Ro's erste Reaktion war ebenfalls ein Lachen. Zuerst unterdrückte sie es, aber als Naja zu kichern begann, konnte sie nicht mehr anders. Dann erinnerte sie sich daran, dass Shagan ein Dämon war, und wie man ihn vermutlich erzogen hatte. Sie sah ihn an. "Sie haben dir beigebracht, Kampf sei etwas ehrenhaftes, oder? So von Mann zu Mann, mit gleichen Waffen, Auge in Auge, ohne Lügen und fiese Tricks? Vergiss es. Vergiss es alles. Das ist nicht Kampf. Wahrer Kampf ist Krieg und Krieg ist dreckig. Er stinkt nach Leichen und aufgeschlitzten Bäuchen, nach brennenden Häusern und eingepissten Hosen. Glaub mir, ich hab beides erlebt. Das gesittete Duell und den Krieg. Duelle sind nichts als ein Spiel. Wahrer Kampf ist Wahnsinn. Dann fragst du dich nicht mehr, ob die Person, die vor dir steht, ein Feind ist, ob sie dich wirklich angreift, ob sie ein ebenbürtiger Gegner ist oder nicht. Wenn sie sich dir entgegenstellt, dann tötest du sie einfach."
Sie schwieg einige Augenblicke lang. "Ich habe Söldner gekannt, die wirklich gute Menschen waren", sagte sie. "Männer, die genau so gut hätten Heiraten und ein friedliches Leben mit Haus und Hof führen, ihre Nachbarn jeden Tag grüssen und den Hut lüpfen vor den jungen Damen aus dem nächsten Dorf. Aber wenn sie ein Schwert in der Hand haben, und den Feind auf sich zurennen sehen, können sie alle nur noch töten. Was... ich meine, was davon ist ihre eigentliche Natur? Der friedliche Bauer oder der wahnsinnige Schlächter?"
Sie stand auf, trat so nahe ans Wasser, dass ihre Stiefelspitzen die Oberfläche berührten und blickte auf die Dunkelheit und das Felsige Ufer, das sich darin verlor, hinab.

"Wie tief ist es hier?", fragte sie und deutete auf das Wasser etwa anderthalb Meter vom Ufer entfernt.

"Reicht", meinte Ro nur. Sie schnallte den Seesack von ihrem Schulterriemen und liess ihn zu Boden fallen, dann trat sie einige Schritte vom Ufer weg, nahm Anlauf, stiess sich ab und tauchte mit einem Kopfsprung in das dunkle Wasser ein.
Im ersten Moment war es kalt, aber sie gewöhnte sich schnell daran, während es ihre Kleider und Haare durchdrang. Mit kräftigen Schwimmzügen und gezogen von ihren Waffen tauchte sie abwärts, dem felsigen Grund entlang weg vom Ufer, tiefer und tiefer in den See. Sie hörte die Luftblasen aus ihrer Nase aufsteigen und spürte den Druck auf den Ohren, bevor sie endlich nach oben zog, sich mit den Stiefeln an einem Felsen abstiess und japsend an die Oberfläche zurückkehrte.
Mit den Armen rudernd, um sich über Wasser zu halten, schwamm sie zurück zum Ufer und zog sich klatschnass auf einen Felsen. Der Nachtwind fuhr ihr in die Haare und liess sie frösteln, aber es fühlte sich so richtig an, dass sie fast lachte. Sie stellte sich auf den Felsen und blickte über den See. Ein Bild tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Ein Schiff auf dunklem Wasser, die Flammen der Fackeln spiegeln sich orangerot. Sie kauerte auf einem Felsen, mit gezücktem Säbel und wartete darauf, dass es nahe genug kam...
Das Bild war so schnell wieder weg, wie es gekommen war, nur ein Flackern.

"Es ist ruhig", sagte Ro und genoss die Kälte des Windes, der durch ihre nassen Haare fuhr, und des Wassers, das ihr den Rücken hinunter lief. Sie fragte sich, was mit dem Schiff geschehen war und mit dem, der ihm aufgelauert hatte.