Die Zwerge hielten sich wohlweislich ausserhalb der Reichweite, die Ro mit einem Sprung hätte erreichen können. Die Schneiden ihrer Äxte und die Helme blitzten im spärlichen Licht.
Langsam ging Ro auf die Hauptstrasse zu, wobei sie darauf achtete, dicht bei Growndrill zu bleiben. Ein Teil von ihr sagte ihr, dass es nicht so einfach sein würde, wie es gerade aussah. Zwerge waren nicht bekannt dafür, klein bei zu geben. Schon gar nicht, wenn es um Fremde ging. Die Spannung hing in der Luft wie Nebel.
Ro machte noch zwei Schritte in Richtung des Tores, dann hörte sie ein Schnalzen. Ihr Körper schnellte los wie eine gespannte Feder. Aber der Bolzen zielte nicht auf sie, sondern auf Growndrill.

Die Zwerge gingen brüllend zum Angriff über. Ro lachte. Der Drachenmann gefiel ihr wirklich. Er hatte Stil.
Sie wirbelte ihren Säbel und überliess sich ganz ihrem Instinkt. Wirbelnd wich sie der Axt des ersten Zwerges aus, drehte sich einmal um die eigene Achse und köpfte ihn mit einem Hieb. Diese Zwerge hatten so eine praktische Höhe... Reflexartig bog sie den Rücken durch und entging einem fliegenden Speer und blockte einen Streithammer mit dem Fuss, bevor der Zwerg überhaupt zuschlagen konnte. Ihr Säbel schlug das Holz des Griffes entzwei, Splitter flogen durch die Luft, ein Schnalzen, Ro warf sich herum. Der Bolzen streifte ihren Oberarm, riss Hemd und Haut auf, aber die Wunde war nicht tief. Sie ging tief in die Knie, stützte sich mit einer Hand ab und trat dem Zwerg die Beine weg, um sich dann über ihm aufzurichten und den Säbel durch seine Brust zu stossen.

Ro wirbelte auf den Säbelgriff gestützt über den toten Zwerg hinweg und trat einem anderen die Axt aus der Hand, landete, riss den Säbel aus dem Toten und schlitzte dem Lebenden in einer fliessenden Bewegung die Kehle auf, bevor sie ihm in den Rücken trat. Er krachte gurgelnd auf seinen Kameraden und überströmte ihn mit seinem Blut, während Ro ihren Dolch zog und ihn einem weiteren Zwerg quer durchs Gesicht zog. Sie war schnell, viel schneller als die Zwerge. Schattenschnell.
Der Zwerg schrie vor Schmerz, als seine Wangen platzten und zuckte zurück, Ro trat ihm mit voller Wucht gegen das Kinn, sein Genick brach mit einem Knacken. Vor ihr war Wand, hinter sich registrierte sie drei Zwerge auf sich zukommen. Sie dachte nicht nach. Ihr inneres wusste, das alles möglich war. Sie setzte einen Fuss gegen die Wand, katapultierte sich mit einem Überschlag über die Zwerge hinweg und rammte einem von ihnen während dem Landen den Säbel durchs Genick in den Bruskorb. Die beiden anderen köpfte sie mit zwei Seitenschlägen, dann fuhr sie herum.
Wieder hörte sie ein Schnalzen, spürte den Bolzen auf sich zukommen und drehte sich aus seiner Bahn, aber diesmal war sie nicht schnell genug. Das metallene Geschoss durschlug das Leder ihrer Rüstung ohne Mühe, drang in ihr Fleisch ein und schoss auf der Rückseite wieder heraus, eine Spur von Blut mit sich ziehend. Für einen Moment lang taumelte sie rückwärts von der Wucht. Ein Teil von ihr begriff, dass der Schuss sie nicht voll getroffen hatte, sondern lediglich Haut und etwas Fleisch zerfetzt, keine Organe. Ein anderer Teil bemerkte, dass ihr schon jetzt das Blut über die Rüstung lief. Aber Tatsache war, dass sie nichts spürte. Überhaupt nichts.
Sie wusste, wo der Armbrustschütze war, griff nach einem Wurfmesser und schleuderte es. Das dumpfe Geräusch sagte ihr, dass sie getroffen hatte. Sie schwang den Säbel gegen die Feinde, aber da waren plötzlich keine mehr. Wo waren die Zwerge hingegangen...?
In diesem Moment flammte ein grelles Licht auf und etwas prallte gegen ihren Körper, als wäre sie gegen eine Wand gerannt. Hart krachte sie auf irgendeine Kante und versuchte sich daran festzuklammern, rutschte aber ab, fiel und prallte erneut auf. Ihre Ohren fühlten sich merkwürdig taub an, es roch verbrannt und sie schmeckte Blut im Mund. Benommen nahm sie wahr, dass sie auf dem Dach irgendeines angebauten Schuppens lag. Aber wo war Growndrill?

"Ja", antwortete Ro und rappelte sich auf. Einen Moment lang wankte sie, aber noch immer brannte das Feuer in ihr jeden Schmerz aus. Sie hörte die Zwerge die Gasse hinaufrennen, nahm Anlauf und sprang über die Strasse hinweg auf das nächste Dach. Sie wollte nach einem Wurfmesser greifen und es nach dem vordersten der Zwerge schleudern, musste aber feststellen, dass sie keines mehr hatte. Sie fluchte und rannte weiter.

Ro gab keine Antwort, sondern zog sich auf ein höheres Dach, rannte den Giebel entlang und sprang von dort auf die Mauer, die das Dorf umgab. Schwankend hielt sie inne. Die Mauer war vier oder fünf Meter hoch, unten wuchs undefinierbares Gestrüpp. Ziemlich hoch zum springen. Ein Bolzen streifte ihren Schulterschutz. Sie drehte sich um, fluchte die Zwerge zusammen, steckte den Säbel weg, lachte und sprang.