"Die eigentliche Frage ist, wohin soll ich sonst gehen", meinte sie und lehnte sich an ihn. "Lovit ist der sicherste Ort im Moment. Auch wenn ich am liebsten Amok laufen würde." Das Amoklaufen bezog sich auf die beiden Klischeepriester, die leider nicht die einzigen ihrer Art waren.

Und an den meisten will man mich umbringen oder umgekehrt, dachte sie. "Ich hoffe es... Es wäre schade wegen ein paar Priestern verbannt zu werden", murmelte sie grinsend. Sie stellte sich langsam wirklich vor, wie ihre Klinge die beiden Lästermäuler... Nein, sie war eine Hohepriesterin und durfte nicht an sowas denken. "Ich glaube ich leg mich kurz hin", meinte sie und stand auf. "Ich bin so müde", sie gähnte, "Und nachher muss ich die Dracheneier beschriften und hinschreiben, wie welches behandelt werden soll."

Ran sah ihm nach und wollte sich hinlegen, als ihr wieder die Laken in den Sinn kamen. Mürrisch hockte sie sich vor die Feuerstelle.
"Na du kleiner Stinker?", redete sie das Ei an. "Musstest du wirklich ein Loch in mein Bett brennen?" Der Drache schien amüsiert. Komischerweise erinnerte sie das kleine Küken an Achrat. Vielleicht hatte Achrat von seiner väterlichen Seite Drachenblut geerbt? Alles war möglich und es würde einiges erklären...
Sie erhob sich wieder und verliess kurz den Raum, um frische Laken zu holen. Kurze Zeit später, wünschte sie sich, das Ei nicht unbeaufsichtigt gelassen zu haben. Im Raum herrschten Temperaturen, die kaum jemand aushalten konnte. Sie öffnete das Fenster und liess die Tür offen, warf die Laken aufs Bett und kniete sich vor die Feuerstelle, griff nach dem Ei und verbrannte sich. "Na wirst du wohl!", fauchte sie und griff erneut hinein, diesmal ihre Haut zu Kristall gehärtet. "Wenn du nicht auf dem Boden landen willst, hör auf wärmer zu werden!", zischte sie es an und das Ei kühlte schlagartig ab. Es schien beleidigt. Ran seufzte. Musste sie das wirklich die nächsten vier bis fünf Jahre durchstehen? Sie setzte sich mit dem Ei auf den Knien auf die Bettkante. Es war einfach noch zu warm im Raum. Die Eltern des Eis waren tot. Von Zwergen im Exil getötet.
Sie strich sanft über die glatte, mattschwarze Schale und das Drachenkind begann eine sanfte Wärme auszustrahlen, die im Normalfall angenehm wäre, doch im Moment war es zu viel. "Hör bitte auf", lachte sie verzweifelt und das Ei kühlte ab.

Nach einer Stunde war das Bettlaken gewechselt, der Raum einigermassen abgekühlt, das Ei zurück in der Feuerstelle und Ran auf dem Weg zu den Lagerräumen. Sie hatte einen Stapel Papier und genügend Tinte und Federn dabei.
Die Dracheneier waren schön alle in Reihen und im gleichen Abstand auf Stroh aufgestellt worden. Einige der Strohnester brannten schon, andere waren schon verbrannt und wieder andere waren, zu Rans Erstaunen, noch intakt. Sie ging von Ei zu Ei, hob es hoch, betrachtete es und ordnete ihm Drachenart und Alter zu. Sie merkte es an der Schalenstruktur und -Farbe. Es war warm in der Höhle und es gab noch einiges an Platz. Viele der Eier waren von Feuerschwingen - was die Wärme erklärte - von Phönixen, Schattenschwingen und Nachtkatzen. Nur ein oder zwei waren bisher Silberschwingen gewesen. Sie seufzte, das erste Fünftel hatte sie schon kategorisiert. Doch eine halbe Stunde war bereits vergangen.

Zorai war äusserst zufrieden mit Verays Arbeit. Es lief alles wie am Schnürchen, natürlich hatte er die Liste mit den Arbeitszuweisungen korrigieren müssen, da einige der Priester nicht mehr in der Lage waren gewisse Arbeiten zu verrichten, doch das hatte nicht viel Aufwand gekostet. Er wollte dem Dämonen selber danken und so ging er ihn suchen. Doch er wurde immer wieder aufgehalten. Irgendwann fand er ihn dann doch, der Klischeepriester war zu seinem Bedauern auch in der Nähe. "Veray, mein Lieber!", grüsste er von weitem und ging auf Veray zu. "Ich muss schon sagen, du hast ganze Arbeit geleistet", lobte er ihn, als er neben ihm stand.