Veray machte das Buch halb zu und betrachtete den Einband, auf dem einige Runen standen. "Eine Abhandlung über die verschiedenen Magierschulen der Südära. Altes Zeug eben. Die jüngste der Schulen, die hier beschrieben wird, hat vor über neunhundert Jahren zugemacht."
Das klang ja hochinteressant. Ro verdrehte die Augen. Plötzlicht stockte sie. Moment, worum ging es in dem Buch? "Kannst du mir das mal ausleihen?", fragte sie Veray schnell.
Er starrte sie an, als hätte sie verkündet, dass sie täglich ein dutzend Regenwürmer esse. "Du kannst lesen?!?
"Natürlich kann ich lesen", antwortete sie gereizt und verschränkte die Arme. Sie hoffte zumindest, dass sie es noch halbwegs konnte.

Sie schlug das Buch auf, blätterte über den Titel weg, starrte die erste Seite an und war schlichtweg überfordert. So viele Buchstaben. Hunderte von Buchstaben, nein Hunderte von ganzen Wörtern auf einer einzigen Seite. Wie sollte man sich da zurechtfinden? Wo musste sie mit lesen beginnen? Und zum Teufel, wie viele solche verdammten Seiten hatte dieses Buch? So dick wie es war bestimmt nochmal Hunderte. Hilfe!, dachte eine kleine Stimme in ihrem Kopf, vermutlich der Teil von ihr, der ansatzweise lesen konnte.
"Das hängt davon ab, was du genau mit Magie meinst", antwortete Veray. "Ich bin kein Magier. Aber ich kenne mich gut aus mit der Magie unseres Volkes. Besser als die allermeisten vermutlich." Er klang stolz.
Sie versuchte sich nichts von ihrer Panik angesichts von so viel Text anmerken zu lassen und blickte auf. "Äh, Veray, wie findet man da heraus, wo was steht?"
Veray musterte sie mit einem spöttischen Grinsen um den Mundwinkel. "Indem man es liest."
Sie fluchte.

Ro biss sich auf die Zunge und warf beiden einen wütenden Blick zu, denn sie fühlte sich gerade gehörig verarscht. Anstatt zu antworten, konzentrierte sie sich auf das Buch und versuchte die ersten Worte zu entziffern.
"Habe ich", meinte Veray. "Aber um es auswendig zu kennen ist es doch ein bisschen sehr dick."
Ro hörte seiner Stimme das Grinsen an und musste sich zusammenreissen, um ihm nicht eine sehr rüde Geste zu zeigen.
"Eine neue Magierschule?", fragte Veray. "Was für eine? Ich habe noch nichts davon gehört."
Ro war ein knappes dutzend Wörter weit gekommen, aber die ergaben nicht viel Sinn. "Dem geeinigten Leser mag es zu Meilen bei der Lekfüre erscheinen". Dann kam da ein Punkt oder so etwas ähnliches. Sie las die Worte nochmal durch und bemerkte, dass das zweite nicht geeinigt, sondern geneigt hiess. Aber was erschien dem geneigten Leser in Meilen bei der Lekfüre, wo immer das auch lag? Sie war verwirrt.

Ro setzte sich auf den Schreibtisch. Wenn sie den ersten Satz nicht kapierte, las sie eben den zweiten. als... wär...en die in die...sem Bu... ah, Buch...
Du hast sie nicht nur deshalb gerufen, hallte eine Stimme in ihrem Kopf wieder. Sie musste sich beherrschen, um nicht im ersten Moment zusammen zu zucken, aber sie wusste, dass die Worte nicht an sie gerichtet waren, sondern an Ran. Wieso zum Teufel liess er sie mithören? Eine Erinnerung tauchte in ihrem Kopf auf, von dem Ruf der Drachen und sie kapierte den Zusammenhang, ohne dass er dafür Worte gebrauchen musste.
Sie fragte sich, ob Veray es auch hörte und lugte unauffällig über den Rand des Buches, aber er sah Ran immer noch an, als warte er darauf, dass sie weiter sprach.

"Weil du es denkst", antwortete Achrat.
Ro glaubte, hätte er richtig gesprochen, hätte er gelächelt, oder zumindest etwas in diese Richtung. "Über die Frage danach, wer jemand wirklich ist, haben sich schon viele Weise den Kopf zerbrochen. Meinen Namen kennst du."