Und... habt ihr ihn getötet?"
"Nein", sagte Thjorn knapp, schnallte seinen Helm los und stellte ihn auf den Tisch. "Das Biest konnte entkommen."
"Und... und meine Tochter?", fragte der Vater, der offenbar hier ausgeharrt hatte, fast panisch.
"Deine Tochter", sagte Thjorn und drehte sich zu ihm um. "Schien sehr unerfreut darüber, dass wir versuchten sie zu befreien. Sie zog es vor, dem Drachen hinterher zu rennen, anstatt hierher zurück zu kehren."

"In Richtung Nordosten", antwortete Thjorn, setzte sich und bestellte eine Runde Bier.

Sie tranken, einige Leute stellten noch ein paar Fragen, die Thjorn ziemlich knapp beantwortete, und schliesslich verzogen sich die meisten Leute nach Hause. Die Zwerge redeten und regten sich über den Misserfolg auf, assen etwas und schmiedeten Pläne für die nächsten Tage.
Nesh sass nur da, ohne seinen Becher anzrühren. Irgendwann schnippte Thjorn dagegen, und als das Geräusch Nesh den Kopf senken liess, meinte er nur: "Trink einen Schluck."
Nesh hob langsam, fast schlafwandlerisch den Krug, leerte ihn in einem Zug, stand dann auf und trat halb wankend aus der Hintertür.
Als er nach einer halben Stunde nicht zurückgekehrt war, ging Thjorn ihm nach und fand ihn zusammengebrochen am Zaun. Regen hatte eingesetzt und er war längst klatschnass, vermutlich bis auf die Unterwäsche, aber der Blick, mit dem er über seine Knie hinweg auf den Boden starrte, sagte Thjorn, dass er es nicht spürte. Er packte ihn an der Schulter. "Hey, Nesh. Komm rein. Du holst dir eine Lungenentzündung."
"Er hätte nicht entkommen dürfen", murmelte Nesh nur, ohne aufzublicken.
"Nicht jede Jagd kann gelingen", meinte Thjorn. "Es ist nur einer. Wir werden wieder einen töten, ganz sicher."
"Jeder, der lebt, ist einer zu viel", sagte Nesh leise und das Regenwasser tropfte von seiner Oberlippe in den Bart.
Obwohl er ohnehin nicht viel grösser war, ging Thjorn neben Nesh in die Hocke. "Du wirst sie ohnehin nie alle töten können."
Nesh hob den Kopf. "Ich weiss", sagte er und in seinen Augen stand unaussprechlicher Schmerz.
"Los jetzt, komm rein", befahl Thjorn und richtete sich wieder auf. "Aufstehen. Rumsitzen kannst du auch drinnen."
Nach einigen Augenblicken gehorchte Nesh und taumelte ihm hinterher in die Schankstube. Thjorn schickte ihn auf geradem Weg nach hinten in die Kammer, die sie gemietet hatten, damit er aus den nassen Kleidern kam. Als er eine Weile später noch einmal vorbeisah, lag Nesh im Bett, schlafend oder zumindest so etwas ähnliches. Thjorn schloss leise die Türe wieder und kehrte zu den anderen zurück. Manchmal machte ihm der Fanatismus dieses Jungen wirklich Sorgen.

"Schon klar", meinte Ro.
Sie schwieg eine Weile und bewunderte Shagan ein Stück weit, dafür, dass er so etwas überhaupt erzählen konnte. Ihr hätte es vermutlich schon bei den ersten Worten den Magen umgedreht, hätte sie darüber reden müssen, dass sie Nesh's Knochen aus dem Schutt von Eyni zusammensuchte... wobei, nein. Er hatte die verdammte Explosion ja überlebt, jeder Wahrscheinlichkeit zum Trotz. Und sich dann umgebracht, weil er glaubte sie sei tot.
Sie schluckte leer und meinte: "Wenn du müde bist, kannst du dich auch wieder hinlegen. Ich kann eh nicht schlafen."