Ro ertrank in dem Strudel von Bildern. Sie fragte sich nicht, was davon real war und was nicht. Sie fragte sich überhaupt nichts mehr. Gedanken waren etwas, was nicht mehr existierte. Sie sah nur. Und hörte. Und schmeckte. Und spürte. Spürte die Hitze des Feuers auf ihrer Haut, hörte das Knacken der berstenden Mauern, schmeckte den Rauch, sah Reflexionen auf einer Klinge. Die Runen blitzten auf in den tanzenden Flammen... Alles muss vergehen. Alles was erschaffen wurde, muss zerstört werden... Ein Tal in den Bergen, Kiefern bedeckt von Schnee, eine Spur, eine dunkle Gestalt, die sich umdreht. Ich folge nicht dir, du folgst mir...

"Warum gebt Ihr ihr eine Droge?", fragte Machek und klang dabei schon beinahe verärgert.

Ro stand auf einem Felsen. Nackter, rauher Stein war unter ihren Stiefelsohlen, der Wind wirbelte glitzernden Schneestaub auf, und zerrte an ihren Haaren. Der schwarze Drache stand ihr gegenüber, seine dunklen Augen blickten auf alles und nichts. Sie hob den Säbel und schnitt sich in die Arme. Das leuchtend rote Blut rann über ihre weisse Haut und tropfte zu Boden. Mein Blut für dein Kraft. Sie spürte die Gier des Drachen. Und deine Kraft für meinen Willen. Sein heisser Atem blies ihr die Haare aus dem Gesicht, ein tiefes Knurren fegte über den Fels und hallte von den Bergen wieder. Was ist es, was du willst? Sie starrte ihn an, in ihrem Inneren war Hass, Hass, so alt und tief wie die Welt, Hass und Feuer. Ein Regen von Blut über dieses Land. Das Blut rann über ihre Hände und tropfte von ihren Fingern auf den grauen Stein. Die dunklen Lachen begannen sich zu regen wie Schlangen, formten sich zu Runen, ein immer weiteres Geflecht, wie Risse, die sich durch die Welt zogen und sie in Splitter zerfallen liessen. So sei es.
Alles kippte. Sie fiel, das Blut schwoll an zum Strom, überströmte sie, riss sie mit sich mit. Nach Luft ringed schlug sie um sich und versuchte, irgendetwas festes zu packen. Ihre Hände trafen auf Stein, aber sie glitt immer wieder daran ab, und als sie schliesslich eine Kante zu fassen bekam, fühlte es sich an, als würden ihre Finger brechen. Sie zog sich aus dem Blut und kroch japsend auf den Stein. Langsam hob sie den Kopf. Und was sie dann sah, liess ihr Herz stillstehen.

Machek schaffte es gerade noch, das Feuer zurück zu ziehen, bevor Ro mit der Hand hineinschlug. Sie wand sich, als versuchte sie etwasem zu entkommen, dass sie erdrückte. Immer noch waren ihre Augen weit aufgerissen, und halb nach oben verdreht.
"Lässt sich nur hoffen, dass sie sich dabei nicht mehr verletzt, als es nützt", stellte Machek trocken fest.

Ein Schlachtfeld. Darez. Ein Schwert. Sie rannte. Sie konnte es schaffen. Sie konnte schnell genug sein. Sie schrie und setzte an zum Sprung. In diesem Moment drehte er sich um und sah sie an. Nein. Sie erstarrte. Seine Augen waren so kalt. So schwarz. Lass mich sterben. Ich will nicht mehr. Und die Klinge fand ihr Ziel.
Sie brach in die Knie und weinte, schlug gegen seine Brust, um ihn aufzuwecken. Aber er wachte nicht auf. Er war tot. Tot. Tot!
Der Schmerz, so viel zu gross, um ihn zu ertragen, verbrannte ihr Herz zu Asche, und glühte darunter weiter, als Hass, der alles vernichten wollte. Sie stand auf und brüllte.

Die Welt kippte erneut. Die Bilder fielen durcheinander. Flieh! Das Geräusch von Knüppelschlägen und brechenden Knochen. Blutige Stümpfe. Ein Strick, ein blaues Gesicht. Sie stiess die Menschenmenge auseinander, um wegzukommen, weg, einfach nur weg... Eine Kerze. Ein bleiches, verschwommenes Gesicht. Ruhe in Frieden... Ein Haus. Feuer. Eine Explosion. Nesh, alleine in der Nacht. Ein Messer. Ich bin hier!, schrie sie und wollte auf ihn zulaufen. Doch sie konnte sich nicht bewegen. Er hob die Hand. Und stiess zu.
Warum?! Warum?! Warum nimmst du mir jeden, den ich liebe?! Ein bleiches Gesicht in der Schwärze. Ein dunkler Umhang, Hände gestützt auf ein langes Schwert. Schwarze Augen. Lippen, die sich nicht bewegten. Ich folge nicht dir. Du folgst mir.

Das mit Ro fesseln schien sich erübrigt zu haben. Sie hatte aufgehört um sich zu schlagen, lag nur noch da, zu einer Kugel gerollt und wimmerte. Machek fand grausam, was der Drache ihr angetan hatte. Wusste er nicht, was das Blut bei Leuten bewirkte, die psychisch nicht stabil waren?
Er seufzte, schnappte sich sein Stück Wurst und begann zu essen.

Es ist meine Schuld. Meine Schuld. Die schwarzen Augen liessen sie nicht los. Nicht deine Schuld. Dein Schicksal. Sie spürte das Feuer. Und den Hass. Nimm mich mit. Er schien nah vor ihr zu stehen, aber gleichzeitig, als trennten sie Welten. Nein. Sie wollte schreien, ihn zerfetzen, für das, was er ihr angetan hatte, für das, was er mit jeder Sekunde antat. Doch dann wurde ihr Inneres ganz kalt und ruhig. Dann werde ich dich zwingen.

Ro fühlte sich, als packe sie etwas hinter der Bauchdecke und reisse sie aufwärts. Mit einem Schlag fand sie sich in ihrem Körper wieder und fuhr hoch. Mit weit aufgerissenen Augen versuchte sie sich in der Realität zurecht zu finden und tasteten mit zitternden Händen über den Stein um sie herum. "Scheisse", keuchte sie. "Verdammte Scheisse."
Growndrill sagte etwas, was sie nicht verstand, weil ihre Sinne immer noch etwas vernebelt waren, Machek nickte. Ihr Blick schwankte von einem zum andern, sie krallte die Finger in den steinernen Boden, um nicht umzukippen oder erneut abzudriften.