Er schmunzelte über ihren Blick und machte seinen nächsten Zug, dann trank er einen Schluck Wein und liess seine Hand dabei auf Risks Schulter ruhen. Er liess sie eine Weile nachdenken, dann fragte er: "Habe ich das richtig verstanden, dass du mit Zweisamkeit ein bisschen mehr meintest als Schach spielen?"

"Gut", meinte er nur, machte seinen nächsten Zug, und fuhr fort, sie zu massieren. Er sah in ihrer Antwort keinen Grund, sich sofort auf sie zu stürzen, anstatt ihre Gesellschaft so noch ein wenig zu geniessen, oder vielleicht sogar die Partie zu beenden. Er wollte das nur geklärt haben, damit es später nicht zu unangenehmen Missverständnissen kam.

Als schliesslich die Lichter von Fackeln durch das Schneetreiben vor ihr drang, hatte sie ihr Ziel. Es war ein bisschen verrückt, aber das machte nichts, das war normal.
"Wer da?", klang die Stimme einer Wache aus der Dunkelheit.
"Ich bins!", rief sie zurück und trat auf das Licht zu.
"Wer... Hauptmann Raven!", antwortete der Wachmann, der mit dem Rücken zur Fackel stand, um in die Dunkelheit zu sehen, die Kapuze seines Umhanges über dem Kopf gegen den fallenden Schnee. "Tschuldigung, aber ich hätte nicht erwartet..."
"Ich weiss ich hab ne unmögliche Zeit für Inspektionen", grinste sie, klopfte ihm im Vorbeigehen auf die Schulter und ging auf die Zelte weiterhinten zu. Sie wischte sich den Schnee von Schultern und Haaren und trat unter die Plane, die sie zwischen einem Baum und einigen Pflöcken gespannt hatten, und unter der ein paar Soldaten um ein kleines Feuer sassen. "Hey wie habt ihrs?"
"Hauptmann!", meinte einer der jüngeren und wollte tatsächlich aufstehen um zu salutieren.
"Bleib sitzen!", meinte sie. "Ich brauch das nicht so formell. Kommt ihr voran mit der Arbeit?" Sie nickte in Richtung der Mauern und Pfähle, die sich zu beiden Seiten der Strasse erhoben und einiges gewachsen waren, seit sie sie das letzte Mal gesehen hatte.
"Der Schnee pisst an", maulte einer der Söldner. "Ständig muss man den Scheiss wegschaufeln."
"Aber wir haben den ersten Boden fertig reingezogen gestern", meinte ein anderer hustend.
"Gut", meinte Ro nickend. Jemand bot ihr einen Becher an, und sie setzte sich auf einen freien Platz, um kurz auszuruhen und zu trinken.

Diesmal dachte er länger nach. Mit einem Zug entledigte er sich der Figur, die ihn bedrohte und setzte sie seinerseits Schach. Sie tauschten noch einige Züge aus, aber dazwischen verging immer längere Zeit, als Rasnak Risk aus ihrer Rüstung half und seine Massage nach unten über den Rücken ausweitete, und schliesslich führten sie die Partie nicht zuende, sondern wandten sich einvernehmlich anderem zu.

Nach einer Weile stand Ro wieder auf. "So, Jungs, ich muss wieder los."
"Gehst du noch weiter nach Süden?", fragte einer.
Sie nickte.
"Dann kannst du den faulen Ärschen vom Fallbach sagen, dass die uns mal den Mörtel raufbringen sollen, damit wir mit Verputzen anfangen können?"
"Mach ich", grinste Ro, verabschiedete sich und lief wieder los, die Strasse entlang. Es tat einfach gut, wieder einmal alleine unterwegs zu sein und sich eine Nacht mit Laufen statt mit Saufen um die Ohren zu schlagen.

"Ich wäre nicht abgeneigt", meinte er lächelnd und fuhr über ihre Schultern und Arme, als sie sich nach ihren Kleidern beugte. "Du bist eine äusserst interessante Frau." Er küsste ihren Rücken, bevor sie sich das Hemd über den Kopf zog. "Ich würde gerne bei Gelegenheit mehr über dich erfahren."

Als Ro im Morgengrauen ins Lager zurückkehrte, war sie todmüde vom Laufen und halb erfroren. Gähnend grüsste sie die Wachen und schritt durch das noch schlafende Lager, bevor sie in ihr Zelt schlüpfte. Es war warm drinnen, vom Kohlebecken. Alastar schlief noch tief und fest. Eine Weile lang kauerte sie sich hin und betrachtete ihn nur, fuhr sanft mit den Fingern über der Haut schwebend seinen Gesichtszügen nach, ohne ihn zu berühren. Sie wusste nicht, ob er schön war. Sie wusste nur, dass er ihr gefiel, weil jede Linie, jede Narbe, jede Form er war. Sie wusste, dass ihr Herz hüpfte vor Freude, wenn sie ihn nur sah oder an ihn dachte. Sie war so froh, dass es ihn gab, und dass er hier war.
Schliesslich erhob sie sich, hängte ihren von geschmolzenem Schnee nassen Mantel an eine der Zeltstangen und zog ihre Rüstung aus, dann setzte sie sich auf die Felle und streifte die Stiefel ab, bevor sie unter die Decken kroch und zu Alastar hin rutschte, bis sie sich berührten und sie seinen warmen Atem auf dem Gesicht spürte. Er regte sich im Schlaf und streckte den Arm nach ihr aus, und ohne lange zu zögern, schlüpfte sie darunter und schmiegte sich an ihn, in seine Wärme.

Als sie irgendwann nach dem Mittag erwachte, war Alastar längst aufgestanden, und kaum, dass sie immer noch leicht verschlafen aus dem Zelt trat, sprang ein Bote von einem der nahen Feuer auf und kam auf sie zugelaufen. "Endlich seid Ihr wach! Ich wart schon den halben Morgen hier. Ihr sollt sofort zu Delkar."
"Wow", meinte Ro überrascht. "Er hat dir echt gesagt, du sollst mich noch schlafen lassen?"
"Nicht direkt", meinte der Bote und zog den Kopf ein. "Aber die da drüben meinten, es sei eine sauschlechte Idee Euch zu wecken, wenn ich meinen Kopf behalten will." Er deutete auf ein paar Söldner, die eben zu Mittag assen. Alastar sass bei ihnen. "Ausserdem war Delkar nicht sicher, ob Ihr überhaupt schon wieder da seid."
Ro nickte, lief schnell hinüber zum Feuer, legte Alastar sanft eine Hand auf die Schulter und schnappte sich ein Stück Brot, bevor sie wieder zurückkam. "So, jetzt zu Delkar. Worum gehts überhaupt?"
"Ein paar Zwerge sind eingetroffen", sagte der Bote. "Sie kommen von Fürst Vorknas."
"Von... Moment, war der nicht in Kor?", fragte sie überrascht.
Der Bote hob nur ratlos die Schultern, und sie schlug einen schnelleren Schritt an, um zu Delkars Zelt zu gelangen.