Arsa war nach wenigen Schritten, nachdem sie ihn an das Pferd gebunden hatten, gestürzt, denn die Ketten an seinen Füssen liessen ihn viel zu kleine Schritte machen, als dass er mit dem Tempo hätte mithalten können. Natürlich hatten sie nicht angehalten. Immerhin hatte er es geschafft, sich auf den Rücken zu drehen. Er wollte die Gesichter der Leute sehen, die seine Hinrichtung bejubelten. Er wollte, dass sie sein Gesicht sahen.
Das Strassenpflaster riss ihm den Rücken auf, der Zug zerrte an seinen Gelenken und die Leute bewarfen ihm mit allem, was ihnen gerade in die Finger kam. Doch Trotz dem Schmerz und der Demütigung lag ein breites Grinsen in seinem Gesicht. Er würde sterben, ja. Aber er hatte mehr erreicht, als er mit seiner Abstammung jemals hatte erhoffen können. Er war ein König gewesen. Er hatte Gefolgsleute gehabt, die ihn verehrten, und die für ihn in den Tod liefen. Er hatte eine Frau dazu gebracht, ihn zu lieben, die ihn hasste. Er hatte die Mächtigen dazu gebracht, ihn zu fürchten. Der beste Beweis für ihre Angst waren die Ketten, die ihm jetzt die Gelenke aufscheuerten. Selbst als geschlagenen, waffenlosen Mann hatten sie Angst vor ihm. Und das alles hatte er erreicht, und nicht aus Zufall, sondern es war sein - und nur sein - Verdienst.
In seinem Grinsen und in seinen Augen lag all das. Es würde sein Tod sein. Aber es war gleichzeitig sein grösster Triumph. Die Männer, die ihn hinter sich her zogen, hatten lediglich den Schaden etwas eingrenzen können. Aber sie hatten verloren, eine schmäliche Niederlage mit über tausend Toten gegen einen dahergelaufenen Bastard, und diese Schande würde für immer an ihnen kleben. Der Sieger war er.
Der Zug an seinen Armen liess nach und sie schlugen ihn, damit er aufstand. Taumelnd kam er auf die Füsse und grinste breit und stolz in die Menge, während sie ihn zum Galgen zerrten.
"Lasst mich zu ihm!" Sie hämmerte gegen die Zellentür, schluchzte und schrie.
Einer der Sodaten draussen schlug zurück, dann zog er die Klappe zurück und sein Gesicht tauchte an dem vergitterten Fensterchen auf. "Halt endlich dein Maul, Weib!"
"Bitte, lass mich zu ihm", flehte sie. "Ich tue alles für euch!"
Sie sah, wie der Mann abschätzig ihre Gestalt musterte und wohl zum Schluss kam, dass es den Ärger nicht wert war. "Er wird sowieso gehängt", sagte er und spuckte aus. "Du wirst ihn nicht wieder sehen."
"Wann?", schrie sie verzweifelt. "Wann hängen sie ihn?"
"Jetzt", meinte der Soldat. "Vielleicht baumelt er auch schon."
Er schlug die Klappe zu.
Sie hämmerte mit den Fäusten dagegen, schrie und fluchte, verwünschte alle Menschen insbesondere Durien und die Adligen, auf dass sie bei lebendigem Leib verfaulen mögen und danach für immer in der Hölle brennen.
Schliesslich wurde sie still. Ihre Verzweiflung machte Entschlossenheit Platz. Sie packte den Saum ihres Kleides und riss es entzwei.
If you're going through hell, keep going.

Die Prinzen - alle ausser dem jüngsten und Samor - standen neben Durien und beobachteten das grausige Schauspiel. Ihnen wurde beinahe schlecht dabei und hin und wieder sahen sie entgeistert zur Menge, als diese dem Tod der Männer bejubelten, sie noch mehr demütigten und dies nicht nur aus Haß taten.
Als man Arsa dann schlussendlich nach vorne schleppte und sie sein Grinsen sahen, war der jüngste, anwesende Prinz verwirrt. "Wieso grinst er so?", raunte er an seinen Bruder gewandt, welcher jedoch nur ein verständnisloses Schnauben als Antwort gab.
some men just want to see the world burn

"Er geniesst es. Er war für ein kurzer Moment König und lehrte uns alle das Fürchten. Ausserdem seid ihr ihm durch Zufall ebenfalls in die Hände gefallen. Das Gefühl so viel Macht über zwei Königreiche zu besitzen muss er genossen haben." Doch er hatte niemals so viel Macht über die Nachtzinne selbst gehabt. Sie hätten seinen Bedingungen niemals zugestimmt, auch wenn es den Tod der Prinzen bedeutet hätte. Für die Aussenwelt hätte es so ausgesehen, als ob die Erben Geviras ohne Erlaubnis in die Nachtzinne eingedrungen wären und wenn sie dabei umkamen hatten sie es sich lediglich selbst zuzuschreiben.
Durien drehte sich zu den Prinzen um und als er ihre entgeisterten Gesichtsausdrücke ob des Jubels der Menge sah, zuckte er mit den Schultern. "Ich habe diesen Rausch nie verstanden. Aber er ist überall in den grossen Städten gleich, jedenfalls haben die Leute in Nurmen sich so verhalten."

Der Prinz hatte wegen der Antwort genickt. Irgendwie klang es logisch. Aber dennoch.
"Ihr wart in Nurmen?", fragte Simian und schluckte trocken, um sich zu fassen.
Sie hatten noch nie einer Hinrichtung beigewohnt und wenn er ehrlich war, hoffte er, dass es auch bei diesem einem Mal bleiben würde.
some men just want to see the world burn

"Als ich zwölf Jahre alt war, schickte mich mein Vater mit ein paar Handelsschiffen und Begleitschiffen hoch. Ich sollte von Tatwine lernen, wie man Handelsschiffe beschützte. Als wir ankamen, wurde gerade ein niederer Adliger wegen Mordes aufgehängt. Die Menschenmassen waren genau gleich.", erzählte er ohne richtig darüber nachzudenken. Als der Scharfrichter ihm einen Blick zuwarf, nickte Durien. Arsa sollte keine Zeit bekommen ein paar letzte Worte zu halten. Das stand einem Hochverräter einfach nicht zu. Der Henker schlang die Schlinge um Arsas Hals und zog. Dieses Mal brauchte er Hilfe um den massigen Söldner hochzuziehen. Ein Soldat trat zu ihm und gemeinsam zogen sie den Söldnerhauptmann langsam in die Höhe. Sie wollten ihm nicht aus Versehen das Genick brechen.

Als sie ihn auf die Galgenbühne schleiften, riss er sich mit einer Schulterbewegung los, um aufrecht zu stehen. Sofort zuckten die Soldaten zusammen und er sah, wie sie nach den Waffen greifen wollten. "Ihr wollt mich doch nicht vorschnell töten", zischte er leise grinsend. "Das würde doch die Darbietung zerstören."
Freiwillig trat er an den vorgesehenen Platz unter dem Galgen und spürte, wie ihm der Henker den Strick um den Hals legte. Für einen Augenblick bekam er Angst. Was, wenn an den ganzen Religionen doch etwas dran war? Wenn auf ihn wirklich die Hölle wartete? Dann ist es jetzt zu spät, sagte er sich. Du hast getan, was du getan hast. Er schluckte die Angst herunter, die Angst vor dem Schmerz, vor dem Tod. Öffnete den Mund und brüllte in die Menge: "DAS IST MEIN SIEG!"
Dann ging ihm die Luft aus, als der Henker den Strich anzog. Der Druck auf die Kehle würgte ihn, Tränen schossen ihm in die Augen, er versuchte instinktiv zu schlucken, und schaffte es nicht, spürte wie etwas in seiner Kehle nachgab, als der Zug stärker wurde und er den Boden unter den Füssen verlor. Seine Lunge schnappte nach Luft, aber das Seil liess keine hindurch, zerrte sich nur immer weiter zu. Er zappelte wie alle anderen vor ihm. Am Galgen gab es keinen würdevollen Tod, für niemanden. Die Sinne schwanden ihm, Tribüne und Volk verschwanden in grau-rotem Dunst, er fühlte sich, als würde ihm der Kopf vom Hals gerissen, sah wie die Adern und Sehnen spannten und rissen. Er hatte viele offene Hälse gesehen. Ihm war schlecht. Er wollte würgen, aber sein Körper gehorchte ihm nicht mehr...
Schliesslich hörte sein Körper auf zu zucken und erschlaffte, sein Kopf mit der Narbe, die sich quer durch das Gesicht zog, wurde blau und kippte zur Seite. Einige Wurfgeschosse aus dem Volk trafen ihn, aber er spürte es nicht mehr. Arsa der Söldner war tot.
(Ich hab mich ein verdammtes Jahr lang auf den Beitrag gefreut)
If you're going through hell, keep going.

Ein paar letzte Wörter hatte er noch rausgebracht, aber mehr nicht. "Entschuldigt mich. Aber ich muss nach den anderen Gefangenen sehen.", sagte Durien zu den Prinzen und stieg von der kleinen Tribüne. Es dauerte eine Weile bis er sich durch die Menge gekämpft hatte, doch schliesslich trat er in die Zitadelle und nahm die Gefängnisschlüssel von einem der Wächter. Es wurde Zeit, dass er sich mal mit der Frau unterhielt. Er wollte ihre Beweggründe erfahren, wieso sie Arsa geheiratet hatte und sich den Truppen von Avedis so vehement wiedersetzt hatte.


Als er sie sah, erschrak er. Zuerst blickte er sich rasch um, doch es gab nichts woran sie sich erhängen konnte. Es gab kein Gitterfenster und die Zellentüre hatte lediglich einen schmalen Sehschlitz. "Bringt ihr eine Decke.", befahl Durien der Wache. Er lehnte sich gegen die Wand. Sein Blick ruhte auf ihr, doch seinem Gesicht war nichts mehr als schlichte Gleichgültigkeit anzusehen. Als die Wache zurückkehrte, nahm der Graf sie entgegen und breitete sie über sie aus. Der Verband um ihr Bein hatte gehalten, was auch immer sie angestellt. Es gab keine frische Blutung soweit er es sehen konnte. Dann verhüllte die Decke alles.
"Warum habt ihr Arsa unterstützt?", fragte er schliesslich, als er sich wieder gegen die Wand lehnte.

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