"Das ist interessant", meinte Arsa. Vor allem klang es, als wäre es für ihn ein Vorteil. Durien würde also noch einiges zu tun haben in den nächsten Wochen und Monaten. Das verschaffte ihm Zeit, die er gut gebrauchen konnte. Dieser Lange Arm war die grössere Organisation und fiel daher viel mehr auf als er. Ganz abgesehen davon, dass er ja sogar halb legal handelte. Zumindest im Moment noch.
"Man sollte Graf Durien über diese Organisation informieren", meinte er scheinheilig. "Das ist ja nicht rechtens, dass irgendwelche dahergelaufenen Bastarde einfach die Dörfer unterdrücken."

Sie plauderten noch etwas über Belanglosigkeiten, schliesslich stand Arsa auf. "Braucht Ihr noch etwas? Ich könnte Euch ein Zelt anbieten, falls ihr keines habt."

Arsa liess einen von den Jungen das Zelt hinausbringen und beim Aufstellen helfen. Mavi behielt er bei sich in der Vorhalle, wo mittlerweile wieder ein gemütliches Feuer brannte und einige der Söldner bereits ihre Schlafstätten ausgebreitet hatten, und vor sich hin schnarchten. Arsa hielt die Hände übers Feuer, um sie von der Winterkälte draussen zu wärmen. "Was hältst du von der Halbelfe, Mavi?", fragte er.
"Sie ist eine Frau", sagte Mavi.
Für einen Augenblick musste Arsa sich beherrschen, Mavi nicht entgeistert anzustarren. Was zum Teufel meinte er damit? "Natürlich ist sie eine Frau", meinte er. "Das ist offensichtlich."
"Frauen sind schwach", erklärte Mavi seine Aussage.
"Hmm", meinte Arsa und strich sich über das Kinn. "Das mag in vielen Fällen gelten. Aber nicht in allen. Ich kannte einmal eine Frau, die konnte ein halbes dutzend Söldner umlegen, ohne dass ihr auch nur ein Schlag des Gegners gefährlich wurde. Und was unsere Halbelfe da draussen angeht: wenn ich du wäre, würd ich sie nicht unterschätzen. Es könnte mitunter ungesund sein."
Mavi schnaubte nur, auch wenn er dabei Arsa im Blick behielt, um zu prüfen, dass er ihn nicht verärgerte.
"Willst du kämpfen, Mavi?", fragte Arsa.
"Ja!", antwortete Mavi sofort.
"Das ist gut", meinte Arsa. "Du wirst bald kämpfen. Morgen Nacht greifen wir das Dorf an, das ihr vor drei Tagen ausgespäht habt."
Er stand auf und klopfte Mavi auf die Schulter. "Mach einen Rundgang und schau, dass sich die anderen sich benehmen. Dann kannst du dich schlafen legen. Ich will dich Morgen nicht müde sehen."
Mavi nickte, stand auf und ging nach draussen.

Arsa ging hinauf ins Zimmer der Lady und stellte sich in einem Schritt Entfernung neben ihren Sessel vor den Kamin. Die Tür zum Nebenzimmer war geschlossen. Sie sah aus, als hätte sie geweint. Sie hatte also tatsächlich noch gehofft. Nun, jetzt tat sich es nicht mehr. Stattdessen starrte sie ihn finster an. "Was willst du, Arsa?"
Er sah sie an und fragte mit für ihn aussergewöhnlich sanfter Stimme: "Ist das nicht offensichtlich?"
Sie starrte ihn eine Weile lang an, dann wandte sie sich ab und sagte: "Verflucht seist du Arsa!"
Er erwiderte nichts darauf. Es war nicht das erste Mal, das sie so etwas sagte, und vermutlich würde es auch nicht das letzte mal sein. Nach einem langen Schweigen sah sie ihn wieder an. Ihr Gesicht war tränenüberströmt und aus ihrer Frisur hatten sich zahlreiche Strähnen gelöst. "Warum nimmst du es dir nicht einfach?", fragte sie. "Dann wüsste ich wenigstens, woran ich bin."
Er fragte sich, ob sie getrunken hatte und tatsächlich sah er am Boden neben einem Tisch einen leeren Weinschlauch liegen. Er griff nach ihrem Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. "Ich brauche eine Lady mit klarem Kopf und scharfer Zunge", sagte er. "Keine Hure, die sich betrinkt."
"Dann bin ich für dich nur ein Mittel zum Zweck?", fragte sie und Tränen liefen ihr über die Wangen. "Nicht mehr als ein Instrument, um deine Macht zu sichern? Nicht mehr als das?"
Hatte sie etwa den ganzen Schlauch alleine geleert? Er beugte sich zu ihr hinunter, strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und küsste sie auf die Stirn. "Nein, das bist du nicht", sagte er und küsste sie auf den Mund. Die Verlockung war gross. Aber er hatte sich im Griff. Langsam trat er einen Schritt zurück. "Aber was einer tut, wenn er betrunken ist, das bereut er am nächsten Morgen. Ich will nicht, dass du etwas bereust. Nicht eine Sekunde."
Er trat zurück und liess sie alleine.

Eine der Wachen informierte Arsa, als die Gäste aufstanden. Er ging nach draussen, gähnte und streckte sich im ersten Sonnelicht, bevor er zu ihnen hinüber ging. "Zieht ihr heute weiter?"