Zorai hatte schnell die Botschaft von Randreyahs Verlobung verbreitet, auch wenn er sich nicht sicher war ob sie jetzt wirklich verlobt war oder nicht, doch er kannte sie und sie war es eh. Somit wusste am Abend der ganze Tempel bescheid. Viele waren überrascht, doch die meisten positiv. Die Vorfreude auf das Fest am nächsten Tag liess jedoch alle alles vergessen, alle Sorgen, all den Tratsch und Klatsch.
Zufrieden legte sich Zorai schlafen. Er musste jetzt keine Verlobungsfeier organisieren, oder die Bekanntmachung oder sonst was. Es war alles erledigt und er konnte sich ausruhen, später vielleicht nach Drez gehen, dann nach Azura... Doch das würde alles schön langsam nacheinander passieren. Er konnte sich jetzt wieder seiner Faulheit hingeben.

Irgendwann viel später war er aufgewacht und hatte sich wieder richtig gut gefühlt. Wackelig auf den Beinen, hungrig und etwas schwindelig, aber nichtmehr so schrecklich wie vor dem Schlafen. Es war schon fast Morgen und so beschloss er, schnell etwas essen zu gehen, bevor die meisten anderen Priester wach werden würden und dann seine Sachen zu packen. Er würde zum See reisen, wo es neben den wilden Menschen auch ein paar ziviliserte Fleckchen gab und dort eine Weile verbringen. Er könnte seine Schwester besuchen und ihre Familie, dort war er stets willkommen.
Und dann, nach einer oder zwei Wochen würde er einfach zurückkommen und sich wieder in Lovit einleben. Vielleicht würde es Ärger geben, aber er ertrug die Schmach, sich so tugendlos verhalten zu haben, nicht.

Sie kuschelte sich an ihn. "Ich dich auch", meinte sie und schloss die Augen. Kurz darauf war sie eingeschlafen.
Das Fest am nächsten Tag würde zwar früh beginnen, doch waren ihre Pflichten erst am Nachmittag.

Letzter Tag des März, Neujahrsfest

Eine der Priesterinnen erklomm die Treppen zum Haupttempel, gefolgt von einem breitschultrigen Mönch, er einen grossen Korb trug.
Sie klopfte gegen Rans Tür und kurze Zeit später öffnete ihr eine verschlafene Hohepriesterin. "Guten Morgen Karima", strahlte die Priesterin. "Wir haben euch die Sachen gebracht." Der Mönch trat vor und Ran bat ihn herein. "Legt den Korb da ab, aber seid bitte leise", meinte sie in eine Ecke des Raumes deutend und der Mönch nickte, legte den Korb ab, ohne sich im Raum umzusehen und verliess ihn auch gleich. Die Priesterin und der Mönch verabschiedeten sich und gingen.
Als sie die Tür geschlossen hatte setzte sich Ran aufs Bett und beobachtete den schlafenden Veray. Sie wollte ihn nicht wecken, aber die Sonne war schon längst aufgegangen und einige der Zeremonien im vollen Gange. Sie beugte sich über ihn und küsste seine Wange. "Steh auf Liebster", säuselte sie in sein Ohr.

"Das Fest hat begonnen", meinte sie und stand auf. "Ich muss noch runter in die Baderäume, mich vorbereiten. Kommst du mit?", fragte sie.

Er hatte eine Mahlzeit zu sich genommen und eine peinvolle Zeit im Essraum verbracht. Mehrere Priester waren schon wach, mieden ihn, tuschelten und schüttelten ihre Köpfe. Manche verheimlichten ihre Gespräche gar nicht, sondern zeigten offen auf ihn und lästerten.
Die Geschichte hatte ebensoschnell die Runde gemacht wie zuvor die mit Veray und Randreyah.
Im Universum kam eben alles auf einen zurück.
Danach hatte er schnell seine Sachen für die Reise gepackt und hatte den Tempel verlassen. Keiner hatte ihn aufgehalten, da alle zu sehr mit dem Neujahrsfest beschäftigt waren und so hatte er in Lovit noch die Dinge besorgen können, die er noch brauchte, für die Reise. Hier schienen noch nicht alle von seinem lächerlichen Auftritt zu wissen, was ihm alles sehr erleichterte.
Schwer beladen floh er schließlich mit schnellen Schritten aus Lovit, gerade noch rechtzeitig bevor der große Trubel begann.
Er meinte ständig strafende Blicke in seinem Nacken zu spüren, beschleunigte nochmals seine Schritte und wünschte sich nur noch fort.
In ein Erdloch.
Fünfzig Meter tief. Unter der Erde!
Unter einem finsteren Gebirge. Das gaaanz weit östlich von Dreitan lag.
Und tausend Jahre sollten vergangen sein. Nein, besser zweitausend.
Und sowieso dürfte keiner mehr leben, der ihn kannte.

"Ich glaube die meisten interessiert das Fest momentan mehr", sagte sie und ging zum Korb hinüber. "Man hat uns Kleidung gebracht. Ich weiss nicht was genau alles, hab nicht nach bestimmten Sachen gefragt. Oh. Ausserdem ist hier ein kleiner Holzeimer", sie zog den Eimer unter den Kleidern hervor. "Und im Eimer... Oh das ist für dich", sagte sie und reichte ihm den Behälter. Sie kramte weiter nach, bis sie fand wonach sie suchte. Nadeln und Kamm, die sie für den Nachmittag brauchte. Ausserdem eine kleine Schachtel, deren Inhalt ihr nicht gefiel, und die lange, schwere Robe.