Er nahm den Arm beiseite und seufzte. "Nicht sehr viel. Nur dass ihr Hauptquartier ziemlich sicher immer noch in Navrila ist und sie nicht sehr viele Anhänger haben können. Der Rat der Kronen verfolgt schon lange nicht mehr so eine Extremistische Politik gegenüber uns und den Feuerdämonen, man könnte fast sagen, sie haben sich irgendwie arrangiert. Also können die Inshandra keine sehr breite Unterstützung in der Bevölkerung haben, sonst müsste der Rat ihre Meinungen ernster nehmen."
Er legte die Arme um Ran's Taille und sah sie an. "Die Leute, die uns gestern angegriffen haben, sind keine Wald- und Wieseninshandra, die einfach auf die erstbesten Dämonen losgehen, die ihnen vor die Füsse laufen. Das war eine Elitetruppe, und sie hatten es einzig und allein auf uns abgesehen. Und ich schätze, dass dabei eher du das Ziel warst als ich. Ich will herausfinden, warum. Ich meine, du bist für die Elfen keine Feindfigur."

"Noch nicht sicher. Aber ich tippe auf einen Elfenfürsten aus Navrila. Die Inshandra mögen hierarchische Strukturen und sich sehr konservativ. Allerdings..."
Er sah Ran an. "Du und Ro, ihr habt beide gesagt, Nagareth sei wieder hier. Wie sicher bist du dir da? Dass es nicht nur jemand ist, der seinen Namen angenommen hat, um an etwas anzuknüpfen?"

Achrat konzentrierte sich so sehr er konnte auf die Gedanken des Mädchens ihm gegenüber. Er konnte all die anderen nicht ausblenden, sie waren immer da, schrien um Aufmerksamkeit und Beachtung, aber wenn er sich dazu brachte nur auf die Gedanken, dieser einen Person zu reagieren...
Irgendwo setzte jemand zu einem Schlag und er zuckte zusammen, um zu parieren. Das Mädchen nahm seine Bewegung wahr und nutzte sie sofort aus und traf in seine Rippen, dass er stolperte. Er spürte eindeutig, dass sie Spass daran hatte, dass er ein so leichtes Opfer war.
Er umklammerte den Stock mit beiden Händen, und durchdrang ihren Geist, immer tiefer, durchfilterte ihre Erinnerungen, ihre Gedanken, Wünsche, ihre Vergangenheit und Persönlichkeit, bis er die Essenz dessen hatte, was sie war. Darin verbiss er sich, klammerte sich daran fest. Nur das. Nur wenn das sich bewegte, durfte er reagieren. Nur das hatte Bedeutung.
Er spürte ihre Intention, fühlte, wie sie die Muskeln anspannte, und schlug so heftig dagegen, dass beide Stöcke zerbrachen.

"Das könnte durchaus sein", meinte Veray nachdenklich. "So, Nagareth also... ich dachte, sie würde Jagd auf die Inshandra selbst machen. Aber kommt wohl auf dasselbe raus. Denn ich vermute, wer immer dieser Nagareth wirklich ist, wenn er sich nicht bereits mit den Inshandra in Verbingung gesetzt hat, wird er es vermutlich bald tun. Man gibt sich nicht einen solchen Namen ohne Vorteile daraus ziehen zu wollen."
Dann dämmerte ihm plötzlich etwas. "Ran, weiss dieser Nagareth, wer Ro ist?!"

"Hey, warte!" Veray sprang auf und lief ihr nach. "Was genau weisst du über diesen Nagareth? Die mächtig ist er?"

Der Lehrer gab den Befehl, die Rollen zu wechseln. Nun war Achrat an der Reihe. Er schlug zu. Aus der Wahrnehmung des Mädchens sah er, wie er sich bewegte, und spürte, wie sie darauf reagierte. Sie befand, dass er sich ungeschickt bewegte, weil sie schon lange bevor er schlug, an seinem Haltungswechsel erkennen konnte, wo und wann er schlug.
Er versuchte, beim zweiten Schlag etwas daran zu ändern, aber sein Körper wollte nicht so gehorchen, wie er befahl. Also verlegte er sich auf eine andere Strategie. Er schlug los, und in dem Moment, indem er spürte, dass das Mädchen reagierte, lenkte er den Schlag in eine ganz andere Richtung.
Nach dem dritten Treffer, den er so gelandet hatte, beschwerte sich das Mädchen lauthals beim Lehrer, er spiele unfair und halte sich nicht an die Regeln. Der Mann ermahnte Achrat, sich an die Anweisungen zu halten und gerade zu schlagen, es sei eine Übung. Achrat sah in seinen Gedanken, dass es bei der Übung darum ging, schneller zu werden. Aber er sah nicht ein, warum er das nötig haben sollte, wenn es auf seine Art auch funktionierte.
Als der Lehrer den Befehl zum Partnerwechsel gab, tat Achrat, worin er schon immer gut gewesen war: er verschwand, irgendwo in den Schatten zwischen den an die Arena grenzenden Gebäude. Dort setzte er sich hin, beobachtete und analysierte. So lernte man viel schneller.

Veray setzte sich wieder an den Tisch, stützte das Kinn in eine Hand und tippte mit den Fingern der anderen auf die Tischplatte. Irgendwann würde er Ran sagen, wie sehr es ihm auf die Nerven ging, wenn sie einfach davonlief, ohne ihm Zeit zu einer Antwort zu lassen. Irgendwann. Musste nicht heute sein.
Im Moment war er beunruhigt genug darüber, was er eben erfahren hatte. Erstens: wenn dieser Nagareth auch nur annähernd so mächtig war, wie der Nagareth von einst, dann lief Ro geradewegs in ihr Verderben. Zwar hatten frühere Lord Sroks jenen Nagareth besiegt, aber sie waren erfahrene Männer gewesen, mit einer Armee im Rücken, und keine kaum erwachsenen Küken mit gravierenden psychischen Problemen. Und wenn Ro tatsächlich starb... ja, was dann? Sie war der Erbe, sie trug den Säbel. Schon einmal war die Familie an diesem Punkt gestanden, als Darez gestorben war, irgendwo in der Fremde. Aber dort war zumindest ein Erbe vorhanden gewesen, auch wenn Vakra niemandem etwas davon erzählt hatte.
Das zweite, und wohl gravierendere Problem war: wenn dieser Nagareth wusste, dass sie der Clan Srok waren, dann war nicht nur Ro in Gefahr, sondern jeder einzelne von ihnen. Was möglicherweise bedeutete, dass sie in Immen doch nicht wegen Ran angegriffen worden waren. Und wenn das sich womöglich verbreitete, dann standen sie vor genau dem politischem Problem, vor dem Vorsza ihn damals gewarnt hatte, als er das Geheimnis herausgefunden hatte: es konnte geschehen, dass allein die Tatsache, dass Nachkommen Sroks existierten, einen Krieg unter den Dämonen selbst auslösen.
Es war eine verschissene Situation.