Cadogan
Die Ratsherren waren gar nicht begeistert, als Benjen ihnen Valis Forderungen übermittelte. Zähneknirschen liessen sie ihn schliesslich 50 Reiter mitnehmen und noch weitere 50 Fusssoldaten, die ebenfalls ein Pferd besassen. Jetzt musste er nur noch Valis die Verstärkung bringen und dann könnten sie diese verfluchten Plünderer vernichten. Vielleicht müssten sie nicht einmal auf die Verstärkung aus Avedis warten. Schliesslich waren sie dem Feind zahlenmässig weit überlegen und er war sich sicher, dass Valis nicht noch einmal so ein Fehler unterlaufen würde. Vielleicht hatte er die Plünderer sogar schon die Plünderer aus dem Dorf ausgeräuchert, bevor er zurückkam. Benjen hoffte zumindest, dass Valis sie eingekesselt hatte.

Valis
Sie hatten das Dorf umzingelt und gemäss den Spähern hatten die Räuber bisher keinen Versuch gemacht, es zu verlassen. Valis wollte, wenn es vermeidbar war, keinen direkten Angriff auf das Dorf befehlen, denn erstens waren die Verteidigungsanlagen gut genug, um den Feinden einen grossen, vielleicht zu grossen Vorteil zu verschaffen, und zweitens würde er dann vermutlich auch gegen die Dorfbevölkerung kämpfen müssen, und das wollte er vermeiden. Also begannen sie damit, das Dorf zu belagern, mit dem Ziel, dass die Räuber irgendwann selbst die Waffen streckten, oder sich die Dorfbevölkerung gegen sie auflehnte, anstatt sie zu unterstützen.
Allerdings gab es bei jeder Belagerung stets ein Problem: der Belagerer war genau so immobil und damit den selben Problemen ausgesetzt, wie der Belagerte. In diesem Falle war es ein Albtraum. Die Soldaten standen ständig unter Spannung, rechneten jederzeit mit einem Ausfall, und machten auch nachts kaum ein Auge zu, denn schliesslich hatte dieser Feind bewiesen, dass er sich keinen Deut um Nachtruhe scherte, und jeden Moment der Unaufmerksamkeit ausnutzen würde.
Nach drei Tagen waren die Soldaten müde und ihre Nerven lagen blank. Als wäre das noch nicht genug, begann es in Strömen zu regnen und in kurzer Zeit war alles und jeder bis auf die Knochen durchweicht, während die Räuber im Dorf sich in den warmen Bauernhäusern verkriechen und unter gedeckten Plattformen Wache stehen konnten. Als dann am vierten Tag auch noch die vorgesehene Nachschublieferung ausblieb, war die Moral endgültig im Keller.
Valis war klar, dass sie etwas unternehmen mussten. Er trat vor die Männer, sprach ihnen Mut zu und versicherte, der Nachschub habe sich bestimmt nur verspätet. Er hoffte dies selbst, denn ansonsten würde ihre Lage noch wesentlich unangenehmer, als sie ohnehin schon war. Deshalb schickte er noch am selben Tag einen kleinen Trupp, der der Nachschubkolonne entgegenreiten sollte.
Der Trupp kehrte am nächsten Morgen zurück. Sie hatten die Kolonne gefunden. Die Begleitsoldaten hatten tot im Schlamm gelegen, die Wagen waren zerschlagen, Tiere und Waren fort. Damit war klar, was Valis insgeheim von Anfang an befürchtet hatte: dass nicht alle der Räuber in dem Dorf gefangen waren, weil von vorherein nicht alle am Überfall beteiligt gewesen waren. Er hoffte, dass die Verstärkung eintreffen würde, bevor es zu spät war.
If you're going through hell, keep going.

Tyre
Durien war äusserst zufrieden. Die Truppen würden den Zwergen gut dienen. Jetzt blieb nur noch die Frage, wie er die anderen Ratsmitglieder dazu bringen konnte, seinem Antrag zuzustimmen. Manron tat jetzt schon alles um die anderen umzustimmen. Bevor er jedoch weiter über das Problem nachgrübeln konnte, stolperte ihm ein vielleicht einjähriger Junge entgegen. Trotz seiner eher unsicheren Gehversuche strahlten die Augen des Jungen pure Freude aus. Als er den grossen Mann erblickte hielt er an und setzte sich schwerfällig in den Staub des Innenhofes der Burg. Durien schnalzte mit der Zunge. "Da wird deine Amme aber keine Freude haben, mein Junge." Er ging vor dem Jungen in die Hocke. Würde er ihn wiedererkennen? Die Frage beantwortete sich von selbst. Ein strahlendes Lächeln erschien auf dem Gesicht des Kindes. In Windeseile war er zu seinem Vater gekrabbelt und dieser nahm in selig in die Arme. "Na, mein kleiner Daron. Kennst du mich doch noch." Er stand wieder auf und trug den Jungen weiter in den Innenhof. Daron hatte seinen Kopf an Duriens Schulter gebettet und hielt die rechte Hand seines Vaters fest umklammert. Er hatte allerdings nicht mehr als etwa zehn Schritte gemacht als Alayne ihm entgegen gestürmt kam. Die Erleichterung in ihrem Gesicht war fast komisch, als sie Daron in Duriens Armen erkannte. "Er ist dir entwischt, oder?" Es war natürlich mehr eine Feststellung, als eine Frage und Alayne nickte zerknirscht. Beinahe ergeben wartete sie auf die Strafpredigt, doch Durien strich ihr stattdessen über den Kopf. "Pass das nächste Mal ein wenig besser auf.", sagte er lediglich und legte eine Hand auf ihre Schulter. So früh nach seiner Heimkehr hatte er keine Lust sie zu schelten. Er wollte ein paar ruhige Stunden mit seiner Familie geniessen und den Rest von Dreitan vergessen.

Tyre
Es klopfte vernehmlich. "Ich bringe euch und der Lady Juliana etwas zu essen, Sir.", rief die Magd Rose. "Da ihr nicht in die Halle runtergekommen seid, trag ich es euch eben nach. Ich mach das gern, wirklich. Ich hab ja sonst nichts zu tun."
Grinsend öffnete Durien die Türe und nahm Rose das Tablett mit zwei gut gefüllten Eintopfschalen und Weinbechern ab. "Danke, für deine Güte, Rose. Dank dir bin ich nicht gezwungen zu darben."
Die kecke Magd lachte und machte sich davon. Durien trug das Tablett zum Tisch und weckte seine Frau mit einem Kuss auf die Lippen vollends auf. Mit einem schelmischen Lächeln verschränkte sie die Hände in seinem Nacken und erwiderte seinen Kuss, während sie ein Bein um seine Hüfte schlang. Durien durchschaute ihre Absichten mühelos. "Oh um Himmels willen, Juliana, hast du denn gar kein Erbarmen? Ich kann nicht mehr."
"Das werden wir schon sehen Lord Tyre.", erwiderte sie grinsend und zog ihn aufs Bett. Sie hatte natürlich recht, sie hatte immer recht. Er konnte. Und als er später mit geschlossenen Augen neben ihr lag und ihrem Atem lauschte, bettete sie ihren Kopf auf seine Schulter.
"Bleib nicht wieder so lange weg. Hörst du?"
"Ich werde es versuchen.", brummte Durien und küsste sie auf die Stirn. "Biarn ist einfach noch zu jung und zu viele Adlige verfolgen nur ihre eigenen Interessen und wollen ihn zu ihren Gunsten beeinflussen."
"Ich weiss, ich weiss." Sie seufzte und setzte sich auf. Mit einer flüssigen Bewegung streifte sie sich eine Kotte über.
"Warum willst du nicht mit mir kommen? Wir nehmen die Kinder mit. Die Zitadelle bietet genügend Platz für uns alle."
"Die ganzen Intrigen am Hof machen mich ganz krank. Ausserdem wäre eine solche Reise für Daron sicher anstrengend. Er ist noch zu klein um an den Hof zu gehen. Ich will ihn nicht allein lassen.", erwiderte sie und setzte sich an den Tisch. Durien kleidete sich ebenfalls an und liess sich ihr gegenüber nieder.
"Das Land braucht eine starke Führung bis Biarn alt genug ist um alleine zu regieren. Wenn Gilthen noch leben würde, müsste ich nicht den Grossteil der Verantwortung tragen. Aber er fiel in der Schlacht gegen die Untoten, wie so viele andere gute Männer. Die einzigen Personen, denen ich wirklich traue sind Steapa, Ormud, Egbert, Danva und Benjen. Seit.... seit Avis Tod scheint mir das Parlament, das ich gegründet habe um die Nachtzinne zu schützen, sehr misstrauisch gestimmt zu sein. Manron stachelt sie gegen mich auf. Noch habe ich sie im Griff, denn viele haben sich von mir Geld geliehen um ihre Truppen zu unterhalten. Sie schulden mir etwas, doch das gefällt ihnen nicht. Sie glauben ich will Biarn aus dem Weg räumen lassen und mich selbst zum König ernennen." Seine Hände krampfte sich zusammen. "Ich begreife es einfach nicht. Alles was ich getan habe, habe ich für die Nachtzinne getan und nun unterstellt mir praktisch jeder verdammte Adlige eigennützige Motive. Wenn ich wirklich so verflucht egoistisch wäre, hätte ich mich diesen verfluchten Schwarzmagiern angeschlossen."
"Die Bauern wissen was sie an dir haben.", entgegnete Juliana, "Auf deinen Wink hin würde sich das ganze einfache Volk gegen ihre Fürsten erheben. Du hast die Leibeigenschaft abschaffen lassen und der verfluchten Sklaverei ein Ende gesetzt."
Durien nickte, "Und ich habe mir dabei mächtige Feinde gemacht. Es gibt viele die sich meinen Tod wünschen, doch hören wir auf davon zu sprechen. Ich will in Ruhe deine Gesellschaft geniessen und mir ein paar anschauliche Tage gönnen, bevor ich in den Sumpf der Politik zurückkehre." Juliana blickte ihm in die Augen und erkannte sofort, dass er ihr etwas verschwieg, doch sie drängte ihn nicht dazu darüber zu reden. Früher oder später würde er sie schon einweihen.
Nach dem Frühstück ging Durien in den Hof runter und liess sich ein Pferd satteln. Wenn er schon hier war, konnte er mit seinem Steward seine Besitztümer durchgehen. Ausserdem hatte er beunruhigende Neuigkeiten von den Händlern gehört. Eine Armee sammelte sich in Korodraim und sie schien in Richtung der Nachtzinne ziehen zu wollen. Er hatte keinerlei Nachrichten von einem Abgeordneten erhalten. Dem König von Korodraim musste doch klar sein, dass er eine solche Provokation nicht dulden konnte. Gevira könnte das als ein Zeichen von Schwäche auslegen und sie wieder angreifen. Eine gute Nachricht hatte er jedoch bekommen. Ormud hatte den Langen Arm erschlagen, seinen Unterschlupf ausgeräuchert und dabei reiche Beute gemacht. Einen grossen Teil des erbeuteten Geldes würde wieder in den Dörfern, die unter den Banditen gelitten hatten, verteilt werden. Ein fünftel würde jedoch in die Staatskassen fliessen. Der kleine Feldzug war also lohnenswert ausgegangen. Ausserdem hatten die Offiziere, die er zur Ausbildung der Bauern in die Dörfer geschickt hatte, gute Fortschritte erzielt. Ein Szenario, wie es sich gerade nördlich von Cadogan abspielte, würde sich, sobald er mit seinen Reformen fertig war, nicht wiederholen können.

Im Norden von Cadogan, von Arsa besetztes Gebiet
Der Angriff kam in der fünften Nacht. Ohne jede Vorwarnung und nicht aus dem Dorf, sondern aus den Hügeln hinter ihren eigenen Reihen. Es waren viel mehr als Valis jemals befürchtet hatte, mehr eigentlich, als die Banditen überhaupt noch sein konnten, nach seinen Schätzungen. Ein Teil von ihnen ritt auf Pferden, aber viele waren zu Fuss.
Sie hatten sich angeschlichen und einige Späher ausgeschaltet, die Warnung vom Angriff erreichte das Lager fast zu spät, aber dieses Mal wenigstens nur fast. Die Soldaten mit Wachdienst - fast ein Viertel der ganzen Truppe - konnten sich noch rechtzeitig formieren, um sich ihnen entgegenzustellen und den ersten Ansturm aufzuhalten, und auch wenn sie herbe Verluste hatten, verschafften sie so den übrigen Männern die Zeit, sich zu rüsten und in den Kampf zu stürzen.
Valis selbst kämpfte an der Seite seiner Männer und bald wurde ihm klar, dass nur ein Teil der Feinde, die ihm gegenüber standen, wirklich ausgebildete Krieger waren. Viele kämpften, als hätten sie vor wenigen Tagen zum ersten Mal eine Waffe in den Händen gehalten, manche waren alt, andere noch fast Kinder, einige schwangen nicht einmal richtige Waffen, sondern Dreschflegel und Holzbeile. Was sie da angriff, war keine Plündererbande, sondern die Bevölkerung von halben Dörfern.
Valis brauchte einige Augenblicke, bis er es wirklich glauben konnte. Er wollte es nicht glauben. Warum kämpften diese Menschen auf der Seite von Verbrechern, die sie plünderten und ausbeuteten, anstatt auf der Seite des rechtmässigen Herrschers? Hatte man sie derart fehlgeleitet? Er wollte keine Zivilisten massakrieren. Laut schlug er gegen seinen Schild und hob an: "Wir sind nicht euer Feind! Wir..."
Weiter kam er nicht, denn er musste den Schild hochreissen, als das Ende eines Dreschflegels auf seinen Kopf zuschnellte. Die Wucht des Aufpralls liess seinen Schildrand splittern und seine Hand taub werden. Ohne zu zögern warf er sich dem Mann entgegen, schlug ihm den Schild ins Gesicht und stiess ihm sein Schwert in die Eingeweide. Wer ein Verhandlungsangebot missachtete, der war es nicht wert. Und er war nicht bereit, seinen Kopf und seine Männer zu verlieren, um gnädig zu sein gegenüber Zivilisten, wenn sie offenbar danach trachteten, ihn umzubringen.
Gerade als sie begannen, die Angreifer zurückzudrängen, erklangen Warnschreie hinter ihnen. Valis liess sich hinter die vorderste Kampfreihe zurückfallen, um sich umzudrehen. Die Tore des Dorfes waren geöffnet worden und Schwaren von Kämpfern strömten heraus, um ihnen in den Rücken zu fallen.
Valis brüllte Befehle und es gelang ihnen, sich rechtzeitig auch gegen diesen Feind zu formieren, aber in diesem Zweifrontenkrieg rächte sich die Tatsache, dass er das Lager in einem Bogen hatte um das Dorf aufstellen lassen, um den Feind besser überwachen zu können, denn anstatt einem Festen Kern mit Flügeln war ihre Streitmacht eine langgestreckte Linie, kaum fünf Mann tief und dadurch, dass sie nach aussen gedrängt wurden, weil der Feind aussen schwächer war, als der Innen, verlängerte sich diese Linie noch mehr.
"Haltet zusammen!", brüllte Valis. "Sammelt euch zum Zentrum hin!"
Im praktisch selben Moment gingen die ersten Zelte in Flammen auf und zwei Sekunden später rief einer seiner Offiziere: "Kommandant Valis! Sie sind durchgebrochen! Wir haben den Kontakt zum rechten Drittel verloren!"
Valis versuchte gehetzt nachzudenken. Wenn sie jetzt versuchten, jene Soldaten wieder zu erreichen, und sich dadurch noch weiter auseinander ziehen liessen, würden die Räuber bald an allen möglichen Stellen durchbrechen. Wenn er aber einen Drittel seiner Männer aufgab, dann wären nicht mehr sehr viele von ihnen übrig. Er traf eine Entscheidung. "Befehl zum Sammeln!", sagte er dem Offizier. "Sie müssen selber versuchen, zu uns durchzudringen."
Eine Fanfare ertönte, um den Befehl durchzugeben und Valis brüllte selber: "Sammelt euch! Sammelt euch hier!"
Es funktionierte, langsam aber sicher konnten sich sich zu einem stabilen Kern formieren, auch wenn dieser Kern bereits erschreckend klein war. Valis erkannte, dass die Feinde sie von einer Seite her stärker angriffen, also orderte er seine besten Männer an diese Front, auch wenn es das Risiko bot, in eine Falle zu laufen, denn sie standen mittlerweile mit dem Rücken zu den brennenden Zelten. Eine Stimme erhob sich über das Kampfgetümmel, eine Stimme, die brüllte: "WEITER, MÄNNER! SIE SOLLEN BRENNEN WIE FACKELN!"
Valis erkannte die Stimme, die er bereits beim letzten Angriff gehört hatte, die Stimme des gegnerischen Anführers und ein tiefer Hass stieg in ihm auf. "Kämpft!", schrie er. "Wir besiegen diese dahergelaufenen Hunde!"
Sie warfen sich mit aller Kraft gegen die Schilde des Feindes, aber sie waren eingekesselt und die Flammen in ihrem Rücken wurden immer heisser. "Was ist mit dem rechten Drittel?", fragte Valis den Offizier neben sich.
"Ich höre seine Trommeln nicht mehr", sagte der.
"Ich auch nicht", antwortete Valis und spaltete einem Angreifer den Schädel. Als er sich kurz zum Offizier umdrehte, sah er, dass diesem die Spitze eines Armbrusbolzen aus dem Hinterkopf ragte. Die ersten Männer stolperten ins Feuer. Und in diesem Moment wusste Valis, dass sie verloren waren.
Als der Morgen dämmerte, traf sein Licht auf ein Feld von Leichen. Viele von ihnen trugen das Banner der Nachtzinne, doch ebenso viele waren ohne Zeichen. Rauch und Asche hingen im leichten Nebel, der aus dem Boden aufstieg. Das Tor des Dorfes stand offen, die Hütten waren verlassen, die Palisaden schwelten noch immer leicht. Man wollte dem Gegner keine befestigte Ortschaft zurücklassen.
Die Räuber hatten gewonnen, wenn auch unter grossen Verlusten, und sie hatten den Platz verlassen, die Dorfbevölkerung und was sie an Waffen und Rüstung tragen konnten, mit sich genommen. Zurück blieben nur die Toten und die Verwundeten, die sich in ihrem Schmerz wanden und darauf hofften, dass irgendjemand ihnen half oder ihnen zumindest ein Ende bereitete.
Valis hörte das dumpfe Schlagen von Hufen, die plötzlich innehielten und hob den Kopf. Seinen Helm hatte er sich vom schmerzenden Kopf gezogen, Blut verklebte sein Haar. Er sah die Pferde verschwommen und war sich nicht sicher, ob es an seiner Sicht lag, oder ob da wirklich Nebel war. Waren die Feinde zurückgekehrt, um endgültig aufzuräumen? Er wollte nicht warten, bis sie ihn hier fanden und am Boden abstachen. Solange er noch einen Funken Leben im Leib hatte, würde er auf den Füssen sterben.
Ächzend griff er nach einer abgebrochenen Lanze, die aus dem Boden ragte und zog sich daran hoch. Sein linkes Bein trug ihn nicht, vielleicht hatte er einen Muskel durchtrennt oder der Knochen war gebrochen. Er riss den Lanzenspiess aus dem Boden und stützte sich schwer darauf, während er wartete, dass die Reiter näher kamen.
Schliesslich war der erste von ihnen nahe genug, dass er aus dem Nebel trat und zu einer klaren Gestalt wurde. Valis erkannte ihn. Es war Benjen.
If you're going through hell, keep going.

"General! Sichert die Gegend und sucht nach Überlebenden.", rief Benjen über die Schulter den Soldaten zu, stürzte sich aus dem Sattel und lief zu Valis rüber. Eine klaffende Wunde zog sich über das Bein des Generals aus Avedis. "Was ist passiert?" Er legte Valis einen Arm um die Schultern und liess ihn zu Boden gleiten. Er war zu langsam gewesen. Verdammt! Wie hatte dies passieren können? Er zog seinen Gürtel aus und band die Wunde ab, aus der das Blut noch immer in einem langsamen steten Fluss strömte. "Wie haben sie euch überwältigen können?"

"Sie haben uns von zwei Seiten her angegriffen", sagte Valis. "Und die Bauern waren auf ihrer Seite."
Er hustete und ein scharfer Schmerz fuhr ihm durch den Kopf, als triebe jemand einen Nagel hindurch.
"Und sie haben die Zelte angezündet."
Er hustete abermals. Offenbar hatte er einiges an Asche geschluckt.
"Sie sind nach Norden geflohen. Es können nicht mehr sehr viele sein."
If you're going through hell, keep going.

"Soll ich die Verfolgung aufnehmen, General? Ich kann euch 10 Männer hier lassen. 90 sollten noch immer ausreichend sein. Sie haben sicherlich Verwundete bei sich und sind langsam.", fragte Benjen. Gleichzeitig fragte er sich warum die Bauern auf der Seite der Plünderer kämpfen sollten. Was für Gründe hatten sie? Warum hatten sie sich nicht gegen ihre Unterdrücker aufbegehrt, als sie die Chance dazu hatten?

Valis packte Benjen am Arm. "Ich weiss nicht, ob 90 reichen werden", sagte er. "Es könnte. Aber wir dachten hier auch..." Er hustete. "... wir seien in der Überzahl. Und sie haben uns alle niedergemetzelt."
Er sah Benjen eindringlich an. "Ihr Anführer... er heisst Arsa... er ist ein Teufel."
Er erinnerte sich an das Gesicht des Mannes, durchqreuzt von einer hässlichen Narbe, wie er Männer in die Flammen gestossen hatte.
If you're going through hell, keep going.

Norden Cadogans, Morgen nach der Schlacht
Samor öffnete die Augen und ein Schauder lief ihm den Rücken hinab. Ein Feld aus Leichen. Er wusste nicht wo er war, noch wie viel Zeit vergangen war. Ganz davon zu schweigen, wie er herkam. Doch er stand da in der traditionellen Bekleidung der Bergelfen, seinen Umhang mit Gewiras Wappen um die Schultern, die zeremonielle Bemalung verwischt und abgebröckelt. Neben ihm in gleicher Tracht Gerheer und Kavin, den Bogen gespannt und das Schwert automatisch erhoben. Nala, die Bergelfe, kniete vor ihm auf einem Bein und liess den Blick, wie ein gehetztes Tier über das Feld von Toten streifen, ihre keulenartigen Waffen - sie wusste selber nicht woher sie sie hatte - bereit zum Angriff gehoben.
"Wo genau? Wie?", hörte Samor eine leise Stimme im Nacken, er erkannte sie als die Stimme des blonden Mannes, der sie seit Anbeginn ihrer Reise begleitet hatte, er dessen Namen aber nicht einmal kannte. "Ich weiss es nicht", antwortete der Kronprinz beinahe genauso tonlos.
"Der Nebel", sagte Nala und erhob sich. "Wir müssen durch den Nebel hergekommen sein. Wahrscheinlich haben uns die Berggeister geführt." Gedankenverloren schritt sie durch das Feld der Toten und sah sie an. Die Zeichen der Nachtzinne und Männer ohne Wappen und Angehörigkeit.
"Entweder wir sind im Reich der Toten, oder eine weitere Schlacht fand hier statt", murmelte sie gedankenverloren und schritt voran. Die Männer folgten ihr leicht unsicher. Sie gingen über das Feld, immer noch nicht wissend, ob dies Realität oder Einbildung war, bis sie plötzlich das Rasseln von Rüstungen und Waffen, Schlagen von Hufen und Schnauben von Pferden vernahmen. Kurz darauf waren sie umkreist, Lanzen und Bögen auf sie gerichtet.
Kawin spannte automatisch den Bogen und zielte auf mehrere der Männer, die um sie standen, doch Gerheer deutete ihm die Waffe zu senken, nachdem er sein Schwert fallen liess. Stumpf schlugen die Waffen der vier Gefährten auf dem Boden auf. Sie hoben die baren Hände und Samor fragte sich, wie sie ihr Hiersein erklären sollten.
some men just want to see the world burn

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