RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)
in Dreitan - das Spiel 17.09.2012 01:44von Randreyah •

Ran war genervt. Beinahe hätte sie Farnabey und Ro zusammengestaucht, weil sie ihr nicht bescheid gaben, dass sie zur Schwarzen Festung und nicht in die Stadt selber wollten, aber sie schluckte ihre Worte hinunter, die sich wirklich schwer anfühlten.
"Hat Drewngard geantwortet?", fragte sie Tao.
"Nein"
"Ist er in der Nähe? Er blockt mich ab. Kannst du ihn wahrnehmen?"
"... Ja. Er fliegt über uns. Ich fliege dich nahe genug heran, dann spring auf seinen Rücken. Er ist wütender als wir alle zusammen."
"Danke Tao"
"Keine Ursache"
Der Drache tat, was er gesagt hatte und als er über Drewngard durch die Wolkendecke brach, stiess sich Ran von Taos Rücken und landete hart, zwischen Drewngards Flügeln. Er war nicht erfreut über ihren Besuch und brüllte sie aus voller Kehle an. Kurz griff er mit seiner Klaue nach ihr, fing sich aber wieder und landete in der Nähe.
"Was willst du Reyla? Kannst du mich nicht trauern lassen?" knurrte er und sie fühlte seinen Schmerz. Mit zittrigen Knien sprang sie von seinem Rücken und setzte sich neben ihn. Er rollte sich um sie herum, so dass seine Schnauze auf ihrem Schoss lag.
"Es tut mir Leid Drewngard. Ich weiss, wie sehr du ihn geliebt hast. Aber du musst jetzt ruhig bleiben", sagte sie und streichelte ihn zwischen den Augen.
"Er war mein Bruder Ran, auch wenn wir nicht die gleiche Mutter hatten."
"Ich weiss, aber du weisst, dass der grösste Teil deiner Gefühle vom Grossdrachen kommt."
"...Mag sein. Aber der Schmerz ist unerträglich. Am liebsten würde ich alles zerfleddern und zerfleischen. Sogar dich!"
Sie legte ihre Stirn auf seine.
"Das glaube ich dir nicht. Du bist der friedlichste Drache, den ich kenne."
"Trotzdem."
"Lass uns hier auf Ro warten.", sagte sie und streichelte den Drachen beruhigend. Sie wusste, dass seine Gefühle sie mehr, als die Gefühle des Grossdrachen beeinflussten und sie spürte, wie er sich entspannte. Eine schwarze Träne floss über seine Wange und sie summte ihm ein Lied vor.
"Du stirbst bald Ran, oder?", fragte er plötzlich. Sie hielt inne. Für einen Moment setzte ihr Herz aus. "Nein", antwortete sie unsicher. "Ich fühle es aber Reyla... Aber es fühlt sich so an, als würde nur die Hälfte von dir sterben, als wäre das nicht dein Körper. Rey, es hat sich schon immer so angefühlt, als würden dein Körper und Geist nicht zusammengehören...", stellte er besorgt und verwirrt fest. "Ich weiss nicht. Vielleicht ist es ja so", sagte sie Gedankenverloren und erinnerte sich an das Buch. Es war noch in Taos Satteltasche, sie würde es später holen müssen. "Ich habe Narums Tagebuch gefunden. Er hat geschrieben, dass wenn es mir nicht gut geht, ich nach Loney soll... Denkst du das könnte helfen?", fragte sie und zeigte ihm die Erinnerungen, die sie vom heutigen Tag hatte. Er schnaubte nur. "Ich weiss es nicht. Aber ich fliege dich dort hin, sobald du dich entschieden hast zu gehen", sagte er und sie fühlte wieder diesen leeren Zorn. Die Drachen müssten durchdrehen vor Wut. Aber so war es nun mal. Sie waren alle eine Einheit und mit dem Grossdrachen verbunden und wenn einer seiner Nachkommen starb machte ihn das wütend, und egal was er tat, diese Wut griff auch auf alle anderen Drachen über, genauso wie jede andere heftige Gefühlsregung die er nicht kontrollieren konnte.
Ran sah zu den Sternen und überlegte. Drewngard hatte sich beruhigt und das beruhigte sie auch etwas, aber sie wusste, dass sie alles reizen und zu einem weiteren Wutausbruch bewegen konnte.
Das spielte aber jetzt keine Rolle. Sie würde wohl, oder übel auf Ro warten müssen und dann würde sie sie wohl oder übel nach dem Grund fragen, wieso sie in Navrila diese Magie angewendet hatte.
In der Ferne ertönten unzählige Schreie der Drachen, die klagend und verzweifelt die Stille durchbrachen und jedes Wesen in Angst versetzten, das sie hörte.
some men just want to see the world burn

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)
in Dreitan - das Spiel 17.09.2012 23:30von Ro Raven •

Ein Dämon, den sie nicht kannte, öffnete ihr die Tür. "Was wollt...?" Weiter kam er nicht.
"Ich muss zu Vakra", fiel ihm Ro ausser Atem ins Wort.
"Der Herr wünscht keinen Besuch", sagte der Dämon, offensichtlich ein Bediensteter.
"Das ist mir scheissegal", fuhr Ro ihn an. Sie hatte weder Zeit noch Lust für langes Palaver. Kurzerhand zog sie den Säbel und hielt ihn dem erschrockenen Lakaien an die Kehle. "Lass mich rein", knurrte sie.
Der Mann schluckte, blickte von der Klinge zu ihr, dann wieder auf die Klinge, kniff die Augen zusammen und musterte sie scharf. Wusste er, wer sie war? Vielleicht. Zumindest wusste er genau, was das war, was sie da in der Hand hatte. Er trat zur Seite und liess sie durch. "Der Herr ist im dritten Stock, erste Türe rechts nach der Treppe."
Ro rannte die Treppe hinauf, wobei sie immer zwei Tritte auf einmal nahm, und platzte geradewegs in sein Arbeitszimmer. Er sprang aus seinem Sessel auf und zog seinen Säbel, dann kniff er die Augen zusammen. "Du!"
"Ja, ich", sagte Ro.
"Was willst du hier?", fragte Vakra.
Ro kam direkt zur Sache. "Wer ist Lord Srok?"
Einen Moment lang wirkte Vakra völlig perplex. "Ein Heerführer", antwortete er schliesslich. "Vor etwa zwölfhundert Jahren. Er hat die Dämonen in grosse Schlachten geführt und noch grössere Siege errungen. Er war der einzige, der es jemals schaffte, sie zu einen. Aber wieso fragst du das mich? Die Geschichte kann dir jeder Dämon erzählen."
Ro holte Luft. "Wir stammen von ihm ab, nicht wahr?"
Vakra schwieg eine Weile. "Ja", sagte er schliesslich. "Die Familie der Schwarzen Festung ist der Clan von Lord Srok. Aber das weiss niemand ausser uns." Er sah sie scharf an. "Und sie brauchen es auch nicht zu wissen."
"Warum nicht?", fragte Ro stirnrunzelnd. "Ich dachte, er sei so etwas wie ein Held?"
Vakra seufzte. "Jeder Held macht sich Feinde. Srok hat die Dämonen zwar dazu gebracht, geeint zu kämpfen, aber er hat sie auch gespalten. Und es gibt viele Familien, die eine alte Fehde mit ihm gutzumachen hätten. Ich lege es nicht unbedingt darauf an, dass sie erfahren, an wem sie sich rächen müssen, wie du vermutlich nachvollziehen kannst."
Ro nickte langsam. Sie hätte so viele Fragen gehabt. Wer war Lord Srok gewesen? Woher war er gekommen? Wofür hatte er gekämpft? Warum hatte er die Dämonen vereint? Und wie hatte er das getan? Wie war er selbst gewesen? Wie war er gestorben? Aber eine Frage war im Moment drängender. "Weisst du etwas über jemanden namens Nagareth?"
Vakra runzelte die Stirn. "Nagareth war ein Magier. Ein sehr mächtiger Magier. Er hatte eine der besten Magierschulen seiner Zeit."
"Er war?", hakte Ro nach.
"Natürlich", antwortete Vakra. "Nagareth ist seit über tausend Jahren tot."
Ro brauchte einen Augenblick, um diese Information richtig einzuordnen. Vakra sah sie schweigend an. Sie blickte genauso schweigend zurück. Er sah Darez so ähnlich, wenn auch auf eine ganz andere Art, als sie selbst. Einen Augenblick sehnte sie sich danach, dass da nicht diese Kluft zwischen ihnen gewesen wäre, die Eiversucht, ihr Menschenblut. Dass er einfach nur ihr Onkel war.
"Ist das alles, was du wissen wolltest?", fragte Vakra.
Sie nickte stumm. Eigentlich nicht. Aber es war alles, worüber sie mit Vakra sprechen wollte.
Er deutete mit dem Kopf zur Tür, sie verstand die Aufforderung und ging. Sie mochte stärker sein als Vakra, und mit dem Säbel die wahre Erbin, doch sie respektierte seine Hoheit über diese Haus, schliesslich war er es, der die Familie lenkte, seit sein Vater tot war. Wenn er wollte, dass sie ging, dann hatte sie zu gehen.
Sie kletterte den Hang hinauf, bis hinter eine Kuppe, wo Fabraney auf sie wartete. Er bedeutete ihr aufzusteigen und trug sie zu einem kleinen Plateau, wo Ran sass und ein grosser, grauer Drache. Ro sprang zu Boden und trat auf Ran zu. So ruhig, wie schon lange nicht mehr, sagte sie: "Danke, dass du mich hierhergebracht hast."
If you're going through hell, keep going.

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)
in Dreitan - das Spiel 17.09.2012 23:48von Randreyah •

Ran sah sie mit grossen Augen an. "Gern geschehen. Aber eigentlich war es Fabraney, der dich her gebracht hat", antwortete sie. "Wohin willst du als nächstes?"
Sie kraulte Drewngards Stirn und fühlte dessen warmen Atem an ihren Knien. "Tao, ist das Buch noch bei dir?", fragte sie dann den schwarzen Drachen, welcher Abseits aus Respekt vor Drewngard wartete. Er bejate die Frage und Lesk, welcher die ganze Zeit über bei Tao gewesen war, brachte es ihr. "Also, soll dich Fabraney fliegen, oder Drewngard?", fragte sie dann Ro.
some men just want to see the world burn

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)
in Dreitan - das Spiel 19.09.2012 07:45von Randreyah •

"Gut, dann steig auf", sagte sie und schwang sich auf Drewngards Rücken. Sie hielt Ro die Hand hin und zog sie auf den Platz hinter sich. Der Flug dauerte nicht lange und sie setzte Ro beim Lager ihrer Diebe ab.
Ran warf ihr einen Stein zu, den sie immer bei sich trug. "Wenn du weiterreisen willst kannst du entweder einen Drachen, oder mich hiermit rufen. Du musst den Stein in der Hand halten und einen Namen Denken", sagte sie und Drewngard schwang sich wieder in die Lüfte. Kurz hielt sie in Azura, um Kitsune zu holen und mit den Assassinen zu reden. Vor Ende des Tages kam sie aber in Lovit an.
some men just want to see the world burn

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)
in Dreitan - das Spiel 22.11.2012 23:19von Ro Raven •

Anfang Oktober des Jahres 307
Die Schattenspitzen waren ein Kreis schwarzer Felszacken, etwa drei dutzend Schritte im Durchmesser, der eine steinerne Platte umfasste, in die wiederum drei konzentrische, metallene Kreise eingelassen waren. Der Platz wurde auf zwei Seiten von einer Schroffen Felswand begrenzt, auf der dritten durch einen steinigen, stetig bis zu einem Felsgrat ansteigenden Hang. Auf der vierten, zwischen den Felswänden, schlängelte sich ein Pfad durch eine schmale Klamm hinunter ins Tal und bis in das einen Tagesmarsch entfernte Drez.
Die Schattenspitzen. Schroff und scharfkantig hoben sich die über mannshohen Felsen aus dem Boden, als hätte ein Riese sie dort hineingerammt. Der Platz in ihrer Mitte strahlte eine düstere Kraft aus, selbst für jene mit wenig magischem Gespür. Er war einer der ältesten, wenn nicht der älteste Kultort der Schattendämonen, vermutlich der Dämonen überhaupt, über Jahrtausende hinweg Schauplatz blutiger, machmal tödlicher Rituale, und nur dieser. Als die alten Bräuche ins Vergessen geraten waren, hatte man auch diesen Ort vergessen, aber einst war das Blut hier über den Boden geronnen wie andernorts Wasser. Nicht alle hatten vergessen. Jene, die an sich an den alten Bräuchen festklammerte, hatten auch diese nicht ausgenommen. Vakra und Darez hatten hier genauso ihr Blut vergossen wie ihre Schwestern, von denen nur eine erwachsen geworden war, wie ihr Vater vor ihnen, wie all jene, die aus den Alten Familien stammten.
Auch Machek war dieser Ort nicht unbekannt. Er erschauerte mehr als einmal, während er sein Gepäck auf das Ende des Pfades legte, ausserhalb des Steinkreises. Er hatte das Pferd unten im Tal gelassen. Erstens wäre es kaum den engen, steilen Weg hochgekommen, zweitens hätte es sich vermutlich schlichtweg geweigert. Tiere hatten oft ein ausgeprägtes Gespür dafür, welche Orte gemieden werden sollten, und dieser Ort hatte eine Ausstrahlung, die wohl jedem Tier gesagt hätte, es solle schleunigst davonlaufen, wenn es an seinem Leben hing. Machek brauchte kein Tier zu sein, um das zu wissen, die schwarze Magie hier hätte noch ein Novize bemerkt und Macheks magisches Gespür war schon immer sehr gut gewesen.
Wieder schauerte er. Er hätte das Gespür nicht einmal gebraucht. Seine Erinnerungen reichten vollkommen. Bilder flackerten durch seinen Kopf, von den Ritualen, von Schmerz, von Demütigung. Er konnte nicht nachvollziehen, wie irgendjemand das einem Angehörigen antun wollte, was er hier erlebt hatte, und doch taten es fast alle, die es selbst als junge Dämonen durchgemacht hatten. Er atmete tief durch, und sagte sich, dass nicht wirklich alles so schlimm gewesen war, wie seine Erinnerungen es zeichneten. Manche der Rituale waren lediglich Beschwörungen gewesen, bei vielen war es mehr um Feuer gegangen statt um Blut, und er hatte schliesslich beschlossen, Magier zu werden wegen der archaischen Energie, die er hier zum ersten Mal gespürt hatte. Diese letzte Tatsache drang ihm plötzlich ins Bewusstsein, und er fragte sich, wie er es hatte vergessen können über all die Jahrzehnte. Vermutlich weil die Magie, die er jetzt beherrschte so wenig mit der gemeinsam hatte, die er damals wahrgenommen hatte. Was er nun als Magie bezeichnete war ein komplexes System von Regeln und Naturgesetzen, die nach der Logik angewandt, aber niemals überschritten werden konnten. Was damals hier geschehen war, war... er konnte es nicht einmal in Worte fassen.
Aber wie auch immer. Da waren auch die anderen Rituale gewesen, und er würde niemals vergessen, was er dabei erlitten hatte. Es war für immer in seinem Gedächtnis eingebrannt. Und heute, heute war er hier, um eines der dunkelsten Rituale zu vollziehen, eines, von dem selbst seine Verwandten sich nur getraut hatten, ihm die Theorie beizubringen. Eines, das seit Jahrhunderten niemand mehr gewagt hatte. Die Rufung der Dagnaz'Ûr.
If you're going through hell, keep going.

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)
in Dreitan - das Spiel 10.12.2012 01:01von Ro Raven •

Er nahm aus seinem Gepäck einige Kohlen und ein Bündel Kräuter. Es waren getrocknete Blumen, Wurzeln und Blättern von Gebirgspflanzen, die die Dämonen traditionell bei allen möglichen Ritualen gebrauchten, und die, wie Machek heute wusste, einen Recht interessanten Einfluss auf die Sinneswahrnehmung und andere mentale Funktionen hatten. Er vorzog den Mundwinkel zu einem schwachen Lächeln. Er würde aufpassen müssen, dass er einen klaren Kopf behielt. Wobei, vielleicht war das ja gar nicht nötig? Was wusste er schon davon? Viel zu wenig im Grunde, für das, was er vorhatte.
Er legte seinen Mantel ab und zog sich das Obergewand über den Kopf, sodass er nur noch in Hosen und Stiefeln dastand. Die Gebirgsluft war eiskalt und er fröstelte. Ihm ging durch den Kopf, dass er für einen Dämonen wohl keine gute Figur machte. Er hatte viel zu lange nicht mehr ohne Magie gekämpft. Er hob seinen Gürtel mit dem Säbel hoch und schnallte ihn sich um die Hüfte. Langsam legter er die Hand um den Knauf. Das Gefühl des Griffes in seiner Hand erinnerte ihn an alte Zeiten, Zeiten, die sehr lange vorbei waren, und einen Moment lang überkam ihn der Drang, die Klinge zu ziehen. Dumme Spielerei des Geistes, sagte sein geschultes Magierdenken. Er war nicht hier, um zu spielen. Vielleicht war er irgendwann einmal ein Dämon gewesen, aber das war lange her. Er war ein Magier, und der Säbel hatte für ihn längst keine Bedeutung mehr, ausser als Hilfsmittel zur Ausübung von Magie.
Er schnaubte. Wie das klang. Als hätte er ein schlaues Buch gefressen. Hatte er im Grunde ja auch, zumindest als geistige Nahrung, hunderte von Büchern. War es soweit gekommen, dass er seine Existenz nur noch aus diesen Büchern bezog? Hatte er überhaupt noch eine Persönlichkeit? Der Gedanke war müssig. Er vertrieb ihn aus seinem Kopf und wandte sich wieder der Realität zu.
Im Grunde wusste er nicht einmal, ob es den Säbel wirklich brauchte, oder ob jede scharfe Klinge den Zweck erfüllte. Er glaubte nicht, dass an seinem Säbel irgendetwas magisch war. Aber die Riten sagten es nun einmal so, und er verstand von dieser Art der Magie zu wenig, als dass er hätte sagen können, was daran notwendig war und was nur emotionsbehaftete Tradition. Er wollte nicht riskieren, dass es misslang.
Schliesslich holte er tief Luft und trat zwischen den Felszacken hindurch in den Kreis. Nichts geschah. Kein Donnerschlag, kein plötzliches, magisches Feld. Nur das Gefühl, dass die Steine ihn beobachteten wurde er nicht ganz los. Langsam schritt er ins Zentrum, wo eine kleine Vertiefung im Stein eingelassen war. Er legte die Kohlenstücke hinein und kniete sich davor nieder. Immerhin brauchte er nicht mühsam ein Feuer zu machen, zumindest soweit half ihm sein gelerntes Verständnis von Magie. Er hielt die Hände über die Kohle und nach wenigen Atemzügen glühte sie tiefrot, eine kleine Flamme tanzte darüber und verschwand wieder. Er legte einige Kräuter darauf und sah zu, wie der dünne Rauchfaden begann aufzusteigen. Er hatte einmal gelesen, dass sich die Walddämonen im Norden für ihre Zeremonien bunt mit Farben bemalten. Er seufzte während er auf den Knien ein Stück zurückwich, gerade so weit, dass er noch innerhalb des inneren Kreises war. Die Schattendämonen brauchten keine Farbe. Nicht dass sie sich nicht bemalten. Aber es gab in ihren Augen nur eine Art von Farbe, die heilig war.
Er richtete sich auf, holte zweimal tief Luft, verinnerlichte sich noch einmal, was er tun würde. Dann begann er zu singen.
If you're going through hell, keep going.

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)
in Dreitan - das Spiel 13.12.2012 19:33von Ro Raven •

Es war kein schwieriger Gesang. Wenige Wörter, die sich entlang einer wiederkehrenden Melodie wiederholten. Zuerst klang seine Stimme leer und verloren auf dem Platz, so schwach und unsicher, dass er beinahe wieder abgebrochen hätte. Doch dann kehrte das Echo von den Felsen zurück - er fragte sich einen Moment lang, wie es auf so engem Raum ein so langes Echo geben konnte - und verwob sich mit seiner Stimme zu einem vielschichtigen, fast sphärischen Klang. Er sang weiter, und je länger er die Worte wiederholte, desto tiefer sanken sie in sein Bewusstsein, breiteten sich aus in den wirren Gängen seiner selbst wie dunkler Nebel, setzten sich in den Tiefen seines Denkens, seines Verstehens fest. Seine Stimme wurde lauter, dann tiefer, getragen von den uralten Worten, oder vielleicht auch unter dem Einfluss des Kräuterrauches, der sich wie feiner Nebel über dem Steinkreis ausbreitete und die Schattenspitzen umwaberte.
Er schloss die Augen und breitete die Arme aus. Vor seinem inneren Blick erschienen Zeichen, Runen. Die Runen der Worte, die er sagte. Nein, er sagte sie nicht. Er war sie. Jede Silbe warf ein zweifaches Echo. Eines draussen, gegen die Felsen, und eines in ihm drin. Und wenn das äussere Echo zurückkehrte, vermengte es sich mit dem inneren zu einem tiefen Summen, das unaufhaltsam durch die leeren Hallen seines Geistes sickerte, anschwoll, verebbte, anschwoll, wie ein Herzschlag, der immer stärker wurde. Der Boden unter ihm schien zu erzittern, doch er wusste nicht, ob er es wirklich tat oder nur in seiner Wahrnehmung. Die Worte breiteten sich aus, kreisförmige Wellen, die gegen die schroffen Felsspitzen brandete und sie zum Beben brachte. Machek spürte, wie die Realität um ihn herum begann sich zu verbiegen, Wellen zu schlagen, als die alte Kraft erwachte. Die Schattenspitzen erwachten zum Leben im langsamen, drängenden Rhythmus der Worte. Ihre Magie durchdrang ihn wie ein Herzschlag. Ein leises Grauen überkam ihm, Angst vor dem, was er da weckte, aber auch Ehrfurcht, und der Hunger danach, diese Macht zu beherrschen, der vermutlich jeden Magier im innersten Antrieb, so edel er sonst auch sein mochte. Das Verlangen nach Macht über die Realität. Über Zeit und Raum. Über Leben und Tod. Niemand erreichte jemals alles. Und darum waren sie alle immer hungrig.
Aber Machek begriff, dass er, um diese Macht zu beherrschen, sich ihr hingeben musste. Er liess sich treiben in ihren Wellen, wurde eins mit dem magischen Feld, ging auf in den Worten, von denen er längst nicht mehr wusste, ob er sie sprach oder ob sie sich selbst ihren Weg aus seinem Mund suchten. Bis er irgendwann spürte, dass es Zeit war. Jetzt. Er öffnete die Augen, doch die Welt die sie erblickten war nicht mehr dieselbe wie zuvor. Keine Konturen mehr, keine feste Ordnung. Alles war in Bewegung, alles pulsierte. Die Schattenspitzen waberten wie Flammen, die Ringe dehnten sich aus und zogen sich zusammen, wie ein schlagendes Herz. Dunkelheit fiel über alles, doch in ihr zeichneten sich Ströme von Energie, wie Adern zu einem kunstvollen Muster verwoben, das in ihm, Machek zusammenlief. Seine Sicht flackerte zwischen dem grauen, weiss, schwarzen Stein und diesem dunklen Universum, das dahinter lag. Er umfasste den Griff seines Säbels und zog ihn.
Die Energie veränderte sich. Oder er veränderte seinen Standpunkt im Gefüge der Welt, als würde er gebündelt. Alle Projektionen seiner selbst verschwanden, er spürte sich und die Energie war in ihm, die Energie war er. Er zog die Klinge über seinen linken Unterarm. Blut quoll aus dem Schnitt, rann über sein Handgelenk und tropfte zu Boden. Heisse, rote Tropfen auf dem grauen Stein. Er wechselte den Säbel in die linke Hand und tat dasselbe auf der anderen Seite. Langsam legte er den Säbel vor sich nieder, mit der Spitze auf das Zentrum gerichtet. Dann drückte er die Finger auf die Wunden bis sie blutig waren, und begann zu malen. Runen über Runen. Auf seinem Armen, seiner Brust, seinem Gesicht. Und jedes Zeichen, das er vollendete, trat in den Rhythmus ein, begann zu pulsieren im Takt der Energie, trug seinen Teil bei zu dem gewaltigen Grundton, der sein Innerstes erfüllte, als wäre das Blut, obwohl ausserhalb seines Körpers, noch immer ein Teil von ihm. Es wand sich über seine Haut, breitete sich aus, und die Zeichen verflossen in einander zu einem Geflecht, dass seinen ganzen Oberkörper überzog.
Er schloss wieder die Augen. Es war wie ein Fieber. Aber er spürte, was sich geändert hatte, von dem Moment an, als er den Säbel gezogen hatte. Die Schattenspitzen erfüllten nicht mehr ihn mit dem, was sie waren, sondern sein Wesen, sein Selbst, erfüllte nun sie. Und zwar sein gesamtes Wesen, nicht nur der kleine Teil, von dem er geglaubt hatte, ihn zu kennen. Unaufhaltsam brach es sich Bahn durch alle Mauern und Türen seines Geistes, zerriss seine Fesseln und brachte die Energie zum Kochen. Hitze stieg um ihn auf, und als er die Augen aufriss, sah er Flammen über den steinernen Boden lodern und tanzen. Das Feuer war immer sein Element gewesen, aber er hatte nicht geahnt, wie tief es mit ihm verknüpft war. Wieder griff er nach den Säbel, setzte ihn an seinen Arm und zog durch, Schnitt um Schnitt, und in dem Mass, in dem das Blut aus ihm hinausfloss, wuchs die Klarheit und Entschlossenheit seines Geistes. Schliesslich erreichte er jenen Punkt, an dem keine Fragen mehr waren. Er wusste. Und dieses Wissen brach aus ihm als ein langes, wildes Brüllen, das weder nach Tier noch nach irgendeinem Vernunftbegabten Wesen klang, sondern nach blankem Wahnsinn.
Als ihm die Luft ausging, brach er in die Knie. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, dass er aufgestanden war. Die Energie zog sich ein Stück weit zurück, aber sie liess ihn nicht im Stich. Er sah das Blut auf den Steinen um ihn und ahnte, dass er kaum so aufrecht geblieben wäre nur aus eigener Kraft. Er wartete keuchend. Die Luft um ihn schien zu knistern, elektrisiert von der Macht, die in ihr waberte. Er sah sie nicht mehr, aber er spürte sie deutlich. Sein Gespür war schon immer gut gewesen. Dann hörte er ein Geräusch. Es erinnerte ihn an einen Blasebalg. Grosse Luftmassen, die schnell bewegt wurden. Es dauerte einen Moment, bis er begriff. Dann hob er den Blick und sah ihn. Den Dagnaz'Ûr.
If you're going through hell, keep going.

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)
in Dreitan - das Spiel 16.12.2012 14:08von Ro Raven •

Seine Schuppen waren schwarz, doch wo das Licht durch die Membrane seiner Flügel fiel, leuchteten sie dunkelrot wie geronnenes Blut. Dagnaz'Ûr. Blutschuppen. Er war riesig, grösser als jeder Drache, den Machek jemals gesehen hatte, und der nicht zu weit entfernt gewesen war, um ihn zu schätzen. Seine Flügelschläge entfachten einen Sturm und als er schliesslich landete, erbebte die Erde. Machek warf sich ausgestreckt zu Boden.
Als er sich wieder aufrichtete, sah er die tiefschwarzen Augen des Drachen auf sich ruhen. Hinter ihren Pupillen lag ein Glühen wie von Kohlen. Lansam reckte der Drache seinen langen Hals und öffnete den Rachen, als wolle er Machek verschlingen oder ihn mit Feuer einhüllen. Ohne auch nur einen Gedanken an Widerstand breitete Machek die Arme aus und wartete auf den Tod, doch der Dagnaz'Ûr senkte den Kopf und liess seine Zunge über den rauhen Stein schnellen. Er leckte das Blut auf, das Machek vergossen hatte, um ihn zu rufen. Der zweite Grund, warum man sie Blutschuppen nannte. Weil der uralte Pakt mit ihnen auf nichts anderem beruhte als auf Blut.
Schliesslich hob der Drache wieder seinen Kopf und sah ihn an. Plötzlich wurde Machek ganz ruhig, alles wurde hinweggefegt von den Worten, die er zu sagen hatte. "Dangnaz'Ûr", schallte seine Stimme über den Platz. "Ich bin ein Vertreter des alten Paktes. Mein Blut für deine Kraft."
Und meine Kraft für deinen Willen, brandete die Stimme des Drachen durch seine Gedanken. Was ist, was du willst?
Machek beschloss, ebenfalls auf Gedanken umzusteigen, denn er musste dem Drachen mehr zeigen, als Worte zu sagen vermochten. Eine Kämpferin von meinem Volk. Hole sie. Lebend. Mit den Worten sandte er ein Bild, ein Bild, das ihm der Meister gegeben hatte, als Gedanken geheftet an das Pergament mit dem Auftrag. Eine junge Frau in Lederrüstung, mit langem, schwarzem Haar. Sie hatte ihren Säbel gezogen, eine lange, messingfarbene Klinge, bedeckt mit Runen. Ihr Gesicht war wutverzerrt, ihre Haut blass, ihre Augen ungewöhnlich hell für eine Dämonin.
Wo ist sie?, fragte der Dagnaz'Ûr.
Im Südwesten, antwortete Machek. Im Bürgerkrieg der Nachtzinne, als Hauptmann. Sie wird dort sein, wo gekämpft wird.
Wohin soll ich sie bringen?
In die alte Festung Rhugrön, sagte Machek. Ein Bild kam aus den Gedanken des Drachen, von einer Burg mit hochaufragenden Türmen und Befestigungsanlagen. Fahnen flatterten im Wind, Soldaten patrouillerten auf den Mauern. Machek brauchte einige Augenblicke um zu begreiffen, dass es tatsächlich Rhugrön war, so wie es vor über tausend Jahren gewesen war. Er sandte ein Bild zurück vom Rhugrön der jetztigen Zeit, einer verfallenen Ruine, über die sich Moos und Buschwrek ausbreitete.
Der Drache senkte den Kopf wie zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Dann duckte er sich, sprang und gewann mit kräftigen Flügelschlägen an Höhe. Machek starrte ihm nach, unfähig seinen Blick abzuwenden. Dann verschwand der Drache hinter einem Bergkamm und Machek brach bewusstlos zusammen.
If you're going through hell, keep going.

RE: Drez (Stadt der Schattendämonen)
in Dreitan - das Spiel 19.12.2012 16:39von Ro Raven •

Als er wieder zu sich kam, war es stockfinster. Er versuchte sich aufzurappeln, aber die Schwärze um ihn gab keinen Halt und er knallte hart zu Boden. Wäre der Stein nicht gewesen, hätte er nicht gewusst, wo oben und unten war. Blutverlust, dachte er. Vorsichtig drehte er sich auf den Rücken. Er tastete über seine Arme und spürte das eingetrocknete Blut, dann keuchte er vor Schmerz auf, als seine Finger in eine offene Wunde trafen. Was hatte ihn nur dazu gebracht, das zu tun? Natürlich, er hatte es tun müssen für die Rufung des Dagnaz'Ûr. Dass er es getan hatte war nicht, was ihn schockierte. Sondern dass er es in jenem Moment freiwillig getan hatte. Er hatte nicht aus Notwendigkeit gehandelt. Er hatte es gewollt. Was hatte dieser Ort mit ihm gemacht?
Immer noch war es ganz schwarz, so als wäre er in einer Höhle, aber er spürte den kalten Wind. Wäre er noch viel länger bewusstlos gewesen, wäre er vermutlich erfrohren. Es musste bewölkt sein und die Wolken ungewöhnlich dick, dass es so dunkel sein konnte. Vorsichtig und mit beiden Händen abgestützt setzte er sich auf, dann hob er eine Hand und liess mit seiner ganzen Willenskraft eine kleine Flamme darauf erscheinen. Das Flämmchen flackerte und er wurde fast wieder bewusstlos von dem Energieverlust, aber er traute sich nicht, aus der Umgebung Energie für den Zauber zu ziehen, nicht hier im Kreis der Schattenspitzen. Wer wusste, was er damit auslösen konnte.
Der Lichtschein reichte gerade um die Kreismitte sehen zu können. Unter Aufbietung all seiner Kräfte schleppte er sich in die andere Richtung, dorthin, wo er sein Gepäck zurückgelassen hatte. Der Weg kam ihm ewig vor. Irgendwann begann er zu argwöhnen, dass er in einer Raumschleife gefangen war. Nicht, dass es so etwas wirklich gab, aber er hatte mal einen Text gelesen, der mit dem Gedanken spielte. Man musste es sich vorstellen wie ein Raum mit zwei Türen, wenn man durch die eine hienausging, trat man durch die andere wieder ein. Magier beschäftigten sich gerne mit so absurden Dingen. Reine Gedankenspielereien - zumindest was die Realität betraf. In der Traumwelt war natürlich alles möglich.
Gerade als er begann zu befürchten, dass tatsächlich jemand ihn in einen Traum gesperrt hatte, tauchten die hohen, scharfen Umrisse der Schattenspitzen vor ihm auf. Er robbte zwischen ihnen hindurch und brach zusammen. Die Flamme ging aus. Als er wieder ein wenig Kraft gesammelt hatte, tastete er nach seinem Gepäck und zog ein Fläschchen hervor. Die Flüssigkeit darin schmeckte bitter und war leicht schmierig, aber sie half. Ein altes Dämonenrezept. Verschaffte einem schnell Energie und förderte die Blutbildung. Wozu sie das nur erfunden hatten? Er grinste schief.
Er trank einige Schlucke, dann wickelte er sich in seinen Mantel ein, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Felswand und versuchte bis zum Morgengrauen bei Bewusstsein zu bleiben.
If you're going through hell, keep going.

![]() 0 Mitglieder und 12 Gäste sind Online |
![]()
Das Forum hat 111
Themen
und
30462
Beiträge.
|
![]() | Einfach ein eigenes Forum erstellen | ©Xobor.de |